Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2018, Az. 10 W (pat) 23/17

10. Senat | REWIS RS 2018, 2949

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Freilaufkupplung" – Zurückweisung der Anmeldung - zum Erfordernis der Beglaubigung einer Übersetzung einer fremdsprachigen Patentanmeldung durch einen Rechts- oder Patentanwalt - unverhältnismäßige Maßnahme – keine Grundlage für die Zurückweisung einer Anmeldung


Leitsatz

Freilaufkupplung

Das in § 14 Abs. 1 PatV geregelte Erfordernis, wonach eine nach § 35a PatG einzureichende Übersetzung einer fremdsprachigen Patentanmeldung durch einen Rechts- oder Patentanwalt zu beglaubigen ist, stellt eine unverhältnismäßige Maßnahme dar. § 14 Abs. 1 PatV ist insoweit nichtig und kann nicht die Grundlage für die Zurückweisung einer Anmeldung bilden. ff.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2016 219 298

(hier: Zurückweisung der Anmeldung)

hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller sowie [X.], [X.]. [X.] und Dipl.-Ing. Univ. Richter

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle 12 des [X.] vom 24. Juli 2017 aufgehoben, und die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

2. [X.] wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der [X.] Patentanmeldung 10 2016 219 298, deren Gegenstand in der [X.] Übersetzung als „Druckstück mit reduziertem Volumen für eine Kipphebel-Freilaufkupplung“ angegeben ist. Die Anmeldung war von der Beschwerdeführerin (im Folgenden: „Anmelderin“) beim [X.] ([X.]) am 5. Oktober 2016 - der Prioritätsvoranmeldung entsprechend - in [X.] eingereicht worden und nimmt eine [X.] Priorität vom 8. Oktober 2015 in Anspruch. Am 23. Dezember 2016 hatte die Anmelderin fristgerecht eine [X.] Übersetzung der Anmeldeunterlagen nachgereicht, die aber weder von einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt beglaubigt noch von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt worden war.

2

Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 hat die zuständige Prüfungsstelle des [X.] die Anmelderin auf die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] hingewiesen, wonach die Übersetzung von Anmeldeunterlagen von einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt zu beglaubigen sei. Falls die Übersetzung von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt worden sein sollte, so sei dessen Unterschrift nachzuholen und von einem Notar beglaubigen zu lassen. Nachdem die Anmelderin dieser und einer nachfolgenden Aufforderung vom 2. Mai 2017 nicht nachgekommen war, hat die Prüfungsstelle schließlich mit Beschluss vom 24. Juli 2017, der der Anmelderin am 29. Juli 2017 zugestellt worden war, die Patentanmeldung zurückgewiesen.

3

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 17. August 2017 von der Anmelderin rechtzeitig und auch sonst wirksam eingelegte Beschwerde. Die zuständige Prüfungsstelle hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese am 12. September 2017 dem [X.] ([X.]) vorgelegt.

4

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Mai 2018 gemäß § 77 Satz 1 [X.] der Präsidentin des [X.] anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Die Präsidentin des [X.] hat von dieser Möglichkeit mit einer am 27. Juli 2018 dem [X.] zugegangenen Beitrittserklärung Gebrauch gemacht.

5

Die Anmelderin ist der Auffassung, die Zurückweisung ihrer Anmeldung hätte nicht auf § 14 Abs. 1 [X.] gestützt werden dürfen. Diese Regelung sei nichtig, da sie ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage geschaffen worden sei. Die Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 [X.], wonach das [X.] ([X.]) und das [X.] ermächtigt seien, „Bestimmungen über die Form und die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung“ zu erlassen, sei aber bezogen auf Inhalt, Zweck und Ausmaß zu unbestimmt. Daher werde das in Art. 20 GG festgeschriebene Rechtsstaatsprinzip verletzt. Darüber hinaus sei die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] von der Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 [X.] auch inhaltlich nicht gedeckt. Die Übersetzung der Anmeldung sei kein Teil der Anmeldung, wie sich aus dem als abschließend anzusehenden Katalog des § 34 Abs. 3 [X.] ergebe.

