Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.04.2009, Az. I-19 U 23/08

19. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 3892

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Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. Juni 2008 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal – Einzelrich-ter – (16 O 190/05) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicher-heitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Entscheidungsgründe

Gründe:

I.

Bei der Klägerin war ein am 17.04.2002 zum Straßenverkehr zugelassener Lkw der S. GmbH & Co. Autovermietungs KG versichert, der am 08.06.2002 mit einer Laufleistung von 6.600 km abbrannte. Die S. GmbH & Co. Autovermietungs KG hatte diesen Lkw von der Beklagten zu 1) erworben. Herstellerin des Fahrzeugs ist die Beklagte zu 2). Die Klägerin begehrt von den Beklagten Ersatz der von ihr im Zusammenhang mit dem Fahrzeugbrand erbrachten Zahlungen, da der Brand ihrer Behauptung nach auf einem Konstruktionsfehler des Fahrzeugs beruhe, für den auch die Beklagte zu 1) als "Quasiherstellerin" neben der Beklagten zu 2) als tatsächliche Herstellerin einzustehen habe.

Mit Urteil vom 19.06.2008 hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal – Einzelrichter – die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB aus übergegangenem Recht stehe der Klägerin nicht zu, da sie nicht habe nachweisen können, dass der Lkw aufgrund eines Konstruktionsfehlers abgebrannt sei. Nach den Ausführungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen beruhe die Entzündung auf einer mangelhaft ausgeführten Schweißung der Kontaktplatte innerhalb eines Magnetschalters. Allein der Umstand, dass die Beklagte zu 2) diesen Magnetschalter später durch einen anders konstruierten Schalter ersetzt habe, stehe der vom Sachverständigen bestätigten grundsätzlichen Geeignetheit eines Bauteils mit Schweißverbindung nicht entgegen. Auch ein Fabrikationsfehler sei nicht ursächlich für den Brand geworden. Die insoweit als Herstellerin darlegungs- und beweisbelastete Beklagte zu 2) habe nachweisen können, dass der fehlerhaften Verbindung keine Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht im Herstellungsbereich zugrunde gelegen habe. Die nach den Bekundungen des Zeugen I.. von der Beklagten zu 2) im Zusammenhang mit der Beauftragung eines Zulieferers getroffenen Maßnahmen genügten den Sorgfaltsanforderungen an einen ordentlichen und gewissenhaften Hersteller. Dass die Beklagten eine sie treffende Rückrufpflicht deshalb verletzt haben könnten, weil bereits zuvor ein vergleichbarer Schadensfall aufgetreten sei, sei nicht dargetan.

Etwaige vertragliche Ansprüche der Klägerin aus übergegangenem Recht seien verjährt.

