Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2011, Az. 5 StR 514/09

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 9136

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Nachschlagewerk: ja [X.]St : ja Veröffentlichung : ja [X.] § 16 Abs. 2, § 2 Abs. 2 [X.] § 13 Verbraucherbegriff bei progressiver Kundenwerbung.

[X.], Beschluss vom 24. Februar 2011 [X.] 5 StR 514/09

[X.] [X.] 5 StR 514/09 [X.]BESCHLUSS vom 24. Februar 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. 6. - 2 - 7. 8. 9. wegen progressiver Kundenwerbung - 3 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 24. Februar 2011 beschlossen: Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 26. März 2009 werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als un-begründet verworfen, dass die Vollstreckung der gegen die Angeklagten [X.], [X.], [X.]. , Her. und [X.]. verhängten Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. [X.] der letztgenannten fünf Angeklagten werden die Gebühren und Auslagen des Revisionsverfahrens jeweils um ein Fünftel ermäßigt; die Staatskasse trägt auch ein Fünftel ihrer notwendigen Auslagen.
[X.]e
Das [X.] hat die Angeklagten der progressiven Kundenwer-bung (§ 16 Abs. 2 [X.]) schuldig gesprochen und gegen sie [X.] mit [X.] des Angeklagten [X.], der zu einer Geldstrafe verurteilt wurde [X.] auf Freiheitsstrafen erkannt, wobei jeweils ein Monat (bzw. 30 Tagessätze) we-gen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt wurde. Die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen wurde nur bei einem Teil der Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Versagung der Strafausset-zung zur Bewährung wenden. 1 - 4 - [X.] Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen: 2 1. Die Angeklagten, welche in unterschiedlicher Stellung und in unter-schiedlichen [X.]räumen bei den Unternehmen P. -P.

