Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.07.2013, Az. III ZR 361/12

3. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4190

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Gegenstand

Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Übergangsfällen: Wahrung der Sechsmonatsfrist für die Erhebung einer Individualbeschwerde beim EGMR


Leitsatz

Ist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) hinsichtlich eines bereits abgeschlossenen (überlangen) Verfahrens beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Individualbeschwerde des Betroffenen anhängig, so kommt nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜGRG eine Entschädigung gemäß §§ 198, 199 GVG nur dann in Betracht, wenn die Beschwerde in zulässiger Weise erhoben worden, also insbesondere die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK gewahrt worden ist.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt das beklagte Land wegen der aus seiner Sicht unangemessen langen Dauer eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung von mindestens 5.000 € in Anspruch. Das Verfahren wurde aufgrund einer Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft [X.] am 14. April 1994 eingeleitet und am 13. August 2002 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Wegen der Länge dieses Ermittlungsverfahrens erhob der Kläger im Jahr 2006 eine Amtshaftungsklage gegen das beklagte Land, die mit Berufungsentscheidung vom 29. Dezember 2010 rechtskräftig abgewiesen wurde. Dagegen wandte er sich mit einer Verfassungsbeschwerde, die vom [X.] mit am 13. Mai 2011 zugestellten Beschluss nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

2

Der Kläger reichte am 11. November 2011 eine Individualbeschwerde gegen die [X.] beim [X.] (im Folgenden: [X.]) ein und rügte die Verletzung seiner Rechte aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] wegen der Dauer des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens. Am 1. Juni 2012 erhob er, gestützt auf §§ 198, 199 GVG, gegen das beklagte Land Klage auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Der [X.] erklärte seine Beschwerde unter dem 19. Juli 2012 für unzulässig und verwies den Kläger auf die Notwendigkeit der Ausschöpfung des mit dem am 3. Dezember 2011 in [X.] getretenen Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geschaffenen Rechtsbehelfs.

3

Das [X.] hat die [X.] abgewiesen. Mit der von der Vorinstanz zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

I.

5

Das [X.] hat einen Entschädigungsanspruch des [X.] aus § 199 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 198 [X.] verneint: Zwar komme ein solcher Anspruch nach Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auch für zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 3. Dezember 2011 bereits abgeschlossene Verfahren, hier das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger, in Betracht. Nach dem Sinn und Zweck dieser Übergangsregelung seien jedoch nur solche bereits beendeten Verfahren von dem Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst, deren Dauer zu diesem Zeitpunkt Gegenstand einer zulässig erhobenen Beschwerde beim [X.] gewesen sei oder noch habe werden können. Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn der Kläger habe wegen der Dauer des bereits im Jahr 2002 abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens erst am 11. November 2011 eine Beschwerde erhoben, die aber wegen offensichtlicher Nichteinhaltung der Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] (sechs Monate nach Abschluss des beanstandeten Verfahrens) unzulässig und deshalb ohne Aussicht auf Erfolg gewesen sei. Der Gesetzgeber habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass gerade im Hinblick auf diese Frist das beanstandete Verfahren nicht länger als sechs Monate vor Geltung des neuen [X.] abgeschlossen gewesen sein dürfe. Entgegen der Auffassung des [X.] stelle vorliegend die Beendigung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Jahr 2002 den maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn der Frist für eine derartige Beschwerde dar, nicht aber die rechtskräftige Abweisung seiner Amtshaftungsklage und die Entscheidung über die von ihm erhobene Verfassungsbeschwerde.

II.

6

Dies hält den Angriffen der Revision stand. Die [X.] ist zu Recht abgewiesen worden. Denn die auf eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gerichteten Vorschriften des § 199 Abs. 1 in Verbindung mit § 198 [X.] finden im Streitfall keine Anwendung.

