Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2017, Az. AK 33/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6681

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:100817BAK33.17.0

BU[X.][X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 33/17
vom
10. August 2017
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen Unterstützung einer
ausländischen
terroristischen Vereinigung
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Beschuldig-ten und seiner Verteidiger am 10.
August 2017 gemäß §§
121, 122 [X.] be-schlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemei-nen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
Der Beschuldigte ist am 21.
Januar 2017 vorläufig festgenommen [X.] und befindet sich seit dem 22.
Januar 2017 ununterbrochen in Unter-suchungshaft, zunächst auf Grund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom selben Tag, der auf die Beschwerde des Beschuldig-ten mit Beschluss der 5.
großen Strafkammer -
Jugendkammer -
des Landge-richts Düsseldorf vom 5.
April 2017 abgeändert worden war, sodann auf Grund -
den vorausgegangenen Haftbefehl ersetzenden -
Haftbefehls des Ermittlungs-richters des [X.] vom 14.
Juni 2017.
Gegenstand dieses Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe von Ende Oktober bis Mitte Dezember 2016, dabei bis zum 2.
Dezember 2016 als Heranwachsender, (jedenfalls auch) in [X.].

durch zwei selbständige Handlungen
1
2
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3
-

eine Vereinigung im außereuropäischen Ausland unterstützt, deren [X.] oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§
211 [X.]) oder Totschlag (§
212 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§
8, 9,
10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen, und zugleich vorsätzlich einem anderen zur Vorbe-reitung einer schweren st[X.]tsgefährdenden Gewalttat Hilfe geleistet (strafbar gemäß §
89a Abs.
1, 2 [X.]r.
2, §
129a Abs.
1 [X.]r.
1, Abs.
5 Satz
1, §
129b Satz
1 und 2, §
27, §
52 [X.]) sowie

von dem Vorhaben oder der Ausführung eines Mordes (§
211 [X.])
oder Totschlags (§
212 [X.]) oder eines Kriegsverbrechens (§§
8, 9,
10, 11 oder 12 [X.]) zu einer Zeit, zu der die
Ausführung oder der [X.] noch habe abgewendet werden können, glaubhaft erfahren und es unterlassen, der Behörde rechtzeitig Anzeige zu machen, und zugleich von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Straftat nach §
129a [X.], auch in Verbindung mit §
129b Abs.
1 und 2 [X.], zu einer Zeit, zu der die Ausführung noch habe abgewendet werden können, glaubhaft erfahren und es unterlassen, der Behörde unverzüglich Anzeige zu er-statten (strafbar gemäß §
138 Abs.
1 [X.]r.
5, Abs.
2 [X.]r.
2 [X.]).

Der Beschuldigte habe dem Mitbeschuldigten [X.]

, einem Mitglied der [X.]" ([X.]), Unterkunft in seiner Wohnung gewährt und geholfen, eine Bombe zu Probezwecken zu bauen und zu zünden, um ei-nen von diesem geplanten Selbstmordanschlag auf Soldaten in [X.] vorzubereiten. Außerdem habe der Beschuldigte vom Mitbeschuldigten [X.]

Kenntnis von einem Anschlagsplan des dem
[X.] zumindest nahestehenden A.

betreffend ein Bombenattentat auf unbeteiligte Zivilisten in [X.] er-langt, ohne dies öffentlichen Stellen mitzuteilen.

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4
-
II.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und ihre Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vom 14.
Juni 2017 vorge-worfenen Taten dringend verdächtig.
a) [X.]ach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
[X.]) Der "Islamische St[X.]t" ([X.])
Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" -
die heutigen St[X.]-ten [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] -
umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesst[X.]t" unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] und das Regime des [X.] Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fort-gesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren
Ansprüchen entgegen-stellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Ein-schüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" im Juni 2014 aus "Islamischer St[X.]t im [X.] und in Großsyrien" ([X.]) in "Isla-mischer St[X.]t" ([X.]) umbenannte -
wodurch sie von der territorialen [X.] Abstand nahm -, hat seit 2010 [X.] inne (wobei sich nunmehr die Hinweise verdichten, dass dieser unlängst getötet wurde). [X.] war von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, 4
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dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterste-hen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene ge-hören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitterkanal und ein [X.] nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah -
Rasul -
Muhammad") auf schwarzem
Grund, überschrieben mit dem [X.] Glau-bensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit [X.]eils einem Kommandeur geglie-dert.
Die von ihr besetzten Gebiete hat die Vereinigung in Gouvernements eingeteilt und einen [X.] eingerichtet; diese Maßnahmen [X.] auf die Schaffung totalitärer st[X.]tlicher Strukturen. Angehörige der [X.], aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden [X.], ausländische
Journalisten und Mitarbeiter von [X.]ichtregierungsorgani-sationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellen, sehen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. [X.] von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu [X.]n der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der [X.] immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines [X.]. So hat er auch für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung übernommen.
bb) [X.] Beschuldigten
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(1) Der Mitbeschuldigte [X.]