V. (nach-folgend [X.]) und [X.] tätig waren, vertrieben über die [X.] in der [X.] von Juni 2002 bis April 2006 Seminare der mit ihr eng verwobenen Firmen [X.] und [X.]. Dabei handelte es sich um Fortbildungsseminare zu den The-men Persönlichkeitsentwicklung und Motivation, [X.]management, Rhetorik und Verkauf, welche sich über einen [X.]raum von vier Tagen erstreckten. Die Teilnahme kostete [X.] entsprechend vergleichbaren Seminaren [X.] 3.200 •. Neben den Seminaren wurde auch eine Vertriebsmitarbeit bei der [X.] be-worben; —als Vertriebsmitarbeiter sollten die Interessenten u.a. für den [X.] ([X.]). 3 4 Sämtliche Werbemaßnahmen der [X.] folgten dabei einem einheitli-chen Absatzkonzept, das sich wie folgt gestaltete: Die Maßnahmen richteten sich in erster Linie an Personen, die nach Arbeit oder einer Verdienstmög-lichkeit an den Wochenenden suchten. Zu diesem Zweck schalteten Mitar-beiter der [X.] in verschiedenen [X.]ungen —bewusst kurz gehaltene Annon-cenfi ([X.]), die für Fahrdiensttätigkeiten am Wochenende einen Ver-dienst von 400 bis 500 • in Aussicht stellten. —Die Annoncen enthielten re-gelmäßig keine Hinweise darauf, dass damit eine Vertriebstätigkeit verbun-den sein sollte. Ein Name der Firma, die die Verdienstmöglichkeiten [X.], war nicht angegeben. Der Inhalt der Annoncen differierte leicht, teils war von Nebenbeschäftigung, von Personentransporten, von Fahrdiensten im Nebenberuf, von Nebentätigkeit mit Pkw, von Chauffeurdiensten und Fahrten [X.] ([X.]). Interessenten erhielten auch in tele-fonischen oder persönlichen [X.]en keine näheren Informatio-nen zu der angebotenen Tätigkeit; sie wurden zu einer Präsentationsveran- - 5 - staltung eingeladen, zu welcher sie regelmäßig von Mitarbeitern der [X.] gefahren wurden, —um eine Abreise vor Abschluss der Veranstaltung zu ver-hindernfi ([X.]). Der Veranstaltungsort und das veranstaltende Unter-nehmen waren den Interessenten nicht bekannt. Auf der Fahrt zu den [X.] erhielten die Interessenten ebenfalls keine [X.] Informationen zu der angebotenen Tätigkeit. Die Sitzordnung im [X.] wurde dergestalt vorgegeben, dass auf beiden Seiten des [X.] jeweils ein Mitarbeiter der [X.] Platz nahm. Dadurch [X.] Kontakte zwischen [X.] erschwert. Im Vorfeld der [X.] hatten die Interessenten eine Unkostenpauschale von 35 • zu entrichten. Die Präsentation begann mit einem Vortrag des [X.], der darin [X.] nach zunächst allgemeinen Ausführungen [X.] für die Fortbildungs-seminare warb sowie zeitweise auch für die Vermittlung von [X.], von [X.], von [X.], von Saunen, —Steuerchecksfi und —Vitasol-[X.]binenfi. Im Gegensatz zu den Fortbildungsseminaren konnten die Teilnehmer die weiteren Produkte im [X.] an die Präsentation [X.] nicht erwerben; —sie spielten im Vertriebssystem der [X.] eine sehr un-tergeordnete Rollefi ([X.]). 5 Im Schwerpunkt wurde auch für eine Mitarbeit bei der [X.] zum Ver-trieb der Fortbildungsseminare geworben, wobei den Zuhörern Provisionen in folgender Höhe in Aussicht gestellt wurden: Für jedes erfolgreich vermittelte Seminar sollten sie als —[X.] eine Provision von 550 • brutto erhalten. Bereits nach der Vermittlung von zwei Seminaren soll-te der Anwärter zum —Vertriebsrepräsentantenfi ernannt werden, dessen [X.] es war, seinerseits die Anwärter anzuleiten; die Provision für jedes er-folgreich vermittelte Seminar sollte sich auf 700 • brutto erhöhen. 6 Im [X.] an den [X.] fanden Einzelgespräche mit den Teilnehmern statt, in denen die Verdienstmöglichkeiten nochmals erläutert wurden. —Regelmäßig wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, 7 - 6 - dass eine Mitarbeit bei der [X.] nur bei Buchung und Bezahlung des [X.] möglich seifi ([X.]). Der Interessent schloss den Seminarvertrag ab. Außerdem füllte er in der Regel einen Bewerbungsbogen als Vertriebspartner aus, welcher u.a. folgenden Text enthielt: —Ich bestätige mit meiner Unter-schrift, dass die Abnahme der/des von der [X.] vermittelten Produkte(s) [X.] nicht als Voraussetzung oder Bedingung einer etwaigen Mitarbeit beim [X.] dargestellt wurde, sondern dass [X.] vielmehr zur [X.]nntnis gebracht wurde, dass eine Mitarbeit [X.] und damit auch die [X.] vorgestellten Verdienstmöglich-keiten durch Produktvermittlung [X.] auch ohne eigene Produktabnahme mög-lich ist. [X.] ich [X.] zur Abnahme der/des Produkte(s), geschieht dies, weil [X.] diese(s) überzeugt habenfi ([X.]). 8 Tatsächlich wurde jedoch die Buchung und Bezahlung eines Seminars regelmäßig als Voraussetzung für eine Vertriebsmitarbeit bei der [X.] ver-langt; dabei kam es, —den Umworbenen bei Abschluss des [X.] regelmäßig auf die Berechtigung zur Teilnahme am Vertriebssystem mit den entsprechenden [X.] und nicht auf die Seminarteilnahme [X.] ([X.]). Ein Vertriebsmitarbeitervertrag wurde zumeist erst im Rahmen der [X.] Präsentationsveranstaltung etwa eine Woche später unterzeichnet und ausgehändigt. Voraussetzung dafür war, dass der Kunde die Seminar-gebühr bezahlt hatte oder zumindest eine Ratenzahlungsvereinbarung bzw. eine Vereinbarung über die Verrechnung mit Provisionsansprüchen getroffen worden war. 9 Die neu geworbenen Vertriebsmitarbeiter fuhren sodann Neuinteres-senten zu einer der nachfolgenden [X.], auf wel-cher diese —auf die gleiche Art und unter dem Versprechen der gleichen Pro-visionenfi ([X.]) zu der Zahlung einer Seminargebühr und —damit dem Systembeitrittfi ([X.]) bewogen werden sollten. 10 - 7 - Insgesamt wurden im Tatzeitraum dergestalt mindestens 4.605 Per-sonen umworben; es wurden 3.959 Seminare erfolgreich vermittelt. 11 2. Das [X.] hat das Verhalten der Angeklagten als eine ein-heitliche Straftat der progressiven Kundenwerbung gemäß § 16 Abs. 2 [X.] gewertet. Die Angeklagten hätten sich an Verbraucher im Sinne dieser Vor-schrift gewandt. Maßgeblich hierfür sei weder der [X.]punkt der [X.], noch derjenige der Buchung des Seminars, sondern die Kontaktanbahnung bis hin zur Anfahrt zu den [X.]. Während dieses [X.]raums seien die Interessenten noch in der Informations- und Entscheidungsphase gewesen. Solange sie aber noch [X.] Entscheidung in Richtung einer unternehmerischen Tätigkeit getroffen hätten, bestehe bei ihnen die [X.] fort. Hierüber hätten sich die Angeklagten auch in keinem Irrtum (§ 17 StGB) befunden. Dies zei-ge sich schon daran, dass sie in den Mitarbeiterverträgen den Passus [X.] hätten, dass die Mitarbeit nicht vom Erwerb eines Seminars abhän-gig gemacht worden sei. 12 Das [X.]ttenelement liege darin, dass der einzelne Abnehmer weitere Abnehmer habe werben sollen, denen gegenüber wiederum dieselben [X.] erfolgen sollten. Insgesamt handele es sich um ein einheitli-ches Absatzkonzept. Dies begründe eine Tat im Rechtssinne, die von den Angeklagten gemeinschaftlich begangen worden sei. 13 I[X.] Die Revisionen sind mit der Sachrüge nur insoweit teilweise erfolg-reich, als das [X.] fünf Angeklagten eine Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafen zur Bewährung versagt hat. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Ausführungen bedarf ergänzend zum Antrag des [X.] nur Folgendes: 14 - 8 - 1. Hinsichtlich der Angeklagten [X.] und [X.].

