Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2007, Az. StB 19/06

3. Strafsenat | REWIS RS 2007, 5204

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[X.]BESCHLUSS StB 19/06 vom 15. Februar 2007 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 15. Februar 2007 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen: Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 19. Dezember 2006 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Gründe: Der Beschuldigte ist am 27. November 2006 auf Grund des Haftbefehls des [X.] vom 9. November 2006 unter dem Verdacht des Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG festgenommen worden. Mit Verfü-gung vom 7. Dezember 2006 hat der [X.] das Verfahren we-gen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung über-nommen. Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Haftbefehl vom 19. Dezember 2006 den Haftbefehl des Amtsgerichts Mün-chen ersetzt. 1 I. Dieser ist auf den dringenden Verdacht gestützt, dass sich der Be-schuldigte seit dem 30. August 2002 bis zu seiner Festnahme als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland beteiligt hat, deren Zwecke und Tätigkeiten dar-auf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen, § 129 b Abs. 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Diese terroristische Vereinigung hat sich innerhalb der marxistisch-leninistischen Gruppierung [X.] in der [X.] gebildet und 2 - 3 - sich die Beseitigung der staatlichen Ordnung in der [X.] durch "bewaffneten Kampf", unter anderem durch Mord und Totschlag, zum Ziel gesetzt. Ihr gehö-ren neben bestimmten Funktionären und den mit der Ausführung der Anschläge betrauten Kadern in der [X.] auch herausgehobene Gebietsverantwortliche von [X.] im [X.] Ausland an, denen es als sog. "Rück-front" obliegt, die für den bewaffneten Kampf erforderlichen finanziellen und sachlichen Mittel zu beschaffen sowie geeignete Kämpfer zu rekrutieren und auszubilden. Zu ihnen zählt auch der Beschuldigte als sog. Bölgeleiter in ver-schiedenen Regionen [X.]. Er war dabei in [X.], Schulungen und die Rekrutierung von Kurieren eingebunden. Ferner ist der Be-schuldigte dringend verdächtig, durch die gleiche Handlung im Frühjahr 2003 einem im [X.] veröffentlichten [X.] zu haben, das der Durchführung einer vom Rat der [X.] Union beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient (§ 34 Abs. 4 Nr. 2 [X.] EG-Verordnung Nr. 2580/2001), indem er als zuständiger Gebietsverantwortlicher im Raum [X.] eine Spendenkampagne organisierte, bei der mindestens 34.000 • gesammelt worden sind, die er an die Führung in der [X.] weiterge-leitet hat. [X.] Die gegen den Haftbefehl gerichtete Beschwerde ist nicht begründet. 3 1. Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus den umfang-reichen Unterlagen, die bei einer Durchsuchung eines Pressebüros der [X.] am 1. April 2004 in [X.] sichergestellt werden konnten, sowie aus den Ergebnissen einer Überwachung des vom Beschuldigten benutzten [X.]. 4 - 4 - 2. Der Verfolgung des Beschuldigten steht auch nicht ein Verbrauch der Strafklage durch das Urteil des [X.] vom 21. Juni 2005 entgegen. Gegenstand der Verurteilung war der Vorwurf, sich in der [X.] von Februar bis August 1998 als Mitglied einer innerhalb der [X.] in [X.] gebildeten terroristischen Vereinigung nach § 129 a StGB betätigt zu haben. Hierbei handelte es sich um eine andere materiell-rechtliche und pro-zessuale Tat. 5 Bei den sog. Organisationsdelikten der §§ 84, 85, 129, 129 a StGB, § 20 Abs. 1 Nr. 1-3 VereinsG bilden die jeweiligen [X.] eines Mitglieds während der Dauer der Zugehörigkeit zu einer Organisation grundsätzlich eine tatbestandliche Handlungseinheit (vgl. BGHSt 29, 114, 123; 29, 288, 294; Ris-sing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 24). Betätigt sich jedoch ein Täter durch unterschiedliche Handlungen in verschiedenen Organisationen, so liegen mehrere selbständige Organisationsdelikte vor (vgl. [X.] in [X.]. 27). 