Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2012, Az. II ZR 198/11

II. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 257

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II [X.]/11
Verkündet am:

18. Dezember 2012

Stoll

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 39a, 39c
Ein [X.] nach § 39a Abs. 1 Satz 1 [X.]

und damit ein [X.] nach § 39c [X.]

besteht nur dann, wenn dem Bieter bei Ablauf der (weite-ren) Annahmefrist nach § 16 [X.] Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von [X.] 95
% des stimmberechtigten Grundkapitals gehören oder die Voraussetzungen des §
39a Abs. 4 Satz 2 [X.] erfüllt sind.
[X.], Urteil vom 18. Dezember 2012 -
II [X.]/11 -
KG

[X.]

-
2
-
Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.
Dezember 2012 durch den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
[X.], den Richter
Dr.
[X.], die Richterinnen Caliebe
und
Dr.
Reichart
sowie den Richter Sunder
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammerge-richts vom 11. August 2011 wird auf Kosten des [X.] zurück-gewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger ist Aktionär der Landesbank B.

H.

AG
(im Folgen-
den: [X.]). Er macht gegen die Beklagte ein Recht zur Annahme eines Über-nahmeangebots nach § 39c [X.] (im Folgenden: Andienungsrecht) geltend.
Das Land B.

forderte im Januar 2007 öffentlich zur Abgabe einer Inte-
ressenbekundung am Kauf
des vom Land gehaltenen 80,95
%-Aktienanteils an der [X.] auf. Im Vorgriff darauf war am 21.
Dezember 2006 die beklagte Kommanditgesellschaft gegründet worden, um an diesem Verfahren als Bieterin teilnehmen zu können. Die Beklagte wurde am 27.
Februar 2007 in das [X.] eingetragen. Ihre persönlich haftende Gesellschafterin ist die R.

mbH, die am Kapital nicht beteiligt, aber allein stimm-1
2
-
3
-
berechtigt ist. Einziger Kommanditist ist der D.

S.

G.

Körperschaft des öffentlichen Rechts (im Folgenden: [X.]). Der [X.] hält zugleich 4
% der Anteile an der R.

mbH.

Die übrigen Anteile werden von regionalen Sparkassen-
und Giroverbänden und der H.

Sparkasse Beteiligungsgesellschaft mbH ge-
halten. Mitglieder des [X.] sind sämtliche regionalen Sparkassen

und Giro-verbände.
Am 31.
Mai 2007 erwarb der [X.] von der D.

Giro-
zentrale

Anstalt des öffentlichen Rechts (im Folgenden: D.

) einen 10
%igen Anteil an der [X.], den die D.

seit dem 15. Oktober 2006 treuhänderisch für den [X.] gehalten hatte.
Am 1.
Juni 2007 legte die Beklagte ein verbindliches Angebot zum Er-werb des Anteils des Landes
B.

an der [X.] vor.
Am 14.
Juni 2007 erwarb die D.

Bank weitere 0,63
% der Anteile an der [X.] treuhänderisch für den [X.].
Das Land B.

verkaufte seinen Aktienanteil an der [X.] am 15.
Juni 2007 an die Beklagte. Die Aktien wurden mit dinglicher Wirkung zum 8. August 2007 auf die Beklagte übertragen.
Diese hatte zuvor

am 1.
August 2007

ein (freiwilliges) [X.] nach § 29 Abs. 1, § 35 Abs. 3 [X.] zum Erwerb der restlichen [X.]-Anteile für 6,81

nnahmefrist lief bis zum 10.
Oktober 2007 und verlängerte sich gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 [X.] bis zum 1.
November 2007 (weitere Annahmefrist). Bei Ablauf der Annahmefrist hielt die Beklagte 87,2
% der [X.]-Aktien, nach Ablauf der weiteren [X.] 88,01
%.
3
4
5
6
7
-
4
-
Mit Wirkung zum 1.
Januar 2008 übertrug der [X.] seinen 10,63
%igen Anteil an der [X.] auf die "Beteiligungsgesellschaft der S-.

mbH

& Co. KG", eine Tochtergesellschaft der [X.], so dass diese (unmittelbar oder mittelbar) insgesamt 98,64
% der Anteile hielt.
Mit Schreiben vom 2.
Januar 2008 diente der Kläger der [X.] die von ihm gehaltenen 643.318
Stückaktien der [X.] für 6,81