ist kein Strafklageverbrauch eingetreten. Gegen diese Angeklagten wurde zwar von der Staatsanwaltschaft [X.] wegen eines Vergehens nach § 16 Abs. 2 [X.] ermittelt und das Verfahren nach Erfüllung einer Geldauflage gemäß § 153a StPO eingestellt. Das [X.] führt jedoch zutreffend aus, dass die diesen Angeklagten vorgeworfene Tat (Anwerbung des Zeugen [X.]im November 2006) außerhalb des abgeurteilten [X.] lag, der bis Ende April 2006 andauerte. Als Endpunkt hat die [X.] den von den Angeklagten zu diesem [X.]punkt gefassten Entschluss gewertet, die [X.] zu beenden und das System innerhalb einer neuen Gesellschaft, der [X.], weiterzuführen. In der Verlagerung der Geschäftstätigkeit auf eine [X.] Firma hat das [X.] zutreffend einen neuen [X.] [X.], der zugleich das ursprüngliche Organisationsdelikt [X.] bezogen auf die [X.] [X.] beendete. Dass die Vertriebstätigkeit durch die [X.] im Juli 2006 wie-deraufgenommen wurde, stellt abermals einen neuen [X.] dar und lässt nicht etwa die ursprüngliche Tat wieder aufleben. 15 16 Diese Ausführungen des [X.]s lassen keinen Rechtsfehler er-kennen. Ein Strafklageverbrauch durch die Verfahrenseinstellung eines Teil-aktes (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 26. August 2003 [X.] 5 [X.], [X.]St 48, 331, 343) kommt schon allein deshalb nicht in Betracht, weil [X.] nicht dieselbe prozessuale Tat betrifft und außerhalb des [X.] steht. Die Angriffe der Revision gegen die Feststellungen des [X.]s hierzu bleiben ohne Erfolg. Die Verfahrensrügen, insoweit die Ablehnung von Beweisanträgen betreffend, die sich auf eine durchgängige Tätigkeit der [X.] beziehen, sind aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet. Es bestand angesichts des in den Urteilsgründen darge-stellten [X.] für die [X.] auch kein Anlass zu [X.] (freibeweislicher) Nachforschung, ob die [X.] durchgängig im Jahr 2006 ein System progressiver Kundenwerbung betrieb (zur Frage, inwieweit 17 - 9 - eine freibeweisliche Feststellung von tatsächlichen Voraussetzungen eines Verfahrenshindernisses in Betracht kommt, vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2001 [X.] StB 4 und 5/01, [X.]St 46, 349, 353; [X.], Urteil vom 19. Oktober 2010 [X.] 1 StR 266/10, zur Veröffentlichung in [X.]St bestimmt, NJW 2011, 547). Soweit die Verteidigung hierzu auf die angebotenen [X.]und [X.]. verweist, ist nicht ersichtlich, in welcher Funktion und wo im Einzelnen die Zeuginnen für die [X.] tätig gewesen sein sollen. Ebenso wenig lässt sich erkennen, ob sie im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Seminaren gearbeitet haben. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die weiterhin als Zeugin benannte D. [X.] , die hauptsächlich mit Büroarbeiten betraut war. 18 Im Übrigen würde selbst ein Fortbestand der [X.] den Ansatz des [X.]s nicht in Frage stellen. Maßgeblich hierfür ist nämlich, dass in der Verlagerung der Geschäftstätigkeit (und deren Modifizierung) ein neuer [X.] zu sehen ist, der zugleich eine neue und selbständige Tat im Sinne des § 264 StPO begründet. Dem steht nicht entgegen, dass die [X.] in ihrer gesellschaftsrechtlichen Struktur weiter bestanden hat, zumal sie ja später auch tatsächlich reaktiviert wurde. Jedenfalls sollte sie nicht mehr Träger des Systems progressiver Kundenwerbung sein. Insofern [X.] ein Fortbestand der [X.] nicht der Auffassung des [X.]s, dass mit der Übertragung der Seminarwerbung auf die [X.] ein neuer Tatent-schluss verbunden, die ursprüngliche Tat (über die [X.]) mithin [X.] war. Damit kann der Einzelvorgang einer progressiven Kundenwerbung, der zur Einstellung nach § 153a StPO durch die Staatsanwaltschaft [X.] geführt hat, nicht mehr Teil des Organisationsdelikts sein, weshalb ein Straf-klageverbrauch ausscheidet. 