Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2011, Az. I ZB 90/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2218

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB
90/10
vom

19. Oktober 2011

in der Rechtsbeschwerdesache

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19.
Oktober 2011 durch den Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr.
Bornkamm und die [X.] Pokrant, Prof.
Dr.
Büscher, Dr.
Schaffert und Dr.
Koch

beschlossen:

[X.] gegen den am 28.
Oktober 2010 an [X.] Statt zugestellten Beschluss des 26.
Senats ([X.]) des [X.] wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 200.000

festgesetzt.

Gründe:

[X.] Die Antragstellerin hat die Löschung der am 3.
November 2003 für die Markeninhaberin für die Dienstleistungen

"Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst-
und Kurierdienstleis-tungen; Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen, Paketen, Päckchen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit schriftlichen Mit-teilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Drucksachen, Wa-rensendungen, [X.], adressierten und unadressierten Werbesendun-gen, Büchersendungen, [X.], Zeitungen, Zeitschriften, [X.]"

aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Wortmarke Nr.
300
12
966

[X.]

beantragt.

1
-
3
-
Das Deutsche
Patent-
und Markenamt hat die Löschung der Marke [X.]. Die Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben ([X.], Beschluss vom 10.
April 2007
26
W(pat)
25/06, juris). Auf die Rechts-beschwerde der Markeninhaberin hat der Senat die Entscheidung
des [X.]s aufgehoben und die Sache zur Feststellung zurückverwiesen, ob die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung im Sinne von §
8 Abs.
3 [X.]
zum Eintragung und zum Entscheidungszeitpunkt nicht vorliegen ([X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2008
I
ZB
38/07, juris; vgl. auch das Paral-lelverfahren [X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2008
I
ZB
48/07, [X.], 669 = [X.], 815
[X.]
II). Das [X.] hat daraufhin den Beschluss des Deutschen Patent-
und Markenamts aufgehoben und den [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom [X.] nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.

I[X.] Das [X.] hat angenommen, dass die Voraussetzun-gen für eine Löschung der Marke nach §
50 Abs.
1 und 2 [X.] nicht vorlä-gen. Das Schutzhindernis nach §
8 Abs.
2 Nr.
2 [X.] sei durch eine Ver-kehrsdurchsetzung nach §
8 Abs.
3 [X.] überwunden.

II[X.] [X.] hat keinen Erfolg.

1. Die form-
und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß §
83 Abs.
3 Nr.
3 [X.] auch ohne Zulassung durch das Bundespatentge-richt statthaft, da die Antragstellerin den im Gesetz aufgeführten, die zulas-sungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs rügt und diese Rüge im Einzelnen begründet (vgl. [X.], [X.] vom 28.
Oktober 2010
I
ZB
13/10, [X.] 2011, 177 Rn.
5

Ivadal
II; Beschluss vom 22.
Juni 2011
I
ZB
9/10, [X.], 89 Rn.
5
= WRP 2011, 1461

Stahlschluessel).

2
3
4
5
-
4
-
2. [X.] ist jedoch unbegründet. Das Verfahren vor dem [X.] verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

a) Die Bestimmung des Art.
103 Abs.
1 GG garantiert den Beteiligten ei-nes gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Ent-scheidung zu äußern. Dazu gehört auch, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf wel-chen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Aus Art.
103 Abs.
1 GG ergibt sich allerdings keine Verpflichtung des Gerichts, vor der Ent-scheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen oder allgemein von seinem Frageund Aufklärungsrecht Gebrauch zu machen. Das Verfahrensgrundrecht aus Art.
103 Abs.
1 GG
ist dementsprechend nicht verletzt, wenn der [X.] einer durch einfaches Verfahrensrecht begründeten Hinweis-
oder Aufklärungs-pflicht nicht nachkommt. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs liegt erst vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter

selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen

nach dem bisherigen [X.] nicht zu rechnen brauchte, weil dies im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten gleich-kommt (vgl. BVerfGE
84, 188, 190;
BVerfG, NJW 1994, 1274; [X.], Beschluss vom 24.
Juni 2010
I
ZB
40/09, [X.], 1034 Rn. 11 = [X.], 1399

LIMES LOGISTIK).

b) [X.] rügt ohne Erfolg, das [X.] ha-be bei der Annahme der Verkehrsdurchsetzung der Marke "[X.]" nicht von einer markenmäßigen Verwendung der Kennzeichen ausgehen dürfen, ohne die Antragstellerin zuvor auf die gegenüber der ersten Beschwerdeentschei-dung geänderte Auffassung hinzuweisen.

