Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.01.2015, Az. 10 CN 1/14

10. Senat | REWIS RS 2015, 16873

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Gegenstand

Höchstaltersgrenze für Prüfsachverständige für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden


Leitsatz

Die Gewährleistung der Bausicherheit dient im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG (juris: EGRL 78/2000) dem Erfordernis der öffentlichen Sicherheit. Sie ist ein legitimes Ziel, das für Prüfsachverständige für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden eine Ungleichbehandlung wegen des Alters durch Festsetzung einer generellen Höchstaltersgrenze von 70 Jahren rechtfertigen kann.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die für Prüfsachverständige nach der [X.] geltende Altersgrenze von 70 Jahren, mit deren Erreichen die Anerkennung als Prüfsachverständiger erlischt.

2

Der am 24. Oktober 1943 geborene Antragsteller wurde von der [X.] mit Bescheiden vom 19. Oktober 2011 als Prüfsachverständiger für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden in den drei Fachrichtungen Rauch- und Wärmeabzugsanlagen sowie maschinelle Anlagen zur Rauchfreihaltung von Rettungswegen, Lüftungsanlagen und CO-Warnanlagen anerkannt.

3

Die [X.] Verordnung über [X.] und Prüfsachverständige nach der [X.] ([X.]) sah in ihrer ursprünglichen Fassung vom 18. Dezember 2006 in § 7 Abs. 1 Nr. 2 vor, dass die Anerkennung als Prüfsachverständiger erlischt, wenn die prüfsachverständige Person das 68. Lebensjahr vollendet hat. Durch Art. 3 Nr. 6 Buchst. a Doppelbuchst. aa der Verordnung zur Änderung bauordnungsrechtlicher Rechtsvorschriften vom 24. November 2010 wurde diese Altersgrenze auf 70 Jahre heraufgesetzt. Die Geltungsdauer der Verordnung war ursprünglich bis zum 31. Dezember 2012 befristet (§ 45 Satz 2 [X.]); sie wurde durch Art. 6 Nr. 9 der am 27. November 2012 bekannt gemachten Verordnung zur Entfristung, Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften im Geschäftsbereich des [X.], Verkehr und Landesentwicklung vom 13. November 2012 bis zum 31. Dezember 2015 verlängert.

4

Der Antragsteller hat am 2. April 2013 beim Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag gegen die für Prüfsachverständige nach der [X.] geltende Altersgrenze von 70 Jahren eingereicht und beantragt, § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] für unwirksam zu erklären. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die Altersgrenze stelle eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar. Sie sei unverhältnismäßig, da mit regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sowie Prüfungen der Sach- und Fachkunde ein ebenso geeignetes, aber milderes Mittel zur Verfügung stehe, um den mit der Altersgrenze verfolgten Zweck zu erreichen.

5

Der Antragsgegner ist dem Normenkontrollantrag entgegengetreten und hat vorgetragen, der Antragsteller habe den Antrag nicht fristgerecht eingereicht. Die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung habe die Antragsfrist nicht erneut in Lauf gesetzt. Der Normenkontrollantrag sei zudem unbegründet.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mit Urteil vom 7. August 2013 abgelehnt. Der Antrag sei zwar zulässig, insbesondere sei die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt. Er sei jedoch unbegründet. Die Altersgrenze von 70 Jahren für Prüfsachverständige nach der [X.] verstoße weder gegen nationales Recht noch gegen Unionsrecht. Sie stelle zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dar. Die Benachteiligung sei jedoch durch den allgemeinen [X.] des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/[X.] gerechtfertigt. Die Altersgrenze gewährleiste die Sicherheit von Bauten, der am Bau Beteiligten, der Gebäudenutzer sowie der Allgemeinheit und verfolge damit Sicherheitszwecke als legitimen Belang. Sie sei auch verhältnismäßig. Die Altersgrenze sei geeignet, zur Bausicherheit beizutragen; sie schließe wirksam Risiken aus, die darauf beruhten, dass altersbedingt nicht mehr die volle Leistungsfähigkeit bestehe und deshalb Fehler bei der Prüftätigkeit unterliefen. Der Gesetzgeber habe eine starre Altersgrenze auch als erforderlich ansehen dürfen und generalisierend davon ausgehen können, dass mit zunehmendem Alter die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zunehme. Eine Prüfung der individuellen Leistungsfähigkeit in bestimmten zeitlichen Abständen (flexible Altersgrenze) sei hingegen kein gleich geeignetes Mittel.