7

Das gegen den Kläger gerichtete Ermittlungsverfahren war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ([X.]) vom 24. November 2011 ([X.]) am 3. Dezember 2011 bereits beendet. Ein Entschädigungsanspruch kommt bei vor dem Tag des Inkrafttretens bereits abgeschlossenen Verfahren nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 [X.] erfüllt sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

8

1. Das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren war bereits im Jahr 2002 mit der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO abgeschlossen. Zwar entfaltet die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keine Sperrwirkung und ein Strafklageverbrauch tritt nicht ein, so dass die Wiederaufnahme der Ermittlungen sowie die Erhebung der öffentlichen Klage bis zum Eintritt der Verjährung möglich bleiben. Der maßgebliche Zeitraum auch für die Berechnung der Dauer des Verfahrens ist jedoch beendet, wenn nicht länger angenommen werden kann, dass der Beschuldigte ernsthaft betroffen ist, wie dies bei der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO der Fall ist (vgl. [X.], [X.], 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 196, 197).

9

2. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 [X.] finden die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Regelungen der §§ 198 bis 201 [X.] auch auf Verfahren Anwendung, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 bereits anhängig waren, sowie bei solchen abgeschlossenen Verfahren, deren Dauer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim [X.] ist oder noch werden kann. Die Voraussetzungen dieser Übergangsbestimmung sind im Streitfall nicht erfüllt, weil die beim [X.] eingelegte Beschwerde die Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] nicht gewahrt hat.

a) Der Kläger hatte zwar am 11. November 2011 und damit noch kurz vor Inkrafttreten des [X.] eine auf die Dauer des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens gerichtete Individualbeschwerde beim [X.] erhoben. Auch wenn damit eine Beschwerde formal anhängig gewesen ist, war sie jedoch offensichtlich verfristet und hatte deshalb auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen [X.] keine Aussicht auf Erfolg. Denn das Verfahren, das Gegenstand der Beschwerde war und wegen dessen Dauer der Kläger nunmehr Entschädigung verlangt, war länger als sechs Monate vor Eingang der Beschwerde abgeschlossen. Nach Art. 35 Abs. 1 [X.] kann sich der [X.] mit einer Beschwerde nur befassen, wenn sie innerhalb dieser mit der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung beginnenden Frist eingelegt worden ist. Der [X.] ist dabei an diese Frist gebunden und kann davon nicht absehen (vgl. Leitfaden des [X.] zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Individualbeschwerde 2011, S. 20 Nr. 69).

aa) Die Frist beginnt mit Zustellung der oder Kenntnisnahmemöglichkeit von der die Rechtswegerschöpfung als weiterer Voraussetzung des Art. 35 Abs. 1 [X.] begründenden letztinstanzlichen Entscheidung ([X.], NVwZ 1999, 1325 Rn. 30). Außerordentliche oder verfassungsrechtliche Rechtsbehelfe hat der Beschwerdeführer grundsätzlich einzulegen; allerdings muss er nur die Rechtsbehelfe ausschöpfen, die sich auf die gerügten Rechtsverstöße beziehen und zugleich verfügbar, angemessen und wirksam sind (vgl. [X.], NVwZ 2013, 47 Rn. 35). Zwar konnte vor Inkrafttreten der §§ 198 ff [X.] in laufenden Strafverfahren die überlange Verfahrensdauer grundsätzlich mit einer Verfassungsbeschwerde beanstandet werden. Nach Abschluss des Verfahrens kam jedoch eine solche Möglichkeit nicht mehr in Betracht. Insbesondere konnte (auch) auf dem Wege einer Verfassungsbeschwerde eine angemessene Wiedergutmachung für die Verletzung des Gebots der angemessenen Frist in keinem Falle erreicht werden (vgl. [X.], NJW 2006, 2389 Rn. 105 f sowie [X.], Urteil vom 13. November 2008, Individualbeschwerde Nr. 26073/03, Rn. 57, 59; [X.], aaO, Art. 13 Rn. 35).

bb) Zu Recht hat das [X.] weiter angenommen, dass es für die Einhaltung der Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] und die Frage der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung des vom Kläger angestrengten Amtshaftungsprozesses nebst der sich anschließenden Entscheidung des [X.] ankommt. Ein Amtshaftungsprozess zählt nicht zu den vor einer Individualbeschwerde auszuschöpfenden Rechtsbehelfen. Der Amtshaftungsanspruch erfasst zwar auch Fälle pflichtwidriger Verzögerung eines Rechtsstreits oder Ermittlungsverfahrens und gewährt insofern einen Anspruch auf Schadensersatz. Wegen der Beschränkung auf schuldhafte Verzögerungen und der [X.] genügt dieser Anspruch aber nicht den Anforderungen an einen kompensatorischen Rechtsbehelf (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 1 f, 15; [X.] aaO Art. 13 Rn. 42).

