Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2014, Az. XII ZB 346/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6762

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 346/13

vom

26. März
2014

in der
Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §
4 Abs.
2 Satz
1
Die Kosten für die Hinzuziehung eines [X.]s für die Kommunikati-on mit einem gehörlosen Betreuten sind mit der Pauschalvergütung nach §§
4, 5 [X.] abgegolten. Der Berufsbetreuer kann daher die Beiordnung eines Gebärden-dolmetschers zum Zwecke einer späteren Kostenerstattung nicht verlangen.
[X.], Beschluss vom 26. März 2014 -
XII [X.] 346/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 26. März
2014
durch
den Vorsitzenden Richter Dose und die
Richter
Dr.
[X.], Schilling, Dr.
Günter
und
Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 12.
Juni
2013
wird auf Kosten der [X.] Beteiligten zu
1
zurückgewiesen.
[X.]: bis 2.000

Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1
(nachfolgend: Betreuerin) wurde zur [X.] des mittellosen Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, [X.], Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen, Wohnungsange-legenheiten
sowie Entgegennahme und Öffnen der Post, außer [X.], be-stellt. Der Betroffene ist gehörlos.
Dem Antrag der Betreuerin, ihr für die notwendige Kommunikation mit dem
Betroffenen einmal im Monat einen Dolmetscher für die Gebärdensprache auf Kosten der Landeskasse beizuordnen, hatte
das Amtsgericht zunächst [X.]. Nachdem der Beteiligte zu
2 (nachfolgend: [X.]) dem entge-gengetreten ist, hatte
das Amtsgericht seinen Beschluss aufgehoben und den Antrag der Betreuerin abgewiesen.
Den erneuten Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss ebenfalls abgewiesen.
Die hier-1
2
-
3
-
gegen gerichtete Beschwerde der Betreuerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren Antrag weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, durch die Einführung des Gesetzes über die Vergütung von Vormün-dern und Betreuern (Vormünder-
und Betreuervergütungsgesetz

[X.]) vom 21.
April
2005 ([X.]
I 2005, 1073, 1076)
sei die dem
Betreuer zustehende [X.] pauschaliert worden. Dabei sei gemäß §
4 Abs.
2 Satz
1 [X.] in den Stundensätzen jeweils ein pauschaler Anteil für Aufwendungsersatz sowie anfal-lende Mehrwertsteuer enthalten. Eine gesonderte Geltendmachung entstandener Aufwendungen komme
nur in Betracht, wenn der Betreuer gemäß §
1835 Abs.
3 BGB Dienste erbringe, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehörten. Danach könne eine Erstattung der Kosten für einen Dolmetscher für die Gebärdenspra-che nicht erfolgen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus §
10 Abs.
2 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen des [X.]

[X.] ([X.]) vom 16.
Dezember 2002 (GVOBl. 2002 S.
264), weil
sich diese Vorschrift nur auf [X.] beziehe.
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
a) Nach §§
1908
i Abs.
1 Satz
1, 1836 Abs.
1 Satz
2 BGB erhält der [X.] für seine Tätigkeit eine Vergütung, wenn das Gericht bei der Bestellung des Betreuers feststellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird. Hat das Gericht diese Feststellung getroffen und ist der Betreute mittellos im Sinne von 3
4
5
6
-
4
-
§
1836
d BGB, kann der Berufsbetreuer die zu bewilligende Vergütung aus der St[X.]tskasse verlangen, §
1 Abs.
2 Satz
2 [X.]. Die Höhe der Vergütung be-stimmt sich nach dem zu [X.] (§
5 [X.]) und dem nach §
4 Abs.
1 [X.] maßgeblichen Stundensatz.
Mit diesen Stundensätzen sind gemäß §
4 Abs.
2 Satz
1 [X.] auch die
anlässlich der Betreuung entstandenen Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer mit abgegolten. Nur die geson-derte Geltendmachung von Aufwendungen im Sinne des §
1835 Abs.
3 BGB
bleibt daneben möglich