7

Zur Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG könne nicht mit dem [X.] nach Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/[X.] gerechtfertigt werden. Der [X.] sei eng auszulegen. Eine Benachteiligung wegen des Alters lasse sich danach nur rechtfertigen, wenn sie notwendig sei. Daran fehle es, weil die individuelle Untersuchung der Leistungsfähigkeit ein ebenso geeignetes, aber milderes Mittel darstelle. Der damit verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand stehe einer flexiblen Altersgrenze nicht entgegen. Die angegriffene Regelung verstoße zudem gegen das Kohärenzgebot. Sie sei inkohärent, weil weder die Tätigkeit von [X.] aus anderen Ländern noch aus anderen Mitgliedstaaten der [X.] in [X.] an eine Altersgrenze geknüpft sei.

8

Der Antragsteller beantragt,

das Urteil des [X.]n Verwaltungsgerichtshofs vom 7. August 2013 zu ändern und festzustellen, dass § 7 Abs. 1 Nr. 2 der [X.]n Verordnung über [X.] und Prüfsachverständige nach der [X.] vom 18. Dezember 2006 (GVBl. [X.]) in der Fassung von Art. 3 der [X.]n Verordnung zur Änderung bauordnungsrechtlicher Vorschriften vom 24. November 2010 (GVBl. [X.]) unwirksam ist, soweit Prüfsachverständige für Anlagen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der [X.]n Verordnung über die Prüfung technischer Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden vom 18. Dezember 2006 (GVBl. [X.], 759) betroffen sind.

9

Der Antragsgegner beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil er nicht fristgerecht gestellt worden sei. Im Übrigen verteidigt er das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Die Tätigkeit des [X.] sei an die Stelle der früheren bauaufsichtlichen Prüfung getreten. Die Aufgaben des [X.] für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden erstrecke sich vornehmlich auf die Beurteilung sicherheitstechnisch bedeutsamer Anlagen und Einrichtungen in Sonderbauten, wie Hochhäuser, Verkaufsstätten, Krankenhäuser und Schulen. Dort hielten sich typischerweise besonders schutzbedürftige Personen auf. Die Festlegung der Altersgrenze diene der Gebäudesicherheit, dem Schutz von Leben und Gesundheit der Gebäudenutzer und der Allgemeinheit und betreffe damit wichtige Gemeinwohlbelange.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag zutreffend als zulässig (1.), aber unbegründet (2.) angesehen.

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag zu Recht für zulässig gehalten. Die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt. Danach ist ein Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Der Lauf der Antragsfrist beginnt zwar regelmäßig mit der erstmaligen Bekanntmachung der zur Prüfung gestellten Rechtsnorm. Wird das Regelwerk geändert, löst das den Fristenlauf für seine nicht geänderten Teile nicht erneut aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2004 - 8 CN 1.02 - BVerwGE 120, 82 <84>). Anderes gilt indes, wenn die unverändert gebliebene Rechtsnorm eine neue zusätzliche Beschwer enthält. Das kommt auch dann in Betracht, wenn die Belastungswirkung einer Vorschrift durch Verlängerung ihrer Geltungsdauer ausgeweitet wird. So liegt es hier.

