Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2017, Az. 1 StR 146/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 3326

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Gegenstand

Betäubungsmitteldelikt: Strafbarkeit des Internet-Bestellers von Drogen aus dem Ausland


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2016 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen zweier Fälle der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt – wobei drei Monate als vollstreckt gelten – und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

2

Dem vorangehend hatte der Senat mit Beschluss vom 8. September 2016 (1 [X.]) auf die Revision des Angeklagten das Urteil des [X.]s Mosbach vom 19. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, weil diese den Schuldspruch wegen täterschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht getragen hatten. Ob eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Betracht kam, konnte der Senat wegen Fehlens näherer Feststellungen zu den Bestellvorgängen nicht beurteilen.

3

Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts und greift auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) an.

4

Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

5

Nach den Feststellungen des [X.]s bestellte der Angeklagte am 23. Februar 2014 über das [X.] Gramm des synthetischen Cannabinoids [X.] zum Preis von 346,05 € bei der [X.]in [X.] ([X.]).

6

Noch im selben Monat bestellte er aufgrund eines neuen Tatentschlusses über das [X.] Gramm des synthetischen Cannabinoids [X.] zum Preis von etwa 300 € von der [X.]aus [X.] ([X.]).

7

Die synthetischen Cannabinoide waren von guter Qualität. Der Reinheitsgehalt betrug mindestens 85 %. Die mit der jeweiligen Bestellung verbundenen Kaufangebote des Angeklagten nahmen die [X.] Lieferanten an und versandten die Ware aus [X.] an die Wohnanschrift des Angeklagten in [X.].

8

Die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG hat das [X.] – jeweils sachverständig beraten – bei [X.] auf höchstens zwei Gramm, bei [X.] auf höchstens sechs Gramm bestimmt.

9

Die Betreiber der [X.]seiten waren nur ganz allgemein dazu bereit, Betäubungsmittel aus ihrem für jedermann abrufbaren Sortiment zu versenden und so in andere Länder einzuführen. Ihre Entschlüsse zu den beiden Einfuhren nach [X.] wurden erst durch die Angebote des Angeklagten konkret hervorgerufen. Dies wusste und wollte der Angeklagte. Er wählte im Bestellvorgang individuell die Cannabinoide und deren Menge aus und gab seine [X.] Adresse als Lieferanschrift an.

II.

Die Nachprüfung des Urteils auf die Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Der Schuldspruch wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den Feststellungen getragen. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

1. Die Strafkammer hat sich aufgrund einer Gesamtschau verschiedener, darunter auch sehr gewichtiger Indizien davon überzeugt, dass der Angeklagte die synthetischen Cannabinoide – so wie festgestellt – bestellt hat. Sie hat sich insbesondere darauf gestützt, dass [X.] zu beiden Bestellvorgängen noch auf dem Computer des Angeklagten gespeichert war, und der Angeklagte die Bestellungen und Lieferungen an seine Wohnung im Ermittlungsverfahren eingeräumt hatte. Hinsichtlich des [X.] war eine Bestellübersicht vorhanden, mit Datum und Menge der Bestellung, Zahlungsweise, Liefer- und Rechnungsanschrift. Im Rahmen des Bestellvorgangs des [X.] kam es sogar zu Preisverhandlungen zwischen dem [X.] Lieferanten und dem Angeklagten.

2. [X.] tragen die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe die beiden [X.] Lieferanten zu den verfahrensgegenständlichen Einfuhren bestimmt.

a) Als Anstifter ist nach § 26 StGB gleich einem Täter zu bestrafen, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. Dabei ist bedingter Vorsatz ausreichend (st. Rspr.; vgl. z.B. [X.], Urteile vom 18. April 1952 – 1 StR 871/51, [X.]St 2, 279, 281 und vom 10. Juni 1998 – 3 [X.], [X.]St 44, 99, 101). Eine Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begeht deshalb, wer einen anderen durch Einwirkung auf dessen Entschlussbildung dazu veranlasst, Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in das [X.] zu verbringen und dabei zumindest in dem Bewusstsein handelt, dass sein Verhalten diese von ihm gebilligten Wirkungen haben kann ([X.], Beschlüsse vom 6. Dezember 2011 – 4 StR 554/11; vom 10. April 2013 – 4 [X.], [X.], 281 und vom 2. Juni 2015 – 4 [X.], [X.]R BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3).