hatte den Treueeid auf den [X.] abgelegt und hiervon eine Videodatei erstellt, die er über den Messenger-Dienst "[X.]" an einen im [X.] oder in [X.] aufhältigen Kontaktmann des [X.] versandt hatte. Der Treueeid war von einem Verantwortlichen des [X.],

M.

, angenommen worden. Der Mitbeschuldigte entwickelte den Plan, einen Selbstmordanschlag mittels einer selbstgebauten Bombe auf Soldaten in [X.], voraussichtlich an der Militärbasis in [X.], zu verüben, und wollte sein Vorhaben bis Ende Dezember 2016 umsetzen. Der [X.]-Kontaktmann bestärkte ihn darin.
Der Beschuldigte, der sich ebenfalls dem [X.] ideologisch zugehörig fühlte, unterstützte den Mitbeschuldigten in Kenntnis und Billigung dessen Einbindung in die Vereinigung sowie dessen Anschlagsplan, um diesen in die Tat umzuset-zen; hierüber war auch der [X.]-Kontaktmann informiert. Der Beschuldigte [X.] das Vorhaben wie folgt:
Während eines [X.] seiner Ehefrau gewährte der Beschuldig-te dem Mitbeschuldigten [X.]

ab Ende [X.]ovember 2016 für zwei Wochen Unterkunft in seiner Wohnung in [X.].

. Vor dessen Ankunft hatte er sich sog.
[X.]böller und die Bombenbauanleitung "Bombenbau in Mamas Küche" be-schafft, der zufolge der Sprengkörper zehn bis 15
Menschen töten und eine Reichweite von bis zu 50
Metern haben sollte. Am 2.
Dezember 2016 kaufte der Beschuldigte gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten noch fehlende Bauteile für die Bombe, darunter einen Wecker. Anfang Dezember 2016 stellte der Mit-beschuldigte über mehrere Tage hinweg aus zehn bis 15
[X.]böllern sowie fünf bis sechs Rauchbomben einen Sprengkörper zu Probezwecken her. Der Beschuldigte half ihm dabei, indem er unter anderem Schwarzpulver in die Bombenvorrichtung füllte und Elektrobauteile aus einer Lampe anbrachte. Im 12
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Anschluss zündete der Beschuldigte gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten die "Testbombe" in einem Park in [X.].

und entsorgte nach der Sprengung die Reste des Sprengsatzes.
(2) Der noch nicht strafmündige Minderjährige A.

, der dem Beschuldig-ten über das [X.] bekannt war, stand ebenfalls mit dem [X.] in Verbindung. Am 21.
[X.]ovember 2016 teilte der Mitbeschuldigte [X.]

dem Beschuldigten per Chat-[X.]achrichten mit, A.

werde eine Woche später einen Sprengstoffan-schlag verüben. Am 26.
[X.]ovember 2016 tauschten sich der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte mittels Chat-Verkehr darüber aus, dass A.

die Tat an diesem Tag zu begehen beabsichtige. Tatsächlich plante A.

einen [X.] gegen unbeteiligte Zivilisten. Während der Beschuldigte [X.] davon ausging, das Bombenattentat ziele auf einen Bus oder eine Bus-haltestelle, beabsichtigte A.