Bezug auf 7.343
Aktien macht er das Andienungsrecht mit seiner im Urkunds-verfahren erhobenen Klage geltend. Er hat demgemäß beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 50.005,83

7.343
Stückaktien der [X.] zu zahlen.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.], [X.], 884), das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel wei-ter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klage ist zu Recht abgewiesen [X.].
[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Zu dem für das Andienungsrecht aus §§ 39c, 39a [X.] maßgebenden [X.]punkt hätten der [X.] nur 88,01 % der [X.]-Aktien gehört. Damit sei die gesetzliche Schwelle von 95 % nicht erreicht.

8
9
10
11
12
13
-
5
-
Die vom [X.] gehaltenen 10 % der Aktien seien der [X.] nicht zurechenbar. Der [X.] sei kein von der [X.] abhängiges Unternehmen im Sinne des § 16 Abs. 2 und 4 [X.]. Ein [X.] im Sinne des § 30 Abs. 2 [X.] sei im Rahmen der §§ 39c, 39a [X.] bedeutungslos. Auch ha-be der [X.] die Aktien nicht treuhänderisch für die Beklagte gehalten. Bei dem Erwerb der Aktien des 10 %-Anteils durch die D.

sei die Beklagte noch nicht gegründet gewesen, und für eine spätere [X.] sei nichts er-sichtlich.
Der Erwerb des 10,63 %igen Aktienpakets zum 1. Januar 2008, aufgrund dessen der [X.] mehr als 95 % der [X.]-Aktien gehörten, sei ebenfalls bedeutungslos. Denn ein Aktienerwerb nach Ablauf der Annahmefrist und ge-gebenenfalls der weiteren Annahmefrist könne nur dann einen übernahme-rechtlichen [X.] out nach § 39a [X.] und damit ein Andienungsrecht nach § 39c [X.] begründen, wenn er in einem engen zeitlichen Zusammen-hang mit dem Übernahme-
oder Pflichtangebot
erfolge. Das sei bei dem hier verstrichenen [X.]raum von gut 11 Wochen nach dem Ende der ursprünglichen Annahmefrist bzw. gut 8 Wochen nach dem Ablauf der weiteren Annahmefrist nicht der Fall.
I[X.] Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Der Kläger hatte jedenfalls nach Ablauf der erweiterten [X.] am 1.
November 2007 kein Andienungsrecht mehr.
1. Nach § 39c Satz 1 [X.] können Aktionäre einer Zielgesellschaft, die ein Übernahme-
oder Pflichtangebot nicht angenommen haben, das Angebot noch innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist annehmen, so-fern dem Bieter Aktien in Höhe von mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals der Zielgesellschaft gehören und er deshalb berechtigt ist, einen 14
15
16
17
-
6
-
Antrag auf Übernahme der übrigen stimmberechtigten Aktien der [X.] nach § 39a [X.] zu stellen. Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift [X.] darin, dem Aktionär ein Ausscheiden aus der Gesellschaft

bei angemes-sener Entschädigung

zu ermöglichen, wenn der Bieter eine Stimmrechts-mehrheit von mindestens 95 % erreicht hat, aber von seinem daraus folgenden [X.] nach § 39a [X.] keinen Gebrauch macht ([X.] in Kölner Komm[X.], 2. Aufl., § 39c Rn. 4 ff.). Das Andienungsrecht richtet sich mithin nach dem [X.] aus § 39a [X.]. Nur wenn der Bieter (noch)
ein [X.] hat, kann auch der einzelne Aktionär ein Andie-nungsrecht haben. Im vorliegenden Fall war die Beklagte auch nach Ablauf der gemäß § 16 Abs. 2 [X.] verlängerten Annahmefrist nicht berechtigt, nach §
39a [X.] die Übernahme der verbliebenen [X.]-Aktien zu verlangen. Denn ihr standen zu diesem [X.]punkt lediglich 88,01 % der Aktien zu.
1. Die zu einem [X.] nach § 39a Abs. 1 Satz 1 [X.] füh-rende mindestens 95 %ige Beteiligung