6

Die Bestimmung des § 14 Abs. 1 [X.] regele zudem einen Eingriff in ein nach Art. 14 GG geschütztes Eigentum, wobei allerdings dieser Eingriff weder nach Zweck noch nach Ausmaß gerechtfertigt sei. Die Beglaubigung einer Übersetzung durch einen Anwalt sei mit erheblichen Kosten und Aufwand verbunden. Für die anwaltliche Beglaubigung einer durchschnittlich umfangreichen Übersetzung seien im Schnitt 700 € zu zahlen. Falls die Übersetzung vom Anwalt selbst angefertigt oder von ihm eingehend und genau geprüft werden müsse, könne sich dieser Betrag je nach Arbeitsaufwand entsprechend vervielfachen. Es sei unverständlich, weshalb ein Anmelder, der sein Anmeldeverfahren vor dem [X.] selbst betreibe, nicht auch seine Übersetzung selbst anfertigen und allein für die Qualität seiner Übersetzung verantwortlich sein könne. Aus einer mangelhaften Übersetzung entstünde schließlich vor allem dem späteren Patentinhaber selbst ein Nachteil. Außerdem könnten aus unzulässigen Erweiterungen nach § 38 Satz 2 [X.] keine Rechte hergeleitet werden. Ein Patent, das aufgrund einer mangelhaften Übersetzung [X.] eine unzulässige Erweiterung enthalte, sei mit dem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage erfolgreich angreifbar. Falls im Prüfungsverfahren eine mangelhafte Übersetzung auffallen sollte, könnte diese unter Androhung, die Anmeldung zurückzuweisen, beanstandet und durch eine korrigierte Übersetzung ersetzt werden.

7

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ferner darauf hingewiesen, dass Übersetzungen von englischsprachigen, internationalen Anmeldungen, die sie nach dem [X.] ([X.]) beim [X.] als Bestimmungsamt [X.], vom [X.] auch ohne anwaltliche Beglaubigung akzeptiert werden würden. Nur bei Anmeldungen, die beim [X.] - wie im vorliegenden Fall - als „normale“ fremdsprachige Patentanmeldungen eingereicht würden, bestehe das Amt strikt auf die Beglaubigung durch einen Rechts- oder Patentanwalt. Diese unterschiedliche Behandlung zeige, dass es für die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] keine Rechtfertigung gebe.

8

Die Anmelderin hat den Antrag gestellt,

9

den Beschluss der Prüfungsstelle 12 des [X.]s vom 24. Juli 2017 aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

Die Präsidentin des [X.] hat den Antrag gestellt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Ferner hat die Präsidentin des [X.] angeregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Präsidentin des [X.] ist der Auffassung, dass die Wirksamkeit des § 14 Abs. 1 [X.], der für die Übersetzungen von Patentanmeldungen eine anwaltliche Beglaubigung vorschreibe, außer Frage stehe. Die Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 [X.] sei hinreichend bestimmt und auch im Übrigen geeignet, die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] zu tragen. Der Begriff der Anmeldung umfasse die Gesamtheit aller Anmeldeunterlagen, wozu auch die Übersetzung einer Anmeldung zähle. Die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] sei auch im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, erforderlich und angemessen.

Mit der Regelung werde ein legitimer Zweck verfolgt. Es sei Aufgabe des [X.], bereits im Zusammenhang mit der Offenlegung von Patentanmeldungen dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit zuverlässig über künftige Patente informiert werde. Auch eine Förderung des technischen Fortschritts, dem die Herausgabe von [X.] ebenfalls diene, sei nur erreichbar, wenn diese Schriften auf der Grundlage qualitativ hochwertiger Übersetzungen gefertigt würden. Die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] solle insbesondere maschinelle Übersetzungen verhindern, die in aller Regel von besonders schlechter Qualität seien. Im Übrigen sei § 14 Abs. 1 [X.] auch in besonderer Weise geeignet, Patente zu verhindern, die aufgrund einer mangelhaften Übersetzung [X.] unzulässig erweitert und damit angreifbar seien. Einspruchs- und [X.] böten dagegen keine wirksame Abhilfe, da diese (wenn überhaupt) erst mit einem großen zeitlichen Versatz nachfolgten. Ohne die hier in Rede stehende Regelung müsste das [X.] in vielen Fällen selbst in eine Prüfung eintreten, ob eine ordnungsgemäße Übersetzung vorliege, wozu das Amt aber nicht in der Lage sei.