Auf den weiteren Inhalt des Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Sie ist der Ansicht, die landgerichtliche Entscheidung verstoße gegen §§ 253, 308 ZPO, weil sie Umstände zugrunde lege, die von den Parteien nicht vorgetragen seien. Das Urteil berufe sich darauf, dass die Beklagten nicht die Verwendung eines Bauteils geschuldet hätten, das ohne Rücksicht auf die Produktionskosten den Anforderungen an die Sicherheit entsprochen hätte, obwohl diese dies nicht einmal selbst geltend gemacht hätten. Die Entscheidung gehe davon aus, dass die Beklagte zu 2) die betreffende Verbindung nicht selbst habe überprüfen können, da diese innerhalb des Bauteils liege und nicht zugänglich sei, obwohl dies falsch und noch nicht einmal von den Beklagten behauptet worden sei. Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, warum das fragliche Bauteil nicht aus dem Regal des Zulieferers heraus in allen Einzelteilen hätte untersucht werden können, selbst wenn es hierbei zerstört worden wäre. Insbesondere bei Bauteilen, deren mutmaßliches Versagen signifikante Gefahren für Leib und Leben oder erhebliche Sachwerte in sich berge, schulde der Hersteller eine intensive und materialkundliche Untersuchung. Entgegen der landgerichtlichen Entscheidung läge ein Konstruktionsfehler vor. Dies folge aus den Indiztatsachen, dem Sachverständigengutachten und dem Prozessverhalten der Beklagten. Sie, die Klägerin, habe in tatsächlicher Hinsicht vermutet, dass auch andere Fahrzeuge der gleichen Bauserie wegen des fehlerhaften Bauteils abgebrannt seien. Dem hätten die Beklagten nichts Beachtliches entgegengesetzt. Wegen der Rückrufaktion und dem späteren Austausch gegen ein hochwertigeres und teureres Teil sei deren Bestreiten prozessual belanglos. Ohne Tatsachengrundlage habe das Landgericht die Behauptung der Beklagten übernommen, das streitgegenständliche Bauteil sei bewährt gewesen. Dass dies gerade nicht der Fall sei, folge bereits daraus, dass die Beklagte zu 2) eine Rückrufaktion veranlasst und ein andersartiges Bauteil verwandt habe. Der neueste Stand der Technik sei es nicht, es bei einer Sichtkontrolle oder Sichtüberprüfung und bei einer elektrischen Kontrolle der Kunststoffteile eines elektromagnetischen Schalters zu belassen, falls im Falle einer Fehlfunktion ein Brand drohe. Jedenfalls sei von einem Fabrikationsfehler auszugehen, da die Beklagten den Entlastungsbeweis nicht geführt hätten. Das Landgericht habe das Recht auch insoweit fehlerhaft angewandt, als es eine Verletzung der Verpflichtung des Herstellers, sein Produkt zu verfolgen, verneint habe. Denn jedenfalls dann, wenn der Hersteller das Produkt selbst aus dem Verkehr gezogen habe und feststehe, dass diesem ein Serienfehler anhafte, geböten es die Grundsätze der sogenannten sekundären Darlegungslast, dass der Hersteller weitere Einzelheiten offenbare. Aus der Rechtsverteidigung der Beklagten lasse sich schlussfolgern, dass sich diese schon lange vor dem 15.12.2001 der von der Schalterkonstruktion ausgehenden Gefahren bewusst waren, ohne jedoch entsprechend zu handeln.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 19.06.2008 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 42.738,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr aus 41.218,17 € seit Rechtshängigkeit der Klage und aus 785,84 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 22.12.2005 und aus weiteren 734,39 € seit dem 22.11.2007 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Die Beklagte zu 1) sei als Importeurin des Fahrzeugs nicht passivlegitimiert. Ungeachtet des Umstandes, dass selbst der "Quasihersteller" nicht wie ein Hersteller hafte, habe sich die Beklagte zu 1) weder als Herstellerin ausgegeben, noch ihren Namen oder ein anderes Erkennungszeichen an dem Fahrzeug angebracht.

Die Beklagte zu 2) hafte nicht, da das streitgegenständliche Bauteil nach den Ausführungen des Sachverständigen dem Stand der Technik entsprochen habe. Ein Fabrikationsfehler führe mangels Verschuldens im Rahmen der sogenannten "Ausreißerrechtsprechung" des Bundesgerichtshofs ebenfalls nicht zu ihrer Haftung. Die unsubstantiierte klägerische Behauptung, die Beklagte zu 2) habe eine Rückrufaktion im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Bauteil durchgeführt, werde bestritten. Der Sachverständige habe bestätigt, dass andere Kontrollmöglichkeiten als Sichtprüfung und elektrische Kontrolle nicht bestanden hätten. Solche trage auch die Klägerin nicht vor. Zu einer Kontrolle der Schweißnaht selbst müsse jedes Teil geöffnet werden und könnte dann aufgrund der damit verbundenen Zerstörung nicht mehr verwendet werden. Soweit die Klägerin insoweit die Feststellungen des Sachverständigen bestreite, sei dies jedenfalls verspätet. Zudem dürfe sich der ordentliche und gewissenhafte Hersteller grundsätzlich darauf verlassen, dass der Zulieferer die Bauteile nach den vertraglich vereinbarten Qualitätsanforderungen baue und deren Qualität selbst überprüfe. Die Klägerin verkenne, dass zwar die Schweißnaht mangelhaft ausgeführt worden sei, die Verwendung von Schweißverbindungen als solche jedoch keinen Konstruktionsfehler darstelle. Wie bereits vorgetragen, seien mit dem streitgegenständlichen Bauteil zigtausend Fahrzeuge gebaut und ausgeliefert worden. Anhaltspunkte, das Bauteil in Frage zu stellen, hätten deshalb nicht bestanden.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des begehrten Schadensersatzes.

1.

Wie das Landgericht zutreffend ausführt, kommt eine Haftung der Beklagten zu 2) weder nach dem Produkthaftungsgesetz noch aus Vertrag in Betracht. Aber auch aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 67 VVG ergibt sich der geltend gemachte Anspruch entgegen der klägerischen Ansicht nicht.

