Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2004, Az. III ZR 293/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2060

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03
Verkündet am: 29. Juli 2004 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 9 Bd; Ci

Die in einem formularmäßigen Subunternehmervertrag über Bewachungs-dienstleistungen enthaltene Klausel, ein wichtiger Kündigungsgrund liege insbesondere vor, wenn "der Hauptvertrag endet bzw. sich Änderungen im Umfang der Sicherheitsdienstleistung ergeben", hält der Inhaltskontrolle nicht stand.

[X.], Urteil vom 29. Juli 2004 - [X.]/03 - [X.] - 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2004 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 11. September 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Firma Aufzugswerke M. Sch. & Sohn GmbH (im folgenden: "[X.]. ") in [X.]beauftragte die Beklagte durch schriftlichen "Rahmenvertrag zur Notrufbearbeitung" vom 6./19. August 1998 mit der [X.]. Über einen Teil der zu erbringenden Bewa-chungsdienstleistungen schloß die Beklagte mit der Klägerin einen auf den 1. November 1998/23. März 1999 datierten Subunternehmervertrag mit einer [X.] von einem Jahr, beginnend mit dem 1. November 1998. Der [X.] sollte sich nach Ablauf der [X.] jeweils um zwölf Monate verlän-- 3 -

gern, soweit er nicht von einer [X.] mit einer Frist von vier Wochen vor Ablauf schriftlich gekündigt wurde. In § 7 Abs. 2 des [X.], den die Beklagte außer bei der Klägerin noch bei 24 weiteren für sie tätigen [X.] verwendete, war folgende Regelung enthalten: "Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn a) der Hauptvertrag endet bzw. sich Änderungen im Umfang der Sicherheitsdienstleistung ergeben, –"

Mit Schreiben vom 2. Januar 2000 kündigte die Firma [X.]. gegenüber der [X.] den Rahmenvertrag zur Notrufbearbeitung zum 31. März 2000. Am 1. April 2000 schlossen die Beklagte und die Firma [X.]. einen neuen Rahmenvertrag, der abgesehen von einer geänderten Vergütungsstruktur mit dem früheren inhaltlich übereinstimmte. Die Beklagte hatte sich, wie sie vorträgt, mit 23 ihrer 25 Subunternehmer dahin [X.], daß die Vergütungsregelungen der jeweiligen Subunternehmerverträge an diese Änderung des Hauptvertrages angepaßt wurden. Mit der Klägerin konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Die Beklagte kündigte, gestützt auf § 7 Abs. 2 Buchst. a, den Subunternehmervertrag mit der Klägerin mit [X.] vom 31. März 2000 fristlos. Die Klägerin widersprach dieser Kündigung mit Schreiben vom selben Tage.

Im vorliegenden Rechtsstreit beansprucht die Klägerin von der [X.] die vertraglichen Vorhaltepauschalen für die Monate April bis Juli 2000. Ihre auf Zahlung von 9.182,56 DM (= 4.694,97 •) nebst Zinsen gerichtete [X.] blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. - 4 -

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

[X.]

Beide Vorinstanzen haben angenommen, daß für die Beklagte ein wich-tiger Kündigungsgrund nach § 7 Abs. 2 Buchst. a des Subunternehmervertra-ges - Beendigung des Hauptvertrages zwischen der [X.] und Firma [X.] - vorgelegen hat. Sie meinen, diese Bestimmung halte einer Inhaltskontrolle nach § 9 des hier noch anwendbaren [X.] stand.

Darin kann ihnen nicht gefolgt werden.

1. Allerdings gehen die Vorinstanzen - in Übereinstimmung mit der Rechts-auffassung beider [X.]en - zutreffend davon aus, daß es sich bei den von der [X.] gegenüber ihren Subunternehmern verwendeten Formularverträgen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die fragliche Klausel unterliegt daher der Inhaltskontrolle nach § 9 des hier noch anwendbaren [X.]. § 10 Nr. 3 [X.] ist dagegen nicht einschlägig, da es hier um ein Dauerschuldver-hältnis geht (Halbsatz 2) und zudem der Formularvertrag gegenüber der Kläge-rin als einer Person verwendet wurde, die bei Abschluß des Vertrages in Aus-übung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt - 5 -

hat (Unternehmer; § 24 Satz 1 Nr. 1 [X.] in der hier einschlägigen Fassung des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. Juni 1998 BGBl. [X.] 1474).
2. Die Prüfung der Frage, ob die Klausel die Klägerin als den [X.] des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unange-messen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 [X.]), orientiert sich nach ständiger Recht-sprechung des [X.] daran, ob der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines [X.]spartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Be-lange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 3. November 1999 - [X.] = [X.], 1110, 1112 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Danach ist hier folgendes festzustellen:

a) [X.] zwischen den [X.]en war ein [X.] mit Dauerschuldcharakter. Als solcher war er einer Kündigung aus wichtigem Grund auch dann zugänglich, wenn dies nicht in den Vertrags-bedingungen ausdrücklich geregelt gewesen wäre (§ 626 BGB). Die hier in Rede stehende Klausel stellte also nur eine vertragliche Konkretisierung eines wichtigen Kündigungsgrundes dar. Über den bereits bisher durch § 626 BGB gesetzlich geregelten Bereich des [X.] eröffnet nunmehr der seit dem 1. Januar 2002 geltende neue § 314 BGB bei allen Dauerschuldver-hältnissen die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grunde.

b) [X.] war von vornherein darauf angelegt, daß die der Klägerin obliegenden Leistungspflichten in den Rahmenvertrag ein-gebettet waren, den die Beklagte mit ihrer Hauptauftraggeberin, der Firma Auf-- 6 -

zugswerke Sch. , abgeschlossen hatte. Es entstand also ein gestuftes Dienstleistungsverhältnis zwischen der Firma [X.].

und der [X.] einerseits sowie zwischen der [X.] und der Klägerin als [X.] andererseits. Diese Vertragsgestaltung bewirkte notwendig, daß Leistungsstörungen auf [X.] der Hauptauftraggeberin und der [X.] nicht ohne Auswirkungen auf [X.] zwischen der [X.] und der Klä-gerin bleiben konnten. Unter diesem Blickwinkel konnte eine vertragliche Re-gelung, die die Beklagte berechtigte, bei einem Wegfall des Hauptvertrages den Subunternehmervertrag mit der Klägerin außerordentlich zu kündigen, nicht von vornherein als treuwidrig und einseitig die Interessen der [X.] begünstigend angesehen werden. Denn die Klägerin hätte auch dann, wenn eine solche ausdrückliche Regelung nicht getroffen worden wäre, es hinneh-men müssen, daß ein Wegfall des Hauptvertrages der [X.] eine Hand-habe bot, sich von dem Subunternehmervertrag zu lösen; sei es unter Anwen-dung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, sei es über ein Kündigungsrecht nach § 626 BGB.

c) Der [X.] als der Verwenderin dieser Klausel ist jedoch anzula-sten, daß nach deren weit gefaßtem Wortlaut jede Beendigung des [X.] darunter fällt. Dies bedeutet, daß die Klausel der [X.] eine Hand-habe bietet, sich auch dann von den Subunternehmerverträgen zu lösen, wenn sie selbst die Beendigung des Hauptvertrages, sei es durch Kündigung [X.], sei es durch eine einvernehmliche Aufhebung, herbeigeführt hat, etwa um aus ihrer Sicht bessere Vertragsbedingungen mit dem Hauptauftraggeber auszuhandeln, ohne daß die Grenze zur Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Hauptvertrages überschritten worden wäre.
- 7 -

d) Dies stellt eine einseitige, die Klägerin als Vertragspartnerin des [X.] unangemessen benachteiligende Verlagerung des Risikos einer Be-endigung des Hauptvertrages auf den jeweiligen Subunternehmer dar. Der [X.] sieht auch keine rechtliche Möglichkeit, die Klausel mit eingeschränktem Geltungsbereich aufrechtzuerhalten, etwa in dem Sinn, daß sie nur solche Be-endigungen des Hauptvertrages erfaßt, die es der [X.] unzumutbar ma-chen, die Verträge mit ihren Subunternehmern fortzuführen. Dies würde gegen das Verbot der "geltungserhaltenden Reduktion" verstoßen, welches besagt, daß es nach Wortlaut und Zweck der Vorschriften des [X.] nicht möglich ist, Klauseln, die nur zum Teil gegen das [X.] verstoßen, mit eingeschränktem Inhalt aufrechtzuerhalten ([X.] 86, 284, 297 m.w.[X.]). Die-ses Verbot der Rückführung unwirksamer Klauseln auf einen zulässigen Inhalt - dazu gehört insbesondere die Beschränkung ihrer Anwendbarkeit auf einen Bereich, in dem sie der Inhaltskontrolle standhalten würden - gilt auch im [X.] ([X.], Urteil vom 28. Januar 1993 - [X.] = NJW 1993, 1786, 1787 [X.].[X.]).

