Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.11.2017, Az. B 10 ÜG 21/17 C

10. Senat | REWIS RS 2017, 2841

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs - Beendigung des Ablehnungsverfahrens - Mitwirkung des betroffenen Richters an der Anhörungsrüge gegen die Ablehnungsentscheidung - weiteres Befangenheitsgesuch gegen alle am Ablehnungsbeschluss beteiligten Richter - ausnahmeweise Mitwirkung der abgelehnten Richter bei offensichtlich unzulässigem Befangenheitsgesuch


Tenor

Die [X.] der Klägerin gegen die Vorsitzende Richterin am [X.] [X.] und [X.] am [X.] K. und [X.] sowie ihre Beschwerde und ihre Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 18. Juli 2017 werden als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom 18.7.2017 hat der [X.] das Gesuch der Klägerin, den [X.] am [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, verworfen, soweit es sich auf das Beschwerdeverfahren bezog und zurückgewiesen, soweit es das Verfahren der Prozesskostenhilfe betraf. Der Beschluss erfolgte ohne den für befangen erklärten [X.].

2

Gegen den ihr am 26.8.2017 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 30.8.2017 eine von ihr so bezeichnete Beschwerde erhoben und sämtliche am Beschluss beteiligten [X.] ihrerseits abgelehnt. Das Gericht habe ua vorsätzlich das gültige Recht falsch angewendet und massive Willkür im Amt begangen.

3

II. Der [X.] kann in der aus dem Rubrum ersichtlichen geschäftsverteilungsplanmäßigen Besetzung entscheiden, obwohl die Klägerin ihr Befangenheitsgesuch gegen den [X.] am [X.] aufrechterhält und nunmehr auch [X.] gegen die Vorsitzende [X.]in am [X.] sowie die [X.] am [X.] und [X.] erhoben hat. Das Gericht muss insbesondere nicht in derselben Besetzung der angefochtenen Entscheidung über die Anhörungsrüge befinden (vgl BSG Beschluss vom 3.4.2012 - B 11 AL 2/12 C; [X.] Beschluss vom 10.2.2012 - VI [X.]/12; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014, § 178a Rd[X.] 35 mwN).

4

1. Was das ursprüngliche Befangenheitsgesuch gegen den [X.] am [X.] betrifft, so ist dieses durch den genannten Beschluss des [X.]s endgültig abschlägig beschieden worden und damit erledigt.

5

Die weiteren [X.] gegen die übrigen erkennenden [X.] sind offensichtlich unzulässig. Der [X.] entscheidet deshalb darüber abweichend von § 60 Abs 1 [X.] iVm § 45 Abs 1 ZPO in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung unter Mitwirkung der [X.], welche die Klägerin für befangen hält. Wie in der Rechtsprechung der obersten [X.] und des [X.] anerkannt ist, dürfen rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten [X.] in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten [X.] behandelt werden, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden [X.] und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (vgl [X.]-1500 § 60 [X.]; [X.] NJW 2013, 1665; [X.] NJW 2007, 3771; [X.], NJW 2009, 3806 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 60 Rd[X.] 10d mwN; [X.] in [X.]/Fichte, [X.], 2. Aufl 2014, § 60 Rd[X.]9 ff; aA BVerwG, Beschluss vom 11.12.2012 - 8 [X.]/12 - Juris). Ein Befangenheitsgesuch kann danach auch dann als unzulässig abgelehnt werden, wenn es keinen oder nur einen von vornherein völlig ungeeigneten Ablehnungsgrund nennt, § 60 Abs 1 [X.] iVm § 44 Abs 2 [X.] ZPO ([X.] vom [X.] ua - NJW 2005, 3410, 3412), zB wenn keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden (BVerwG NJW 1997, 3327) oder nur Tatsachen, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen lassen ([X.] NVwZ-RR 2000, 548).

6

Mehr als eine solche bloße Formalentscheidung braucht der [X.] vorliegend über das Befangenheitsgesuch der Klägerin nicht zu treffen. Es beschränkt sich auf pauschale Angriffe gegen den Inhalt des [X.]sbeschlusses vom 18.7.2017 und sämtliche daran beteiligten [X.]. [X.] substantiierten und individualisierten Tatsachenvortrag zu einer möglichen Befangenheit einzelner [X.] enthält das Gesuch nicht und ist im Übrigen auch sonst nicht erkennbar.

7

2. Die von der Klägerin erhobene Beschwerde bzw Rechtsbeschwerde gegen den unanfechtbaren Beschluss des BSG über ihr Befangenheitsgesuch gegen den [X.] am [X.] ist unstatthaft und schon deshalb als unzulässig zu verwerfen. Selbst wenn man die von der Klägerin so bezeichnete Beschwerde im Übrigen als Gegenvorstellung verstehen und diese ausnahmsweise in Fällen groben prozessualen Unrechts bzw bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen als zulässig ansehen wollte (zum [X.] vgl [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl 2012, § 178a Rd[X.] mwN), fehlt es an jeder Darlegung der Klägerin und auch sonst an jedem Anhaltspunkt, warum diese Voraussetzungen in ihrem Fall erfüllt sein könnten.