2.

Die Anspruchsgrundlage des § 823 Abs.1 BGB ist neben dem hier nicht einschlägigen Produkthaftungsgesetz gemäß § 15 Abs. 2 ProdHaftG anwendbar.

3.

Die Beklagte zu 2) ist unstreitig Herstellerin des abgebrannten Lkw`s. Ungeachtet des Umstandes, dass dieser auch aus von anderen Herstellern gefertigten Einzelteilen besteht, obliegt ihr die Verantwortung für die Sicherheit des Produktes. Diese trifft den Endhersteller, also das Unternehmen, das Konstruktion und Fabrikation desjenigen Gegenstandes steuert, der schließlich in den Verkehr gebracht wird (vgl. Münchener Kommentar zum BGB-Wagner, 4. Aufl., § 823 Rdnr. 556 m.w.N.).

4.

Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht der Nachweis gelungen, dass der Brand auf einem Konstruktionsfehler im Sinne der deliktischen Produkthaftung beruhte. Ein Konstruktionsfehler liegt dann vor, wenn das Produkt infolge fehlerhafter technischer Konstruktion oder Planung für eine gefahrlose Benutzung ungeeignet ist (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 68. Aufl., § 823 Rdnr. 169 i.V.m. § 3 ProdHaftG Rdnr. 8 m.w.N.).

Das Landgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen T. davon ausgegangen, dass kein Konstruktionsfehler bestehe. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist diese Tatsache der zweitinstanzlichen Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an ihrer Richtigkeit oder der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar hatte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 06.10.2006 zunächst insoweit missverständlich ausgeführt, dass der Lkw zwar nicht aufgrund eines Konstruktionsfehlers des Fahrzeuges (Bl. 19 des Gutachtens = Bl. 267 GA), aber infolge eines Konstruktionsfehlers eines Bauteiles der Ansaugluftvorwärmung abgebrannt sei (Bl. 17 des Gutachtens = Bl. 265 GA) bzw. von einem Konstruktionsfehler des Fernschalters auszugehen sei, der im Verantwortungsbereich des Herstellers liege (Bl. 21 des Gutachtens = Bl. 269 GA). In seiner mündlichen Anhörung am 22.11.2007 stellte der Sachverständige jedoch klar, dass er mit dem Konstruktionsfehler des Magnetschalters meinte, dass die Schweißverbindung zwischen Stempel und Platte nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden war, also dieser konkrete Schalter fehlerhaft konstruiert im Sinne von zusammengesetzt sei. Dass Stempel und Platte durch eine Schweißnaht miteinander verbunden werden sollten, ist von ihm hingegen ausdrücklich nicht als ein Fehler der Konstruktion gewertet worden. In diesem Sinne hat das Landgericht die sachverständigen Ausführungen dann auch seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

Die klägerische Berufungsbegründung gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Wertung des Beweisergebnisses, die eine Bindung an die festgestellten Tatsachen entfallen lassen könnte. Sollte die Klägerin den Begriff des Konstruktionsfehlers in den sachverständigen Ausführungen nicht im Sinne einer fehlerhaften Montage des streitgegenständlichen Magnetschalters verstehen, sondern dahingehend, dass diese Verbindung grundsätzlich nicht als Schweißnaht hätte ausgestaltet werden dürfen, ist dies durch die Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen seiner Anhörung widerlegt. Substantiierte Einwände, warum diese technischen Ausführungen falsch sein sollen, werden von der Klägerin weder erstinstanzlich noch in der Berufungsbegründung oder in der mündlichen Verhandlung vorgebracht.

Dem Landgericht ist auch darin zu folgen, dass allein der Umstand, dass der streitgegenständliche Schalter nachfolgend durch eine andere Konstruktion ersetzt worden ist, nicht auf einen Konstruktionsfehler der ersten Schalterversion schließen lässt. Darauf, ob die später gewählte Konstruktion besser als die Vorhergehende ist – was die Klägerin behauptet-, kommt es nicht an. Im Bereich des ProdHaftG folgt dies bereits aus § 3 Abs. 2 ProdHaftG, demzufolge ein Produkt nicht allein deshalb einen Fehler hat, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht wurde. Der Schluss allein aus der Tatsache der späteren Verbesserung auf die frühere Fehlerhaftigkeit der Konstruktion ist hier verboten (vgl. Palandt-Sprau, § 3 ProdHaftG, Rdnr. 15). Im Bereich der deliktischen Produkthaftung nach § 823 Abs.1 BGB gilt nichts anderes. War eine Technik, wie hier, geeignet, bleibt sie dies, selbst wenn später verbesserte Techniken angewandt werden sollten.