2. Soweit die Beschwerdeführer die Ablehnung von Beweisanträgen auf die Vernehmung Hunderter von Zeugen in Anlehnung an eine [X.] freilich schwer nachvollziehbare [X.] Beweismittelauflistung in der Anklage beanstan-den, scheitern die [X.] auch an den Grundsätzen der Rechtsprechung zur 19 - 10 - Konnexität bei fortgeschrittener Beweisaufnahme ([X.], Urteil vom 10. [X.] 2008 [X.] 5 StR 38/08, [X.]St 52, 284). 3. Die Schuldsprüche wegen progressiver Werbung halten rechtlicher Überprüfung stand. 20 a) Das [X.] hat rechtsfehlerfrei die [X.] der Interessenten bejaht. 21 aa) Der Straftatbestand des § 16 Abs. 2 [X.] wurde im Rahmen der Neufassung des [X.] ([X.] I, [X.]14) in Bezug auf den geschützten Personenkreis modifiziert. Während die Vorgängervorschrift des § 6c [X.] a.F. noch sämtliche Nicht-kaufleute erfasste, beschränkte die Neufassung der Strafvorschrift den Schutzbereich auf Verbraucher, weil nur insofern ein erhebliches [X.] bestehe (BT-Drucks. 15/1487, [X.]). 22 23 Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb enthält dabei keine ei-gene Definition des Verbraucherbegriffs, sondern erklärt in § 2 Abs. 2 [X.] die Vorschrift des § 13 [X.] für entsprechend anwendbar. Danach ist Verbraucher eine natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen berufli-chen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Im Gegensatz dazu steht [X.] Handeln, das durch die Definition des Unternehmerbegriffs (§ 14 Abs. 1 [X.]) gesetzlich bestimmt ist als Abschluss von [X.] für eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit. Für die Abgrenzung ist nicht der innere Wille des Handelnden ent-scheidend, sondern es gilt ein objektivierter Maßstab. Ob eine Tätigkeit als selbständige zu qualifizieren ist, bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Rechtsgeschäfts, in die erforderlichenfalls die Be-gleitumstände einzubeziehen sind ([X.], Urteil vom 15. November 2007 24 - 11 - [X.] III ZR 295/06, [X.], 435; [X.]/[X.], [X.], 70. Aufl., § 13 Rn. 3 f.). Ausgeschlossen vom Verbraucherbegriff ist nur jedwedes selbstän-diges berufliches oder gewerbliches Handeln. Auch ein Arbeitnehmer wird bei Rechtsgeschäften in Beziehung auf sein Arbeitsverhältnis als Verbrau-cher angesehen ([X.] [X.] [X.]mmer [X.], NJW 2007, 286, 287; Münch-Komm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 13 Rn. 46). Unternehmer- und nicht Verbrau-cherhandeln liegt allerdings vor, wenn das maßgebliche Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird ([X.], Beschluss vom 24. Februar 2005 [X.] III ZB 36/04, [X.]Z 162, 253, 256 mwN; Pa-landt/[X.] aaO; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 13 Rn. 16; aA [X.], aaO, Rn. 54). Dies gilt indes nicht, solange die getroffene [X.] noch nicht Bestandteil der Existenzgründung selbst ist, sondern sich im Vorfeld einer solchen bewegt und die Entscheidung, ob es überhaupt zu [X.] Existenzgründung kommen soll, erst vorbereitet ([X.], Urteil vom 15. November 2007 [X.] III ZR 295/06, [X.], 435). Bewegt sich das rechtsgeschäftliche Handeln im Vorfeld einer Existenzgründung, über die noch nicht definitiv entschieden ist, ist es noch nicht dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen. Solche Aktivitäten in der [X.] betreffen daher Verbraucherhandeln (vgl. [X.] aaO). [X.] [X.]punkt der Beurteilung der [X.] ist dabei im Rahmen des § 16 Abs. 2 [X.] nicht der [X.]punkt des [X.]; abzustellen ist vielmehr auf den [X.]punkt, in welchem