Die Willensbeeinflussung muss dabei nicht die einzige Ursache für das Verhalten des anderen sein; bloße Mitursächlichkeit reicht aus ([X.], Beschluss vom 2. Juni 2015 – 4 [X.], aaO mwN). [X.] der Anstiftung ist eine konkret-individualisierte Tat. Welche Merkmale zur [X.] jeweils erforderlich sind, entzieht sich dabei einer abstrakt-generellen Bestimmung und kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls entschieden werden (vgl. [X.], Urteil vom 21. April 1986 – 2 [X.], [X.]St 34, 63, 64 ff.). Ein zu einer konkreten Tat fest [X.] kann nicht mehr zu ihr bestimmt werden (sog. omnimodo facturus; st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. November 1987 – 3 [X.], [X.]R StGB § 26 Bestimmen 1 und vom 8. August 1995 – 1 [X.], [X.]R StGB § 26 Bestimmen 3 sowie Urteile vom 20. Januar 2000 – 4 StR 400/99, [X.]St 45, 373, 374 und vom 17. August 2000 – 4 StR 233/00, [X.], 41, 42).

Der Annahme von Anstiftung steht es nicht entgegen, wenn der Haupttäter bereits allgemein zu derartigen Taten bereit war und diese Bereitschaft auch aufgezeigt hat oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hatte (vgl. [X.], Urteile vom 20. Januar 2000 – 4 StR 400/99, [X.]St 45, 373, 374 und vom 17. August 2000 – 4 StR 233/00, [X.], 41, 42); denn hier fehlt es noch an einer konkret-individualisierten Tat, zu der der Haupttäter erst noch durch Hervorrufen des Tatentschlusses veranlasst werden muss (vgl. [X.], Urteil vom 7. September 1993 – 1 [X.], [X.], 29, 30).

Selbst wenn also ein Betäubungsmittelhändler seine grundsätzliche Bereitschaft bekundet hatte, Betäubungsmittel ins Ausland liefern zu wollen, liegt kein Fall eines bereits zur Tat entschlossenen [X.] vor (sog. omnimodo facturus), da es insoweit noch an einem bestimmten, auf eine konkrete Tat bezogenen Tatentschluss fehlt (vgl. hierzu auch [X.], Beschluss vom 10. April 2013 – 4 [X.], [X.], 281).

Auch derjenige, der im [X.], z.B. über einen „Online-Shop“, aus dem Ausland heraus die Lieferung von Betäubungsmitteln in das Inland andient, kann daher noch angestiftet werden (vgl. hierzu bereits [X.], Urteil vom 14. Januar 2008 – 2 KLs 260 Js 8492/07, [X.], 256; [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 192; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 26 Rn. 29; [X.]/Weißer in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 26 Rn. 6; [X.] in [X.], 12. Aufl., § 26 Rn. 17).

b) [X.] belegen, dass der Angeklagte seine Lieferanten im Sinne des § 26 StGB zu den einzelnen Einfuhren bestimmt hat.

Der Angeklagte hat vorsätzlich die in [X.] ansässigen und vor seiner Bestellung noch nicht fest zu den konkreten Taten entschlossenen Lieferanten veranlasst, die Betäubungsmittel nach [X.] an seine Wohnanschrift zu versenden. Die [X.] Lieferanten waren nur allgemein bereit, Betäubungsmittel aus ihrem Sortiment zu versenden und in die Bundesrepublik [X.] einzuführen. Weder die Art des Betäubungsmittels oder dessen Menge noch dessen Empfänger noch der Lieferort standen fest. Der Tatentschluss der [X.] Lieferanten zu den konkreten Taten wurde erst durch die Einflussnahme des Angeklagten, nämlich dessen Bestellung einer konkreten Menge eines konkret ausgewählten Betäubungsmittels, geweckt, und zwar zur Einfuhr von jeweils 100 Gramm der synthetischen Cannabinoide ([X.] zu einem Preis von 346,05 € und [X.] zu einem Preis von 300 €) jeweils an die Wohnanschrift des Angeklagten in [X.]. Dies belegt insbesondere der Bestellvorgang zu [X.], bei dem es zu Preisverhandlungen zwischen dem [X.] Lieferanten und dem Angeklagten kam, dem der ursprünglich vom Lieferanten geforderte Preis von 1.000 € zu hoch war, worauf sie sich auf 300 € einigten.

