Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.12.2019, Az. 7 B 5/19

7. Senat | REWIS RS 2019, 72

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Gegenstand

Ausnahme von den Bewirtschaftungszielen nach dem Wasserhaushaltsgesetz


Leitsatz

Die Ausnahmemöglichkeit nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG erlaubt eine Verschlechterung sowohl des mengenmäßigen als auch des chemischen Zustandes, solange diese auf einer Veränderung der physischen Gewässereigenschaft oder des Grundwasserstandes beruht.

Gründe

I

1

Der Kläger ist eine anerkannte Umweltvereinigung. Er wendet sich gegen eine der Beigeladenen, einem Bergbauunternehmen, erteilte wasserrechtliche Erlaubnis. Gegenstand der [X.] erteilten und bis zum Ende des Jahres 2022 befristeten Erlaubnis ist die Entnahme, das [X.] und [X.] von Grundwasser sowie dessen Einleitung in den öffentlichen Vorfluter und dessen Absenkung und Umleitung im Zusammenhang mit der erforderlichen [X.]. Nach der Bescheidbegründung dient die Erlaubnis der Fortführung des Tagebaus sowie dem Erhalt wasserabhängiger Landschaftsbestandteile und Schutzgebiete im Umfeld des Tagebaus. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass schädliche Gewässerveränderungen nicht zu erwarten seien, da der [X.] in nicht zu beanstandender Weise vom Vorliegen einer Ausnahme von den strengen [X.]n für das Grundwasser habe ausgehen dürfen. Zwar könnten die durch § 47 Abs. 1 [X.] normierten [X.] für das Grundwasser nicht eingehalten werden. Der [X.] habe nach § 47 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1 [X.] aber von einer Ausnahme ausgehen dürfen. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 [X.] seien erfüllt. Ein Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und das Erhaltungs- bzw. Verbesserungsgebot für Oberflächengewässer nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 [X.] liege nicht vor. Ein Verstoß gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften sei ebenfalls nicht gegeben. Der [X.] habe schließlich sein Bewirtschaftungsermessen fehlerfrei ausgeübt.

II

3

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

4

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache dann, wenn in einem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, also näher erläutert werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 7 B 4.17 - juris Rn. 6). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.

5

Den von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,

"1. Ist bei einer wasserrechtlichen Entscheidung, die das Entnehmen, [X.], [X.] und Ableiten von Grundwasser für einen begrenzten Zeitraum einer bergbaulichen Tätigkeit ausnahmsweise erlaubt, der [X.] von der ersten Entnahme des Grundwassers aus dem [X.] nach Maßgabe der wasserrechtlichen Entscheidung bis zum Wiederanstieg des Grundwassers im [X.] zu betrachten?

2. Ist § 47 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] im Rahmen einer Ausnahmeprüfung für ein Vorhaben, dessen Zulassung eine bezweckte menschliche Tätigkeit (Bergbautätigkeit) überhaupt erst ermöglicht, bei unionsrechtskonformer Auslegung nach Maßgabe der [X.]/[X.] so zu verstehen, dass die Veränderung des mengenmäßigen Zustandes des [X.]s jegliche Veränderung des [X.]s auch in chemischer Hinsicht bedingen darf, und zwar unabhängig davon, ob die chemische Veränderung allein aus der ausnahmsweise erlaubten Veränderung des mengenmäßigen Zustandes des [X.]s herrührt oder ob die chemische Veränderung zumindest auch oder gar in erheblichem Umfang aus weiteren Vorgängen (Bergbautätigkeit), insbesondere der Veränderung des das Grundwasser ursprünglich beinhaltenden [X.]s durch die weitere beabsichtigte menschliche Tätigkeit, wegen der die wasserrechtliche Erlaubnis erteilt wurde, herrührt?

3. Umfassen die Begriffsdefinitionen des Art. 2 Nr. 12 und 11 [X.]/[X.] zur Bestimmung des [X.]s denjenigen [X.], der natürlicherweise grundwassergesättigt ist, unabhängig davon, ob er aus Gründen menschlicher Tätigkeit vorübergehend nicht grundwassergesättigt ist?

