Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.06.2010, Az. 2 C 15/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 5520

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Gegenstand

Mangel des Disziplinarverfahrens; Beteiligung des Personalrats im behördlichen Verfahren ohne Zustimmung des Beamten; Wesentlichkeit des Mangels


Leitsatz

1. Äußert sich ein Beamter trotz Aufforderung nicht zu der Frage, ob er der Beteiligung der Personalvertretung an der Entscheidung über die Erhebung einer Disziplinarklage gegen ihn zustimmt, so ist nach der Rechtslage in Schleswig-Holstein eine ohne Zustimmung des Beamten durchgeführte Beteiligung rechtswidrig, soweit hierdurch über die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme hinaus schutzwürdige persönliche Interessen des Beamten berührt werden (§ 51 Abs. 5 Satz 1 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über die Mitbestimmung der Personalräte, MBG Schl.-H.). Der Dienstherr ist in einem solchen Fall darauf beschränkt, die Personalvertretung über die beabsichtigte Maßnahme zu unterrichten (§ 51 Abs. 5 Satz 2 MBG Schl.-H.).

2. Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des § 55 BDG, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann.

3. Ob die ohne die erforderliche Zustimmung des Beamten durchgeführte Beteiligung der Personalvertretung einen wesentlichen Mangel des Disziplinarverfahrens im Sinne des § 55 BDG darstellt, ist eine Frage des Einzelfalls.

Tatbestand

1

Der 1966 geborene Beklagte ist Beamter auf Lebenszeit und steht als Polizeiobermeister im Dienst des [X.]. Das [X.] verurteilte ihn durch Urteil vom 4. November 2004 wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen und sprach ihn von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zur Vornahme sexueller Handlungen an Kindern frei. Bei einer Durchsuchung seiner Privatwohnung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren waren Ausdrucke aus der polizeilichen [X.] und dem zentralen Verkehrsinformationssystem gefunden worden, die auf nicht dienstlich veranlasste Ermittlungen des Beklagten im privaten Umfeld seiner ehemaligen Lebensgefährtin zurückgingen; dieses Geschehen war in das Strafverfahren nicht einbezogen worden.

2

Das behördliche Disziplinarverfahren nahm folgenden Verlauf:

Das am 28. August 2003 wegen des Verdachts der Beleidigung, der Beleidigung auf sexueller Basis sowie des [X.] und [X.] kinder- und tierpornografischer Schriften eingeleitete Disziplinarverfahren wurde durch Verfügung vom 8. September 2003 für die Dauer des Strafverfahrens ausgesetzt. Der Leiter der [X.] forderte den Beklagten auf, innerhalb von drei Wochen mitzuteilen, ob er im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eine Mitbestimmung nach § 51 Abs. 5 Satz 1 [X.] Schl.-H. wünsche. Dieser wies in seiner Antwort darauf hin, er müsse sich vor einer Entscheidung mit seinem Rechtsanwalt beraten. Im Juni 2004 wurde das Disziplinarverfahren auf den Vorwurf ausgeweitet, dienstliche Datenbanken zu privaten Zwecken genutzt und die Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin unsittlich berührt und geküsst zu haben; zugleich wurde es erneut im Hinblick auf das laufende Strafverfahren ausgesetzt. Durch Schreiben vom 26. April 2004 bat die Polizeidirektion [X.] Süd den Beklagten nochmals um Mitteilung, ob er ein Mitbestimmungsverfahren wünsche. Der Beklagte äußerte sich hierzu nicht.

3

Das Disziplinarverfahren wurde nach Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils ab dem 4. Mai 2005 fortgeführt. Der Leiter der [X.] legte den Vorgang im Oktober 2005 dem [X.] vor, weil er seine Disziplinarbefugnis im Hinblick auf eine etwaige Entfernung aus dem Dienst nicht für ausreichend erachtete. Das [X.] wandte sich mit Schreiben vom 7. August 2006 an den [X.] und bat unter Vorlage der Disziplinar- und Personalakte um Zustimmung zur Erhebung der [X.]. In dem Schreiben hieß es, der Beamte habe bisher keine Erklärung zur Frage der Mitbestimmung abgegeben, sodass von der Zuständigkeit des Hauptpersonalrats auszugehen sei. Das Recht auf Einsicht in die Personalakte sei aber auf den Vorsitzenden des Hauptpersonalrats beschränkt.

4

Der Hauptpersonalrat stimmte am 18. August 2006 der Erhebung der [X.] nach Beteiligung des örtlichen Personalrats der Polizeidirektion [X.] ohne Begründung zu.

5

Der Kläger hat am 29. August 2006 [X.] wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften und der Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit erhoben. Der Beklagte hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, kinderpornografische Dateien besessen und unbefugt dienstliche Dateien für private Zwecke abgefragt zu haben. Außerdem hat er innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage als Verfahrensfehler den Umstand gerügt, dass er der Beteiligung des Personalrats nicht zugestimmt habe, dieser aber dennoch beteiligt worden sei.