Nur Übersetzungen, die von einem Rechts- oder Patentanwalt (oder einem öffentlich bestellten Übersetzer) beglaubigt bzw. angefertigt worden seien, böten die Gewähr für den geforderten Qualitätsstandard. Zugelassene Rechts- und Patentanwälte hätten als unabhängige Organe der Rechtspflege besondere standesrechtliche Verpflichtungen und würden daher bei einer qualitativ zweifelhaften Übersetzung keine Beglaubigung vornehmen. Auch der [X.] ([X.]) habe in seiner Entscheidung „[X.]“ ([X.], 91 ff.) insoweit die besondere Bedeutung von § 14 Abs. 1 [X.] herausgestellt. Im Zusammenhang mit der Angemessenheitsprüfung sei ferner zu beachten, dass § 14 Abs. 1 [X.] nicht isoliert, sondern nur in Zusammenschau mit dem vom Gesetzgeber zeitgleich geschaffenen § 35 [X.] a. F. gesehen werden dürfe. Durch die Möglichkeit, eine Patentanmeldung beim [X.] in einer fremden Sprache einreichen zu können, sei insbesondere für ausländische Anmelder ein nicht unerheblicher Vorteil geschaffen worden. Der im Zuge dieser grundsätzlich vorteilhaften Neuerung mitgestaltete § 14 Abs. 1 [X.] nehme nur eine geringfügige Einschränkung vor.

Die Präsidentin des [X.] hat auf den entsprechenden Vortrag der Anmelderin eingeräumt, dass das [X.] im Falle der Nationalisierung von Anmeldungen nach dem [X.], bei denen das Amt als sogenanntes Bestimmungsamt tätig werde, keine Beglaubigung zu den hierbei ggf. einzureichenden Übersetzungen fordere. Sie hat in diesem Zusammenhang vortragen lassen, dass diese Fälle rechtlich völlig anders gelagert seien. Im Rahmen des [X.] werde das [X.] aufgrund supranationaler, ausländischer Rechtsnormen tätig. Die Regelungen des [X.] und seiner Ausführungsordnung könnten zur Beurteilung der vorliegenden Rechtsfragen, die ausschließlich nationales, [X.]s Recht beträfen, nichts beitragen.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Der angefochtene Beschluss ist zwar in formaler Hinsicht ordnungsgemäß ergangen, in inhaltlicher Hinsicht erweist er sich jedoch als fehlerhaft und ist daher aufzuheben.

1. Der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Zurückweisungsbeschluss ist in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden.

Die [X.] der hier in Rede stehenden Übersetzung stellt nach der Systematik der patentgesetzlichen Regelungen einen einfachen, formalen Mangel der Anmeldung dar, der im Rahmen der [X.] nach §§ 34 Abs. 6, 42 Abs. 1 und 3 [X.] die Grundlage für die Zurückweisung einer Anmeldung - die Wirksamkeit von § 14 Abs. 1 [X.] hier noch unterstellt - bilden konnte. Der Senat hat in seinem Bescheid vom 6. Februar 2018 bereits darauf hingewiesen, dass die gesetzlich in § 35a Abs. 1 und 2 [X.] geregelten Einreichungsfristen nur für die Übersetzung als solche gelten, während eine ggf. vorzunehmende Beglaubigung keiner Befristung unterliegt und deren Nachholung ohne [X.] möglich ist (vgl. [X.]/

Die Prüfungsstelle ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der von ihr bei der Übersetzung gemäß § 14 Abs. 1 [X.] angenommene Beglaubigungsmangel nicht bereits zum Eintritt der Rücknahmefiktion, wie sie in § 35a Abs. 1 Satz 2 [X.] geregelt ist, geführt haben konnte, somit (noch) eine anhängige Patentanmeldung vorlag und diese - wie im vorliegenden Fall geschehen - durch Zurückweisungsbeschluss zu erledigen war.

2. Die Anmelderin geht insoweit fehl, als sie meint, der von ihr angefochtene Zurückweisungsbeschluss sei deshalb rechtswidrig, weil die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.], auf die der Beschluss sich stützt, keine in rechtsstaatlicher Hinsicht hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage habe und/oder die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] von ihrer mutmaßlichen Ermächtigungsgrundlage überhaupt nicht gedeckt sei.

2.1. Der Einwand der Anmelderin, dass bereits die Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 [X.] wegen ihrer Weite und Unbestimmtheit das in Art. 20 GG festgeschriebene Rechtsstaatprinzip verletze, ist zwar statthaft, hier aber nicht einschlägig. Die Ermächtigungsnorm des § 34 Abs. 6 [X.], wonach [X.] und [X.] ermächtigt werden, „Bestimmungen über die Form und die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung“ zu erlassen, ist hinreichend bestimmt.

Aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt sich, dass ein Gesetz, das zum Erlass einer Verordnung ermächtigt, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung hinreichend klar bestimmen muss. Eine Verordnungsregelung, die auf der Grundlage einer nicht hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen wird, ist nichtig (vgl. BVerwGE 137, 30, 36). Durch Art. 80 GG wird der Gesetzgeber somit gezwungen, die für die Ordnung eines Rechtsbereichs wesentlichen Normen selbst zu setzen (vgl.

2.2. Die Ermächtigungsnorm des § 34 Abs. 6 [X.], wonach [X.] und [X.] ermächtigt werden, „Bestimmungen über die Form und die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung“ zu erlassen, ermächtigt auch zur Rechtssetzung bezogen auf Übersetzungen, die nach § 35a [X.] einzureichen sind.

Die Präsidentin des [X.] hat hierzu überzeugend dargelegt, dass der Katalog des § 34 Abs. 3 [X.], der die Bestandteile einer Anmeldung (ohne die Übersetzung zu nennen) auflistet, im vorliegenden Zusammenhang nicht als abschließend angesehen werden kann. Im [X.] Patentrecht wird durch Regel 49 Abs. 1 [X.] ausdrücklich bestimmt, dass die nach Art. 14 Abs. 2 EPÜ einzureichenden Übersetzungen als Unterlagen der [X.] Patentanmeldung gelten. Für Übersetzungen nach § 35a [X.] gilt nichts anderes. Eine offensichtlich fehler- oder lückenhafte Übersetzung kann, analog zu Anmeldeunterlagen, die beim [X.] von Anfang an in [X.]r Sprache eingereicht worden sind, im Rahmen der [X.] beanstandet werden, wobei die Beanstandung hier auf § 42 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 34 Abs. 3 [X.] und § 126 [X.] („Die Sprache vor dem Patentamt … ist [X.], …“) gestützt wird (vgl. [X.]E 53, 169, 172 f. - „Virtuelle Arbeitspunktbestimmung“). Auch nach [X.]m Recht bildet die Übersetzung der Anmeldeunterlagen die Fassung der Anmeldung, die der späteren Patenterteilung maßgeblich zugrunde gelegt wird (vgl. [X.]/

3. Die Regelung des § 14 Abs. 1 [X.] ist aber deshalb nicht mit dem sich aus Art. 20 GG ergebenden Rechtsstaatsprinzip vereinbar, weil das [X.] in der Art und Weise, wie es dort geregelt ist, für die Einreicher von fremdsprachigen Patentanmeldungen eine unverhältnismäßige Belastung darstellt.

3.1. Eine Rechtsverordnung hat sich nicht nur inhaltlich im Rahmen, der durch ihre Ermächtigungsnorm vorgegeben ist, zu halten, sie darf auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht verstoßen (

geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl.

3.1.1.1. Kein Zweifel besteht daran, dass mit dem [X.] nach § 14 Abs. 1 [X.] ein legitimer Zweck verfolgt wird. Als Ziel des dort geregelten [X.]ses wird angestrebt, bei [X.] Übersetzungen, die nach § 35a [X.] zu fremdsprachigen Patentanmeldungen nachzureichen sind, für eine gute Qualität zu sorgen. Nach dem umfangreichen Vortrag der Präsidentin des [X.] ist uneingeschränkt zu bejahen, dass eine möglichst hochwertige Qualität dieser Übersetzungen in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung ist und hieran auch ein öffentliches Interesse besteht.

3.1.1.2. Diesem öffentlichen Interesse steht allerdings das in § 6 Abs. 1 [X.] zugunsten eines Erfinders oder seines Rechtsnachfolgers festgeschriebene Recht auf das Patent entgegen. Bei dieser Rechtsposition handelt es sich zweifellos um eine solche, die dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterfällt (vgl. [X.] 36, 281, 290 f; zuletzt auch: [X.] GRUR 2018, 605, 606, Rz. 27 ff. - „Feldmausbekämpfung“). Hiernach stellt das in § 14 Abs. 1 [X.] geregelte [X.] durch einen Rechts- oder Patentanwalt eine das Eigentum beschränkende Norm dar, weil sie dem Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger erhebliche Kosten verursacht und er sich die Verwirklichung seines Anspruchs auf das Patent durch diese zusätzlichen Aufwendungen erkaufen muss. Im Falle eines Verstoßes kann ihm das [X.] - wie der vorliegende Fall zeigt - auch die Patentanmeldung bzw. sein Recht auf das Patent nehmen.

geeignete Maßnahme handelt.