, den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in [X.] auszuführen. Eine Behörde informierte der Beschuldigte nicht über sein Wissen.
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der terroristischen Vereinigung [X.] aus den Auswertungen des [X.] im Einlei-tungsvermerk vom 5.
April 2017, die -
gerichtskundig -
insbesondere auf den Gutachten des islamwissenschaftlichen Sachverständigen Dr.
S.

beru-hen.
Der Beschuldigte hat die ihm vorgeworfenen Taten bei seiner polizeili-chen Vernehmung im [X.] bestritten. Insoweit gründet sich der dringende [X.] im Wesentlichen auf folgende Erkenntnisse:
Dass der Mitbeschuldigte [X.]

als [X.]-Mitglied damals fest entschlos-sen war, den Sprengstoffanschlag zu verüben, zu diesem
Zweck zunächst eine Testbombe baute und zündete und der Beschuldigte dabei wissentlich mitwirk-15
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8
-
te, beruht insbesondere auf den Angaben des Mitbeschuldigten, der gegenüber den [X.] Ermittlungsbehörden umfassend ausgesagt hat. So hat er bekundet,
der Beschuldigte sei zur Gänze in das Vorhaben "[X.]" eingeweiht gewesen und habe ihm beim Bau des [X.] geholfen. Auch die Mitbeschuldigte

H.

hat erklärt, der ihr als "[X.]

" be-kannte Beschuldigte habe am Bombenbau mitgewirkt.
Die Kenntnis des Beschuldigten von einem geplanten [X.] A.

und dessen Verbindung zum [X.] wird ebenfalls belegt durch die Angaben des Mitbeschuldigten [X.]

.
Beide Taten finden ihre Bestätigung
durch die Auswertung des Chat-Verkehrs zwischen dem Beschuldigten und dem Mitbeschuldigten [X.]

, ins-besondere desjenigen zwischen dem 21.
[X.]ovember und dem 26.
[X.]ovember 2016. Die [X.]achricht vom 26.
[X.]ovember 2016 (14:34:05), in der der Beschuldig-te gegenüber dem Mitbeschuldigten [X.]

äußerte, er "denke", A.

"ziehe nicht durch", steht der Annahme nicht entgegen, dass der Beschuldigte nach Aktenlage mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Ausführung des [X.] ernsthaft rechnete. Bedacht zu nehmen ist vor allem darauf, dass der Mit-beschuldigte in einer nachfolgenden [X.]achricht -
unter religiöser Beteuerung -
mitteilte, A.

habe erklärt, er habe "alles vorbereitet" und "diesmal fühle er sich sicher"; bereits während einer vorausgegangenen [X.] hatte der Mitbeschuldigte die Ernstlichkeit dieses Anschlagsplans bestätigt.
Auch der Chat-Verkehr des Beschuldigten mit Dritten belegt die [X.]. So thematisierte der Beschuldigte etwa gegenüber seiner engen weibli-chen Bezugsperson C.

die von ihm vorgenommene Herstellung einer Bom-be und ihre Zündung zu Probezwecken, machte im Hinblick auf die zerstöreri-sche Wirkung Verbesserungsvorschläge ([X.]ägel) und stellte Überlegungen zum 19
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-
Anschlagsziel und -ort an. Mit A.

tauschte sich
der Beschuldigte spätestens seit dem 4.
September 2016 über den [X.] aus.
Schließlich wird die salafistische Grundeinstellung des Beschuldigten un-ter anderem ergänzend belegt durch in seiner Wohnung aufgefundenes Schrif-tenmaterial, seine [X.]ähe zum [X.] vor allem auch durch die Auswertung eines sichergestellten Laptops.
c) In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
[X.]) Zum einen ist der Beschuldigte der Unterstützung einer ausländi-schen terroristischen Vereinigung (§
129a Abs.
5 Satz
1, §
129b Abs.
1 Satz
1 [X.]) in Tateinheit (§
52 [X.]) mit Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren st[X.]tsgefährdenden Gewalttat (§
89a Abs. 1, Abs.
2 [X.]r.
2 [X.]) dringend ver-dächtig.
Mit dem Bau der Bombe unter Verwendung verschiedener Substanzen bereitete der Mitbeschuldigte [X.]