6

Das Verwaltungsgericht hat die [X.] durch Urteil vom 21. Mai 2007 mit der Begründung abgewiesen, es stehe zwar fest, dass der Beklagte ein Dienstvergehen begangen habe, doch leide das Verfahren wegen der rechtswidrigen Beteiligung des Personalrats an einem schweren Verfahrensfehler. Auf die Berufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache mit folgender Begründung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen:

7

Es sei bereits zweifelhaft, ob ein Verfahrensfehler vorliege. § 51 Abs. 5 Satz 1 [X.] Schl.-H. sei restriktiv auszulegen. Der Beklagte habe auf die Anfragen des [X.] nicht reagiert und sich damit nicht auf schützenswerte Belange berufen; auch habe die Verhandlung vor dem Schöffengericht teilweise öffentlich stattgefunden. Deshalb habe der Kläger annehmen dürfen, dass die Einschaltung der Personalvertretung keinen unzumutbaren Eingriff in die Privat- und Intimsphäre des Beklagten darstelle. Selbst wenn ein Verfahrensfehler anzunehmen sei, könne der Beklagte sich darauf nach dem Grundsatz von [X.] und Glauben nicht berufen. Er habe die Anfragen des [X.] nicht beantwortet, obwohl er hierzu auf Grund seiner beamtenrechtlichen [X.]epflicht verpflichtet gewesen sei. Es stelle widersprüchliches Verhalten und damit eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn er nunmehr aus seinem Pflichtenverstoß rechtliche Folgerungen ableite. [X.] man dennoch einen Verfahrensfehler an, ändere dies im Hinblick auf den Rechtsgedanken der §§ 115 LVwG Schl.-H., 46 VwVfG am Ergebnis nichts. Denn wenn der Personalrat im Hinblick auf die fehlende Zustimmung des Beklagten nicht beteiligt worden wäre, wäre es dennoch - und erst recht - zur Erhebung der [X.] gekommen.

8

Der Beklagte rügt mit der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines wesentlichen Mangels des Disziplinarverfahrens verneint. Er beantragt,

das Urteil des [X.]ischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2008 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Mai 2007 zurückzuweisen,

hilfsweise,

auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

9

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Sache im Ergebnis zu Recht (§ 144 Abs. 4 VwGO) an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Disziplinarverfahren leidet zwar an einem Mangel (1.), doch ist dieser nicht wesentlich und hindert deshalb den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme nicht (2.). Da die hierfür erforderlichen Tatsachen im gerichtlichen Disziplinarverfahren bisher nicht festgestellt worden sind, ist der Hilfsantrag des [X.] abzuweisen und die Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden (3.).

1. Die Beteiligung des Personalrats im Rahmen der Entscheidung über die Erhebung der [X.] ohne Zustimmung des [X.] verstößt gegen § 51 Abs. 5 Satz 1 [X.] Schl.-H. und stellt einen Mangel des Disziplinarverfahrens dar.

Nach der gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, § 127 Nr. 2 BRRG in beamtenrechtlichen Streitigkeiten revisiblen (Urteil vom 1. Dezember 1982 - BVerwG 2 [X.] 59.81 - BVerwGE 66, 291 = [X.] 238.37 § 72 [X.] NW Nr. 7; Beschluss vom 15. Dezember 1995 - BVerwG 6 [X.] - [X.] 251.8 § 122 RhP[X.] Nr. 1) Vorschrift des § 51 Abs. 5 Satz 1 [X.] Schl.-H. ist die Mitbestimmung von der vorher einzuholenden Zustimmung der Betroffenen abhängig, soweit über die beabsichtigten Maßnahmen hinaus schutzwürdige persönliche Interessen von Beschäftigten berührt sind. Aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit dem Grundsatz der Allzuständigkeit der Personalvertretung (§ 51 Abs. 1 [X.] Schl.-H.) und ihrem Zweck einer möglichst umfassenden Mitbestimmung folgt, dass eine restriktive Auslegung der Norm geboten ist. Die Beteiligung des Personalrats im Rahmen der [X.] darf nur dann auf eine bloße Unterrichtung durch die Dienststelle (§ 51 Abs. 5 Satz 2 [X.] Schl.-H.) beschränkt werden, wenn der betroffene Beamte durch das Mitbestimmungsverfahren in seinen schutzwürdigen persönlichen Interessen stärker belastet würde, als dies durch die beabsichtigte Maßnahme selbst bewirkt wird. Der Umstand, dass persönliche Belange etwa durch die Offenlegung disziplinarisch relevanter Verhaltensweisen berührt werden, reicht daher für sich genommen auch dann nicht aus, wenn es sich um besonders gewichtige oder verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtspositionen - etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - handelt. Hinzukommen muss vielmehr, dass sich aus der Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens für den Beamten Belastungen ergeben, die über die durch das Disziplinarverfahren hervorgerufenen Belastungen hinausgehen. Wann dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Liegt ein Fall des § 51 Abs. 5 Satz 1 [X.] Schl.-H. vor, so ist dem eindeutigen Wortlaut der Norm allerdings zu entnehmen, dass es einer ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen bedarf, die vor der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens eingeholt werden muss. Der Dienstherr ist gehindert, aus dem Verhalten des Beamten oder den Umständen des Falles ein vermutetes Einverständnis abzuleiten; liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 5 Satz 1 [X.] Schl.-H. vor, darf das Mitbestimmungsverfahren ohne ausdrückliche Zustimmung nicht eingeleitet werden. Es besteht auch keine Pflicht des Beamten, sich zu der Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens zu äußern; beantwortet der Beamte eine entsprechende Anfrage nicht, so fehlt es an der Zustimmung und damit an einer nicht ersetzbaren Verfahrensvoraussetzung. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts verletzt revisibles Recht und wird dem Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Dies gilt auch für die Annahme des Berufungsgerichts, ein Beamter, der sich trotz entsprechender Aufforderung des Dienstherrn zur Frage der Zustimmung nicht geäußert hat, sei nach [X.] und Glauben gehindert, dem Dienstherrn das Fehlen der Zustimmung entgegenzuhalten.