4 Abs.
2 Satz
2 [X.]).
b) Auf dieser rechtlichen
Grundlage hat das Beschwerdegericht zu Recht den Antrag der Betreuerin auf Beiordnung eines [X.]s zum Zwecke einer späteren Kostenerstattung abgelehnt.
[X.]) Nach §
1901 Abs.
1 BGB umfasst die Betreuung alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Zu diesen durch die Bestellung übernommenen Pflichten des Betreuers zählt als eine mit dem übertragenen Aufgabenkreis unabdingbar verknüpfte Nebenpflicht (Jurgeleit/Maier
Betreuungsrecht 3.
Aufl. §
1901 BGB Rn.
21) auch die persönli-che Kontaktaufnahme zu dem Betreuten (vgl. §
1901 Abs.
3 Satz
3 BGB). Die Kosten, die dem Betreuer hierdurch entstehen, sind anlässlich der Führung der Betreuung entstanden und daher durch die Einbeziehung des [X.] in die Pauschalvergütung nach §§
4, 5 [X.] abgegolten
(vgl. BT-Drucks. 15/4874 S.
31). Benötigt ein Betreuer für die Kommunikation mit dem Betreuten einen Dolmetscher,
stellen die Kosten für dessen Beauftragung ebenfalls [X.]. §
4 Abs.
2 Satz
1 [X.] dar, die von der Pauschalvergütung des Betreuers erfasst werden und daher nicht gesondert geltend gemacht werden
können ([X.], 1180,
1181
f.; [X.] FamRZ 2009, 1008
f.; [X.] Betreuungsrecht [September 2011] §
4 [X.] Rn.
51; HK-BUR/[X.] [2005] §
4 [X.] Rn.
10; [X.]/[X.] Be-7
8
-
5
-
treuungsrecht 4.
Aufl. §
4 [X.] Rn.
45; [X.]/Götz BGB 73.
Aufl. [X.]. zu §
1836 §
4 [X.]
Rn.
21; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
4 [X.] Rn.
1).
[X.]) Das gilt auch dann, wenn im Einzelfall dem Betreuer durch die Beauf-tragung eines Dolmetschers so hohe Kosten entstehen, dass sich seine Vergü-tung, die er in diesem Betreuungsverfahren erhält, erheblich reduziert. §
4 Abs.
2 Satz
1 [X.] regelt den Aufwendungsersatzanspruch des Berufsbetreuers ab-schließend. Eine
gesonderte Erstattung von
Aufwendungen
nach §
1835 Abs.
1 und Abs.
2 Satz
1 BGB kann der Berufsbetreuer daneben nicht verlangen
([X.] Betreuungsrecht [September 2011] §
4 [X.] Rn.
51; [X.]/[X.] Betreu-ungsrecht 4.
Aufl. §
4 [X.] Rn.
1; [X.]/Götz BGB 73.
Aufl. [X.]. zu §
1836 §
4 [X.] Rn.
21). Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung
der Pauschalver-gütung von Berufsbetreuern in den §§
4, 5 [X.] ein Vergütungssystem schaf-fen, das einerseits eine einfache
und streitvermeidende Abrechnung der Betreu-ervergütung ermöglicht, andererseits den Berufsbetreuern
jedoch eine auskömm-liche Vergütung für ihre Tätigkeit
gewährt (BT-Drucks. 15/2494 S.
31).
Dabei hat sich der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (vgl. [X.] FamRZ 2009, 1123 Rn.
6) für ein Vergütungssystem auf der Grundlage einer Mischkalkulation entschieden, das zwangsläufig dazu
führt, dass die gesetzlich festgelegte Vergütung in einzelnen Fällen nicht leistungsäquivalent ist (vgl. [X.] FamRZ 2011, 1642 Rn.
22; [X.] FamRZ 2007, 622, 625). Bei Berufs-betreuern, die regelmäßig mehr
als zehn Betreuungen führen (§
1 Abs.
1 Satz
2 Nr.
1 [X.]), werden diese Fälle durch solche ausgeglichen, bei denen die Pau-schale den erbrachten Leistungs-
und Aufwendungsumfang übersteigt
(vgl. auch Senatsbeschluss vom 9.
Oktober 2013

XII
[X.]
667/12

FamRZ 2013, 1967 Rn.
15).

9
-
6
-
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Betroffene ge-hörlos ist und die Betreuerin daher um die Beiordnung eines Dolmetschers für die Gebärdensprache ersucht hat.
[X.]) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich ein solcher Anspruch nicht aus §
10 Abs.
2 des Gesetzes zur Gleichstellung be-hinderter Menschen des [X.]