4. Werden Veränderungen des [X.]s hinsichtlich seines chemischen Zustandes - etwa Versorgung, Eisenverwitterung, Anstieg von [X.] und Anstieg des [X.] -, die nicht allein wegen der Grundwasserentnahme und der damit möglichen Belüftung des [X.]s entstehen, sondern durch Umschichtungen des [X.]s infolge menschlicher Tätigkeiten in erheblichem Maße verstärkt werden, von der Ausnahmemöglichkeit nach Art. 4 Abs. 7 1. Spiegelstrich [X.]/[X.] gedeckt?",

kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

6

1. Der ersten Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie für die Entscheidung des [X.] nicht tragend war. Das Oberverwaltungsgericht hat die aufgeworfene Frage eindeutig bejaht, indem es ausgeführt hat, dass maßgeblich nur eine prognostische Beurteilung des chemischen Zustandes sein könne, die den Wiederanstieg des Grundwassers einbeziehe. Eine auf den Zeitraum der Trockenlegung beschränkte Betrachtung ließe eine belastbare Prüfung des Verschlechterungsverbots nicht zu ([X.]; vgl. [X.], ZUR 2006, 464 <467>). Die Beschwerde macht auf Seite 8 (unten) deutlich, dass sie diese Rechtsauffassung des [X.] teilt ohne darzulegen, weshalb noch weiterer Klärungsbedarf bestehen soll. Damit verfehlt sie schon die [X.]. Die Frage ist auch nicht entscheidungserheblich, weil im Falle ihrer Verneinung die Prognoseentscheidung allein auf den Zeitraum der Grundwasserabsenkung beschränkt wäre. Dass bei einer auf den Zeitpunkt der Gewässerabsenkung beschränkten Prognose die Ausnahmevoraussetzung des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 [X.] isoliert für diesen Vorgang anders zu beurteilen gewesen wäre, behauptet die Beschwerde selbst nicht. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Soweit die Beschwerde andeutet, dass es ihr auch um solche chemischen Veränderungen gehe, die erst nach dem Wiederanstieg des Grundwassers erfolgen, wird dieser (noch spätere) Zeitraum von der aufgeworfenen Frage nicht erfasst.

7

2. Die zweite von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich erachtete Frage zielt auf die Klärung der Reichweite der Ausnahmegenehmigung nach § 47 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Der Kläger hält es für klärungsbedürftig, ob die Ausnahme auch chemische Veränderungen des [X.] erfassen könne, die zumindest auch oder in erheblichem Umfang von weiteren menschlichen Tätigkeiten stammen. Der Umschichtungsprozess durch den Rohstoffabbau stelle eine solche zu erheblichen geochemischen Veränderungen des [X.]s beitragende Tätigkeit dar, die nicht von der Ausnahmemöglichkeit der Wasserrahmenrichtlinie bzw. des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] gedeckt sei. Diese Frage ist nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig. Sie kann vielmehr auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden in dem Sinne beantwortet werden, dass auch die von der Beschwerde angesprochenen mittelbaren Veränderungen des chemischen Zustandes eines [X.]s von der Ausnahmemöglichkeit des § 47 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] erfasst werden.

8

Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist das Grundwasser so zu bewirtschaften, dass eine Verschlechterung seines mengenmäßigen und seines chemischen Zustandes vermieden wird. Der Schutz des chemischen Zustandes bildet damit ein Bewirtschaftungsziel für das Grundwasser, für dessen Erreichung § 47 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1 [X.] eine Ausnahmemöglichkeit einräumt. Diese steht gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] unter der Voraussetzung, dass die nicht nur vorübergehende Zustandsverschlechterung auf einer "neuen Veränderung der physischen Gewässereigenschaften oder des Grundwasserstands beruht". Die hiermit geschaffene Ausnahmemöglichkeit erlaubt somit eine Verschlechterung sowohl des mengenmäßigen als auch des chemischen Zustandes, solange diese auf einer Veränderung der physischen Gewässereigenschaften oder des Grundwasserstands beruht.