oder die Voraussetzungen des § 39a Abs. 4 Satz 2 [X.], nach dem unter bestimmten Voraussetzungen auch der Abschluss lediglich eines Verpflichtungsgeschäfts genügt

muss allerdings nicht durch Erwerbe aufgrund des Übernahme-
oder [X.] erreicht werden. Es kommen etwa auch Paketerwerbe oder andersartige Zukäufe in Betracht. Diese Erwerbe müssen aber jedenfalls noch innerhalb der weiteren Annahmefrist stattfinden. Ob sie darüber hinaus sogar innerhalb der (ursprüng-lichen) Annahmefrist erfolgen müssen, kann im vorliegenden Fall offen bleiben, da schon die weitere Annahmefrist nicht gewahrt ist.
a) Im Schrifttum ist umstritten, ob die erforderliche Mindestzahl von 95 % der Anteile nur durch Erwerbe während der (weiteren) Annahmefrist erreicht werden kann (so [X.] in [X.]/[X.], Wertpapiererwerbs-
und übernahmegesetz, 2. Aufl., § 39a Rn. 2, 8; [X.], Der übernahmerechtliche 18
19
-
7
-
[X.], 2007, S. 106; s. auch [X.], [X.], 1135, 1142; [X.]/[X.], AG 2006, 301, 318). Die Gegenmeinung lässt auch Erwerbe im engen zeitli-chen Zusammenhang mit dem Ablauf der Frist genügen, wobei teilweise vier Wochen (so [X.], [X.] 2007, 721, 722), teilweise sechs Wochen (so
Kießling, Der übernahmerechtliche [X.] gemäß §§ 39a, 39b
[X.], 2008, [X.]) als unschädlich angesehen werden (ohne feste Grenze
Johannsen-Roth/Illert, [X.], 2157, 2159; Santelmann in [X.]/Häger, [X.], 2. Aufl., § 39a Rn. 15; [X.]/[X.] in [X.], Aktiengesetz und [X.], 3. Aufl., 2011,
[X.] § 39a Rn. 19). Schließlich wird angenom-men, das [X.] bestehe auch dann, wenn die 95 %-Schwelle inner-halb der dreimonatigen Antragsfrist nach Ablauf der Annahmefrist (§ 39a Abs. 4 Satz 1 [X.]) erreicht sei ([X.], [X.], 1602, 1605, Rechtsbeschwerde anhängig unter [X.]; [X.], [X.], 765, 766; [X.], [X.], 384, 387; Nagel, AG 2009, 395 ff.; [X.], [X.], 523, 524; [X.]/[X.] in Schwark[X.], [X.], 4. Aufl., [X.] § 39a Rn. 9; [X.] in Kölner Komm[X.], 2. Aufl., § 39a Rn. 45; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.] Kommentar zum [X.], 3. Aufl., § 39a Rn. 17; [X.]/Sustmann in Baums/Thoma, [X.], Stand 10/10, § 39a Rn. 18, [X.]/[X.] in Bürgers/Körber, [X.], 2. Aufl., [X.]. §
327a/§§ 39a39c [X.] Rn. 7; für Erwerbe bis zur gerichtlichen Entschei-dung wohl MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., [X.] § 39a Rn. 20, 22).
b) Zutreffend ist die Ansicht, nach der Erwerbe allenfalls bis zum Ablauf der erweiterten Annahmefrist zu berücksichtigen sind.
[X.]) Der Wortlaut des § 39a Abs. 1 Satz 1 [X.] ist für die Streitfrage unergiebig. Danach sind dem Bieter, dem mindestens 95 % der stimmberech-tigten Aktien der Zielgesellschaft gehören, "nach einem Übernahme-
oder Pflichtangebot" die übrigen stimmberechtigten Aktien zu übertragen. Das lässt 20
21
-
8
-
offen, ob nur [X.] innerhalb der durch das Übernahme-
oder Pflichtangebot ausgelösten (weiteren) Annahmefrist oder auch solche zu einem

sogar beliebigen

späteren [X.]punkt
berücksichtigt werden müssen.
[X.]) Unter systematischen Gesichtspunkten erscheint es zumindest nahe-liegend, [X.] nach Ablauf der (weiteren) Annahmefrist nicht zu berücksichtigen. Denn das stände im Widerspruch zum Andienungsrecht nach § 39c [X.].
Die Frist für die Ausübung des [X.] läuft vom Ende der [X.] an und nicht

