Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2000, Az. VII ZR 167/99

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2646

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:30. März 2000Seelinger-Schardt,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: ja zu Leitsatz 1HTürGG § 1 Abs. 1 Nr. 1Der Kunde ist nicht zur Abgabe einer Willenserklärung durch mündliche Verhand-lungen im Bereich einer Privatwohnung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HTürGG be-stimmt, wenn er die Privatwohnung des Vertragspartners zu Vertragsverhandlungenaufsucht und dort der Vertrag geschlossen wird.[X.] § 649 Satz 2; [X.] § 9 Bf Abs. 1Die Klausel eines Vertreibers von Fertighäusern"Die vom Auftraggeber nach einer Kündigung zu entrichtende Vergü-tung nach § 649 [X.] beträgt, sofern er oder der Auftragnehmer nichtim Einzelfall andere Nachweise erbringen, bis zur Übergabe der Plänefür den Bauantrag 7,5 % des vereinbarten Gesamtpreises ..."ist dahin auszulegen, daß der Auftragnehmer nur in einem durch die Besonderheitender Vertragsgestaltung oder Vertragsdurchführung bedingten Ausnahmefall eineüber die Pauschale hinausgehende Vergütung beanspruchen kann und er den ent-sprechenden Nachweis zu erbringen hat.[X.], Urteil vom 30. März 2000 - [X.] - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 30. März 2000 durch [X.] Dr. Thode, [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] [X.] vom 1. April 1999aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger, der Fertighäuser vertreibt, schloß mit dem beklagten [X.] am 27. Februar 1994 in seiner Wohnung einen Vertrag über die [X.] eines Fertighauses. Die Beklagten haben den [X.] und ihre Vertragserklärungen am 4. Oktober 1995 unter Hinweis aufdas Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Ge-schäften ([X.], Juris: HTürGG) widerrufen. Die Parteien streiten darüber, obder Widerruf wirksam ist. Der Kläger verlangt den vereinbarten Werklohn ab-züglich ersparter Aufwendungen. Das [X.] hat die Beklagten lediglich- 3 -zur Zahlung der in den Besonderen Vertragsbedingungen des [X.] pau-schalierten Vergütung von 7,5 % der Vertragssumme, das sind 16.987,50 DM,nebst Zinsen verurteilt. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung [X.]. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sichdie Revision des [X.], mit der er seinen Anspruch in Höhe von90.356,52 DM nebst Zinsen weiter verfolgt.Entscheidungsgründe:Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.[X.] Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagten hätten ihre Ver-tragserklärungen wirksam widerrufen. Der Vertrag sei in der [X.] [X.] abgeschlossen worden. Es sei anerkannt, daß auch die Privat-wohnung des Vertragspartners des Kunden in den Anwendungsbereich des § 1Abs. 1 Nr. 1 [X.] falle. Ihren Charakter als Privatwohnung hätten die Räum-lichkeiten im Haus des [X.] auch dann nicht verloren, wenn in ihnen regel-mäßig Geschäfte abgeschlossen würden. Ob etwas anderes gelte, wenn [X.] in einem räumlich funktionell abgetrennten Bereich geschlossenwürden, könne dahinstehen. Der Kläger habe eine derartige Aufteilung [X.] nicht [X.] 4 -II.Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] hat der Kunde ein Recht zum [X.] auf den Abschluß eines Vertrags über eine entgeltliche Leistung gerich-teten Willenserklärung, zu der er durch mündliche Verhandlung im Bereich ei-ner Privatwohnung bestimmt worden ist. Es ist umstritten, ob zum Bereich [X.] im Sinne des Gesetzes auch die Privatwohnung des [X.] des Kunden gehört. Während ein Teil der Literatur diese Fragegrundsätzlich bejaht ([X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., § 1 [X.] [X.]. 9), wird [X.] einem anderen Teil verneint ([X.] 1986, 812, 824; [X.], 75; [X.] ZIP 1986, 624, 628). Es werden auch vermittelnde Auffassun-gen vertreten. So soll die Privatwohnung des Vertragspartners nur dann unter§ 1 Abs. 1 [X.] fallen, wenn dort Verträge außerhalb der üblichen Geschäfts-zeiten geschlossen werden (Soergel/Wolf, [X.] § 1 [X.]