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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 86/15
vom
28. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Einschleusens von Ausländern
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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf
dessen Antrag -
am 28.
April 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6.
Oktober 2014 aufgehoben, soweit die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.].
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einschleusens von [X.] zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung hat es [X.]. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegrün-det im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Schuldspruch wegen Einschleusens von Ausländern hält im Er-gebnis sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Der näheren Erläuterung bedarf nur Folgendes:
Die Ausländer, die der Angeklagte durch Ausfüllen der von ihnen [X.], gefälschten [X.] unterstützte, reisten in das [X.] ein, als sie am [X.] [X.] Hoheitsgebiet betraten. Insoweit gilt:
Nach § 13 Abs.
1 Satz
1 [X.] ist die Einreise in das [X.] nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetz-ten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschrif-ten oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist die Einreise erst vollendet, wenn der Ausländer die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat (§ 13 Abs.
2 Satz
1 [X.]), in allen übrigen Fällen ist ein Ausländer ein-gereist, wenn er die Grenze überschritten hat (§ 13 Abs.
2 Satz
3 [X.]). Diese nationalen Regelungen für den Grenzverkehr werden -
gemeinschafts-rechtlich verbindlich -
überlagert durch die Verordnung ([X.]) 562/2006 vom 15.
März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen ([X.], [X.]), durch den die ent-sprechenden Vorschriften im Übereinkommen zur Durchführung des [X.] vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der [X.] der [X.], der [X.] und der [X.] betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen, [X.]) aufgehoben worden sind (vgl. Art. 39 Abs. 1 [X.]). Nach Art. 20 [X.] dürfen die Binnengrenzen zwischen Mitgliedstaaten der [X.] 2
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unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person jederzeit oh-ne Personenkontrollen überschritten werden. Dieser Wegfall der Grenzkontrol-len und der Abbau der Grenzübergangsstellen hat zur Folge, dass sich der Grenzübertritt in das [X.] an einer Binnengrenze zu einem anderen Mitgliedstaat der [X.] nicht mehr nach § 13 Abs.
2 Satz
1
[X.] richtet, sondern nach §
13 Abs.
2 Satz
3 [X.]; ein Ausländer ist mithin an einer Binnengrenze bereits dann eingereist, wenn er die Grenzlinie körperlich überschritten und das [X.] betreten hat ([X.], Urteil vom 26.
Februar 2015 -
4 [X.], juris Rn.
21 mwN). Für die Einreise auf dem Luftweg ist zu differenzieren zwischen Flügen aus einem anderen Mitgliedstaat (Binnenflug, vgl. Art. 2 Nr. 3 [X.]) und solchen, die aus einem Drittstaat kom-men (vgl. [X.], Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl. 2011, S.
113): Im Fall der Einreise mit einem Binnenflug findet eine Grenzkontrolle gleichfalls nicht statt; der Ausländer ist mithin nach § 13 Abs.
2 Satz
3 [X.] mit Über-schreiten der Grenze eingereist. Nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. b [X.] gilt der Flug-hafen am Zielort als Binnengrenze, so dass die Einreise mit dem Betreten des [X.]es am Flughafen vollendet ist ([X.] aaO mwN; aA [X.] aaO; [X.] in: [X.], [X.], § 95 Rn.
117: Einfliegen in den [X.]).
Es kommt hingegen nicht darauf an, ob der Ausländer bereits den öffent-lichen Bereich des Flughafengeländes betreten oder gar den Flughafenbereich verlassen hat; diese Merkmale können nur indizielle Bedeutung für die Frage erlangen, ob der Ausländer eine Grenzübergangsstelle passiert hat, knüpfen mithin an die -
bei [X.] gerade nicht gegebene -
Grenzsituation nach §
13 Abs.
2 Satz
1 [X.] an. Diese liegt nur vor, wenn der Flug aus einem Drittstaat kommt und der Flughafen deshalb nach Art. 2 Nr. 2 in Verbindung mit 5
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Art. 2 Nr. 1 Buchst. b [X.] als Außengrenze gilt, und sich dort zugleich die Grenzübergangsstelle im Sinne von Art. 2 Nr. 8 [X.] befindet.
