Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2011, Az. IV ZR 169/10

4. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 10297

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Gegenstand

Wiederaufleben eines Vorkaufsrechts des Miterben in der Person des Erbanteilserwerbers


Leitsatz

Das Vorkaufsrecht des Miterben lebt nach Veräußerung seines Erbanteils auch dann nicht in der Person des Erwerbers wieder auf, wenn er den Miterben später beerbt (im Anschluss an BGH, 16. Dezember 1992, IV ZR 222/91, BGHZ 121, 47) .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des [X.] vom 5. Juli 2010 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aufgrund eines Vorkaufsrechts gemäß §§ 2034, 2035 BGB Auskunftsansprüche über notarielle [X.] zustehen.

2

Der Erblasser wurde 2000 in gesetzlicher Erbfolge von seiner Mutter zu 1/2, der Mutter des [X.] und zwei weiteren Geschwistern sowie einem Neffen zu je 1/8 beerbt.

3

Der Kläger erhielt durch [X.] vom 26. April 2002 den 1/8-Erbanteil seiner Mutter unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und durch Überlassungsvertrag vom 1. Dezember 2006 den 1/2-Erbanteil seiner Großmutter, die er 2009 aufgrund Erbvertrages vom 6. Juli 2004 allein beerbte.

4

Der Beklagte erwarb durch [X.] vom 24. und 25. März 2009 die 3/8-Erbschaftsanteile der übrigen Miterben.

5

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Auskunft des vollständigen Inhalts dieser Kaufverträge in Anspruch, um entsprechende Vorkaufsrechte auszuüben.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

9

Durch den rechtsgeschäftlichen Erwerb der Erbanteile sei - in Übereinstimmung mit dem [X.] - zwar der Kläger formell kein Miterbe i.S. von § 2034 BGB geworden und habe deswegen auch kein Vorkaufsrecht erwerben können. Mit dem Tod seiner Großmutter habe sich indes deren noch innegehabte formelle Miterbenstellung wieder in seiner Person vereinigt, so dass sein zuvor durch Übertragung des [X.] "entkleidetes" Miterbenrecht wieder zum Vollrecht erstarkt sei. Die andere mögliche formale Betrachtungsweise, dass einem Miterben nach Übertragung des Erbanteils kein Vorkaufsrecht mehr zustehe und er dieses daher nicht mehr vererben könne, werde dem Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts jedenfalls dann nicht gerecht, wenn der Erbanteilserwerber nicht nur präsumtiver, sondern - wie hier - tatsächlicher Erbe der Miterbin sei.

II. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Der Kläger ist nicht vorkaufsberechtigt. Er hat ein gesetzliches Vorkaufsrecht gemäß §§ 2034, 2035 BGB weder 2002 über den Erbanteilsübertragungsvertrag von seiner Großmutter noch 2009 als ihr erbvertraglicher Erbe erlangen können.

1. Im Ansatz zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Kläger durch die rechtsgeschäftliche Übertragung des 1/2-Erbanteils seiner Großmutter kein Miterbe und deswegen auch nicht Vorkaufsberechtigter geworden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung und mittlerweile allgemeiner Auffassung in der Literatur geht das Vorkaufsrecht eines Miterben bei der Veräußerung eines Erbanteils unabhängig davon, ob sie durch eine "vorweggenommene Erbfolge" motiviert ist, nicht auf den Erwerber über. Der Miterbe behält zwar die Eigenschaft und Stellung als Erbe, er verliert aber infolge der Übertragung seine gesamthänderische Beteiligung am Nachlass, die auf den Erwerber übergeht. Damit verliert der vollständig aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedene Miterbe zugleich sein Vorkaufsrecht. Er bedarf keines Schutzes mehr vor dem Eindringen Dritter in die Erbengemeinschaft oder einer Verstärkung ihrer Beteiligung hieran (vgl. nur [X.], 47, 50 f.; 86, 379, 380; 56, 115, 117; [X.], 173; Senatsurteile vom 31. Oktober 2001 - [X.], [X.] 2002, 67; 13. Juni 1990 - [X.], NJW-RR 1990, 1282, 1283 und vom 9. Februar 1983 - [X.], NJW 1983, 2142 f.; [X.] [X.] 2010, 262; OLG Stuttgart NJW 1967, 2409; [X.], [X.] [2010] Rn. 3916 m.w.N.; [X.]/[X.], [X.] 1994, 44).