. 17). Nach einerweiteren Meinung kommt es darauf an, ob die Wohnung ständig zu Geschäfts-abschlüssen benutzt wird und aus diesem Grund als Geschäftsraum des [X.] anzusehen sei. In diesem Fall soll das Widerrufsrecht nicht bestehen([X.]/[X.], [X.], § 1 [X.]. 12).2. Nach Auffassung des Senats ist die Privatwohnung des [X.] jedenfalls dann keine Privatwohnung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.],wenn sie vom Kunden aufgesucht wird, um Vertragsverhandlungen zu führen(so auch: [X.], [X.] § 1 [X.]. 20).a) Der Gesetzgeber wollte mit dem Gesetz über den Widerruf [X.] und ähnlichen Geschäften den Kunden vor übereilten [X.] unter typischen Bedingungen schützen, die die Gefahr in sich- 5 -bergen, daß er in seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit überfordertwird, weil er zuvor in der Regel weder andere Angebote prüfen noch sich [X.] hinreichend überlegen kann. Er hat bestimmte Tatbeständegeschaffen, in denen die für Ladengeschäfte typische Umkehrmöglichkeit undÜberlegungszeit fehlt. Diesen Tatbeständen ist gemein, daß der Kunde sich ineiner Lage befindet, in der es ihm schwer fällt, die meist psychologisch ge-schulten Verhandlungspartner abzuweisen (BT-Drucksache 10/2876, S. 6- abgedruckt in [X.], 376 ff; vgl. auch [X.], Urteil vom 19. November 1998- [X.] 1999, 257 = NJW 1999, 575 = [X.] 1999, 152; [X.] 1. März 1990 - [X.] = [X.]Z 110, 308, 309).Eine derartige Situation besteht nicht, wenn der Kunde den [X.] zu Vertragsverhandlungen in dessen Privatwohnung aufsucht. [X.] er sich grundsätzlich in keiner anderen Situation als beim Besuch ei-nes Geschäftslokals. Er hat die Möglichkeit, die Wohnung ohne weiteres zuverlassen und sich jederzeit aus freiem Entschluß der Einwirkung durch [X.] zu entziehen. Das gilt auch dann, wenn er die Wohnung au-ßerhalb der üblichen Geschäftszeit aufgesucht hat. Das Gesetz schützt [X.] vor übereilten Willenserklärungen, sondern knüpft die Möglichkeit [X.] an Situationen, die im besonderen Maße die Gefahr der Überrum-pelung bergen. Der Bundesrat hat in der Begründung zu seinem Entwurf [X.] ausdrücklich klar gestellt, daß Verträge, zu deren Abschluß der Kun-de seinen geschäftsmäßig handelnden Vertragspartner in dessen Privatwoh-nung aufsucht, nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen: [X.] Gewerbetreibender seine Privatwohnung auch für Geschäftsabschlüsse, sohandele es sich nicht um eine Privatwohnung im Sinne des Gesetzes. Die Lagedes Kunden sei hier nicht anders, als wenn er seinen Vertragspartner in aus-schließlich zu gewerblichen Zwecken genutzten Räumen aufgesucht hätte- 6 -(Gesetzentwurf des [X.], S. 11 = [X.],376, 380). Diesem Entwurf haben sich die Beschlußempfehlung und der [X.] angeschlossen (BT-Drucksache 10/4210, S. 9 =[X.], 1419). Er ist Gesetz geworden. [X.] wurde damit nichtnur ein weitergehender Antrag ([X.] 10/584). Vielmehr wurden auchsolche Vorschläge nicht mehr aufgegriffen, die eine Widerrufsmöglichkeitschon dann vorsahen, wenn die Willenserklärung des Kunden durch "außer-halb eines ständigen Geschäftsraums" der anderen Vertragspartei geführtemündliche Verhandlungen bestimmt worden ist (Gesetzentwurf des [X.] vom 24. Februar 1977, [X.] 8/130, S. 4; Gesetzesantrag [X.] vom 11. Juni 1975, [X.] 394/75, [X.]) Unbeschadet des Umstandes, daß sie auf Bauverträge nicht anwend-bar ist, Art. 3 Abs. 2 a, führt die Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräu-men geschlossenen Verträgen (85/577/[X.], [X.]