Im vorliegenden Fall ist der Hauptpersonalrat im Rahmen einer auf zwei Vorwürfe - Besitz kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 4 n.F. StGB) und Missbrauch dienstlicher Datenbanken zu privaten Zwecken - beschränkten [X.] beteiligt worden. Durch die Überlassung der Personal- und Disziplinarakten sind dem Personalrat jedoch darüber hinaus die Ermittlungsergebnisse zum Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Kindesmissbrauch und zu dem weiteren Vorwurf des Kindesmissbrauchs (§ 176 StGB) zugänglich gemacht worden, obwohl der Beklagte hinsichtlich dieser Vorwürfe freigesprochen bzw. das Strafverfahren vor Anklageerhebung eingestellt worden war. Insbesondere waren in den Akten Abdrucke zahlreicher SMS-Nachrichten enthalten, die der Beklagte mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin gewechselt hatte und die sexuelle Fantasien zum Inhalt hatten. Sie bezogen sich ausschließlich auf Vorwürfe, die nicht Gegenstand der beabsichtigten [X.] waren. Durch die Übermittlung dieser über den Gegenstand der beabsichtigten Maßnahme hinausgehenden Informationen sind schutzwürdige persönliche Interessen des [X.] berührt worden, da er ein gewichtiges Interesse daran hatte, die Weitergabe seiner für die [X.] nicht relevanten intimen Fantasien zu verhindern. Unerheblich ist dabei, dass die Akteneinsicht auf den Vorsitzenden des Personalrats beschränkt worden ist und dass die Mitglieder des Personalrats zum Stillschweigen verpflichtet sind (§ 9 Abs. 1 [X.] Schl.-H.), da auch eine nur personalratsöffentliche Erörterung derart intimer Informationen ohne Bezug zum Disziplinarverfahren bereits eine schwere Beeinträchtigung schutzwürdiger persönlicher Interessen des Beamten darstellt.

Die Verletzung des § 51 Abs. 5 Satz 1 [X.] Schl.-H. stellt einen Mangel des Disziplinarverfahrens dar, denn es handelt sich um die Verletzung von Verfahrensregeln, die im behördlichen Verfahren von Bedeutung sind (vgl. Beschluss vom 18. November 2008 - BVerwG 2 [X.] - [X.] 235.1 § 17 [X.] Nr. 1) und Rechte des Beamten nicht nur im Mitbestimmungs-, sondern auch im Disziplinarverfahren berühren (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 [X.] 12.04 - BVerwGE 124, 252 <254> = [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 1).

2. Der in der Beteiligung des Personalrats ohne die erforderliche Zustimmung liegende Mangel des Disziplinarverfahrens ist unter den hier gegebenen Umständen jedoch als unwesentlich einzustufen und hindert deshalb den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme nicht.

Nach § 41 Abs. 1 [X.] Schl.-H., § 55 Abs. 3 Satz 3 [X.] können wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens, die der Beamte rechtzeitig gerügt (Abs. 1) und deren Beseitigung der Dienstherr trotz Aufforderung nach § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] versäumt hat, zu einer Einstellung des Verfahrens mit der Folge führen, dass die Disziplinargewalt hinsichtlich der betroffenen Vorwürfe verbraucht ist. Führt das Gericht das Mängelbeseitigungsverfahren des § 55 Abs. 3 [X.] nicht ordnungsgemäß durch, liegt darin ein Fehler des gerichtlichen Verfahrens (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - [X.] 235.1 § 55 [X.] Nr. 2), der im Revisionsverfahren zu einer Zurückverweisung an das [X.] führen kann.

Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des § 55 [X.], wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 49 zur Abgrenzung wesentlicher Mängel von der Verletzung "bloßer Ordnungsbestimmungen"). Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 55 Abs. 3 Satz 3 [X.], bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert haben könnten; der vom Berufungsgericht herangezogene Rechtsgedanke der §§ 115 LVwG, 46 VwVfG tritt hinter § 41 Abs. 1 [X.] Schl.-H., § 55 [X.] zurück. Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Bei Mängeln im Zusammenhang mit der Mitwirkung der Personalvertretung sind daher alle konkreten Umstände des Mitbestimmungsverfahrens zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall hat die Personalvertretung im Rahmen der Entscheidung über die Erhebung der [X.] rechtswidrig mitgewirkt und der Klageerhebung zugestimmt. Sie hat diese Entscheidung allerdings nicht begründet, sondern sich auf eine bloße Zustimmung beschränkt. Es kann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die beabsichtigte Maßnahme anders ausgefallen wäre, hätte es die rechtswidrige Beteiligung des [X.] nicht gegeben. Denn nach dem maßgeblichen Landesrecht ist die Erhebung der [X.] in der vorliegenden Konstellation nach bloßer Information der Personalvertretung zulässig, sodass auch bei rechtmäßigem Verhalten des Dienstherrn eine [X.] hätte erhoben werden können. Auch lässt sich den vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Umständen entnehmen, dass die inhaltsleere Äußerung des [X.] die Entscheidungsfindung des Dienstherrn nicht beeinflusst hat. Ob bzw. unter welchen Umständen ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt, wenn eine rechtswidrige Personalratsbeteiligung zu einer begründeten Stellungnahme geführt hat oder wenn im umgekehrten Falle die Mitbestimmung rechtswidrig unterblieben ist, muss der Senat aus Anlass des vorliegenden Falles nicht entscheiden.

3. Die rechtswidrige Beteiligung des [X.] steht als unwesentlicher Mangel des Disziplinarverfahrens der Prüfung und ggf. disziplinarischen Ahndung des dem [X.] vorgeworfenen Dienstvergehens nicht entgegen. Zu diesem Zweck hat das Berufungsgericht das Verfahren zu Recht an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der auf eine Entscheidung in der Sache durch den Senat zielende, im Revisionsverfahren gestellte Hilfsantrag des [X.] bleibt erfolglos.

Der Senat ist an einer abschließenden eigenen Entscheidung über die [X.] gehindert, weil die nach § 13 [X.] Sch.-H. maßgeblichen Umstände noch aufgeklärt werden müssen (Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 [X.] 59.07 - [X.] 235.1 § 70 [X.] Nr. 3). Zwar hat der Beklagte den Besitz kinderpornografischer Schriften bzw. Dateien und die unberechtigte Nutzung dienstlicher Datenbanken eingeräumt. Nach § 13 [X.] Sch.-H. bedarf es indes der Ermittlung weiterer tatsächlicher Umstände, damit eine Entscheidung über die gegen den [X.] erhobene [X.] getroffen werden kann. Wenn das Dienstvergehen festgestellt und nach seiner Schwere einer Disziplinarmaßnahme zugeordnet ist, müssen zusätzlich alle relevanten be- und entlastenden Umstände ermittelt und gewichtet sowie in einem dritten Schritt in Relation zur Schwere des Dienstvergehens bewertet werden (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.], vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 83.08 - juris). In diesem Zusammenhang ist auch die Frage von Bedeutung, ob sich aus der rechtswidrigen Beteiligung der Personalvertretung trotz der ihre Mitglieder treffenden Verschwiegenheitspflicht (§ 9 [X.] Schl.-H.) Beeinträchtigungen des [X.] ergeben haben, die das Maß der disziplinarischen Ahndung beeinflussen könnten. An einer Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht war das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung des das Disziplinarverfahren beherrschenden Beschleunigungsgrundsatzes nicht gehindert; ein entsprechender Vorschlag (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 51, zu § 66 Abs. 2 des Entwurfs) hat sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt (a.a.[X.] S. 62; [X.] 467/1/00 S. 11).

Meta

2 C 15/09

24.06.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 16. Mai 2008, Az: 14 LB 4/07, Urteil

§ 51 Abs 5 MitbestG SH, § 55 BDG, § 41 Abs 1 DG SH 2003

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.06.2010, Az. 2 C 15/09 (REWIS RS 2010, 5520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5520

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17 A 11/17 (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht)


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16a D 14.121

16a D 13.1904

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