Der mangelnde Nachweis eines Konstruktionsfehlers geht zu Lasten der Klägerin. Der Anspruchsteller trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Konstruktionsschadens (vgl. MünchKomm- Wagner, § 823 Rdnr. 608; Palandt-Sprau, § 823 Rdnr. 183 i.V.m. § 1 ProdHaftG Rdnr. 25).

5.

Eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Fabrikationsfehlers. Ein Fabrikationsfehler entsteht während der Herstellung, haftet nur einzelnen Stücken an und beinhaltet eine Abweichung des konkreten Stücks vom allgemeinen Standard, den der Hersteller für die Produktionsserie vorgesehen hat und an dem deshalb der Verwender seine Sicherheitserwartungen orientiert (vgl. Palandt-Sprau § 823 BGB Rdnr. 169 i.V.m. § 3 ProdHaftG Rdnr. 9 m.w.N.). Eine deliktische Haftung besteht jedoch für solche Fabrikationsfehler nicht, die trotz aller zumutbaren Vorkehrungen als sogenannte "Ausreißer" unvermeidbar sind (vgl. Palandt-Sprau, § 823 Rdnr. 169). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Hersteller (vgl. Palandt-Sprau § 823 Rdnr. 183, 184). Das Landgericht geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund der Bekundungen des Zeugen I.. zu Recht davon aus, dass der Beklagten zu 2) der Entlastungsbeweis gelungen ist.

Die Beklagten hatten insoweit vorgetragen, den streitgegenständlichen Magnetschalter von der Firma D. bezogen zu haben, bei der es sich – unstreitig - um einen der weltgrößten Zulieferer handele, der sie seit Jahren ohne Beanstandungen beliefere. Die Beklagte zu 2) habe zunächst in einem umfangreichen Auswahlverfahren die Firma D. als Zulieferer für dieses Bauteil ausgewählt. Danach habe sie im Freigabeverfahren geprüft, ob dieses Bauteil ordnungsgemäß konstruiert sei und produziert werde. Erst nachdem aufgrund dieser Qualitäts- und Funktionsprüfungen festgestanden habe, dass das Bauteil in der Serienproduktion einsetzbar sei, sei dieses bestellt worden. Wie sich aus der vorgelegten Zertifizierung (Bl. 389, 390 GA) ergebe, habe sie ein anerkanntes Qualitätssicherungssystem eingeführt, das auch eine Eingangskontrolle aller gelieferten Produkte gewährleiste. Daneben habe ihr auch die Firma D. bestätigt, dass das streitgegenständliche Bauteil zertifiziert sei.

Das Landgericht war aufgrund der Bekundungen des Zeugen I. davon überzeugt, dass vor der Beauftragung eines Zulieferers durch die Beklagte zu 2) umfangreiche das Bauteil und dessen Haltbarkeit betreffende Tests durchgeführt werden, der Produktionsprozess des Zulieferers überprüft wird und dieser sich vertraglich verpflichtet, das Zulieferteil nach den überprüften Produktionsprozess zu produzieren. Weiter hat es das Landgericht für unschädlich erachtet, dass der Zeuge zu den konkreten Überprüfungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Magnetschalter keine Angaben aus eigener Anschauung machen konnte, sondern den Vorgang nach der Aktenlage rekonstruiert hatte.

Auch diese Feststellungen sind nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die zweitinstanzliche Entscheidung bindend. Die protokollierte Zeugenaussage steht weder zu den Entscheidungsgründen in Widerspruch, noch ergeben sich Zweifel an ihrer Vollständigkeit, die zu einer Wiederholung zwingen würden. Die Angaben des Zeugen werden gestützt durch die von ihm bei seiner Vernehmung überreichten und zur Akte genommenen Unterlagen (Bl. 443 bis 510 GA) aus denen sich die den Schalter betreffenden Vereinbarungen und Überprüfungen ergeben. Die Einwände der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vermag der Senat nicht ansatzweise nachzuvollziehen.