wie es bei anderer Auslegung nahe gelegen hätte

von dem Erreichen der für das Übernahmeverlangen erforderlichen Beteili-gungshöhe. Die Fristverlängerung in § 39c Satz 2 [X.] betrifft nur den Fall, dass der Bieter seine Pflicht nicht erfüllt, gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 [X.] das Erreichen der 95 %igen Beteiligungshöhe unverzüglich zu veröf-fentlichen und der [X.] ([X.]) zu melden. Den Minderheitsaktionären wird im Wertpapiererwerbs-
und Übernah-megesetz durchweg die Möglichkeit eingeräumt, von ihren Rechten nach sorg-fältiger Überlegung Gebrauch zu machen. Das wäre nicht gewährleistet, wenn ein Aktienerwerb nach Ablauf der (weiteren) Annahmefrist das Andienungsrecht begründen könnte. Denn dann hätte der Aktionär keine Überlegungsfrist von drei Monaten, wie sie ihm durch § 39c [X.] an sich eingeräumt wird. Die Überlegungsfrist würde sogar ganz entfallen, wenn der Bieter die für das Über-nahmeverlangen erforderliche Beteiligungshöhe erst am Ende der Antragsfrist
des §
39a Abs.
4 Satz
1 [X.]
erreicht.
[X.]) Auch der Sinn und Zweck des § 39a [X.] spricht
gegen die Einbe-ziehung von Erwerben innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der (weiteren) Annahmefrist. Mit § 39a [X.] soll dem Bieter eine einfache Möglichkeit gege-22
23
24
-
9
-
ben werden, nach einem insoweit erfolgreichen Übernahme-
oder [X.] die verbliebenen Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft ausschließen zu lassen und dabei in den Genuss der Angemessenheitsvermutung des § 39a Abs. 3 Satz 3 [X.] für die Entschädigung der Aktionäre zu kommen
([X.] in Kölner Komm[X.], 2. Aufl., § 39a Rn. 8). Danach ist die im Rahmen des Übernahme-
oder [X.] gewährte Gegenleistung als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter aufgrund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen [X.] erworben hat.
Hat der Bieter bei Ablauf der Fristen des § 16 [X.] die erforderliche Mehrheit von 95 % der Aktien nicht erlangt, war das Übernahme-
oder Pflicht-angebot in Bezug auf die Möglichkeit, Minderheitsaktionäre in dem vereinfach-ten Verfahren des Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetzes ausschließen zu lassen, nicht erfolgreich. Es besteht deshalb kein Anlass, dem Bieter nun noch die Möglichkeit zu geben, das [X.] zu verlängern, indem er Aktien [X.]. Mit zunehmendem [X.]ablauf verliert zudem die Angemes-senheitsvermutung an Überzeugungskraft. [X.] der Bieter nach einem verspäte-ten Erwerb von Aktien die Minderheitsaktionäre ausschließen, bleibt ihm die Möglichkeit, das nach §§ 327a ff. [X.] zu tun.
dd) Aus dem Sinn und Zweck des [X.] nach § 39c [X.] ergibt sich nichts gegen diese Auslegung. Durch die Bezugnahme auf § 39a [X.] ist das Andienungsrecht an das [X.] gekoppelt. Es geht also nicht weiter als das [X.]. Dass Aktionäre danach gegen einen nachträglichen Aufbau einer 95 %igen Mehrheit nicht mehr den Schutz des Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetzes genießen, ist hinzunehmen. Auch außerhalb von öffentlichen Angeboten kommt es vor, dass sich Aktionäre einer im Laufe der [X.] entstandenen 95 %igen Mehrheitsbeteiligung gegenüber se-25
26
-
10
-
hen, ohne dass sie deshalb ein Andienungsrecht hätten. Ihre Interessen werden durch die konzernrechtlichen Regeln der §§ 291 ff., 311 ff., 319 ff. [X.] hinrei-chend geschützt.
ee) Dieser Auslegung stehen auch die Gesetzesmaterialien nicht entge-gen. In der Begründung des [X.] eines Gesetzes zur [X.] und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 17. März 2006 (BT-Drucks. 16/1003, [X.]) heißt es:
Unerheblich ist, auf welche Weise der Bieter die erforderlichen Mehrheiten erreicht. Sie müssen nicht auf der Annahme des [X.] beruhen. So kann der Bieter die für den Ausschluss erfor-derlichen Schwellenwerte auch durch Transaktionen mit einzelnen Aktionären, z.B. durch Paketerwerbe, außerhalb des formellen Angebotsverfahrens erreicht haben, sofern die Transaktionen in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Angebot stehen.
Hätte der Gesetzgeber mit dem engen zeitlichen Zusammenhang die Drei-Monats-Frist des § 39a Abs. 4 Satz 1 [X.] gemeint, hätte es nahe gele-gen, das auch so auszudrücken und nicht einen unbestimmten Begriff zu ge-brauchen. Dieser Begriff deutet eher darauf hin, dass nur ein kürzerer als der Drei-Monats-[X.]raum gemeint ist. Dann aber spricht nichts gegen ein Abstellen allein auf die (weitere) Annahmefrist. Denn dadurch wird die Rechtsunsicherheit vermieden, die entstehen würde, wenn der "enge zeitliche Zusammenhang" auch dann noch angenommen würde, wenn die (weitere) Annahmefrist schon abgelaufen ist.
ee) Auch die Übernahmerichtlinie, deren Umsetzung §§ 39a, 39c [X.] dienen, spricht nicht gegen die Annahme, für das [X.] aus § 39a [X.] komme es nur auf [X.] innerhalb der (weiteren) [X.] an. In Erwägungsgrund 24 der Richtlinie heißt es:
27
28
29
-
11
-
Die Mitgliedst[X.]ten sollten die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um einem Bieter, der im Zuge eines Übernahmeangebots einen bestimmten Prozentsatz
des stimmberechtigten Kapitals einer [X.] erworben hat, die Möglichkeit zu geben, die Inhaber der übrigen Wertpapiere zum Verkauf ihrer Wertpapiere zu verpflich--