Die zur Kontrolle gestellte Altersgrenze von 70 Jahren in § 7 Abs. 1 Nr. 2 der [X.] Verordnung über [X.] und [X.] nach der [X.] Bauordnung (Hessische [X.]n- und [X.]nverordnung - [X.]) vom 18. Dezember 2006 (GVBl. I S. 745) i.d.F. des Art. 3 der [X.] Verordnung zur Änderung bauordnungsrechtlicher Vorschriften vom 24. November 2010 (GVBl. [X.]) wurde zwar bereits am 10. Dezember 2010 bekannt gemacht. Ihre Geltungsdauer war jedoch gemäß § 45 Satz 2 [X.] bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Durch die Verlängerung der Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2015 durch Art. 6 Nr. 9 der Verordnung zur Entfristung, Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften im Geschäftsbereich des [X.], Verkehr und Landesentwicklung vom 13. November 2012 (GVBl. I S. 423) wurde die Belastungswirkung der Altersgrenze des § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auf einen Personenkreis erstreckt, der bis zu dieser Verlängerung noch nicht von der [X.] für [X.] betroffen war. Sie erfasst nunmehr auch diejenigen [X.]n, die in den Jahren 2013 bis 2015 das 70. Lebensjahr vollenden. Der Antragsteller, der im Oktober 2013 das 70. Lebensjahr vollendet hat, zählt zu diesem Personenkreis. Infolgedessen begann der Lauf der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erst mit der Bekanntmachung der Verordnung vom 13. November 2012, die am 27. November 2012 erfolgte. Der am 2. April 2013 eingereichte Normenkontrollantrag war mithin fristgerecht.

2. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Normenkontrollantrag sei unbegründet, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Urteil der Vorinstanz verletzt weder Bundesrecht noch das Recht der [X.]. Die in § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] festgelegte Altersgrenze stellt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ([X.]) vom 14. August 2006 ([X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2013 ([X.] I S. 610), dar. Sie ist jedoch durch den [X.] des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16) - im Folgenden [X.]/[X.] - gerechtfertigt.

a) [X.] ist auf [X.] für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden nach der [X.] Bauordnung anwendbar. Die in § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] festgelegte Altersgrenze stellt im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.] eine Bedingung für den Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit dar. [X.], das der Umsetzung der [X.]/[X.] dient, ist im Lichte dieser unionsrechtlichen Regelung auszulegen. Danach wird der Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit bereits dann beschränkt, wenn die Altersgrenze geeignet ist, die Nachfrage nach der vom Antragsteller angebotenen Dienstleistung tatsächlich zu beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 12; [X.], Urteil vom 12. Januar 2010 - [X.]. [X.]/08, [X.] - Slg. 2010, [X.] Rn. 33). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Tätigkeit des [X.]n für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden stellt eine selbstständige Erwerbstätigkeit dar. [X.] sind im Rahmen der ihnen obliegenden Pflichten unabhängig und an Weisungen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers nicht gebunden (§ 2 Abs. 2 Satz 2 [X.]); sie sind eigenverantwortlich und unabhängig tätig (§ 4 Satz 1 Nr. 3 [X.]). Ihre Aufgabe ist es, nach selbst durchgeführter Prüfung die Übereinstimmung der zu prüfenden technischen Anlagen und Einrichtungen mit den bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu bescheinigen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die Altersgrenze stellt eine Bedingung für den Zugang zu dieser Tätigkeit dar. Das Erlöschen der Anerkennung als [X.]r mit Vollendung des 70. Lebensjahres beendet die Möglichkeit des Antragstellers, die in der [X.] Bauordnung für [X.] für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden vorgesehenen Aufgaben wahrzunehmen.

b) In der Altersgrenze des § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Diese Benachteiligung ist nach § 6 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Halbs. 1 [X.] grundsätzlich unzulässig. Sie wird nicht durch § 8 Abs. 1 [X.] legitimiert, weil an die Tätigkeit des [X.]n keine Anforderungen gestellt sind, die für diese Tätigkeit nach ihrer Art wesentlich und entscheidend sind und die im Zusammenhang mit dem Lebensalter stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 19). Ebenso wenig vermag § 10 Satz 1 [X.] die Benachteiligung wegen des Alters zu rechtfertigen. Denn die angegriffene Regelung dient keinem sozialpolitischen Ziel, das die Ungleichbehandlung legitimieren könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 16).

