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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSVI ZB 7/01vom27. März 2001in dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ: neinZPO § 233 B, Fb, Fc, FdIst die Fristenkontrolle im Anwaltsbüro ausreichend organisiert, kann dem Anwaltauch ein organisationsunabhängiges zweimaliges Versagen seiner Angestellten inderselben Sache nicht zugerechnet werden.BGH, Beschluß vom 27. März 2001 - VI ZB 7/01 - OLG München LG München I- 2 -Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2001 durch dieVorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach,Dr. Greiner und Wellnerbeschlossen:Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Dezem-ber 2000 aufgehoben.Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegenVersäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.Beschwerdewert: 20.308 DM.Gründe:I.1. Der Kläger hat gegen das landgerichtliche Urteil rechtzeitig am9. Oktober 2000 Berufung eingelegt. Da innerhalb der Berufungsbegründungs-frist eine Berufungsbegründung bei Gericht nicht einging, teilte der Vorsitzendedes Berufungssenats mit Schreiben vom 17. November 2000 dem Prozeßbe-vollmächtigten des Klägers mit, daß der Senat beabsichtige, die Berufung zuverwerfen. Daraufhin beantragte der Klägervertreter mit einem am28. November 2000 bei Gericht eingegangenen Schreiben gegen die Versäu-- 3 -mung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigenStand; ferner reichte er am selben Tag die Berufungsbegründung ein.Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags trug der Klägerver-treter vor:Das Oberlandesgericht habe ihm mit einem Schreiben vom 11. Oktober2000 mitgeteilt, daß die Berufungsschrift am 9. Oktober 2000 eingegangen sei.Dieses Schreiben sei bei ihm am 13. Oktober 2000 eingegangen. Er habe, alser der ihm zugeordneten Rechtsanwaltsfachangestellten K. an diesem Tagedie Postmappe übergeben habe, ausdrücklich auf dieses Schreiben hingewie-sen und Frau K. angewiesen, die bei Einlegung der Berufung zu notierendeBerufungsbegründungsfrist zu überprüfen und als verbindlichen Ablauf der Be-rufungsbegründungsfrist den 9. November 2000 sowie die einwöchige Vorfristzu notieren, sofern diese Daten nicht bereits notiert seien. Frau K. habe dieseEintragungen jedoch aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versäumt. Inseiner Kanzlei gebe es eine allgemeine Anweisung an die Rechtsanwalts-fachangestellten, die Berufungsbegründungsfristen unmittelbar mit der Einle-gung des Rechtsmittels bzw. noch am gleichen Tag im Fristenkalender alsvorläufige Frist einzutragen. Weiter sei eine einwöchige Vorfrist einzutragen,um eine rechtzeitige Aktenvorlage zu gewährleisten. Auch die Eintragung die-ser Fristen habe Frau K. versäumt. Die Akten seien ohne Notierung einer Be-rufungsbegründungsfrist und der einwöchigen Vorfrist offensichtlich in den Ak-tenschrank eingehängt worden. Das sei erst bemerkt worden, als der Hinweisdes Oberlandesgerichts auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist inder Kanzlei eingegangen sei. Frau K. sei eine geschulte und äußerst zuverläs-sige Rechtsanwaltsfachangestellte, die - wie regelmäßige Kontrollen ergebenhätten - den Fristenkalender bisher sorgfältig und fehlerlos geführt habe.- 4 -Dem Wiedereinsetzungsantrag war eine eidesstattliche Versicherungder Rechtsanwaltsfachangestellten K. beigefügt. Der Inhalt dieser Erklärungzur Organisation der Fristenkontrolle in der Kanzlei des Klägervertreters undzu den Abläufen im vorliegenden Fall entspricht dem Vorbringen des Anwalts.2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückge-wiesen und die Berufung des Klägers verworfen. Nach seiner Auffassung hatder Klägervertreter, dessen Verschulden sich der Kläger zurechnen lassenmüsse (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO), die Berufungsbegründungsfrist nicht ohneVerschulden versäumt. Die Organisation der Fristenkontrolle in der Kanzlei desAnwalts reiche nicht aus. Er habe die Eintragung der Fristen vollständig denRechtsanwaltsfachangestellten überlassen; eine eigene Überprüfung, Berichti-gung oder Kontrolle durch den Anwalt sei damit nicht gewährleistet gewesen.Im vorliegenden Fall habe weder bei der Vorlage der Berufung bereits einFristvorschlag der Angestellten vorgelegen, den der Anwalt hätte bestätigenkönnen, noch habe der Anwalt auf der Berufungsschrift eine Eintragung vorge-nommen. Bei einer mündlichen Anweisung, wie sie der Anwalt der Angestelltenbei der Übergabe der Postmappe erteilt habe, bestehe die Gefahr, daß die An-gestellte durch die weiteren Schreiben in der Postmappe abgelenkt werde. DerAnwalt hätte sich zumindest durch eine Rückfrage vergewissern müssen, obFrau K. das Datum richtig verstanden habe; ohne diese Kontrolle habe der An-walt nicht sein Möglichstes getan, um Fehlerquellen bei der Eintragung undBehandlung von Fristen auszuschließen.II.