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7
8
-
5
-
Es kann offenbleiben, ob das [X.] die Antragstellerin gemäß §
76 Abs.
4 [X.] darauf hinweisen musste, dass es auf der [X.] der im Eintragung und im Löschungsverfahren vorgelegten Unterlagen beabsichtigte, von einer Verwendung des Zeichens "[X.]" als Marke [X.]. Aus einem unterlassenen Hinweis ergibt sich vorliegend kein Gehörver-stoß. Die Antragstellerin musste nach dem [X.] damit rechnen, dass das [X.] eine markenmäßige Benutzung des Zeichens "[X.]" in der zweiten Beschwerdeentscheidung bejahen würde. Das [X.] hatte in der ersten Beschwerdeentscheidung zwar erhebliche Zweifel daran geäußert, dass die Markeninhaberin vor dem [X.] das Zeichen "[X.]" für die beanspruchten Dienstleistungen markenmä-ßig benutzt hatte. Es hatte die Frage aber letztlich dahinstehen lassen. Darauf hatte der Senat in der Entscheidung des ersten Rechtsbeschwerdeverfahrens hingewiesen und eine markenmäßige Verwendung unterstellt (vgl. [X.], [X.] vom 23.
Oktober 2008
I
ZB
38/07 Rn.
20, juris; vgl. auch [X.], [X.], 669 Rn.
19
[X.]
II). Im weiteren Beschwerdeverfahren musste einem gewissenhaften und kundigen Verfahrensbeteiligten danach klar sein, dass es auf die markenmäßige Verwendung als Voraussetzung einer Verkehrsdurch-setzung ankam. Das hat
die Antragstellerin auch erkannt und zu dieser Frage nach der Senatsentscheidung im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren vorge-tragen.

c) Vergeblich rügt die Rechtsbeschwerde, das [X.] habe die Beanstandungen der Antragstellerin zur Fragestellung des demoskopischen Gutachtens nicht erfasst und gewürdigt und dadurch ihren Anspruch auf Ge-währung rechtlichen Gehörs verletzt. Die Formulierung der Antwortmöglichkeit
"Die Bezeichnung '[X.]' im Zusammenhang mit der Beförderung von Briefen und Paketen ist für [X.] ein Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen" sei im Hinblick auf die notwendige Dienstleistungsbezogenheit der Marke ungeeignet. Die Formulierung stelle vielmehr eine Verbindung zum Unternehmen her, um die es bei der markenmäßigen Verwendung nicht gehe.
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10
-
6
-

Daraus folgt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin. Das [X.] hat ihren Vortrag zur Kenntnis genommen und in Er-wägung gezogen. Es ist nach der schriftlichen Stellungnahme vom 30.
April 2010 und der mündlichen Befragung der Gutachterin vom 7.
Juli 2010 zum [X.] vom Februar 2003 zu dem Ergebnis gelangt, dass die [X.] dieses Verkehrsgutachtens einen ausreichenden Bezug zu den Dienst-leistungen herstellte, für die die angegriffene Marke geschützt ist. Es hat dies daraus gefolgert, dass die interviewten Personen nicht abstrakt nach der Be-kanntheit des Unternehmens befragt worden sind, durch die Formulierung "im Zusammenhang mit der Beförderung von Briefen und Warensendungen" der notwendige Dienstleistungsbezug hergestellt worden ist und der [X.] im Zusammenhang mit einem Warenund Dienstleistungsangebot regelmäßig nicht in der Lage ist, zwischen einer ausschließlich firmenmäßigen und einer auch markenmäßigen Verwendung eines Zeichens zu unterscheiden. Diese Erwägungen lassen erkennen, dass das [X.] den Vor-trag der Antragstellerin berücksichtigt hat.

d) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das [X.] habe nicht auf der Grundlage des Verkehrsgutachtens von Februar 2003 eine Verkehrs-durchsetzung der Marke "[X.]" annehmen dürfen, greift ebenfalls nicht durch. Nachdem das [X.] aufgrund des Gutachtens von Februar 2003 in Verbindung mit der schriftlichen Stellungnahme der Gutachterin vom 30.
April 2010 und ihrer mündlichen Befragung vom 7.
Juli 2010 zu dem Ergebnis ge-langt war, dass die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung der Marke "[X.]" vorlagen, war es
zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Antragstelle-rin
nicht gehalten, ein weiteres Gutachten einzuholen.

Das [X.] hat das rechtliche Gehör der Antragstellerin auch nicht dadurch verletzt, dass es sie nicht vor der Beschwerdeentscheidung darauf hingewiesen hat, auf der Grundlage des Verkehrsgutachtens vom 11
12
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-
7
-
Februar
2003 eine Verkehrsdurchsetzung zu bejahen. Nach
dem schriftlichen Auskunftsverlangen des [X.] vom 27.
Januar 2010, der schriftlichen Stellungnahme der Gutachterin vom 30.
April 2010 und ihrer münd-lichen Befragung vom 7.
Juli 2010 musste die
Antragstellerin damit rechnen, dass das [X.] auf der Grundlage des Gutachtens vom Februar 2003 eine Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke bejahen würde.

[X.] [X.] beruht auf §
90 Abs.
2 Satz
1 [X.].

Bornkamm
Pokrant
Büscher

Schaffert
Koch
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 07.07.2010 -
26 W(pat) 25/06 -

14

Meta

I ZB 90/10

19.10.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2011, Az. I ZB 90/10 (REWIS RS 2011, 2218)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2218

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