der [X.] erstmals durch das Absatzkonzept des Veranstalters in der Weise angesprochen wird, dass die Werbung unmittelbar in die Abnahme des Pro-dukts einmünden soll. 25 Das Lauterkeitsrecht entfaltet seine verbraucherschützende Funktion bereits im Vorfeld von Vertragsanbahnungen und auch in solchen Fällen, in denen [X.] wie bei der bloßen Sympathiewerbung (Imagewerbung) eines Un-ternehmens [X.] eine Vertragsanbahnung nicht in Rede steht ([X.] in [X.] - 12 - per/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 2 Rn. 85; [X.], [X.], 449, 451). In diesem Zusammenhang ist auch die durch § 2 Abs. 2 [X.] lediglich ent-sprechend [X.] d.h. sinngemäß [X.] angeordnete Geltung des [X.] zu sehen. Da nach § 16 Abs. 2 [X.] das Verhalten im [X.] auf den Abschluss eines Rechtsgeschäftes pönalisiert wird, bestimmt sich danach auch der Verbraucherbegriff. Maßgeblich ist deshalb, ob die [X.] in dem [X.]punkt, in welchem sie durch die Werbemaßnahmen an-gesprochen werden, Verbraucher sind ([X.] in Köhler/[X.], [X.], 29. Aufl., § 16 Rn. 36). [X.]) Für diese Auslegung des § 16 Abs. 2 [X.] sprechen zudem der Schutzzweck der Norm und deren Deliktscharakter. § 16 Abs. 2 [X.] ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt ([X.]/[X.], Strafrechtliche Ne-bengesetze, Stand: Oktober 2009, § 16 [X.] Rn. 124; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 16 Rn. 32; [X.] aaO, § 16 Rn. 4; [X.], aaO, § 16 Rn. 36). [X.] ist der generelle Schutz geschäftlich unerfahrener Personen vor der Verstrickung in [X.], die schon ihrer Anlage nach für sie ein gefährliches, schadensträchtiges Risiko zum Inhalt haben ([X.] aaO, Rn. 123). Der Abnehmer soll vor Täu-schung, glücksspielartiger Willensbeeinflussung und Vermögensgefährdung geschützt werden (BT-Drucks. 10/5058, S. 38 f., ähnlich BT-Drucks. 9/1707, [X.]). Zur Erfüllung des Tatbestandes ist es nicht erforderlich, dass [X.] auf das System —hereinfallenfi ([X.] aaO; [X.] aaO) und einen Vertrag abschließen. Vielmehr genügt das Herbeiführen einer gefahrenvollen Situation, mithin die Verfolgung des als Schneeballsystem stukturierten [X.] durch Werbemaßnahmen. 27 cc) Aufgrund der Ausgestaltung des Straftatbestandes als [X.] ist die Tat bereits vollendet, wenn der Täter versucht, das Werbe- und Vertriebssystem in Gang zu setzen ([X.]/[X.] in Münch-KommStGB, [X.], [X.], 2010, § 16 Rn. 96). Nach allgemeinen Regeln muss er dazu zur Tat unmittelbar angesetzt haben. Das Verhalten 28 - 13 - des [X.] muss darauf gerichtet sein, den geschützten Personenkreis zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten zu veranlassen (vgl. [X.] aaO, Rn. 36; [X.]/[X.] aaO, Rn. 97; [X.] aaO, Rn. 143; [X.] aaO). Zur Tatbestandsvollendung gehört daher jede Hand-lung im Rahmen des nach § 16 Abs. 2 [X.] tatbestandlichen Werbesys-tems, die geeignet ist, das Ziel zu erreichen ([X.] aaO, Rn. 129). [X.] ist daher, ob in diesem [X.]punkt [X.] nicht bei Vertragsabschluss [X.] sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Deshalb kann es hier [X.], ob die Interessenten beim Abschluss der Seminarverträge etwa nicht mehr Verbraucher waren. [X.]) Europäisches Gemeinschaftsrecht steht dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar ist der so zu bestimmende Verbraucherbegriff im Verhältnis zu dem der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ([X.] 2005/29/[X.], [X.] L 149, 22) zugrunde liegenden Verbraucherbegriff möglicherweise um-fassender. Da der [X.] Verbraucherbegriff jedoch einerseits den An-wendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken begrenzt, andererseits aber die im Übrigen einschlägige Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung ([X.] 84/450/[X.], [X.] L 250, 17) nur einen Mindest-, aber keinen Höchstschutz vorgibt, ist ein Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht nicht [X.]; denn eine Verstärkung des Verbraucherschutzes über den Standard der Richtlinien hinaus ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar (BT-Drucks. 