c) Der Verwaltungsgerichtshof ist aber zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die in Rede stehende generelle [X.] für [X.] für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden in den vom Antragsteller ausgeübten Fachrichtungen durch den [X.] des Art. 2 Abs. 5 [X.]/[X.] gerechtfertigt ist. Hiernach berührt diese Richtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer [X.] Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Mit diesem [X.] wollte der Unionsgesetzgeber auf dem Gebiet von Beschäftigung und Beruf dem Entstehen eines Spannungsfeldes zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung zum einen und der notwendigen Gewährleistung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, der Verhütung von Rechtsverstößen sowie dem Schutz der individuellen Rechte und Freiheiten, die für das Funktionieren einer [X.] Gesellschaft unerlässlich sind, zum anderen vorbeugen und vermittelnd eingreifen ([X.], Urteil vom 13. September 2011 - [X.]. [X.]/09, [X.] - Slg. 2011, [X.] Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 23). Der [X.] ist eng auszulegen, weil er eine Abweichung vom Grundsatz des Diskriminierungsverbots begründet ([X.], Urteile vom 12. Januar 2010 - [X.]. [X.]/08, [X.] - Slg. 2010, [X.] Rn. 60 und vom 13. September 2011 - [X.]. [X.]/09, [X.] - Slg. 2011, [X.] Rn. 56; BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 23). Der Bundesgesetzgeber hat den [X.] zwar nicht ausdrücklich in das [X.] aufgenommen, auf ihn aber auch nicht bewusst verzichtet, so dass das Schweigen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anderweitigen Regelungen des innerstaatlichen Rechts außerhalb dieses Gesetzes nicht entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 24 f.).

aa) Die zur Kontrolle gestellte [X.] dient Sicherheitsbelangen im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der [X.]/[X.]. Zwar lässt sich weder dem Text der angegriffenen Regelung noch ihrer Begründung das mit der [X.] verfolgte Ziel hinreichend deutlich entnehmen. Der allgemeine Kontext der Regelung sowie das Vorbringen des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren ermöglichen jedoch die Feststellung des mit der Maßnahme verfolgten Zieles; darauf kann bei der Anwendung der Richtlinie zurückgegriffen werden (vgl. [X.], Urteile vom 12. Januar 2010 - [X.]. [X.]/08, [X.] - Slg. 2010, [X.] Rn. 40, vom 21. Juli 2011 - [X.]. [X.]/10 und [X.]/10, [X.] und [X.] - Slg. 2011; [X.] Rn. 39). Nach dem Vorbringen des Antragsgegners sowie dem bauordnungsrechtlichen Kontext der Regelung dient die generelle [X.] für [X.] für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden der Gebäudesicherheit, dem Schutz von Leben und Gesundheit der Gebäudenutzer und der Allgemeinheit (Bausicherheit). Mit der Einführung von [X.]n in das [X.] Bauordnungsrecht tritt deren privatrechtliche Tätigkeit in den ihnen zugewiesenen Bereichen an die Stelle der herkömmlichen Aufgabenerfüllung durch die Bauaufsichtsbehörde. Die Bausicherheit als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit ist ein legitimes Ziel im Sinne des [X.]s des Art. 2 Abs. 5 der [X.]/[X.].