Mithin stand dem Kläger nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens kein tauglicher Rechtsbehelf gegen die Dauer des Verfahrens zur Verfügung. Abzustellen ist für die Fristberechnung deshalb allein auf die Verfahrenseinstellung.

b) [X.] (formale) Erhebung einer Beschwerde bei dem [X.] reicht aber nicht aus, um nach §§ 198, 199 [X.] in Verbindung mit Art. 23 [X.] einen Entschädigungsanspruch für die lange Dauer abgeschlossener Verfahren zu begründen; vielmehr muss die Beschwerde innerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] eingelegt worden sein.

aa) Auch wenn sich aus dem Wortlaut der Übergangsbestimmung des Art. 23 [X.] eine solche Einschränkung nicht ergibt, ist sie entgegen der Auffassung der Revision dem Sinn und Zweck dieser Regelung und dem gesetzgeberischen Willen zu entnehmen. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass nur bei solchen abgeschlossenen überlangen Verfahren eine Entschädigung nach Maßgabe der §§ 198 ff [X.] in Betracht kommen soll, bei denen - bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes - eine nach Art. 35 Abs. 1 [X.] zulässige Beschwerde beim [X.] bereits erhoben wurde oder noch erhoben werden kann. Denn mit der Übergangsregelung sollen weitere Verurteilungen der [X.] verhindert und der [X.] entlastet werden. Dieser Zielsetzung würde es zuwiderlaufen, wenn mit der Einlegung verfristeter [X.] der Weg für eine innerstaatliche Entschädigung wegen unangemessener Dauer bei längst abgeschlossenen - hier: mehr als neun Jahre - Verfahren geebnet werden könnte. Dass mit der von der Revision vertretenen Auffassung die gesetzgeberische Intention unterlaufen würde, wird auch daran deutlich, dass im Gesetzentwurf der Bundesregierung der ausdrückliche Hinweis enthalten ist, dass der [X.] nicht länger als sechs Monate zurückliegen darf, da die Beschwerdefrist des Art. 35 Abs. 1 [X.] sechs Monate betrage (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 31 zu Art. 22 des Entwurfs = Art. 23 [X.]). Diesem Zweck entsprechend sollen diejenigen [X.] aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfallen, bei denen eine Verurteilung der [X.] auch nach der vor Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rechtslage durch den [X.] ausgeschlossen war, weil die Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] nicht eingehalten war. Art. 23 [X.] versteht sich daher unter Einbeziehung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juni 2012 - 1 Oa 2/12, juris Rn. 7; [X.], Urteile vom 21. November 2012 - L 2 SF 436/12 EK, juris Rn. 66 und vom 20. Februar 2013 - L 2 SF 1495/12 EK, BeckRS 2013, 67112 Rn. 37 f, 43; siehe auch [X.], Beschluss vom 2. August 2012 - 23 [X.] 5/12 [X.], juris, Rn. 3; BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - [X.] ÜG 1/[X.], BeckRS 2013, 69771, juris Rn. 12; [X.], NZS 2013, 472, 475 f Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 198 Rn. 57; [X.] in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Art. 23 [X.] Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, Art. 23 [X.] Rn. 2; [X.], [X.], 327; Söhngen, NZS 2012, 493, 497; [X.], [X.], 32, 35; a.A. [X.], Urteil vom 29. November 2012 - L 10 SF 5/12 ÜG, juris Rn. 186, 187).