16/10145, S. 11 f.; [X.] aaO, § 2 Rn. 89; [X.] aaO, § 16 Rn. 36; [X.]/[X.] aaO, Rn. 3). 29 ee) Das [X.] hat für die Prüfung, ob die von den Werbemaß-nahmen angesprochenen Interessenten als Verbraucher anzusehen sind, auf den [X.]punkt abgestellt, als diese das erste [X.] aufnahmen, spätestens aber als sie zu den [X.] gefahren [X.]. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Schon in dieser Pha-se waren sie von Seiten der Angeklagten Werbemaßnahmen ausgesetzt. Bis 30 - 14 - dahin war keinesfalls etwa eine Entscheidung im Sinne einer —Existenzgrün-dungfi für eine selbständige Tätigkeit gefallen. Die Interessenten befanden sich [X.] wie auch die mitgeteilten Zeugenaussagen belegen [X.] in einer Phase der Vorinformation und Willensbildung und waren damit keine Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 [X.], sondern Verbraucher im Sinne des § 13 [X.]. Abgesehen davon, dass der Inhalt der Annoncen nicht ohne weiteres auf eine selbständige Tätigkeit schließen ließ, sondern bewusst offen gehal-ten war und sowohl im Sinne einer arbeitnehmerähnlichen als auch einer kleinunternehmerischen Tätigkeit verstanden werden konnte, war jedenfalls bis dahin noch kein Entschluss für die Aufnahme einer selbständigen Tätig-keit getroffen. Dies gilt sogar für die Präsentationsveranstaltung selbst, weil auch diese der Information der Teilnehmer gedient hat, die noch nicht [X.] waren. 31 Diese Phasen der Anwerbung waren bei dem [X.] des § 16 Abs. 2 [X.] bereits tatbestandsmäßig. Die Anwerbung, beginnend mit dem Schalten der [X.]ungsannoncen, war nach dem [X.] der [X.] bereits darauf angelegt, den Verkauf der Seminare herbeizuführen. [X.] ab Beginn der Präsentationsveranstaltung war das Unternehmensde-likt des § 16 Abs. 2 [X.] vollendet, mithin zu einem [X.]punkt, in dem die Interessenten noch Verbraucher waren. Ihre mögliche spätere Entscheidung, als Vertriebsrepräsentant tätig zu werden, spielt dabei [X.] ungeachtet der [X.], ob sie als —[X.] zu qualifizieren wäre [X.] keine Rolle. Nur bei einer solchen [X.] mit dem Wortsinn und der Systematik des Gesetzes überein-stimmenden [X.] Auslegung kann ein effektiver Schutz vor unlauterer Werbung durch die Eröffnung zweckwidriger Umgehungsmaßnahmen gewährleistet werden. b) Das [X.] hat das [X.]ttenelement im Sinne des § 16 Abs. 2 [X.] rechtsfehlerfrei bejaht. Es hat festgestellt, dass faktische Vorausset-zung für die Beauftragung als Vertriebsmitarbeiter der Erwerb einer Seminar-veranstaltung war. Damit hat es der gegenteiligen Klausel in den [X.] - 15 - verträgen keine Geltung beigemessen, diese vielmehr nur als Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse gewertet ([X.] ff.). Die hiergegen gerich-teten Verfahrensrügen bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antrags-schrift des [X.] ohne Erfolg. Da die Buchung der Teilnahme an den Motivations- und Ausbildungs-seminaren als Bedingung dafür behandelt wurde, dass die [X.] selbst diese Seminare gegen Provisionen vertreiben durften, liegt das [X.]ttenelement vor. Dieser Bedingungszusammenhang erfüllt den Tatbestand des § 16 Abs. 2 [X.], weil der geworbene Mitarbeiter nur dadurch besonde-re Vorteile erlangen kann, indem er andere zum Abschluss