8

3. Über die sinngemäß erhobene Anhörungsrüge der Klägerin entscheidet der [X.] ebenfalls in der aus dem Rubrum ersichtlichen geschäftsplanmäßigen Besetzung, die er im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anhörungsrüge hat. Denn mit der Verwerfung des [X.] ist das [X.] gegen den [X.] am [X.] beendet (vgl [X.] in jurisPK-[X.], 1. Aufl 2017, § 60 Rd[X.] 156). Der erfolglos abgelehnte, im [X.] mitwirkende [X.] entscheidet in diesem nicht über das Ablehnungsgesuch, sondern über das Vorliegen einer Gehörsverletzung ([X.], aaO, § 178a Rd[X.]8 f). Nur falls die Anhörungsrüge Erfolg hat, wird das [X.] nach § 178a Abs 5 [X.] [X.] fortgeführt. Das ist hier nicht der Fall.

9

Die von der Klägerin sinngemäß erhobene Anhörungsrüge gegen die Ablehnung ihres Befangenheitsgesuchs ist nach § 178a Abs 1 [X.] grundsätzlich statthaft. Zwar findet nach § 178a Abs 1 [X.] [X.] keine Anhörungsrüge gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung statt. Aber jedenfalls dann, wenn das BSG in letzter Instanz ein Befangenheitsgesuch zurückweist, liegt darin keine unselbstständige Nebenentscheidung, sondern eine abschließende Entscheidung in einem selbstständigen Zwischenverfahren; sie hat Bindungswirkung für das weitere Verfahren und kann später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden (vgl [X.]E 119, 292).

Die Anhörungsrüge ist jedoch unzulässig. Denn die Klägerin hat die behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt, wie es § 178a Abs 2 [X.] iVm Abs 1 [X.] [X.] [X.] verlangt. Eine solche Darlegung erfordert einen substantiierten Vortrag, aus dem sich ableiten lässt, in welcher Weise das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist; zumindest sind im Wege einer eigenständigen Auseinandersetzung schlüssig die Umstände aufzuzeigen, aus denen sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt ([X.]-1500 § 178a [X.]). Für die anwaltlich nicht vertretene Klägerin sind diese Maßstäbe weniger streng zu handhaben. Indes enthält ihr Schriftsatz überhaupt keine Anhaltspunkte für eine Verletzung rechtlichen Gehörs, die der [X.] auch im Übrigen nicht festzustellen vermag. Vielmehr beschränkt sich der Vortrag der Klägerin auf pauschale Kritik an der Rechtmäßigkeit der [X.]sentscheidung, der sie Willkür vorwirft. Damit ist keine Gehörsverletzung dargetan. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Fehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. Es verpflichtet die Gerichte allerdings nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl [X.] vom 4.9.2008 - 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 - [X.]K 14, 238, 241 f = [X.], 2084 f unter Hinweis auf [X.]E 64, 1, 12 und [X.]E 87, 1, 33 = [X.]-5761 Allg [X.] 1 S 4).

Die Anhörungsrüge ist somit nicht in der gesetzlichen Form erhoben worden und daher durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen [X.] zu verwerfen (§ 178a Abs 4 [X.] [X.]).

4. [X.] ergibt sich aus § 183 S 6 [X.], § 197a Abs 1 [X.] [X.] iVm § 154 Abs 2 VwGO.

5. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, da vorliegend eine streitwertunabhängige Festbetragsgebühr nach [X.]400 Kostenverzeichnis Anlage 1 zum GKG in Höhe von 60 Euro anfällt.

Diese Entscheidung ist nicht weiter anfechtbar (§ 178a Abs 4 [X.] [X.]). Der [X.] weist daraufhin, dass vergleichbare Eingaben der Klägerin gegen den Beschluss vom 18.7.2017 nicht mehr beschieden werden.

Meta

B 10 ÜG 21/17 C

07.11.2017

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 15. Dezember 2016, Az: L 15 SF 5/15 EK AS, Urteil

§ 60 Abs 1 SGG, § 178a Abs 1 S 1 SGG, § 178a Abs 5 S 1 SGG, § 44 Abs 2 S 1 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.11.2017, Az. B 10 ÜG 21/17 C (REWIS RS 2017, 2841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2841

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 10 ÜG 23/17 C (Bundessozialgericht)


B 10 ÜG 22/17 C (Bundessozialgericht)


B 10 SF 2/16 C (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - offensichtlich unzulässiges Befangenheitsgesuch bei pauschaler Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers - ausnahmsweise Entscheidung …


L 5 KR 641/16 RG (LSG München)

Rechtsmissbräuchlicher Befangenheitsantrag


B 4 AS 97/10 B (Bundessozialgericht)

(Nichtzulassungsbeschwerde - Besorgnis der Befangenheit gem § 60 SGG iVm § 42 Abs 2 ZPO …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI S 1/12

8 B 58/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.