Die Präsidentin des [X.] hat hierzu die Auffassung vertreten, dass nur Übersetzungen, die von einem Patent- oder Rechtsanwalt beglaubigt worden seien, die Gewähr für eine hohen Qualitätsstandard böten und dies sinngemäß damit begründet, dass es sich bei diesen Berufsgruppen um unabhängige Organe der Rechtspflege handele, bei denen eine grundlegende Lauterkeit vorausgesetzt werden könne. Die gleiche Erwartung findet sich auch in der oben zitierten Entscheidung des [X.] „[X.]“ ([X.], 91, 92, Rz. 18), wonach der Anwalt mit seiner Beglaubigung erkläre, dass die Übersetzung nach seinem besten Wissen eine richtige und vollständige Übertragung der fremdsprachigen Unterlagen in die [X.] Sprache darstelle. Tatsächlich lässt sich jedoch nicht belegen, dass die Regelung § 14 Abs. 1 [X.] in nennenswerter Weise zur Qualitätssicherung bei Übersetzungen der vorliegenden Art beiträgt.

3.1.1.3.1. Die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 1 [X.] (vormals § 10 [X.]) zeigt bereits einen systematischen „Geburtsfehler“, der darin besteht, dass im Jahr 1998 mit dem [X.] zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (2. [X.]ÄndG) die vereinfachte Beglaubigung einer Übersetzung durch einen Rechts- oder Patentanwalt nach § 69 [X.] a. F., die dort nur für einfache, fremdsprachige Urkunden vorgesehen war, unreflektiert in das neu geschaffene System von fremdsprachigen Patentanmeldungen übernommen wurde (vgl. [X.] 1998, 382, 391, 413). Eine nähere Begründung für diese Maßnahme sucht man in den Gesetzesmaterialien vergebens. Bereits damals musste klar gewesen sein, dass mit der Übertragung dieser vereinfachten Form einer Beglaubigung auf die Übersetzung einer Patentanmeldung, also letztlich auf das Ergebnis einer anspruchsvollen, geistigen Leistung, kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden kann. Je komplexer die zu [X.] ist, umso weniger macht eine Beglaubigung als „Bescheinigung der Richtigkeit“, was ja ihre Funktion sein soll, Sinn. Mit der Komplexität der Information wächst die Unsicherheit, was überhaupt „richtig“ ist. Handelt es sich bei der zu übersetzenden Information, wie bei der einer Patentanmeldung, um eine technische Lehre, können bei der Frage, wie eine Übersetzung ins [X.]e richtigerweise vorzunehmen ist, naturgemäß große Unsicherheiten bleiben (vgl.

3.1.1.3.2. Eine weitere Schwäche des gegenwärtigen, aus § 35a [X.] i. V. m. § 14 Abs. 1 [X.] gebildeten Systems ist, dass ein Rechts- oder Patentanwalt im Falle einer vorsätzlichen „Falschbeglaubigung“ einer Übersetzung, faktisch keine Sanktion befürchten muss. Damit soll an dieser Stelle nicht der Einführung einer besonderen Sanktionsregelung das Wort geredet werden, sondern lediglich darauf hingewiesen werden, dass der [X.] Gesetzgeber allgemein wohl zu Recht davon ausgeht, dass mit speziell und gezielt ausgerichteten Sanktionsregelungen rechtstreues Verhalten durchaus gefördert werden kann (vgl. [X.] den Straftatbestand des § 348 StGB einer „Falschbeurkundung im Amt“). Das hier in Rede stehende System würde dagegen selbst dann keine Sanktion für eine vorsätzliche „Falschbeglaubigung“ bereithalten, wenn man eine nach § 14 Abs. 1 [X.] vorgenommene, anwaltliche Beglaubigung einer Übersetzung in Richtung des Glaubhaftmachungsmittels einer „anwaltlichen Versicherung“ auslegen könnte. Denn auch die vorsätzlich falsche anwaltliche Versicherung löst, im Gegensatz zur falschen eidesstattlichen Versicherung nach § 156 StGB, keine strafrechtlichen Sanktionen aus (vgl. [X.], Urteil vom 25.10.2012, [X.]. 13 U 156/12, nachzuschlagen unter JURIS