m-ten Bedingungen im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten

In Art. 15 der Übernahmerichtlinie heißt es:
(2)
Die Mitgliedst[X.]ten stellen sicher, dass ein Bieter von allen verbleibenden Wertpapierinhabern
verlangen kann, dass sie ihm ihre Wertpapiere zu einem angemessenen Preis verkau-

(3)
Die Mitgliedst[X.]ten stellen sicher, dass Vorschriften in [X.] sind, nach denen sich berechnen lässt, wann der [X.] erreicht ist.
Daraus lässt sich lediglich entnehmen, dass ein zeitlicher Zusammen-hang mit dem Übernahmeangebot bestehen muss und aus den Vorschriften möglichst klar hervorgehen muss, wann die Voraussetzungen für eine Über-nahme der restlichen Aktien erfüllt sind. Im Übrigen kann dieser [X.]punkt nach nationalem Recht ohne Vorgabe durch die Richtlinie bestimmt werden. Eine Vorlage an den [X.] nach Art. 267 AEUV ist somit nicht geboten.
2. Die Beklagte hielt bei Ablauf der weiteren Annahmefrist lediglich 88,01
% der [X.]-Aktien und damit weniger als die für ein [X.] nach §
39a [X.] erforderlichen 95 %. Das Berufungsgericht hat ohne Rechts-fehler angenommen, dass jedenfalls der 10 %ige Aktienanteil, der dem [X.] bzw. der für ihn als Treuhänderin tätigen D.