gleichartiger Ge-schäfte veranlasst. Hierdurch wird nämlich ein Schneeballsystem dergestalt begründet, dass der Vertriebsmitarbeiter ein Produkt erwerben muss und sich nur durch die Einwerbung neuer Kunden refinanzieren kann. Für den Fall einer weiteren Anwerbung erhöhte sich die Provision ebenso, wie eine Beteiligung für den mittlerweile in der Hierarchie aufgestiegenen Vertriebs-mitarbeiter für den Fall vorgesehen war, dass untergeordnete Vertriebsmitar-beiter Käufer anwerben (vgl. UA [X.]5 ff.). Damit weist das [X.] auf, die nach ihrer Beeinflussungswirkung geeignet sind, die typische Dynamik eines Systems der progressiven Kundenwerbung in Gang zu set-zen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Oktober 1997 [X.] 5 StR 223/97, NJW 1998, 390, zu § 6c [X.] a.F.). 33 4. Die Angeklagten unterlagen [X.] wie das [X.] rechtsfehlerfrei ausgeführt hat [X.] keinem Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB. Ausreichende [X.] liegt bereits dann vor, wenn der Täter bei der Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in [X.]uf nimmt (st. Rspr.: [X.], Urteile vom 3. April 2008 [X.] 3 StR 394/07, [X.]R StGB § 17 Vermeidbarkeit 8; vom 25. Juni 2008 [X.] 5 [X.], [X.]St 52, 307, 313; vom 17. Juli 2009 [X.] 5 StR 394/08, insoweit in [X.]St 54, 44 nicht abgedruckt; Beschlüsse vom 23. Dezember 1952 [X.] 2 StR 612/52, [X.]St 4, 1, 4; vom 1. Juni 1977 [X.] KRB 3/76, [X.]St 27, 196, 202); es genügt mithin 34 - 16 - das Bewusstsein, die Handlung verstoße gegen irgendwelche, wenn auch im Einzelnen nicht klar vorgestellte gesetzliche Bestimmungen ([X.], Beschluss vom 4. November 1957 [X.] GSSt 1/57, [X.]St 11, 263, 266). Der vom Tatgericht gezogene Schluss, die der festgestellten Praxis diametral entgegenstehenden Formulierungen in den Mitarbeiterverträgen belegten, dass die Angeklagten mit der Möglichkeit einer Strafbarkeit rechne-ten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Tatzeitraum zivilrechtliche Urteile von Amts- und [X.]en einen [X.] gegen § 16 Abs. 2 [X.] mangels [X.] der [X.] verneinten. Die Aussagekraft dieser Entscheidungen war schon [X.] vermindert, dass für das den Einzelfall beurteilende Zivilgericht das sich nur aus einer Gesamtbetrachtung erschließende System der progressi-ven Kundenwerbung praktisch nicht zu erkennen war. Zudem waren die An-geklagten [X.] wie das [X.] in den Urteilsgründen im Einzelnen ausge-führt hat [X.] durch zahlreiche strafrichterliche Entscheidungen vorgewarnt, die eine Strafbarkeit inzident bejahten. Das von den Angeklagten verfolgte Sys-tem der progressiven Kundenwerbung war jedenfalls darauf ausgerichtet, eine von ihnen so verstandene rechtliche Grauzone auszunutzen. Dies setzt dann aber regelmäßig eine gedankliche Auseinandersetzung mit den [X.] strafbaren Verhaltens voraus und schließt, wenn höchstrichterliche Ent-scheidungen noch nicht vorliegen, jedenfalls die Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen ([X.] [X.] [X.]mmer [X.], NJW 2006, 2684, 2686; [X.], Urteil vom 8. Dezember 2009 [X.] 1 [X.], [X.]St 54, 243, 258). Dass die Angeklagten selbst von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Strafbarkeit ihres Verhaltens ausgin-gen, zeigen gerade auch ihre Bemühungen, sowohl in vorformulierten [X.] als auch in Vertriebsmitarbeiterverträgen die tatsächliche Kopplung von Seminarerwerb und Mitarbeit bei der Firma [X.] zu verschlei-ern (vgl. dazu [X.], Urteil vom 15. August 2002 [X.] 3 StR 11/02, NJW 2002, 3415, 3417). 35 - 17 - 5. [X.]inen Bestand hat das landgerichtliche nur insoweit, als bei den Angeklagten [X.] , [X.] , [X.]. , Her. und [X.]u.