bb) Dieser Beurteilung steht der von der Revision in den Vordergrund gestellte Umstand nicht entgegen, dass die Übergangsregelung in der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 14, damals noch Art. 22) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens dahin ergänzt wurde, dass die Klage für abgeschlossene Verfahren spätestens an dem Tag erhoben werden muss, der sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes liegt (BT-Drucks. 17/7217 S. 21, also am 3. Juni 2012, vgl. BGBl. 2011 I S. 2312). Damit sollte sichergestellt werden, dass bei [X.] für Betroffene ebenso wie im Fall des § 198 Abs. 5 Satz 2 [X.] eine einheitliche Überlegungsfrist von sechs Monaten gilt, in der sie über die Erhebung einer [X.] entscheiden können (vgl. BT-Drucks. 17/7217 [X.], 31; [X.] aaO Art. 23 [X.] Rn. 9). Keineswegs sollten damit die Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde vor dem [X.] als entbehrlich angesehen werden. Im Gegenteil belegt der Umstand, dass das angegebene Datum 3. Juni 2012 sechs Monate nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes liegt, dass der Gesetzgeber nach wie vor die Fristenregelung des Art. 35 Abs. 1 [X.] im Blick hatte. Dies wird darüber hinaus durch die in Art. 23 [X.] enthaltene weitere Voraussetzung bestätigt, wonach die Möglichkeit bestehen muss, eine Beschwerde noch anhängig zu machen; diese Möglichkeit besteht nur, soweit der Beschwerdeführer die Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] wahren kann.

cc) Die Richtigkeit der vom Senat vorgenommenen Auslegung des Art. 23 [X.] wird entgegen der Auffassung der Revision auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der [X.] die Beschwerde des [X.] wegen Nichterschöpfung des (neuen) innerstaatlichen Rechtsbehelfs für unzulässig erklärt und ihm mitgeteilt hat, er könne sich nach Abschluss eines solchen Verfahrens erneut mit einer Beschwerde an den [X.] wenden. Dieser Umstand ist für die Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 23 [X.] ohne Aussagekraft. Insbesondere lässt die Entscheidung des [X.] nicht darauf schließen, dass sich der [X.] mit dem Inhalt dieser Übergangsregelung und den darin vorgesehenen Einschränkungen sowie dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung näher befasst hat.

Seit der Entscheidung über die Individualbeschwerde Nr. 69789/01 ([X.], [X.] 2001-IX) vom 6. September 2001 stellt der [X.] in den Vordergrund, dass nach Einführung einer neuen innerstaatlichen Entschädigungsregelung diese zunächst geltend zu machen und auszuschöpfen sei. Dabei hat er für das [X.] Recht in der [X.] Nr. 53126/09 vom 29. Mai 2012 (NVwZ aaO S. 48 Rn. 43) wie auch in verschiedenen anderen Verfahren (Entscheidungen vom 10. Juli 2012, [X.] Nr. 27366/07 u.a. sowie 64208/11 u.a.) der Tatsache besondere Bedeutung beigemessen, dass der Beschwerdeführer nach dem neuen Entschädigungsgesetz berechtigt sei, seine Ansprüche gemäß den Übergangsbestimmungen zu diesem Gesetz vor den innerstaatlichen Gerichten geltend zu machen, und dies den Willen des Gesetzgebers widerspiegele, den Personen, die vor Inkrafttreten des Rechtsschutzgesetzes Beschwerde vor dem [X.] erhoben hatten, auf [X.] Wiedergutmachung zu leisten. Diese allgemeinen Ausführungen erlauben jedoch nicht den Schluss, dass der [X.] bei diesen Entscheidungen die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 198 ff [X.] und insbesondere des Art. 23 [X.] einer eingehenden Prüfung unterzogen hat. Dem steht schon entgegen, dass der [X.] stets zum Ausdruck gebracht hat, dass es bei Einführung eines Rechtsbehelfs, mit dem eine Entschädigung verlangt werden kann, wichtig sei, dass die nationalen Instanzen als erste und ohne Verzögerung solche Anträge prüften, weil sie besser in der Lage seien, den für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt festzustellen und die Höhe der Entschädigung zu berechnen (NVwZ aaO).

Der an den Kläger gerichtete Hinweis des [X.] vermag daher keinen Aufschluss darüber zu geben, ob die §§ 198, 199 [X.] nach der Übergangsregelung des Art. 23 [X.] auch im Falle einer Versäumung der Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] zum Zuge kommen können.

Schlick                    Herrmann                     Wöstmann

              Hucke                        [X.]

Meta

III ZR 361/12

11.07.2013

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 24. Oktober 2012, Az: 23 SchH 10/12, Urteil

Art 23 S 1 ÜberlVfRSchG, § 198 GVG, §§ 198ff GVG, § 199 GVG, Art 6 Abs 1 S 1 MRK, Art 35 Abs 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.07.2013, Az. III ZR 361/12 (REWIS RS 2013, 4190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4190

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