Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2016, Az. 5 StR 516/15

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 14614

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Gegenstand

Strafverfahren wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens gefälschter Arzneimittel: Fehlerhafte Beweiswürdigung bei einer tateinheitlichen Verurteilung wegen versuchten Betrugs


Tenor

1. Nach Rücknahme ihrer Revisionen gegen das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2015 werden den Angeklagten [X.]und [X.]      jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels auferlegt.

2. Die Strafverfolgung wird hinsichtlich der Angeklagten M.     und [X.]       auf den Vorwurf des vorsätzlichen Inverkehrbringens gefälschter Arzneimittel in Tateinheit mit vorsätzlichem Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel, mit vorsätzlichem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken und mit vorsätzlicher Benutzung einer Marke und eines Zeichens ohne Zustimmung des Inhabers sowie hinsichtlich des Angeklagten M.     in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Einfuhr von Arzneimitteln ohne Erlaubnis und hinsichtlich des Angeklagten [X.]       in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zur vorsätzlichen Einfuhr von Arzneimitteln ohne Erlaubnis beschränkt.

3. Die Revisionen der Angeklagten M.     und [X.]      gegen das vorbezeichnete Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass die Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangenen versuchten – im Falle des Angeklagten M.    : bandenmäßigen – Betruges entfällt.

4. Die Angeklagten M.     und [X.]      haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen jeweils tateinheitlich begangener Straftaten gegen das Arzneimittel- und das [X.], in weiterer Tateinheit mit versuchtem – im Falle des Angeklagten M.    : bandenmäßigem – Betrug, zu Freiheitsstrafen verurteilt und Entscheidungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Die nach Rücknahme der Revisionen der Angeklagten S.     und [X.]      noch verfahrensgegenständlichen Revisionen der Angeklagten M.     und [X.]       haben mit der Sachrüge nur den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen vertrieben die Angeklagten und weitere gesondert Verfolgte gefälschte Medikamente, insbesondere Potenzmittel gegen erektile Dysfunktion, im [X.]. Es handelte sich um Fälschungen von marken- und patentrechtlich geschützten Medikamenten, die auch zur Tatzeit verschreibungs- und apothekenpflichtig waren. Darüber hinaus vertrieben sie wegen ihrer Gefährlichkeit in der [X.] nicht zugelassene Schlankheitsmittel über [X.]portale. Der Angeklagte M.     gehörte zu den „Köpfen des Unternehmens“ ([X.]), während die übrigen Angeklagten als sogenannte Webmaster die betreffenden [X.]seiten bewarben und dafür erhebliche Provisionen erhielten. Der Vertrieb der illegalen Arzneimittel war wirtschaftlich äußerst erfolgreich; im angeklagten Zeitraum von Juni 2008 bis März 2011 erzielten die Betreiber der [X.]seiten Einnahmen von rund 21 Mio. Euro.

3

2. Der Senat beschränkt mit Zustimmung des [X.] die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 und 2 StPO auf den in Ziffer 2 der [X.] bezeichneten Vorwurf von Verstößen gegen das Arzneimittel- und das [X.] und ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Er weist darauf hin, dass der Schuldspruch wegen eines tateinheitlich begangenen versuchten Betruges zum Nachteil der Erwerber der Pharmaprodukte sachlich-rechtlicher Prüfung nicht standgehalten hätte. Hierzu hat der [X.] in seiner Stellungnahme vom 16. November 2015 ausgeführt:

„Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung ist deswegen lückenhaft, weil das [X.] seine beweiswürdigenden Erwägungen zum [X.]n Vorstellungsbild der Erwerber nicht in die Erörterungen zum [X.] der Angeklagten nach §§ 263, 22, 23 StGB einbezogen hat, obschon sich dies der [X.] hätte aufdrängen müssen. Hierzu im Einzelnen:

Auf [X.] führt das [X.] - gestützt auf Angaben vernommener Zeugen sowie einer nicht näher erläuterten lebensnahen Betrachtungsweise - aus, dass die Besteller der Pharmaprodukte nicht auf deren Echtheit vertraut, sondern durchgängig damit gerechnet hätten, gefälschte Mittel zu erwerben. Gemeint ist damit ersichtlich, dass die Erwerber die Verfälschung der Produkte für überwiegend wahrscheinlich erachtet haben; denn andernfalls wäre die Aussage, sie seien diesbezüglich keinem Irrtum unterlegen, im Lichte der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bestimmung einer betrugsrelevanten Fehlvorstellung (vgl. dazu [X.], StGB, 62. Aufl., § 263 Rn. 55) unhaltbar.

Ausgehend von dieser - nach Ansicht der [X.] durchaus fragwürdigen - These hätte sich das [X.] allerdings die Frage vorlegen und im Urteil beweiswürdigend beantworten müssen, ob unter diesen Voraussetzungen der [X.] der Angeklagten auf die Herbeiführung eines täuschungsbedingten Irrtums gerichtet war. Denn wenn durch die von ihnen inszenierte Bewerbung der Pharmaprodukte nach lebensnaher Betrachtung niemand über deren Echtheit getäuscht werden konnte, drängte es sich auf zu klären, weshalb die naheliegenderweise über vergleichbares Erfahrungswissen verfügenden Angeklagten gleichwohl einen auf Irrtumserregung gerichteten Vorsatz gehabt haben sollen (vgl. dazu [X.], 296 f.). Mehr noch: An sich müsste in solchen Konstellationen bereits das Tatbestandsmerkmal der Täuschung verneint werden. Ohne nähere Ausführungen hierzu ist die Beweiswürdigung zum versuchten Betrug in sich nicht stimmig und kann vom Revisionsgericht nicht hingenommen werden.“

4

Dem schließt sich der Senat an. Bei Teilaufhebung und Zurückverweisung der Sache, wie ursprünglich vom [X.] beantragt, die sich gemäß § 357 StPO auch auf die [X.] hätte erstrecken müssen, wäre die neu zur Entscheidung berufene [X.] nicht durch das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) daran gehindert gewesen, die [X.] – auch im Hinblick auf eine nicht fernliegende [X.] Täuschung über das Bestehen zum Teil erheblicher mit der Einnahme der gefälschten Medikamente verbundener Gesundheitsrisiken – wegen vollendeten Betruges zu verurteilen.

5

3. Die gebotene Änderung des Schuldspruchs führt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Denn nach den Strafzumessungserwägungen des [X.]s ([X.] bis 92 und 96 f.) kann ausgeschlossen werden, dass es ohne den Schuldspruch wegen versuchten Betruges auf für die Angeklagten günstigere Rechtsfolgen erkannt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).

Sander                           Schneider                            Dölp

                   Berger                                [X.]

Meta

5 StR 516/15

14.03.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Potsdam, 19. Mai 2015, Az: 25 KLs 8/14

§ 2 AMG, § 95 AMG, § 1 MarkenG, §§ 1ff MarkenG, § 263 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2016, Az. 5 StR 516/15 (REWIS RS 2016, 14614)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14614

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Wird zitiert von

4 StR 288/22

3 StR 233/19

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