- 5 -Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Be-schwerde des Klägers.Das Rechtsmittel hat Erfolg. Nach der Darstellung des Prozeßbevoll-mächtigten des Klägers und der eidesstattlichen Erklärung der Rechtsanwalts-fachangestellten K. beruht die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist aufeinem doppelten Fehlverhalten dieser Angestellten und nicht auf einem demKläger zurechenbaren Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten (§ 85Abs. 2 ZPO).Die Organisation der Fristenkontrolle in der Kanzlei des Prozeßbevoll-mächtigten des Klägers ist nicht zu beanstanden. Nach der ständigen Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs muß das Fristenwesen in einer Anwalts-kanzlei so organisiert sein, daß in jedem Fall bei Einlegung einer Berufung dasmutmaßliche Ende der Berufungsbegründungsfrist bei oder alsbald nach Ab-sendung der Berufungsschrift im Fristenkalender notiert wird. Außerdem istnoch eine sogenannte Vorfrist zu notieren, die in der Regel eine Woche beträgt(vgl. etwa BGH, Beschluß vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94 - BGHR ZPO § 233- Fristenkontrolle 37; Beschluß vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00). DiesenAnforderungen entspricht die Organisation in der Kanzlei des Klägervertreters.Insoweit liegt der vorliegende Fall anders als der dem Beschluß des Bundesge-richtshofs vom 9. Januar 2001 (VIII ZB 26/00) zugrundeliegende.Das Oberlandesgericht wirft dem Klägervertreter als Anwaltsverschuldenvor, daß er die Eintragung der Fristen den Rechtsanwaltsfachangestelltenüberlassen habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Es entspricht derständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß der Anwalt die Be-rechnung der allgemein anfallenden einfachen Fristen sowie die Führung desFristenkalenders im Rahmen einer von ihm zu verantwortenden Büroorganisa-- 6 -tion auf sein geschultes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtesPersonal zur selbständigen Erledigung überträgt (vgl. etwa BGH, Beschlüssevom 29. Januar 1997 - XII ZB 203/96 - BGHR ZPO § 233, Feriensache 4, vom12. November 1986 - IVb ZB 119/86 - BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 1und vom 26. August 1999 - VII ZB 12/99 - Fristenkontrolle 68). Im vorliegendenFall handelt es sich um eine einfache Fristberechnung. Dies bedeutet, daß kei-ne Einwendungen dagegen zu erheben sind, daß der Anwalt die Berechnungder Berufungsbegründungsfrist seiner Angestellten K. überlassen hat.Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts trifft den Prozeßbe-vollmächtigten des Klägers auch nicht deshalb ein Schuldvorwurf, weil er nachdem Eingang des Schreibens des Oberlandesgerichts, wonach die Berufungam 9. Oktober 2000 eingelegt worden war, die Angestellte K. mündlich ange-wiesen hat, die - nach seiner Vorstellung entsprechend der allgemeinen An-weisung und der bisherigen Übung - bereits vorläufig eingetragene Berufungs-begründungsfrist und die Vorfrist auf der Grundlage der gerichtlichen Mitteilungzu überprüfen und erforderlichenfalls zu korrigieren. Es ist nicht ersichtlich, daßnach den Umständen für den Anwalt ein Anlaß bestanden hätte, sich durcheine Rückfrage bei Frau K. zu vergewissern, ob sie das Datum richtig verstan-den habe. Im übrigen besteht das Versagen der Angestellten K. nicht darin,daß sie im Fristenkalender ein falsches Datum notiert hätte, sondern zum einendarin, daß sie bereits am 9. Oktober 2000 die in der allgemeinen Anweisungangeordnete vorläufige Fristennotierung versäumt hat, und zum anderen am13. Oktober 2000 die Einzelanweisung des Anwalts, die - nach seiner Vorstel-lung schon eingetragenen - Fristen zu kontrollieren und erforderlichenfalls zukorrigieren, nicht befolgt hat. Hiermit mußte der Anwalt indes nicht rechnen. Erkonnte vielmehr darauf vertrauen, daß seine Angestellte seine einfache undinhaltlich klare Weisung befolgen werde (vgl. Senat, Urteil vom 6. Oktober- 7 -1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185, 186). Es kommt hinzu, daß für den Pro-zeßbevollmächtigten des Klägers um so weniger eine Veranlassung bestandenhat, zur Sicherung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist an Frau K.eine Kontrollfrage zu richten, als er davon ausgehen konnte, daß die Einhal-tung der Berufungsbegründungsfrist in Vollzug der allgemeinen Anweisung injedem Fall durch die bei der Einlegung der Berufung im Fristenkalender einzu-tragenden Fristen gesichert war.Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich ein für die Fristversäumung ur-sächliches Verschulden des Anwalts ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.Insbesondere kann der auffällige Umstand, daß der Angestellten gleich eindoppeltes Fehlverhalten in derselben Sache unterlaufen ist, dem Anwalt nachderzeitiger Rechtslage nicht zugerechnet werden.Dr. MüllerDr. LepaDr. von GerlachDr. GreinerWellner
Meta
27.03.2001
Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2001, Az. VI ZB 7/01 (REWIS RS 2001, 3056)
Papierfundstellen: REWIS RS 2001, 3056
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
VIII ZB 26/00 (Bundesgerichtshof)
XII ZB 243/03 (Bundesgerichtshof)
VI ZB 29/07 (Bundesgerichtshof)
VI ZB 1/10 (Bundesgerichtshof)
Wiedereinsetzung in eine versäumte, verlängerte Berufungsbegründungsfrist: Anforderungen an die Kanzleiorganisation des Fristenwesens
IV ZB 18/05 (Bundesgerichtshof)
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