3. Hieraus folgt zugleich weiter, daß die Kündigung auch nicht auf die zweite Alternative der in § 7 Abs. 2 Buchst. a getroffenen Regelung, nämlich auf Änderungen im Umfang der Sicherheitsdienstleistung, gestützt werden kann. Auch diese [X.] enthält nämlich keine irgendwie geartete Einschränkung dahingehend, daß damit nur solche Änderungen gemeint sind, die es der [X.] unzumutbar machen, an den Verträgen mit ihren [X.] festzuhalten. Mit diesem weit gefaßten Wortlaut zielt die Regelung, ebenso wie die zuvor erörterte Bestimmung über die Beendigung des Haupt-vertrages, auf eine einseitige Durchsetzung der Interessen der [X.] auf Kosten ihrer Subunternehmer ab. Die Regelung braucht daher aus denselben - 8 -

Gründen wie jene andere von den Subunternehmern nicht hingenommen zu werden und unterliegt aus den bereits aufgezeigten Gründen gleichfalls dem Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion.

- 9 -

I[X.]

Eine abschließende eigene Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Denn das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerich-tig - nicht geprüft, ob die fristlose Kündigung der [X.] nicht nach allge-meinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere § 626 BGB, gerechtfertigt gewesen ist.

1. Allerdings hatte die Kündigungserklärung der Firma [X.]. vom 2. Januar 2000 für sich allein genommen noch nicht zur [X.] zum 31. März 2000 geführt. Denn ein wichtiger Grund für jene Firma, den Hauptvertrag vor Ablauf der planmäßigen Vertrags-dauer von fünf Jahren vorzeitig zu kündigen, ist nicht hinreichend dargetan. Die Vertragsbeendigung wurde aber dadurch bewirkt, daß die Beklagte diese Kün-digung akzeptiert und den neuen Vertrag mit der Firma [X.]. vom 1. April 2000 abgeschlossen hat. Das Berufungsgericht hat den vorin-stanzlichen Sachvortrag beider [X.]en in diesem Sinne ausgelegt. [X.] ist die weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende Würdigung, daß es sich bei dem neuen Vertrag vom 1. April 2000 gegenüber dem früheren um ein "aliud" und nicht etwa um eine Fortsetzung des [X.] zu geän-derten Bedingungen gehandelt hatte, revisionsrechtlich nicht angreifbar. Die Revision setzt bei ihrer abweichenden Betrachtungsweise ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters, was ihr indessen verwehrt ist.
2. Der Umstand, daß diese Aufhebung des Hauptvertrages auf dem [X.] der dortigen Vertragsparteien beruhte, schließt es indessen nicht aus, diese Beendigung im Verhältnis zwischen der [X.] und der Klägerin als - 10 -

ihrer Subunternehmerin als einen zur außerordentlichen Kündigung [X.] wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB zu bewerten. Die Beklagte hatte dazu bereits im ersten Rechtszug (im nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Mai 2002) vorgetragen, in den Verhandlungen zwischen ihr und der Firma [X.]. hätten deren Vertreter zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht länger in der Lage seien, die vereinbarten Preise für die entsprechenden Dienstleistungen zu halten; dies insbesondere mit dem deutlichen Hinweis auf die inzwischen erheblich gestiegene Anzahl der zu betreuenden Aufzüge. Für sie, die Beklagte, hätte ein Widerspruch gegen die ausgesprochene Kündigung mit der Folge eines womöglich jahrelangen [X.] lediglich bedeutet, daß sie für sich und ihre Subunternehmer einen ihrer größten Auftraggeber verloren hätte, daß die Firma [X.]. jedoch unter Umständen nach einer gerichtlichen Feststellung des [X.] dieses Vertrages die vereinbarten Preise nicht hätte zahlen können und sie, die Beklagte, dann ih-rerseits den Vertrag hätte kündigen müssen. Die Revisionserwiderung weist in diesem Zusammenhang nicht ohne Grund darauf hin, es erschiene als eine unangemessene Benachteiligung, wenn die Beklagte auch in dieser Situation an ihre Verträge mit den Subunternehmern gebunden wäre.
3. Mit diesem Sachvortrag wird ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung hinreichend schlüssig dargetan. Die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB - zwei Wochen - war hier gewahrt. Diese Frist gilt auch für selbständige Dienstverhältnisse (Senatsurteil vom 19. November 1998 - [X.] = NJW 1999, 355). Sie begann hier jedoch erst mit dem Ende des Hauptvertrages, also mit Ablauf des 31. März 2000, und ist daher durch die an diesem Tag der Klägerin zugegangene Kündigungserklärung eingehalten [X.]. - 11 -

4. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht daher Gelegenheit, diesem Vorbringen der [X.] und der entsprechenden Erwiderung der Klä-gerin nachzugehen.

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZR 293/03

29.07.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2004, Az. III ZR 293/03 (REWIS RS 2004, 2060)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2060

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