Hier kam der
Flug, mit dem der Angeklagte und die von ihm [X.] in [X.] (zwischen-)landeten, aus [X.], also aus einem Mitgliedstaat; der Weiterflug nach [X.] hatte ebenfalls einen Schengen-Staat zum Ziel. Die [X.] reisten mithin ein, indem sie das [X.] am Flughafen betraten, ohne dass es -
worauf der [X.] in seiner Zuschrift abstellen wollte -
darauf ankommt, welche Reisedokumente sie mit sich führ-ten.
2. Auch der Ausspruch über die verhängte Freiheitsstrafe hält rechtlicher Überprüfung stand. Die Entscheidung, mit der das [X.] die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt hat, kann hin-gegen nicht bestehen bleiben.
Die [X.] hat zur Frage der Sozialprognose im Sinne von §
56 Abs.
1 StGB darauf abgestellt, dass der Angeklagte die Tat nicht allein aus humanitären Gründen begangen habe, sondern in Verbindung zu professionel-len Schleuserkreisen stehe. Im Übrigen habe er infolge der Inhaftierung in die-ser Sache seinen Arbeitsplatz und seine Wohnung in [X.] verloren; die De-stabilisierung der Lebensverhältnisse lasse es befürchten, dass er die [X.] wieder und vermehrt aufsuchen werde.
Diese Erwägungen begegnen in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken: In der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hat das [X.] über mehrere Seiten ausgeführt, dass und warum es sich nicht von einem gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten hat überzeugen [X.]. Es hat darüber hinaus festgestellt, dass sich der Angeklagte bereits kurze 6
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Zeit nach seiner eigenen Flucht aus [X.] im Jahr 2003 einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge aus [X.] anschloss, in der er einer von mehreren Schatzmeis-tern sei und sich unter anderem um Einnahmen und Ausgaben für Flüchtlinge aus [X.] in [X.] kümmere. Angesichts dessen ist die Wertung, der Ange-klagte habe "nicht nur" aus humanitären Gründen gehandelt, nicht belegt; an-dere Gründe hat die [X.] nicht benannt. Solche ergeben sich insbe-sondere nicht aus dem Umstand,
dass der Angeklagte in Verbindung zu pro-fessionellen Schleuserkreisen stehe, denn ein solcher Kontakt, der auch ledig-lich die Art der Hilfeleistungen für die geschleusten Ausländer betreffen kann, steht humanitären Motiven des Angeklagten nicht notwendig entgegen.
Ohne jeden Beleg bleibt zudem die Annahme des [X.]s, der An-geklagte werde sich infolge des Verlusts seiner Arbeitsstelle und seiner Woh-nung in [X.] "wieder und vermehrt" Schleuserkreisen zuwenden. Da die [X.] ein gewerbsmäßiges Verhalten des Angeklagten oder auch nur eine Entlohnung für seine Unterstützungstätigkeit nicht festgestellt hat, stellt es sich als bloße Mutmaßung dar, dass der Verlust der Wohnung und der [X.] den seit über zehn Jahren straffrei in [X.] lebenden und nach den Fest-stellungen stets einer legalen Erwerbstätigkeit nachgehenden Angeklagten nunmehr motivieren sollte, ein Einkommen aus illegalen Schleusertätigkeiten zu erzielen.
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Erweist sich die Verneinung einer günstigen Sozialprognose damit als rechtsfehlerhaft, muss über die Frage der Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung neu verhandelt und entschieden werden.
[X.]
Mayer
Gericke Spaniol
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Meta
28.04.2015
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2015, Az. 3 StR 86/15 (REWIS RS 2015, 11986)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 11986
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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