die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen nicht zur Bewährung aus-gesetzt wurde. Die [X.] begründet dies damit, dass die Angeklagten bis zum Plädoyer der Staatsanwältin eine entsprechende Tätigkeit fortgesetzt hätten. Dieser Gesichtspunkt trägt unter der hier gegebenen besonderen Voraussetzung, dass die Praxis der Zivilgerichte und der [X.] zu den hier zu entscheidenden Fragen durchaus ambivalent gewesen ist, die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht. Zudem haben auch diese Angeklagten jedenfalls nach dem ersten Plädoyer der [X.] ihre Tätigkeit eingestellt. Dies weist darauf hin, dass sie sich allein die strafgerichtliche Verurteilung zur Warnung dienen lassen werden. 36 37 Der Senat setzt bei diesen [X.] sämtlich unbestraften und sozial einge-ordneten [X.] Angeklagten die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung aus. Es sind keine Umstände ersichtlich, die bei ihnen eine Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen könnten, die vom [X.] bei einem Mitangeklagten ohne weiteres auch für eine Freiheitsstrafe über einem Jahr nach § 56 Abs. 2 StGB gewährt worden ist. Die hierzu erforderlichen Nebenentscheidungen werden dem [X.] übertragen. 38 [X.] Raum Brause Schaal König

Meta

5 StR 514/09

24.02.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2011, Az. 5 StR 514/09 (REWIS RS 2011, 9136)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9136

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5 StR 514/09

1 StR 266/10

5 StR 109/07

5 StR 394/08

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