6 a) Kommt es bei einer Organisation zu strukturellen Veränderungen, so wird es von den Umständen des Einzelfalls abhängen, ob es sich gleichwohl noch um die gleiche Organisation handelt oder infolge der Veränderung eine neue, davon verschiedene Organisation entstanden ist. So hat der Senat [X.] der Vorgängerorganisation, der 1983 verbotenen [X.], in zwei sich bekämpfende Gruppierungen, nämlich den sog. [X.] und den [X.], der mit der heutigen [X.] identisch ist, ent-schieden, dass es für die Organisationsidentität ungeachtet einer Änderung [X.] Beibehaltung des Namens darauf ankommt, ob der organisatorische [X.] und seine Träger im Wesentlichen dieselben geblieben sind ([X.], 1653). Ebenso hat er bei der Umstrukturierung der "Revolutionären Zelle" 7 - 5 - in verschiedene lokale "Revolutionäre Zellen" mit selbständiger Entscheidungs-gewalt, verbunden mit einem inhaltlichen und programmatischen Wandel, an-genommen, dass die bisherige Organisation nicht fortbestanden hat; dabei hat er darauf hingewiesen, dass eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre, wenn sich eine Vereinigung aus rein taktischen Gründen einvernehmlich um-strukturiere und ihre bisherigen Zwecke unverändert weiterverfolge (BGHSt 46, 349, 354). b) Auch wenn die Strukturen einer Vereinigung im Wesentlichen beibe-halten werden, kann es bei einer wesentlichen Änderung der Zweckrichtung der Vereinigung, die einen entsprechenden Entschluss der jeweiligen Mitglieder voraussetzt, sich auch unter den veränderten Umständen noch an der [X.] als Mitglied zu beteiligen, zu einer Zäsur zwischen den davor und danach liegenden [X.]n kommen, die zur Folge hat, dass nach diesem [X.]punkt eine neue tatbestandliche Handlungseinheit anzunehmen ist. Dies kommt in Betracht, wenn eine bislang lediglich kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB sich entschließt, nunmehr terroristische Straftaten im Sinne des § 129 a StGB zu begehen. 8 Dieser Situation vergleichbar ist die hier am 30. August 2002 gegebene besondere Konstellation. Vor diesem [X.]punkt war die Tätigkeit des Beschul-digten für die [X.] nur als Zuwiderhandlung gegen ein [X.] nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG strafbar, der eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe androht. Der Zweck dieser Strafvorschrift ist es, dem organisatorischen Zusammenhalt des verbotenen Vereins und damit [X.] gegen verwaltungsrechtliche Anordnungen entgegenzuwirken (vgl. [X.] 80, 244, 256). Nach diesem [X.]punkt, zu dem die Strafvorschrift des § 129 b StGB in [X.] trat, waren die [X.] des Angeklagten als he-9 - 6 - rausgehobener Gebietsleiter, soweit sie sich auf die Förderung des bewaffneten Kampfes der [X.] in der [X.] bezogen, nach dieser Strafbestimmung ein Verbrechen, das mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht war. Mit der Einführung dieses Straftatbestandes war somit ein nachhaltiger Appell des Gesetzgebers verbunden, bislang als solche nicht strafbare mitgliedschaftliche [X.] auch für die nunmehr erfassten ausländi-schen terroristischen Vereinigungen zu unterlassen. Über diesen Appell musste sich der Beschuldigte hinwegsetzen, als er sich entschloss, dessen ungeachtet seine Tätigkeit in der [X.] für den bewaffneten Kampf in der [X.] fort-zusetzen. Die mitgliedschaftlichen [X.] nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG (Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts des in [X.] gebildeten verbotenen Vereins) einerseits und nach § 129 b Abs. 1 StGB (mitgliedschaftliche Betätigung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zur Führung des bewaffneten Kampfes in der [X.]) andererseits er-scheinen nach ihrem Sinn und Zweck sowie ihrem strafrechtlichen Gewicht in einem solchen Maße unterschiedlich, dass ihre Zusammenfassung zu einer einzigen fortlaufenden tatbestandlichen Handlungseinheit ausgeschlossen ist. Damit kommt unter den hier gegebenen Umständen dem Beginn der [X.] nach § 129 b StGB die Wirkung einer Zäsur zu. Die Verur-teilung des Beschuldigten durch das [X.] vom 21. Juli 2005 kann mithin die Betätigung in der ausländischen terroristischen [X.] nach dem 30. August 2002, die in diesem Verfahren weder in der Anklage noch im Urteil in irgendeiner Form angesprochen worden war, nicht erfassen. 3. Der Ermittlungsrichter hat auch zutreffend die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr sowie den der [X.] nach § 112 Abs. 3 StPO angenommen. Für die Annahme von Fluchtgefahr spricht auch, dass nach der Festnahme des Beschuldigten in einer von ihm benutzten Wohnung 10 - 7 - Reisetaschen aufgefunden wurden, die neben Kleidung und Hygieneartikeln auch persönliche Unterlagen wie Kontoauszüge und Schriftverkehr enthielten, die üblicherweise nicht auf vorübergehende Reisen mitgenommen werden. [X.] der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Haftbefehls Bezug ge-nommen. Tolksdorf

Winkler Hubert

Meta

StB 19/06

15.02.2007

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2007, Az. StB 19/06 (REWIS RS 2007, 5204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5204

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