zustand und der erst mit [X.] zum 1. Januar 2008 auf eine Tochtergesellschaft der [X.] übertra-gen wurde, der [X.] vor dieser Übertragung nicht zugerechnet
werden 30
31
32
-
12
-
konnte. Ob der weitere Aktienanteil in Höhe von 0,63 % zugerechnet werden konnte, spielt für die Entscheidung keine Rolle und kann daher offenbleiben.
Nach § 39a Abs. 2 [X.] gilt für die Feststellung der nach Abs. 1 erfor-derlichen Beteiligungshöhe § 16 Abs. 2 und 4 [X.] entsprechend. Danach [X.] als Anteile des Unternehmens auch diejenigen Anteile, die einem von ihm abhängigen Unternehmen gehören oder die ein Unternehmen für Rechnung des betreffenden oder des von diesem abhängigen Unternehmens hält. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bezüg-lich des [X.] nicht erfüllt.
Abhängig von der [X.] wäre der [X.] nach der Legaldefinition des § 17 Abs. 1 [X.] nur, wenn die Beklagte insoweit einen beherrschenden
Einfluss ausüben könnte. Dafür ist nichts ersichtlich. Die Beklagte ist an dem [X.] nicht beteiligt. Auch die Revision zieht das nicht in Zweifel.
Sie meint aber, aus den [X.] lasse sich nur der Schluss ziehen, dass der [X.] den 10 %igen Aktienanteil treuhänderisch oder im Wege eines sog. Durchstellgeschäfts (vgl. dazu MünchKomm[X.]/[X.], 3.
Aufl., § 16 Rn. 47) für die Beklagte gehalten habe; dafür sprächen die Mittei-lung des [X.] in der [X.] vom 19. Oktober 2007, dass die [X.] bei der Übernahme der [X.] die [X.] out-Schwelle von 95 % überschritten habe und nun 97,82 % der [X.]-Aktien besitze, die

spätere

Übertragung auf die Tochtergesellschaft der [X.], der [X.], dass der [X.] dabei das günstige Übernahmeangebot der [X.] Stück veräußert habe, und schließlich die eigene Hervorhebung eines abge-stimmten Verhaltens durch die Beklagte.

33
34
35
-
13
-
Die Würdigung, ob aus
diesen Umständen auf eine [X.] oder
ein Durchstellgeschäft geschlossen werden kann, obliegt dem Tatrichter. [X.] ist seine Würdigung lediglich darauf zu überprüfen, ob er alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Auslegungsregeln, [X.] oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Derartige Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
Dass der Erwerb der [X.]-Anteile in der [X.] langfristig geplant und die Beklagte in Verfolgung dieses Plans als Erwerbsve-hikel gegründet worden ist, lässt noch nicht den Schluss zu, dass sie auch von Anfang an die Kosten und das wirtschaftliche Risiko aller diesbezüglichen Transaktionen tragen sollte, wie es für eine [X.]

auch in der Form eines Durchstellgeschäfts

typisch ist. Wirtschaftlich hatte die Finanzgruppe durch die [X.] ihr vorrangiges Ziel erreicht, eine Übernahme der [X.]-Anteile durch andere Bewerber zu verhindern. Der [X.] und die [X.] hatten dazu ihr Verhalten abgestimmt ([X.]). Damit waren sie gemeinsam handelnde Personen im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs.
5 [X.]. Eine [X.] war dafür nicht erforderlich.
Anders als bei der Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs.
2 [X.] im Rahmen der Feststellung, ob ein Bieter die Kontrolle über das Zielun-ternehmen im Sinne des § 29 Abs. 2 [X.] erlangt hat, reicht ein abgestimm-tes Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 5 [X.] nicht aus, um im Rahmen des
36
37
38
-
14
-
§
39a [X.] Anteile zurechnen zu können. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 39a Abs. 2 [X.] und wird von der Revision nicht in Frage ge-stellt.

[X.]

[X.]

Caliebe

Reichart

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.12.2008 -
93 [X.]/08 -

KG, Entscheidung vom 11.08.2011 -
2 U 3/09 -

Meta

II ZR 198/11

18.12.2012

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2012, Az. II ZR 198/11 (REWIS RS 2012, 257)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 257

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II ZR 198/11 (Bundesgerichtshof)

Aktiengesellschaft: Frist für die Ausübung des Aktionärsrechts zur Annahme eines Übernahmeangebots


II ZR 312/19 (Bundesgerichtshof)

Wertpapierrechtliches öffentliches Angebotsverfahren: Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft auf eine angemessene Gegenleistung; vorvertragliche Nebenpflicht des …


II ZR 315/19 (Bundesgerichtshof)

Öffentliche Übernahme einer Aktiengesellschaft: Anspruch der Aktionäre auf angemessene Gegenleistung


II ZR 220/21 (Bundesgerichtshof)


II ZR 219/21 (Bundesgerichtshof)

Vereinbarung über den Erwerb von Aktien: Grundlage für ein Übereignungsverlangen; Vereinbarung über die Pflicht eines …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

II ZR 198/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.