Die Bestellungen des Angeklagten stellten jeweils lediglich ein Angebot zum Kauf von jeweils 100 Gramm [X.] bzw. [X.] dar, das von den [X.] Lieferanten angenommen wurde und in den Versand eines Drogenpäckchens nach [X.] mündete. Die [X.]präsentationen der im Ausland ansässigen Drogenhändler sind lediglich Aufforderungen zur Abgabe eines Angebots, eine sog. invitatio ad offerendum. Für den Besteller war in jedem Fall ungewiss, ob, wann und in welchem Umfang die Betreiber des [X.]shops die Bestellung annehmen und ausführen würden.

Richtet sich ein Angebot nicht an eine bestimmte Person, sondern an die Allgemeinheit – wie es bei der Darstellung der möglichen Leistungen und Waren in einem Online-Shop der Fall ist –, handelt es sich oft mangels Willens zu vertraglicher Bindung nur um eine Aufforderung zur Abgabe von Vertragsanträgen, deren Sinn es ist, den potentiellen Vertragspartner über das eigene Waren- oder Leistungsangebot zu informieren, die grundsätzliche Vertragsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen und vor einem verbindlichen Vertragsschluss die eigene Leistungsfähigkeit und die Zahlungsfähigkeit des möglichen Vertragspartners zu überprüfen ([X.]/Armbrüster, [X.], 15. Aufl., § 145 Rn. 4). Der Online-Shop, der sich an einen unbekannten Personenkreis wendet, stellt lediglich die Waren und Preise dar, damit der Interessent aus dem Warensortiment aussuchen und seinerseits ein Kaufangebot abgeben kann; bei der Präsentation von Waren über das [X.] können die Anzahl möglicher Bestellungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Bestellers nicht abgeschätzt werden (zu Online-Shops als invitatio ad offerendum vgl. auch [X.], Urteil vom 16. Oktober 2012 – [X.], [X.]Z 195,126 ff.; [X.], Urteil vom 19. Mai 2016 – [X.], NJW-RR 2016, 1073 ff.).

c) Das vom [X.] festgestellte Tatgeschehen entspricht nicht dem, das dem Urteil des 1. Strafsenats vom 7. Februar 2017 (1 [X.], [X.], 401) zu Grunde lag. Dort waren die Art des Rauschgifts und dessen Menge (Marihuana im [X.]), An- und Verkaufspreis für das zur Einfuhr nach [X.] bestimmte Marihuana, die Verkäufer, ein bestimmter Empfänger als Abnehmer von Marihuana im [X.], die Liefermodalitäten und der Transportweg über die tschechisch-[X.] Grenze bereits festgelegt; ein Vorbehalt, Betäubungsmittel im Falle einer Bestellung doch nicht zu liefern, bestand nicht. Für jede Einzellieferung war lediglich noch ein konkreter „Abruf“ in Form einer Bestellung sowie die Vereinbarung eines genauen Übergabeortes und eines konkreten Übergabetermins erforderlich.

3. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die rechtsfehlerfrei angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hat Bestand. Auf die Antragsschrift des [X.] wird insoweit Bezug genommen.

Raum     

      

Jäger     

      

Cirener

      

Fischer     

      

Hohoff     

      

Meta

1 StR 146/17

25.10.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mosbach, 9. Dezember 2016, Az: 2 KLs 13 Js 7188/14 (3)

§ 26 StGB, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2017, Az. 1 StR 146/17 (REWIS RS 2017, 3326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3326

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