. EG Nr. L 372 vom31. Dezember 1985 S. 31) nicht zu einem anderen Verständnis. Die [X.] insoweit nur für Verträge anläßlich eines Besuchs des Gewerbetreibendenin der Wohnung des Verbrauchers oder in der Wohnung eines anderen Ver-brauchers.4. Das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichenGeschäften ist gemäß § 5 Abs. 1 [X.] auch anwendbar, wenn seine [X.] durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden (vgl. auch Art. 1Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie). Dazu ist nichts festgestellt. Allein der Umstand,daß die Parteien den [X.] des [X.] abgeschlossenhaben, ist keine Umgehung des [X.] 7 -5. Da die Beklagten den Kläger unstreitig aufgesucht haben, um [X.] mit ihm zu führen, können sie ihre Vertragserklärung nichtwiderrufen.[X.] weitere Feststellungen fehlen, ist die Sache an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen. Für den Fall, daß das Berufungsgericht einen Anspruchaus § 649 Satz 2 [X.] bejaht, weist der Senat auf folgendes hin:Der Kläger hat den Vergütungsanspruch in seinen Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen wie folgt [X.] 9 Kündigung durch den [X.] Der Bauherr kann bis zur Fertigstellung des Hauses den Ver-trag kündigen. Die Kündigung bedarf der Schriftform und ist [X.] an [X.] (i.e. der Kläger) zu richten.2. Macht der Bauherr von diesem Recht Gebrauch, so beträgt [X.] ihm zu entrichtende Vergütung i.S. von § 649 [X.], soferner oder [X.] nicht im Einzelfall andere Nachweise erbringen,- bei einer Kündigung bis zur Übergabe der Pläne an den [X.] für den Bauantrag: 7,5 % des vereinbarten Gesamtpreises...".Diese Klausel beschränkt den Anspruch aus § 649 Satz 2 [X.] grund-sätzlich auf die Pauschale von 7,5 %. Nur im Einzelfall eröffnet sie für den Klä-ger die Möglichkeit, den Nachweis zu erbringen, daß die Vergütung höher [X.] -Ein solcher Einzelfall liegt nicht allein deshalb vor, weil die nach § 649 Satz 2[X.] konkret berechnete Vergütung von der Pauschale abweicht. Er ist [X.] gegeben, wenn diese Abweichung sich aus den Besonderheiten der [X.] oder Vertragsdurchführung ergibt.Durch die Formulierung der Klausel erweckt der Kläger bei seinen [X.] den Eindruck, er habe die nach einer Kündigung vor [X.] Pläne nach § 649 Satz 2 [X.] typischerweise zu erwartende [X.] festgelegt. Die dadurch erzeugte Erwartung des Kunden, er könnegegen Zahlung einer, gemessen an der gesamten vertraglichen Vergütung,relativ geringfügigen Pauschale vom Vertrag Abstand nehmen, dürfte in vielenFällen ein wesentliches Kriterium bei seiner Entscheidung sein, den Vertragabzuschließen. Das gilt insbesondere in den in der Praxis nicht seltenen Fäl-len, in denen der [X.] zustande kommt(vgl. [X.], [X.], 419, 420). Aufgrund der durch die [X.] "im Einzelfall" zum Ausdruck gekommenen Einschränkung ist die [X.] zu verstehen, daß der Kläger nur in einem durch die Besonderheiten [X.] oder Vertragsdurchführung bedingten Ausnahmefall eineüber die Pauschale hinausgehende Vergütung beanspruchen will und er [X.] hinaus den entsprechenden Nachweis zu erbringen hat. Ein solcher [X.] kann z.B. vorliegen, wenn bei der Vertragsgestaltung als [X.] zum Ausdruck gekommene Änderungen der Kalkulationsgrundlagenerfolgen oder sich die Kalkulationsgrundlagen nachträglich unvorhersehbarändern. Er liegt hingegen nicht vor, wenn die der Pauschalierung zugrundeliegende typische Kalkulation sich nicht verändert hat, sondern regelmäßig zueiner höheren Vergütung [X.] -Mit dieser Auslegung hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 9[X.] stand. Dem Kläger kann es grundsätzlich nicht versagt werden, formu-larmäßig seinen gesetzlich begründeten Anspruch festzuschreiben (vgl. [X.],Urteil vom 16. Juni 1982 - [X.] = NJW 1982, 2316, 2317). Die Klauselverdeutlicht dem Vertragspartner in ausreichendem Maße, daß in [X.] ein über die Pauschale hinausgehender Anspruch bestehenkann.[X.] Kuffer Kniffka Wendt

Meta

VII ZR 167/99

30.03.2000

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2000, Az. VII ZR 167/99 (REWIS RS 2000, 2646)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2646

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