eine schwere st[X.]tsgefährdende [X.] im Sinne von §
89a Abs.
1 Satz
2 [X.] vor, indem er gemäß §
89a Abs.
2 [X.]r.
2 [X.] sowohl Sprengstoff als auch eine Sprengvorrichtung herstellte. Dem steht nicht entgegen, dass der Sprengsatz nur zu Probezwecken und nicht bei dem beabsichtigten Anschlag gezündet werden sollte. Denn die "Testbombe" diente der Förderung, also der Vorbereitung der Tat. Erst hierdurch konnten der Mitbeschuldigte und der -
ihn unterstützende -
Beschuldigte feststellen, ob eine
Explosion gelingt, um beim späteren Bau der für den Anschlag selbst bestimm-ten Bombe ihre tödliche Wirkung sicherzustellen und gegebenenfalls zu opti-mieren ([X.]ägel). Das Erfordernis eines Unmittelbarkeitszusammenhangs in dem Sinne, dass §
89a Abs.
2 [X.]r.
2 [X.] nur solche Sprengstoffe und Sprengvor-richtungen erfasst, die auch tatsächlich bei der schweren st[X.]tsgefährdenden 22
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-
Gewalttat Verwendung finden sollen, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus systematischen oder teleologischen Erwägungen:
Der Wortlaut des §
89a Abs.
2 [X.]r.
2 [X.], der bezüglich der dort [X.] Waffen, Stoffe und Vorrichtungen auf [X.]r.
1 verweist, enthält eine derartige Einschränkung für Sprengstoffe und Sprengvorrichtungen nicht. Zwar pönali-siert §
89a Abs.
2 [X.]r.
2 i.V.m. [X.]r.
1 [X.] das Herstellen sonstiger "besonderer Vorrichtungen" nur dann, wenn diese "zur Ausführung der Tat erforderlich" sind, was dahin ausgelegt werden könnte, dass sie eigens für die spätere Tat präpariert werden müssen (so [X.]/[X.], [X.]., §
89a Rn.
21; anders jedoch S/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
89a Rn.
12 sowie MüKo-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
89a Rn.
41, denen zufolge es genügt, wenn die Vor-richtungen einen Bezug zu der in Aussicht genommenen Tat aufweisen). Die-ser einschränkende Zusatz ist jedoch nicht dem Wortlaut zuwider auf die ande-ren in §
89a Abs.
2 [X.]r.
1 [X.] benannten Gegenstände zu übertragen, insbe-sondere weil diese nicht, isoliert betrachtet, "neutral", sondern schon per se abstrakt gefährlich sind.
Ein Vergleich der in §
89a Abs.
2 [X.]r.
2 [X.] geregelten Handlungsfor-men mit denjenigen in [X.]r.
1 streitet ebenfalls gegen das Erfordernis eines [X.] im Sinne einer Verwendungsbestimmung für die vorbereitete Tat. Denn die Tathandlungen des §
89a Abs.
2 [X.]r.
1 [X.] regeln das Verschaffen von Kenntnissen und Fertigkeiten bezüglich der bezeichneten Gegenstände, nicht den Umgang mit ihnen und setzen daher tatbestandlich noch weit mehr im Vorfeld der Tat an. Schließlich spricht das mit der Regelung des §
89a [X.] verbundene gesetzgeberische Anliegen, namentlich terroris-tisch motivierten Selbstmordattentaten im Vorfeld der Tatausführung möglichst frühzeitig mit Mitteln des Strafrechts zu begegnen (vgl. BT-Drucks. 16/12428, S.
1), ebenfalls dafür, dass gerade die Herstellung eines [X.] zu 26
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11
-
Probezwecken -
im Einklang mit dem Wortlaut der [X.]orm -
eine taugliche tatbe-standliche Handlung darstellt.
bb) Zum anderen besteht ein dringender Tatverdacht auch in Bezug auf die -
hierzu realkonkurrierende (§
53 [X.]) -
[X.]ichtanzeige geplanter Straftaten nach §
138 Abs.
1 [X.]r.
5 und 8 [X.], wobei das Vorhaben des A.

jedenfalls als Mord in einer unbestimmten Vielzahl tateinheitlicher Fälle gemäß §§
211, 52 [X.] sowie als vorsätzliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion gemäß §
308 Abs.
1 bis 4 [X.] zu qualifizieren ist. Insbesondere hatte der Beschuldig-te hiervon -
mutmaßlich -
glaubhaft erfahren, so dass er mit ihrer Ausführung ernsthaft rechnete (vgl. S/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
138 Rn.
8 mw[X.]).
Einer Strafbarkeit gemäß §
138 Abs.
1 [X.]r.
5 und 8 [X.] steht nicht ent-gegen, dass es sich bei A.