bb) Die Altersgrenze für [X.] ist zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Art. 2 Abs. 5 [X.]/[X.] notwendig. Der vom Antragsteller angeregten Einholung einer Vorabentscheidung durch den [X.] zu der Frage, ob eine starre Altersgrenze als notwendige Maßnahme im Rahmen von Art. 2 Abs. 5 der [X.]/[X.] gelten könne, bedurfte es nicht. Die Vorlagepflicht eines letztinstanzlich entscheidenden nationalen Gerichts nach Art. 267 Abs. 3 AEUV greift nicht ein, wenn eine Auslegungsfrage des Unionsrechts nicht entscheidungserheblich ist, bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]. [X.]/81, [X.] - Slg. 1982, [X.] Rn. 21). Danach ist eine Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV hier nicht geboten. In der Rechtsprechung des [X.]s ist anerkannt, dass ein Mitgliedstaat unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Wertungsspielraums im Rahmen von Art. 2 Abs. 5 der [X.]/[X.] die Festlegung einer Altersgrenze für erforderlich halten darf (vgl. [X.], Urteil vom 12. Januar 2010 - [X.]. [X.]/08, [X.] - Slg. 2010, [X.] Rn. 52). Abgesehen davon betrifft die hier zu beurteilende Frage, ob die in § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] für [X.] festgelegte Altersgrenze eine notwendige Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der [X.]/[X.] darstellt, nicht die Auslegung des Unionsrechts, sondern seine Anwendung im konkreten Einzelfall.

Eine Maßnahme ist im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der [X.]/[X.] notwendig, wenn sie zur Verfolgung eines legitimen Zieles geeignet, erforderlich und angemessen ist und mit dem Kohärenzgebot in Einklang steht. Das ist hier der Fall. Die [X.] für [X.] ist geeignet, zur Bausicherheit beizutragen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgeführt hat, werden durch eine Altersgrenze wirksam Risiken ausgeschlossen, die darauf beruhen, dass einem bestimmten Personenkreis altersbedingt nicht mehr voll leistungsfähiger [X.]r Fehler bei der Ausübung der Prüftätigkeit unterlaufen. Die [X.] ist zur Förderung der Bausicherheit auch erforderlich. Die vom Antragsteller angeführte individuelle Überprüfung der Leistungsfähigkeit des jeweiligen [X.]n wäre zwar ein milderes Mittel, das dem individuellen Leistungsvermögen des Betroffenen Rechnung tragen könnte. Der Antragsteller weist auch zu Recht darauf hin, dass der mit einer Einzelfallprüfung verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nicht rechtfertigen könnte (BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 22). Die individuelle Überprüfung der Leistungsfähigkeit wäre allerdings nicht gleichermaßen wie eine [X.] geeignet, zur Bausicherheit beizutragen, weil sie zu spät käme. Eine altersbedingt nicht mehr ausreichende Leistungsfähigkeit würde erst festgestellt werden, wenn sie bereits eingeschränkt ist. Die Anerkennung als [X.]r bestünde fort, bis bei der nächsten Überprüfung etwaige Mängel offenbar würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 8 C 46.09 - BVerwGE 139, 1 Rn. 37). Die [X.] von 70 Jahren ist zur Verfolgung des Zieles der Bausicherheit schließlich auch nicht unangemessen. Die Bausicherheit dient dem Schutz wichtiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Normgeber diesem Schutzziel Vorrang vor dem Interesse an einer weiteren Tätigkeit von [X.]n jenseits der Altersgrenze eingeräumt hat. Die Altersgrenze von 70 Jahren ist ohnehin höher als die meisten für andere berufliche Tätigkeiten sonst geltenden Altersgrenzen. Sie liegt sogar höher als die Altersgrenze für [X.] in anderen Ländern sowie für Personen, die vergleichbare Aufgaben etwa in staatlichen Prüfbehörden wahrnehmen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers verstößt § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht gegen das Kohärenzgebot. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist eine Regelung nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu verwirklichen (vgl. [X.], Urteile vom 12. Januar 2010 - [X.]. [X.]/08, [X.] - Slg. 2010, [X.] Rn. 53, vom 21. Juli 2011 - [X.]. [X.]/10 und [X.]/10, [X.] und [X.] - Slg. 2011, [X.] Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 8 C 46.09 - BVerwGE 139, 1 Rn. 35). Die angegriffene Regelung genügt diesen Anforderungen. Das mit der [X.] verfolgte Ziel der Bausicherheit wird durch die in § 9 Abs. 2 und 3 [X.] getroffene Regelung nicht beeinträchtigt. Danach können Personen aus anderen Mitgliedstaaten der [X.] bei Gleichwertigkeit ihrer Berechtigung unter näher bezeichneten Voraussetzungen auch in [X.] als [X.] tätig sein, ohne dass die Hessische [X.]n- und [X.]nverordnung eine ausdrückliche Altersgrenze für diesen Personenkreis vorsieht. Es ist jedoch in der Rechtsprechung des [X.] Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auch diesem Personenkreis eine Tätigkeit als [X.]r nach Vollendung des 70. Lebensjahres verwehrt ([X.], Beschluss vom 26. Februar 2013 - 7 A 1644/12.Z - [X.] 2013, 251 Rn. 42). Ebenso wenig läuft § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] dem mit der [X.] verfolgten Ziel der Bausicherheit zuwider. Danach gelten Anerkennungen von natürlichen Personen in anderen Ländern auch in [X.]. Der Antragsgegner hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in keinem der anderen Länder, die bauaufsichtliche Aufgaben auf [X.] übertragen haben, eine höhere Altersgrenze als das 70. Lebensjahr vorgesehen ist; vielmehr erlischt die Anerkennung als [X.]r in allen anderen Ländern bereits mit der Vollendung des 68. Lebensjahres. Das gilt seit dem 1. Dezember 2014 auch im [X.], das die früher dort geltende [X.] von 70 Jahren ebenfalls auf 68 Jahre herabgesetzt hat (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über Prüfingenieure und [X.] vom 25. November 2014, GVBl. [X.] 476).