Die Rechtsprechung des [X.] zu Fällen einer Erbanteilsveräußerung von oder an (präsumtive) [X.] von Miterben (vgl. [X.], Urteile vom 25. Januar 1971 - [X.], [X.] 1971, 377; 13. Juni 1966 - [X.], NJW 1966, 2207 und 31. Mai 1965 - [X.], [X.] 1965, 891) gibt für Erwägungen, den Kreis der [X.] zu erweitern, keine Grundlage. Sie betrifft ausnahmslos die davon zu trennende Frage des Vorkaufsfalles; für die Frage der Vorkaufsberechtigung ist sie hingegen aussagelos.

2. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Ansicht des Berufungsgerichts, der vom Kläger rechtsgeschäftlich erworbene Erbanteil seiner Großmutter sei mit Eintritt seiner Alleinerbenstellung 2009 aufgrund des Erbvertrages von 2004 wieder zum Vollrecht einschließlich des Vorkaufsrechts erstarkt. Die dazu angestellten Schutzzwecküberlegungen überzeugen nicht.

Das Vorkaufsrecht ist zwar gemäß § 2034 Abs. 2 Satz 2 BGB vererbbar, es ist aber nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übertragbar. Die Anerkennung der Vorkaufsberechtigung, wenn der - rechtsgeschäftliche - Erbanteilserwerber später als Erbe des veräußernden Miterben in die Erbengemeinschaft eintritt, bedeutete indes eine vom Gesetz gerade ausgeschlossene Öffnung der Verkehrsfähigkeit des Vorkaufsrechts. Dieses gesetzliche Gestaltungsrecht (vgl. [X.] aaO Rn. 3909) ist lediglich dem ursprünglichen Miterben und ihren [X.] vorbehalten, die es im Erbgang erhalten.

Der Senat hat sich mit der herrschenden Lehre bereits generell gegen ein "Recht auf Rückkehr" des vormals ausgeschiedenen Miterben ausgesprochen ([X.], 47, 50 f. m.w.N.; zweifelnd: [X.] aaO Rn. 3917; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2034 Rn. 22), weil dies zu Lasten der "treuen" (übrigen) Miterben ginge und deren Rechte aus § 2034 BGB auf weitere verkaufte [X.] entsprechend verminderte. Das bedarf jedoch im Streitfall keiner Vertiefung.

Jedenfalls kann das (nachträgliche) Zusammenfallen von Mitgliedschaft in der [X.] und (später hinzutretender) Stellung als Erbeserbe nicht zum Aufleben eines Vorkaufsrechts bei demjenigen führen, der es - wie ausgeführt - zuvor nicht erlangen konnte. Der Schutzzweck des § 2034 BGB rechtfertigt eine andere Folge gerade nicht. Der Erbanteilserwerber und spätere Erbeserbe hat kein schutzwürdiges Interesse an der Abwehrfunktion des Vorkaufsrechts, weil er zunächst aus freiem Entschluss in die Erbengemeinschaft eingetreten ist und das Risiko eines künftigen Gemeinschafterwechsels tragen muss ([X.]Z 56, 115 ff.). Daran ändert seine nachfolgende Erbenstellung nach dem veräußernden Miterben nichts, selbst wenn die Erbenstellung über einen Erbvertrag abgesichert war. Wer - durch Rechtsgeschäft - vorzeitig in die Erbengemeinschaft eintreten will, hat es hinzunehmen, dass er dies ohne den Schutz des Vorkaufsrechts, das für ihn endgültig untergegangen ist, tun muss. Alles andere bedeutete zudem einen von den übrigen Miterben nach der gesetzlichen Regelung nicht hinzunehmenden Schwebezustand, in dem unklar ist, inwieweit noch Vorkaufsrechte geltend gemacht werden können ([X.] [X.] 2010, 262, 266 f.; [X.]/[X.], [X.] 2010, 250, 254).

Auf alle weiteren von der Revision gegen die Anspruchsberechtigung des Klägers geltend gemachten Bedenken kommt es nicht mehr an.

Terno                            [X.]                              Dr. Kessal-Wulf

                Felsch                            Lehmann

Meta

IV ZR 169/10

19.01.2011

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 5. Juli 2010, Az: 21 U 1843/10, Urteil

§ 2034 BGB, § 2035 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2011, Az. IV ZR 169/10 (REWIS RS 2011, 10297)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10297

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