um ein strafunmündiges, mithin schuldunfähiges Kind handelte (vgl. §
19 [X.]). Wie vor allem aus §
138 Abs.
3 [X.] folgt, kommt es für die Begründung der Anzeigepflicht -
trotz der recht ungeschickten Wortwahl in §
138 Abs.
1 [X.]r.
8 [X.] ("Straftat"; ebenso §
138 Abs.
1 [X.]r.
6, Abs.
2 [X.]r.
1 und
2 [X.]) -
nicht darauf an, dass der Täter der geplanten Tat schuldhaft handeln würde und für diese bestraft werden könnte. [X.] ist daher auch -
bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen -
die von einem schuldlos Handelnden in Aussicht genommene Tat (vgl. LK/Hanack, [X.], 12.
Aufl., §138 Rn.
10; MüKo[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
138 Rn.
9, [X.]. mw[X.]).
Offen bleiben kann, ob das bisherige Ermittlungsergebnis auch den drin-genden Tatverdacht der [X.]ichtanzeige einer geplanten Straftat nach §
138 Abs.
2 [X.]r.
2 [X.] begründet; dies könnte zweifelhaft sein, wenn sich A.

, was sich den [X.] nicht hinreichend sicher entnehmen lässt, nicht mitglied-28
29
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-
12
-
schaftlich am [X.] beteiligt hätte (s. auch Senatsbeschluss vom 22.
September 2016 -
AK
47/16, juris Rn.
20). Bereits die übrigen Tatvorwürfe tragen indes den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft.
cc) [X.] Strafrecht ist anwendbar. Für die Strafbarkeit nach §
129a Abs.
5 Satz
1, §
129b Abs. 1 Satz
1 [X.] folgt dies unmittelbar aus §
129b Abs.
1 Satz
2 Variante
1, 2 und 4 [X.] (zum Strafanwendungsrecht im [X.] s. [X.], Beschluss vom 6.
Oktober 2016 -
AK
52/16, juris Rn.
33
ff.), be-züglich der übrigen Delikte, derer der Beschuldigte dringend verdächtig ist, aus den allgemeinen Vorschriften (vgl. §§
3, 9 [X.]).
dd) Die nach §
129b Abs.
1 Satz 2 und 3 [X.] erforderliche Ermächti-gung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer St[X.]t im [X.] und Groß-syrien" sowie als "Islamischer St[X.]t" bezeichnenden ausländischen terroristi-schen Vereinigung liegt -
als [X.]eufassung der bisherigen Verfolgungsermächti-gung -
seit dem 13.
Oktober 2015 vor.
2. Beim Beschuldigten besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 [X.]r.
2 [X.]).
a) Der Beschuldigte hat für den Fall seiner Verurteilung mit einer emp-findlichen Jugend-
oder Freiheitsstrafe zu rechnen. Bei dem [X.] handelt es sich um eine besonders gefährliche und grausam vorgehende terroristische Vereini-gung; die dem Beschuldigten vorgeworfenen Unterstützungshandlungen waren zudem schwerwiegend, weil sie der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags dienten, der zur Tötung und schweren Verletzung vieler Menschen führen soll-te. Auch das vom Beschuldigten nicht angezeigte Vorhaben des A.

war ein solches besonders gravierendes Verbrechen.
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33
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-
13
-
b) Dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände gegenüber:
Der verheiratete Beschuldigte ist kinderlos. Er brach den Besuch der Sonderschule ab und erlangte keinen Schulabschluss. Er trat keine Berufsaus-bildung an und erlernte demgemäß keinen Beruf. Mit Ausnahme weniger nur kurzzeitiger Praktika und eines von ihm nach einem Monat beendeten Berufs-förderungslehrgangs ging er keiner Arbeitstätigkeit nach. Vor der Inhaftierung lebten er und seine Ehefrau von Arbeitslosengeld
II und ihrem Kindergeld. Die finanzielle Situation des Ehep[X.]rs war prekär. Es lebte isoliert in einer Miets-wohnung in [X.].