Landesbehindertengleich-stellungsgesetz ([X.]) vom
16.
Dezember 2002 (GVOBl. 2002
S.
264) herleiten lässt. Zwar sieht
§
10 Abs.
2 Satz
4 und 5 [X.] vor, dass hörbehinderten Men-schen auf Kosten des Trägers der öffentlichen Verwaltung eine Gebärdensprach-dolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher oder eine andere geeignete Kommunikationshilfe bereitgestellt werden
soll, wenn dies zur Wahrnehmung ei-gener Rechte unerlässlich ist. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf die Kommunikation gehörloser Menschen mit Verwaltungsbehörden des [X.]. Vorliegend geht es dagegen um die Frage, wer die Kosten für die notwendige Einschaltung eines [X.]s zu tragen hat, um die Kommunikation zwischen der Betreuerin und dem Betroffenen
zu ermögli-chen. Dafür gibt die Bestimmung nichts her.
[X.]) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gebietet
im vorlie-genden Fall auch das in Art.
3 Abs.
3 Satz
2 GG enthaltene
Verbot einer Diskri-minierung
behinderter
Menschen nicht
die Beiordnung eines Gebärdendolmet-schers
für die Kommunikation der Betreuerin mit dem Betroffenen.
Unabhängig davon, dass die Betreuerin nicht Trägerin dieses Grundrechts ist und es daher fraglich erscheint,
ob sie sich überhaupt auf Art.
3 Abs.
3 Satz
2 GG berufen kann, führt die angegriffene Entscheidung jedenfalls nicht zu einem Verstoß ge-gen das in dieser Vorschrift enthaltene Diskriminierungsverbot zugunsten behin-derter Menschen.
10
11
12
-
7
-
Die Betreuerin sieht die Benachteiligung des Betroffenen darin, dass ohne die Beiordnung eines [X.]s die bei ihm
aufgrund seiner Behin-derung bestehenden körperlichen Defizite nicht ausgeglichen werden, um eine für die Führung der Betreuung sinnvolle Kommunikation zwischen ihr und dem Betroffenen zu ermöglichen. Durch die Ablehnung des Antrags der Betreuerin auf Beiordnung eines [X.]s erfährt der Betroffene indes keine Be-nachteiligung, die ihre Ursache gerade in seiner Behinderung hat.
Das Benachteiligungsverbot des Art.
3 Abs.
3 Satz
2 GG ist verletzt, wenn ein behinderter Mensch eine nachteilige Ungleichbehandlung im Vergleich zu Nichtbehinderten erfährt (vgl. [X.] NJW 1999, 1853, 1855). Eine Benachteili-gung kann sich auch durch einen Ausschluss von Entfaltungs-
und Betätigungs-möglichkeiten durch die öffentliche Gewalt ergeben, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme kompensiert wird (vgl. [X.] NJW 2011, 2035 Rn.
55 mwN).
Gemessen hieran liegt ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
3 Satz
2 GG nicht vor. Dabei bedarf es hier keiner Entscheidung, inwieweit im Verfahren zur [X.]bestellung das Gericht dafür Sorge tragen muss, dass der Betroffene trotz seiner körperlichen Einschränkungen seine Verfahrensrechte angemessen wahr-nehmen kann und ob hierzu vom Betreuungsgericht

wie geschehen

ein [X.], etwa für die
[X.]örung nach §
278 Abs.
1 Satz
1 FamFG,
einzuschalten ist. Vorliegend geht es allein um die Verständigungsmöglichkeit des gehörlosen Betroffenen mit seiner Betreuerin, weil diese die Kosten für den erforderlichen [X.] nicht aus ihrer Vergütung bestreiten
will. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt nicht von Fällen, in de-nen der Betroffene die [X.] nicht beherrscht
und der
Betreuer nicht bereit ist, zu
den persönlichen Unterredungen mit dem Betreuten auf eigene Kos-ten einen
Fremdsprachendolmetscher beizuziehen oder der Betreuer von per-13
14
15
-
8
-
sönlichen Gesprächen mit dem Betroffenen deshalb absieht, weil ihm die dadurch entstehenden Aufwendungen, etwa für Reisekosten, im Hinblick auf sei-ne Vergütung zu hoch erscheinen. Die Behinderung des Betroffenen
ist daher in diesem
Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung. Seine Situation entspricht im Wesentlichen der eines nicht behinderten Menschen, dessen [X.] mit dem für ihn bestellten Betreuer dadurch eingeschränkt ist, dass dieser nicht bereit ist, entgegen der Vergütungsregelung in §
4 Abs.
2 Satz
1 [X.] die hiermit verbundenen Aufwendungen zu tragen. Deshalb hat das Be-schwerdegericht durch seine Entscheidung den Betroffenen
nicht schlechter ge-stellt als einen Nichtbehinderten in gleicher Lage.
Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung kann daher in dem angegriffenen Beschluss
nicht gesehen werden.

-
9
-
cc) Fehlt es im vorliegenden Fall an einer Benachteiligung
des Betroffenen aufgrund seiner Behinderung, ergibt sich ein Anspruch
der Betreuerin auf Bei-ordnung eines
[X.]s
auch nicht aus
Art.
12 des
Übereinkom-mens
der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

UN-BRK

vom 21.
Dezember 2008 ([X.]
II 2008
S.
1419
ff.), für die [X.] in [X.] getreten am 26.
März 2009
([X.]
II 2009
S.
812).

Dose

[X.]

Schilling

Günter

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.05.2013 -
2 XVII A 667 -

LG [X.], Entscheidung vom 12.06.2013 -
3 T 136/13 -

16

Meta

XII ZB 346/13

26.03.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2014, Az. XII ZB 346/13 (REWIS RS 2014, 6762)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6762

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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