Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.06.2018, Az. 30 W (pat) 533/17

30. Senat | REWIS RS 2018, 7800

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "PatientenverfügungPlus (Wort-Bild-Marke)" - Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 024 922.2

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 14. Juni 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. von Hartz

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des [X.] vom 21. April 2017 aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wort-Bildzeichen

Abbildung

2

ist am 1. September 2016 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register unter der Nummer 30 2016 024 922.2 für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:

3

"Klasse 35: Werbung, Marketing und Verkaufsförderung, insbesondere Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Handelsdienstleistungen, auch im [X.], insbesondere E-Commerce- Dienstleistungen, Präsentation von Waren und Dienstleistungen, Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, Vermittlung von Kontaktinformationen in Handels- und Geschäftsangelegenheiten, Vermittlungsdienste in Geschäftsangelegenheiten; Verbraucherinformationsdienste, insbesondere Erteilung von Auskünften [Information] und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten [Verbraucherberatung]; Bereitstellung von Geschäftsinformationen über eine Web-Site; Unternehmensverwaltung; Zusammenstellung von Daten in [X.], Dateienverwaltung mittels Computer; Aktualisierung und Pflege von Daten in [X.]; Geschäftsführung; Büroarbeiten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;

4

Klasse 38: Telekommunikation, insbesondere [X.]; Bereitstellung und Übermittlung von Informationen, insbesondere juristischen Informationen, im [X.]; Bereitstellung von [X.]-Chatrooms; Bereitstellung von Online-Foren; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken; Bereitstellen von Eingabemöglichkeiten in öffentlich oder einem bestimmten Personenkreis zugängliche Datenbanken; Vorhalten von öffentlich oder einem bestimmten Personenkreis zugängliche Datenbanken; E- Commerce Dienstleistungen; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;

5

Klasse 42: wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen, insbesondere Forschungs- und Entwicklungsdienste bezüglich neuer Produkte für Dritte; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software, insbesondere IT-Dienstleistungen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Design von Computersoftware; [X.]; Software as a Service [SaaS]; Bereitstellung von Suchmaschinen für das [X.]; elektronische Datenspeicherung; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;

6

Klasse 45: juristische Dienstleistungen, insbesondere Rechtsberatung, auch über das [X.], Bereitstellung von Programmen zur Nutzung im [X.], die es ermöglichen, rechtliche Dokumente zu erstellen; [X.], Mediation, Lizenzierung von Computersoftware, Dienstleistungen in Prozessangelegenheiten, Dienstleistungen auf dem Gebiet der nicht-juristischen Streitregelung; Sicherheitsdienste zum Schutz von Sachwerten oder Personen; von [X.] erbrachte persönliche und [X.] Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten."

7

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 45 des [X.]es hat die Anmeldung mit Beschluss vom 21. April 2017 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei nicht unterscheidungskräftig. Die beanspruchten Dienstleistungen bezögen sich inhaltlich auf eine sogenannte Patientenverfügung. Auch unter Berücksichtigung des Bildbestanteils gelte nichts anderes. Die vorliegende Entscheidung trage dem Umstand des ständigen Wandels des [X.]. So könne die Entscheidung des [X.] in Sachen "[X.]" nicht mehr Maßstab für einen hinreichend unterscheidungskräftigen Bildbestandteil sein. Je häufiger ein Gestaltungsmittel verwendet werde, desto höher sei die [X.] daran. Vorliegend stelle der angesprochene Verkehr die Bezeichnung "[X.]" sofort und ohne weiteres Nachdenken ausschließlich einen konkreten und direkten Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen her.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

9

Abbildung

Die Anmelderin beantragt,

1. den Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des [X.]s vom 21. April 2017 aufzuheben;

2. die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] [X.], 610 Rn. 42 – [X.]; [X.], 808 Rn. 66 f. – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11– [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 233 Rn. 45 – Standbeutel; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]; BGH [X.], 710 Rn. 12 – [X.]; [X.], 949, Rn. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, sodass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]; [X.], 1044 Rn. 9 – [X.]; [X.], 270 Rn. 8 – Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943 Rn. 24 – SAT.2; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – [X.]; [X.], 935 Rn. 8 – Die Vision).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Mit den hier maßgeblichen Dienstleistungen werden Unternehmer, leitende Angestellte von Unternehmen, [X.] und Endverbraucher angesprochen, wobei es sich um Dienstleistungen handelt, die mit Bedacht und auch nach fachkundiger Beratung nachgefragt werden.

aa) Der Wortbestandteil des [X.] "Patientenverfügung" ist dem angesprochenen Verkehr geläufig und verständlich. Die Legaldefinition hierzu findet sich in § 1901a Abs. 1 BGB: "Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner [X.] schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung)….". Es bedeutet somit die schriftliche Verfügung über gegebenenfalls zu ergreifende oder zu unterlassende medizinische Maßnahmen, die eine erwachsene Person für den Fall niederlegt, dass sie durch Krankheit oder Unfall in eine Lage gerät, in der es ihr nicht [mehr] möglich ist, entsprechende Entscheidungen zu treffen (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl., Stichwort: Patientenverfügung).

bb) Der Wortbestandteil "Plus" drückt vorliegend keinen mathematischen Rechenvorgang aus, sondern einen Vorteil oder ein [X.], also ein „Mehr“ vom Üblichen, sei es Inhalt, Leistungen oder Neuerungen betreffend (vgl. [X.], a. a. O., Stichwort: Plus; vgl. [X.], 28 W (pat) 629/12 – [X.]; 30 W (pat) 510/13 – CONFIG+). Es ist Ausdruck der Suche nach Steigerung, Optimierung und den besten Gegenwert.

cc) Der angesprochene Verkehr wird die Wortbestandteile des [X.] im Sinne "Patientenverfügung Plus", mithin ein Mehr an Informationen als üblich zu einer (standardisierten) Patientenverfügung verstehen. Dieses Verständnis des [X.] führt dazu, dass der Wortbestandteil in Bezug auf die Mehrzahl der beanspruchten Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig ist. Es kann allerdings letztendlich dahingestellt bleiben, für welche konkreten Dienstleistungen dies der Fall wäre.

2. Aus vorstehenden Gründen scheidet auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] aus. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der Wortfolge in jedweder Form, sondern nur in der gegebenen grafischen Gestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 [X.] ist unbegründet.

Die Rückzahlung ist nur anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen der Beschwerdeführerin einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. [X.] für die Rückzahlung können sich aus Verfahrensfehlern oder einer völlig unvertretbaren Rechtsanwendung ergeben ([X.] 30 W (pat) 20/08 – [X.] und Silber). Die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung an sich noch nicht. Diese kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsanwendung als völlig unvertretbar erscheint, z. B. weil eindeutige gesetzliche Vorschriften oder eine gefestigte [X.] bzw. eine ständige Rechtsprechung unbeachtet geblieben sind (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 71 Rn. 53). Anhaltspunkte für eine derart fehlerhafte Verfahrensbehandlung vor dem Patentamt ergeben sich nicht. Auch die Beschwerdeführerin zeigt solche in ihrer Beschwerdeschrift nicht auf.

Meta

30 W (pat) 533/17

14.06.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.06.2018, Az. 30 W (pat) 533/17 (REWIS RS 2018, 7800)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7800

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

30 W (pat) 35/18

26 W (pat) 555/19

26 W (pat) 554/19

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