, deren Kosten vom Jobcenter getragen wurden und die zwi-schenzeitlich gekündigt ist.
Darüber hinaus hat der Beschuldigte eine salafistische Gesinnung, die seine Ehefrau teilt. Ausweislich des ausgewerteten Chat-Verkehrs und der auf sichergestellter Hardware (Laptop, Mobiltelefone) gesicherten Inhaltsdaten [X.] er sich zur radikal-islamistischen Ideologie des [X.] hingezogen, legte den Treueeid auf den [X.] ab, auch wenn die hiervon gefertigte Videoaufnahme die-sen -
nicht ausschließbar -
nicht erreichte, und forderte den Mitbeschuldigten [X.]

auf, ihm Bilder und/oder Videoaufnahmen zu schicken, die geeignet seien, seine noch zweifelnde Ehefrau für ein Leben im [X.] zu begeistern. Trotz der finanziell prekären Lage reiste das Ehep[X.]r Mitte 2016 gemeinsam in die [X.].
Wenngleich der nicht vorbestrafte Beschuldigte ein gutes Verhältnis zu seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinem Bruder hat, lassen es all die be-nannten Umstände, in der gebotenen Gesamtschau betrachtet, als wahrschein-licher erscheinen, dass er sich dem weiteren Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten wird. Für ein solches zu befürchtendes Sich-35
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14
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Entziehen genügt ein Verhalten, das den Erfolg hat, dass der Fortgang des Strafverfahrens wenigstens vorübergehend durch Aufhebung der Bereitschaft, für Ladungen und Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung zu stehen, verhin-dert wird (vgl. [X.]/[X.], [X.], 60.
Aufl., §
112 Rn.
18 mw[X.]).
3. Für eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§
116 Abs.
1 [X.]) fehlt es aus nämlichen Gründen an einer ausreichenden Vertrauensgrundlage; sein bisheriger Werdegang lässt den Beschuldigten als unzuverlässig erschei-nen. Unter
den gegebenen Umständen ist auch eine Anweisung gemäß §
116 Abs.
1 [X.]r.
2 [X.] unter Einsatz technischer Überwachungsmittel (sog. elektro-nische Fußfessel) nicht erfolgversprechend.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 [X.]) sind gegeben; der Umfang der [X.] und ihre Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
Die [X.] umfassen mittlerweile elf Stehordner.
Die [X.] hatten ganz erhebliche Mengen erhobener Daten auszuwerten. Bei Durchsuchungsmaßnahmen wurden in der Wohnung des Beschuldigten und seiner Ehefrau -
neben handschriftlichen Aufzeichnungen -
vier Mobiltelefone sichergestellt; auf richterlichen Beschluss händigte seine Mutter noch einen Laptop aus. Die auf diesen Datenträgern gespeicherten Verbindungsdaten und Inhaltsdaten mussten ausgelesen und bewertet werden. Des Weiteren wurden die Inhalte von Accounts des [X.] "[X.]" gemäß §
100a [X.] gesichert; daneben wurden Verkehrsdaten gemäß §
100g [X.] erhoben, die namentlich die Kontakte zwischen dem Beschuldigten und A.

betreffen. Die umfangreichen [X.] dauern noch an. Auch die kriminal-39
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-
technische Begutachtung eines manipulierten Mobiltelefons, das als Fernzün-der geeignet sein könnte, ist noch nicht abgeschlossen.
Überdies weist der Fall internationale Bezüge auf. Mit [X.] vom 21.
Juni 2017 ist um (weitere) Vernehmung des [X.] [X.]

in Österreich insbesondere zu mittlerweile angefallenen neuen Erkenntnissen ersucht worden. Im Wege der Rechtshilfe mit [X.] ist die Durchsuchung der dort ansässigen Lieferantin der [X.]böller nach Kun-dendaten, namentlich Lieferadressen, auf Grund eines Durchsuchungsbe-schlusses vom 24.
April 2017 erbeten worden. Auch insoweit liegen noch keine Ergebnisse vor.
Angesichts des bereits weit fortgeschrittenen [X.] wird sich die Generalst[X.]tsanwaltschaft aber dennoch um einen zügigen Abschluss der Ermittlungen zu bemühen haben.
5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 [X.]).

Becker Spaniol Berg

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Meta

AK 33/17

10.08.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2017, Az. AK 33/17 (REWIS RS 2017, 6681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6681

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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