3.1.1.3.3. Die vorstehend beschriebenen, strukturellen Mängel wirken sich in negativer Weise prägend darauf aus, wie Anmelderschaft und anwaltliche Vertreter in der Praxis mit dem [X.] des § 14 Abs. 1 [X.] umgehen. Der Senat ist aufgrund des unstreitig gebliebenen Vortrags der Anmelderin zur Überzeugung gelangt, dass insbesondere größere Unternehmen, die über eine eigene Patentabteilung verfügen, externe Patentanwälte regelmäßig nur mit der Beglaubigung der Übersetzung, nicht aber mit der Prüfung und Bearbeitung der Übersetzung beauftragen. Dies dient naturgemäß zum einen dazu, Kosten zu sparen; zum anderen ist dies aber auch dem Umstand geschuldet, dass externe Patentanwälte auf den in Frage stehenden, technischen Gebieten oft nicht über hinreichend spezielle Fach- und Sprachkenntnisse verfügen, um die Übersetzung einer Anmeldung hinreichend gut beurteilen zu können. Vor dem Hintergrund dieser „Praxis der eingeschränkten Beauftragung“ wird verständlich, weshalb in der Kommentarliteratur durchaus die Auffassung vertreten wird, dass ein Anwalt auch dann die Beglaubigung einer Übersetzung vornehmen dürfe, wenn er selbst der Sprache des [X.] gar nicht mächtig sei (vgl.

an der äußersten der Grenze zur Ungeeignetheit angesiedelt ist.

erforderlich ist.

Um erforderlich zu sein, müsste es sich bei dem [X.] um eine Maßnahme handeln, die nicht durch ein anderes, gleichwirksames, milderes Mittel ersetzt werden könnte. Dies ist aber hier der Fall, wie sich anhand vergleichbarer Regelungen des [X.]s ([X.]) und des [X.] (EPÜ) und der jeweiligen Ausführungsordnungen belegen lässt.

3.1.1.4.1. Die Anmelderin hat vorliegend zu Recht darauf hingewiesen, dass das [X.] in seiner Funktion als [X.]-Bestimmungsamt zu Übersetzungen von fremdsprachigen, internationalen Anmeldungen, die bei ihm nach Art. 22 Abs. 1 [X.] nationalisiert werden, keine Beglaubigung durch einen Rechts- und Patentanwalt verlangt. Grund für diese Zurückhaltung des [X.] ist die Regelung des Art. 27 Abs. 1 [X.], wonach die [X.] bei [X.]-Anmeldungen nur solche Erfordernisse verlangen dürfen, die im [X.] oder seiner Ausführungsordnung vorgesehen sind. Im vorliegenden Zusammenhang ist Regel 51

Die [X.] ist diesen Vorgaben vollumfänglich gefolgt - und zwar auch hinsichtlich solcher Anmeldungen, bei denen das [X.] nicht als [X.]-Bestimmungsamt tätig wird. Nach Regel 7 [X.] gilt die Vermutung, dass die Übersetzung zu einer nach Art. 14 Abs. 2 EPÜ eingereichten [X.] Patentanmeldung keine unzulässige Erweiterung enthält, sondern inhaltlich mit dem ursprünglichen, nichtamtssprachigen Text der eingereichten Fassung übereinstimmt. Hieraus folgt konsequenterweise, dass das [X.] keine Beglaubigung einer Übersetzung [X.] durch einen bei ihm zugelassenen Vertreter verlangt, sondern nach Regel 5 [X.] (in Anlehnung an Regel 51

3.1.1.4.2. Die vorstehend genannten Regelungen nach [X.] und EPÜ sowie nach den entsprechenden Ausführungsordnungen sind offensichtlich Ausdruck der Überzeugung, dass eine hinreichende Qualitätssicherung bei Übersetzungen von Patentanmeldungen auch ohne ein allgemeines [X.] erreicht wird. Dieser durchaus auch von Teilen der einschlägigen Kommentarliteratur geteilten Überzeugung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine hinreichende Qualitätssicherung bei Übersetzungen bereits dadurch eintritt, dass jeder anwaltlich gut beratene Anmelder weiß, dass die Einreichung einer mangelhaften Übersetzung ein großes Risiko bedeutet und die hierdurch ggf. entstehenden Nachteile in erster Linie ihn selbst treffen werden (vgl. [X.] [X.]/