9

Die dadurch ermöglichte Verschlechterung des chemischen Zustandes des Grundwassers erfasst auch die von der Beschwerde angesprochenen mittelbaren Veränderungen, die erst durch das Hinzutreten einer weiteren Tätigkeit bewirkt werden. Dies gilt jedenfalls - und nur so ist die Beschwerde zu verstehen - soweit diese weitere Tätigkeit in einer bei der Erteilung der Erlaubnis vorausgesetzten Zweckbeziehung mit der zugelassenen Veränderung der physischen Gewässereigenschaften oder des Grundwasserstands steht. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] verlangt allein, dass die Verschlechterung des [X.] auf der Veränderung der physischen Gewässereigenschaften oder des Grundwasserstands "beruht". Ähnlich formuliert auch die dieser Norm zugrunde liegende Vorschrift des Art. 4 Abs. 7 1. Spiegelstrich der Richtlinie 2000/60/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der [X.] im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1) - Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) -. Danach muss die Verschlechterung des [X.] "Folge" von Änderungen der physischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder von Änderungen des Pegels von [X.]n sein.

Dieser Befund steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Senats vom 2. November 2017 - 7 C 25.15 - ([X.] 445.41 § 27 [X.] 2010 Nr. 3 Rn. 42 ff.), nach dem der [X.] in ein oberirdisches Gewässer auf dem Luftpfad bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots nicht summierend neben der Wasserentnahme und -rückführung bei dem Betrieb eines Kraftwerks zu berücksichtigen ist. Der [X.] über den Luftpfad stand in keinerlei Zusammenhang mit einer Gewässerbenutzung und stellte auch selbst eine solche nicht dar.

Auch aus dem vom Kläger angeführten Urteil des Senats vom 29. April 2010 - 7 C 18.09 - ([X.] 406.27 § 55 BBergG Nr. 9 Rn. 24) ergibt sich nichts Abweichendes. Dort ging es um die Zulassung eines bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans und die Frage, ob darin Probleme des Hochwasserschutzes hinreichend gelöst werden könnten.

3. Die dritte Frage ist ebenfalls nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig. Sie kann auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden verneinend beantwortet werden. Für Art. 2 Nr. 11 WRRL ergibt sich dies schon daraus, dass dort nicht der von der Frage angesprochene [X.], sondern der Grundwasserleiter definiert wird. Für den von Art. 2 Nr. 12 WRRL definierten [X.] ergibt sich aus der dortigen Definition, dass dieser nur ein abgegrenztes Grundwasservolumen und nicht (auch) einen [X.] mit umfasst.

Soweit der Kläger in der von ihm formulierten dritten Frage entsprechend seiner Beschwerdebegründung die "immanente Frage" enthalten sieht, ob allein die künstliche Absenkung des Grundwassers in einem bestimmten Raum die Eigenschaft des [X.]s als Grundwasserleiter entfallen lasse, ist es schon nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass sich diese Frage aus der dritten Frage "immanent" ergibt. Im Übrigen fehlen hinreichende Darlegungen des [X.], warum diese Frage entscheidungserheblich sein soll.

4. Auch der vierten Frage kommt keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Soweit sie sich allein auf eine Veränderung des [X.]s - ohne wasserrechtliche Relevanz - beziehen sollte, ist sie nicht entscheidungserheblich, weil sie dann für die Annahme einer wasserrechtlichen Ausnahme ohne Bedeutung ist. Soweit die Frage so gemeint sein sollte, dass sie Veränderungen des [X.]s im Hinblick auf die chemische Veränderung des Grundwassers im Zuge dessen [X.] zum Gegenstand macht, ist bereits unter 2. dargestellt worden, dass sich ihre Beantwortung hinreichend klar aus dem Gesetz ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Antrag im Beschwerdeverfahren gestellt hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die von ihr in Fettdruck geäußerte Anregung, die Nichtzulassungsbeschwerde zu verwerfen, jedenfalls aber zurückzuweisen, hat sie selbst (nur) als Stellungnahme, nicht aber als Antrag bezeichnet. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

7 B 5/19

20.12.2019

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 20. Dezember 2018, Az: OVG 6 B 1.17, Urteil

Art 2 Nr 11 EGRL 60/2000, Art 2 Nr 12 EGRL 60/2000, Art 4 Abs 7 EGRL 60/2000, § 31 Abs 2 WHG 2009, § 47 Abs 1 WHG 2009, § 47 Abs 3 WHG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.12.2019, Az. 7 B 5/19 (REWIS RS 2019, 72)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 72

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