Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2016, Az. 1 StR 375/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 321

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Gegenstand

Mordmerkmal: Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat Bestand, obwohl die Bewertung der [X.] durchgreifenden Bedenken begegnet, als sie auch als versuchter Mord unter Verwirklichung des Merkmals der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) gewertet worden ist.

Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist erfüllt, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten [X.] eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des [X.] ([X.], Urteil vom 14. Januar 2010 - 4 [X.], [X.], 373 mwN). Diese Voraussetzungen sind durch die Feststellungen des [X.] nicht ausreichend belegt. Das [X.] geht davon aus, dass auf der vom Angeklagten befahrenen Strecke zur Tatzeit nur ein mittleres Verkehrsaufkommen herrschte ([X.]), so dass bei der festgestellten Geschwindigkeit des vom Angeklagten geführten Kraftfahrzeugs bereits keine erhebliche Gefahr für eine Mehrzahl von weiteren Menschen erkennbar wird, die tödliche Verletzungen erleiden könnten. Im Übrigen erscheint zweifelhaft, ob der Angeklagte, dem es nach den Feststellungen des [X.] darauf ankam, durch sein Verhalten das sich ungeschützt auf der Motorhaube festklammernde Opfer abzuschütteln und der Angeklagte deshalb dessen tödliche Verletzungen billigend in Kauf genommen hat ([X.]), sich in subjektiver Hinsicht - anders als bei einer vorsätzlichen Geisterfahrt auf der Autobahn ([X.], Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 594/05, [X.], 503) oder bei einer Amokfahrt durch [X.] und über Gehwege ([X.], Urteil vom 16. August 2005 - 4 [X.], [X.], 167) - auch einer Gefährdung einer Mehrzahl von Menschen mit tödlichen Verletzungen bewusst war.

Da das [X.] aber die Voraussetzungen eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtsfehlerfrei festgestellt hat, verbleibt es bei der Anordnung der Maßregel. Denn damit liegt eine [X.] vor, die angesichts ihrer konkreten Ausgestaltung ohne Weiteres Grundlage der Unterbringung gemäß § 63 StGB sein kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. November 2015 - 1 [X.], [X.], 148; vom 27. August 2003 - 1 [X.], [X.], 10, 11; vom 10. September 2002 - 1 StR 337/02, [X.], 11, 12 und vom 5. März 1999 - 2 StR 518/98). Bei dem Angeklagten, der über ein erhebliches Aggressionspotential verfügt und bei dem es auch in der Untersuchungshaft zu wiederholten impulsiven Ausbrüchen ([X.]) gekommen ist, ist in Folge seines fortdauernden Zustandes unbehandelt mit erheblichen weiteren rechtswidrigen Taten zu rechnen, so dass durch die veränderte rechtliche Würdigung der [X.] die ursprüngliche Gefahrprognose des [X.] gemäß § 63 StGB nicht tangiert wird. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wahrt auch bei einer abweichenden Bewertung als Totschlag die Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB).

                 

Rin[X.] Cirener ist
krankheitsbedingt an der
Unterschriftsleistung
gehindert.

                 

Raum   

        

Raum

        

Radtke

        

Fischer   

        

   Bär   

        

Meta

1 StR 375/16

21.12.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München I, 22. Januar 2016, Az: 1 Ks 128 Js 214514/14

§ 211 Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2016, Az. 1 StR 375/16 (REWIS RS 2016, 321)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 321

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Wird zitiert von

1 StR 375/16

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