3.1.1.4.3. Die Bevollmächtigten der Präsidentin des [X.] haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des [X.] und seiner Ausführungsordnung supranationales, ausländisches Recht seien und daher bei der Beurteilung der vorliegenden Rechtsfragen außen vor bleiben müssten. Die Ansicht, dass keine relevanten Vergleichsnomen auffindbar seien, könnte in Bezug auf die Regelungen des EPÜ als gerade noch vertretbar durchgehen; bezogen auf die Normen des [X.] und seiner Ausführungsordnung, die ein System beschreiben, das eng mit den nationalen Anmeldeverfahren der [X.] verwoben ist, kann eine solche Ansicht jedoch nicht mehr ernsthaft vertreten werden. Nach Überzeugung des Senats stellt Regel 51

Der [X.] ist am 24. Januar 1979 für die Bundesrepublik [X.]land ([X.]) in [X.] getreten und bereits deshalb ein Teil der nationalen Rechtsordnung der [X.]. Beim [X.] wird zwar begrifflich zwischen einer internationalen und einer nationalen Phase unterschieden, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass eine [X.]-Anmeldung, in der die [X.] für ein Patent bestimmt worden ist, gemäß Art. 11 Abs. 3 [X.] von Anfang an die gleichen Wirkungen wie eine beim [X.] eingereichte, [X.] Patentanmeldung hat. Wird beispielsweise in einer [X.]-Anmeldung die Priorität einer [X.] Voranmeldung beansprucht, so handelt es sich hierbei um eine innere Priorität nach § 40 Abs. 1 [X.]. Um hier zu verhindern, dass die in § 40 Abs. 5 [X.] geregelte Rücknahmefiktion zur Voranmeldung nicht bereits bei Beginn der internationalen Phase eintritt, musste die Sonderregelung des Art. [X.] § 4 Abs. 4 [X.] geschaffen werden. Hervorzuheben ist ferner Art. [X.] § 1 Abs. 3 [X.], der klarstellt, dass auf alle internationalen Anmeldungen, die beim [X.] als [X.] im Sinne von Art. 10 [X.] eingereicht werden, ergänzend zu den Bestimmungen des [X.] die [X.] Verfahrensvorschriften anwendbar sind.

3.1.1.4.4. Wie sich letztlich zeigt, liefert Regel 51

Im Übrigen steht die Änderungsbedürftigkeit von § 14 Abs. 1 [X.] seit dem [X.] im Raum. Bereits damals war anlässlich der Neufassung von Regel 51

fehlender Erforderlichkeit unverhältnismäßig, rechtsstaatswidrig und damit nichtig.

Angemessenheit des hier in Rede stehenden [X.]ses verzichtet werden.

4. Hiernach war der Beschluss der Prüfungsstelle 12 des [X.] aufzuheben und, damit die Prüfungsstelle das Anmeldeverfahren wieder fortsetzen kann, die Sache gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] an das [X.] zurückzuverweisen.

Der Senat macht in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 79 Abs. 3 Satz 2 [X.] aufmerksam, wonach die Prüfungsstelle die vorliegende Patentanmeldung nicht mehr auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 [X.] wegen einer fehlenden anwaltlichen Beglaubigung der Übersetzung beanstanden und zurückweisen darf. Eine durch einen öffentlich bestellten Übersetzer angefertigte Übersetzung kann grundsätzlich nach wie vor verlangt werden, jedoch in Abweichung von § 14 Abs. 1 [X.] nur dann, wenn die Prüfungsstelle, in Anlehnung an Regel 51

5. Die Frage nach der Vereinbarkeit von § 14 Abs. 1 [X.] mit höherrangigem Recht erfordert zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.]s, weshalb gemäß § 100 Abs. 2 Nr. 2 [X.] die Rechtsbeschwerde zuzulassen war.

Meta

10 W (pat) 23/17

11.10.2018

Bundespatentgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2018, Az. 10 W (pat) 23/17 (REWIS RS 2018, 2949)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2949


Verfahrensgang

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Az. X ZB 4/19

Bundesgerichtshof, X ZB 4/19, 14.07.2020.


Az. 10 W (pat) 23/17

Bundespatentgericht, 10 W (pat) 23/17, 11.10.2018.


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