Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2011, Az. IX ZB 199/09

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 10458

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Gegenstand

Restschuldbefreiung: Versagung wegen Steuerhinterziehungen


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des [X.] vom 14. August 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

1. Über das Vermögen des Schuldners wurde am 15. März 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Schlusstermin hat der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubiger) beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen, weil der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sein Einzelunternehmen sowie für zwei Gesellschaften unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen und unrichtige Umsatzsteuererklärungen eingereicht habe; er habe dadurch Erstattungen erlangt, die ihm nicht zustünden, sowie Steuern verkürzt. Das Insolvenzgericht hat die Restschuldbefreiung versagt. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner die Aufhebung des [X.], hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht erreichen.

2

2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 289 Abs. 2, §§ 6, 7 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Insolvenzgerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

3

a) Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf den [X.] der grundsätzlichen Bedeutung. Zu klären sei, ob eine Steuerhinterziehung ein Versagungsgrund im Sinne von § 290 Abs. 1 [X.] sei. Der [X.] habe bereits unter Hinweis auf die in Nr. 21 des Entwurfs eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 5. Dezember 2007 vorgesehene Einführung eines § 290 Abs. 1 Nr. 1a [X.], nach welchem Steuerstraftaten nach §§ 370, 373 und 374 AO einen Versagungsgrund darstellten (BT-Drucks. 16/7416, [X.], 34 f), entschieden, dass dies nicht der Fall sei ([X.] [X.], 764, 765).

4

Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.

5

aa) Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c StGB rechtskräftig verurteilt worden ist. Diese Vorschrift kann - was die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht, was der [X.] in der zitierten Entscheidung zutreffend ausgeführt hat ([X.], aaO) und was Grundlage der im genannten Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltenen, aber nicht Gesetz gewordenen Bestimmung des § 290 Abs. 1 Nr. 1a [X.]-E war - nicht auf andere Straftatbestände ausgedehnt werden. Die in § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.] aufgeführten Versagungstatbestände sind abschließend.

6

bb) Im vorliegenden Fall geht es indes um den [X.] des § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Danach ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Mit diesem [X.] befasst sich weder das zitierte Urteil des [X.]s noch der Gesetzentwurf der Bundesregierung aus dem Jahre 2007. Seine Voraussetzungen sind unabhängig davon zu prüfen, ob das entsprechende Verhalten des Schuldners einen Straftatbestand erfüllt, der in § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.] genannt oder nicht genannt ist. § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.] entfaltet insoweit keine Sperrwirkung. Anderenfalls würden zum Beispiel vorsätzlich unrichtige Angaben in einem (schriftlichen) Kreditantrag nicht von § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfasst, weil sie den Straftatbestand des § 263 StGB erfüllen, diese Vorschrift in § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.] aber nicht genannt ist. Für Steuerstraftatbestände gilt nichts anderes. Der Senat hatte sich bereits mehrfach mit Fällen zu befassen, in denen die Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung versagt worden war (vgl. etwa [X.], [X.]. v. 11. September 2003 - [X.], [X.]Z 156, 139; v. 12. Januar 2006 - [X.], [X.], 249). Er hat sich jeweils mit den Voraussetzungen dieses Tatbestandes befasst, jedoch nicht in Zweifel gezogen, dass dann, wenn die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfüllt sind, eine Steuerhinterziehung zur Versagung der Restschuldbefreiung führt. Abweichende instanzgerichtliche Rechtsprechung oder widerstreitende Ansichten in der Literatur weist die Rechtsbeschwerde nicht nach. Dass Steuerhinterziehungen unter § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] fallen können, also nicht durch § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.] von vornherein vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgeschlossen sind, ist vielmehr allgemein anerkannt (vgl. etwa [X.] 2005, 614; AG Duisburg [X.], 452; [X.]/[X.], [X.] 13. Aufl. § 290 Rn. 28; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 290 Rn. 8; Graf-Schlicker/[X.], [X.] 2. Aufl. § 290 Rn. 13). Schon die amtliche Begründung des [X.] einer Insolvenzordnung vom 15. April 1992 führt unrichtige Angaben zur Vermeidung von Steuerzahlungen als Beispiel einer unter § 290 Abs. 1 Nr. 2 [X.] fallenden Verhaltensweise an (BT-Drucks. 12/2443, [X.] zu § 239 RegE-[X.]).

7

b) Die Rechtsbeschwerde beanstandet außerdem eine Verletzung des Anspruchs des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Schuldner habe vorgetragen, den Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung nur akzeptiert zu haben, um die mit einer Gerichtsverhandlung verbundene Aufregung zu vermeiden; diesen erheblichen Vortrag habe das Beschwerdegericht nicht zur Kenntnis genommen. Diese Rüge geht fehl. Das Beschwerdegericht hat auf Seite 7 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Schuldner "umfangreich zu seiner gesundheitlichen Situation und zu sonstigen Umständen" Stellung genommen habe. Im Übrigen hat das Beschwerdegericht zwar geäußert, der Strafbefehl könne im Rahmen der [X.] berücksichtigt werden; dass es dies getan hätte, ist jedoch nicht ersichtlich. Die vorsätzlich unrichtigen Angaben des Schuldners zur Erlangung steuerlicher Vorteile, welche hier zur Versagung der Restschuldbefreiung führen, hat das Beschwerdegericht ebenso wie bereits das Insolvenzgericht nicht aufgrund des Strafbefehls für erwiesen angesehen, sondern aufgrund einer Gesamtwürdigung der vom Gläubiger vorgelegten Steuererklärungen und Steuerbescheide, der zeitlichen Abläufe sowie der Widersprüche in der Einlassung des Schuldners. Der Strafbefehl wird hier nicht einmal erwähnt.

8

c) Das Beschwerdegericht hat schließlich zutreffend zwischen der Glaubhaftmachung des [X.] (§ 290 Abs. 2 [X.]), die als Voraussetzung eines zulässigen Antrags vom Gläubiger im Schlusstermin zu leisten ist, und der Prüfung der Begründetheit des [X.] unterschieden, für welche nach § 5 [X.] der Amtsermittlungsgrundsatz gilt (dazu grundlegend [X.], [X.]. v. 11. September 2003, aaO [X.] ff, 146 f). Soweit die Rechtsbeschwerde hier [X.] aus § 286 ZPO erhebt, vermögen diese die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht zu begründen.

9

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

[X.]                                 Vill

                     Lohmann                                    Pape

Meta

IX ZB 199/09

13.01.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 14. August 2009, Az: 11 T 2793/09, Beschluss

§ 290 Abs 1 Nr 1 InsO, § 290 Abs 1 Nr 2 InsO, § 283 StGB, § 283a StGB, § 283b StGB, § 283c StGB, § 370 AO, §§ 370ff AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2011, Az. IX ZB 199/09 (REWIS RS 2011, 10458)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10458

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Referenzen
Wird zitiert von

IX ZB 80/13

IX ZB 80/13

IX ZB 170/11

IX ZB 199/09

IX ZB 1/21

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