Die Beklagte zu 2) hat unter Zugrundelegung der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ihrer Sorgfaltspflicht genügt. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten zu 2) darin sieht, dass keine Vorkehrungen für eine fortwährende Qualitätskontrolle getroffen seien, ist dies nicht stichhaltig. Der Hersteller darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der Zulieferer die Bauteile nach den vertraglich vereinbarten Qualitätsanforderungen baut und deren Qualität selbst überprüft. Eine Überprüfung jedes einzelnen eingebauten Teils ist schon deshalb unmöglich, weil dieses hierdurch zerstört und deshalb danach nicht mehr verwandt werden könnte. Auch war das Landgericht nicht gehalten, positiv festzustellen, ob ausreichende Stichproben durch Öffnung des Schalters erfolgten. Der Zeuge I. hat ausgeführt, dass bei vom Zulieferer bezogenen Bauteilen die Beklagte zu 2) die Bauteile selbst auseinander nimmt und untersucht. Er konnte jedoch nicht sagen, ob jemand die Schweißverbindungen der Magnetschalter überprüft habe. Dies halte er jedoch auch nicht für erforderlich, weil die Schweißverbindungen durch den Dauerbelastungstest, 15.000 Zyklen mit mehreren Betätigungen, mitgeprüft werde. Dies ist nachvollziehbar. Bezieht ein Hersteller von einem großen und ihm aus der Zusammenarbeit bekannten Zulieferer Teile, wäre es zu weitgehend, von ihm zu verlangen, durch regelmäßiges Öffnen dieser Teile sicherzustellen, dass diese auch im Inneren weiterhin ordnungsgemäß zusammen gebaut sind. Hierauf darf sich der Hersteller aufgrund des ansonsten unvertretbaren Aufwandes der ständigen Überprüfung aller fremdgefertigten Teile verlassen. Er muss nicht das technische Mögliche ohne Rücksicht auf dessen Kosten bieten, sondern schuldet Sicherheit nur im Rahmen des Zumutbaren (vgl. MünchKomm-Wagner § 823 Rdnr. 586 m.w.N.). Die Wahl eines renommierten Zulieferunternehmens und die vorherige eingehende Überprüfung des Zulieferunternehmens rechtfertigen die Absenkung des eigenen Prüfaufwands während des laufenden Bezugs (vgl. MünchKomm-Wagner, § 823 Rdnr. 558 m.w.N.).

6.

Dass die Beklagte zu 2) eine ihr obliegende Rückrufpflicht verletzt hat, ist von der Klägerin nicht hinreichend dargetan. Es obliegt insoweit dem Anspruchsteller, Tatsachen vorzutragen, aus denen sich eine Warnpflicht des Herstellers ergibt (vgl. Palandt-Sprau, § 823 Rdnr. 183). Die Verletzung einer solchen Rückrufpflicht könnte nur dann ursächlich für den streitgegenständlichen Schadensfall sein, wenn die Beklagte zu 2) vor dessen Eintritt, also vor dem 08.06.2002, hierzu Anlass gehabt hätte. Die Klägerin behauptet hierzu, bereits am 15.12.2001 sei ein baugleiches Fahrzeug ohne Fremdeinwirkung abgebrannt und vermutet, dass auch andere bauartgleiche Fahrzeuge "in derselben Weise betroffen" gewesen seien. Dies ist nicht ansatzweise substantiiert. Entgegen der Ansicht der Klägerin durften sich die Beklagten auf ein einfaches Bestreiten dieser von der Klägerin ausdrücklich so bezeichneten Vermutung beschränken. Gleiches gilt für die klägerische Schlussfolgerung von "der unredlich anmutenden Rechtsverteidigung der Beklagten" darauf, dass diese schon lange vor dem 15.12.2001 die erhebliche Gefährlichkeit des Schalters gekannt hätten.

Ob die Beklagte zu 2) danach baugleiche Fahrzeuge wegen eines Mangels des Magnetschalters zurück rief, was die Klägerin - wiederum unsubstantiiert - behauptet und die Beklagten bestreiten, kann wegen fehlender Ursächlichkeit für das streitgegenständliche Schadensereignis dahinstehen.

7.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 1) überhaupt als "Quasihersteller" im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB haftet, da eine Haftung weder aufgrund eines Konstruktionsfehlers, noch eines Fabrikationsfehlers noch einer Verletzung der Rückrufpflicht nach Vorstehendem in Betracht kommt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

IV.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 41.218,71 €

P. Dr. G. D.

Meta

I-19 U 23/08

22.04.2009

Oberlandesgericht Düsseldorf 19. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.04.2009, Az. I-19 U 23/08 (REWIS RS 2009, 3892)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3892

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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