d) Die [X.] stellt keine unzulässige Beeinträchtigung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG dar. Sie findet ihre gesetzliche Grundlage in § 80 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 Nr. 8 der [X.] Bauordnung i.d.F. vom 18. Juni 2002 (GVBl. [X.]), geändert durch Gesetz vom 28. September 2005 (GVBl. [X.]). Der in der Altersgrenze liegende Eingriff in die Berufsfreiheit ist aus denselben Erwägungen gerechtfertigt, die die Ungleichbehandlung wegen des Alters im Rahmen von Art. 2 Abs. 5 der [X.]/[X.] legitimieren.

Die [X.] für [X.] verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung wegen des Alters ist aus den dargelegten Gründen sachlich gerechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass der Normgeber in zulässiger Weise das Ausmaß des jeweiligen Gefahrenpotenzials von älteren [X.]n gegenüber [X.]n, die die Altersgrenze noch nicht erreicht haben, generalisierend unterschiedlich bewerten durfte.

Das in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der [X.] ([X.]) verankerte Verbot der Altersdiskriminierung ist ebenfalls nicht verletzt. Es wird durch die [X.]/[X.] konkretisiert ([X.], Urteil vom 26. September 2013 - [X.]. [X.], [X.] 2013, 951 Rn. 31). Die Legitimierung der Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß Art. 21 Abs. 1 [X.] stellt deshalb keine anderen Anforderungen als diejenigen, die auch im Rahmen von Art. 2 Abs. 5 der [X.]/[X.] zu berücksichtigen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

10 CN 1/14

21.01.2015

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: CN

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 7. August 2013, Az: 7 C 897/13.N, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 Nr 1 AGG, § 3 Abs 1 S 1 AGG, § 6 Abs 3 AGG, § 7 Abs 1 Halbs 1 AGG, § 8 Abs 1 AGG, § 10 S 1 AGG, § 7 Abs 1 Nr 2 PPV HE, Art 2 Abs 5 EGRL 78/2000, § 47 Abs 2 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.01.2015, Az. 10 CN 1/14 (REWIS RS 2015, 16873)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16873

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