28. Senat | REWIS RS 2018, 4918
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Markenbeschwerdeverfahren – „Eurosell“ – keine Unterscheidungskraft
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 108 863.7
hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] aufgrund mündlicher Verhandlung am 17. Mai 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein und der Richter [X.] und Dr. Meiser
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
I.
Der Anmelder hat am 10. Dezember 2015 beim [X.] ([X.]) beantragt, die Bezeichnung
[X.]
als Wortmarke für die folgenden Waren und Dienstleistungen in das Markenregister einzutragen:
Klasse 6: Baumaterialien und Bauelemente aus Metall; nicht für einen bestimmten Verwendungszweck angepasste, unverarbeitete und teilweise verarbeitete Materialien aus Metall; Metallwaren; Türen, [X.], Fenster und Fensterabdeckungen aus Metall; Container sowie Transport- und Verpackungsgegenstände aus Metall; Glocken, Klingeln; Haken [Kleineisenwaren]; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;
Klasse 9: Informationstechnologische und audiovisuelle Geräte; Apparate, Instrumente und Kabel für Elektrizität; Sicherungs-, Sicherheits-, Schutz- und Signalgeräte sowie -ausrüstung; Navigations-, Orientierungs-, Standortverfolgungs-, Zielverfolgungs- und Kartierungsgeräte; Mess-, Erkennungs- und Überwachungsinstrumente, -vorrichtungen sowie -regler; Apparate für wissenschaftliche Forschung und Labor, Unterrichtsapparate und Simulatoren; Computer; Fernsehgeräte; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;
Klasse 14: Zeitmessgeräte; Wanduhren; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;
[X.]: Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels auch über das [X.] in den Bereichen: Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel, [X.] und Gartenartikel, Hobbybedarf und Bastelbedarf, Elektrowaren und Elektronikwaren, Tonträger und Datenträger, Uhren und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Büroartikel, Täschnerwaren und Sattlerwaren, Einrichtungswaren und Dekorationswaren; Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Dienstleistungen einer Im- und Exportagentur; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen; Werbung; Marketing; Präsentation von Waren in [X.], für den Einzelhandel; Preisvergleichsdienste; Verkaufsförderung [Sales promotion] [für Dritte]; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von e-commerce; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentations- und Verkaufszwecken.
Das [X.], Markenstelle für Klasse 14, hat die Anmeldung nach vorausgegangener Beanstandung vom 10. Februar 2016 mit Beschluss vom 14. Juni 2016 wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Es handele sich bei dem beanspruchten Zeichen um eine allgemeine Sachangabe, die zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren und Dienstleistungen diene. So könne es im Sinne von „Verkauf gegen Euro“, „Verkauf in Euro“ oder „Verkauf im Euroraum“ verstanden werden. Im Rahmen der von der Markenstelle durchgeführten [X.]recherchen hätte eine Vielzahl von Fundstellen zu dem Wort „[X.]“ ermittelt werden können. Unabhängig davon, ob „[X.]“ in Alleinstellung oder in Kombination mit anderen Angaben teilweise markenmäßig wirken könne, sei festzustellen, dass Begriffe wie „Onlinehandel-[X.]“, „[X.]-Online“ oder „[X.] direct“ nicht auf ein bestimmtes Unternehmen hinweisen würden.
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Der Anmeldung stehe kein Schutzhindernis entgegen. Die von der Markenstelle zugrunde gelegten Übersetzungen des [X.] „Verkauf gegen Euro“, „Verkauf in Euro“ oder „Verkauf im Euroraum“ seien weder korrekt noch naheliegend. Hierfür würden die Angaben „sale in euro“ oder „sale in the euro zone/area“ verwendet. In [X.] sei das Wort „sell“ nicht als Substantiv mit der Bedeutung „Verkauf“ zu finden. Jedenfalls sei dem inländischen Publikum das Wort „sell“ ausgehend von [X.] Schulkenntnissen nicht in dieser Bedeutung bekannt. Ferner handele es sich bei dem Wort „[X.]“ nicht um einen der [X.] Grammatik entsprechenden Begriff. Die im [X.] recherchierten Verwendungen sprächen ausschließlich für eine herkunftshinweisende Benutzung des [X.]. Daher scheide eine Interpretation im Sinn von „Verkauf in [X.]“ aus.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 14 des [X.]s vom 14. Juni 2016 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen fehlt dem Anmeldezeichen jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], so dass das [X.] die Anmeldung zu Recht gemäß § 37 Abs. 1 [X.] zurückgewiesen hat.
1. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - [X.]; [X.] 2014, 569, Rdnr. 10 - [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2017, 186, Rdnr. 29 - Stadtwerke Bremen).
Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] 2013, 731, Rdnr. 22 - [X.]; [X.], 1204, Rdnr. 12 - [X.]; [X.], 934, Rdnr. 12, 23 - [X.]; GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2010, 1100, Rdnr. 23 - [X.]!; [X.], 850, Rdnr. 28 - FUSSBALL WM 2006).
2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen kommt dem zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Zeichen „[X.]“ weder für die beanspruchten Waren der Klassen 6, 9 und 14 noch für die Dienstleistungen der [X.] die notwendige Unterscheidungskraft zu.
a) Die angemeldete Wortkombination „[X.]“ setzt sich erkennbar aus dem Begriff „sell“ und dem vorangestellten Wortelement „Euro“ zusammen.
Bei der Zeichenkomponente „sell“ handelt es sich um ein [X.] Verb bzw. Substantiv mit den Bedeutungen „verkaufen“ bzw. „Verkauf“ (vgl. [X.] - [X.] dict.cc; [X.] Online Wörterbuch; [X.] Großwörterbuch Englisch, 2014, Seite 985; vgl. ferner die Variationen „sell-off“ oder „sell-out“ in [X.] Online Wörterbuch). Allgemein bezeichnet sie damit den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen (vgl. [X.], Suchbegriff „Verkauf“). Das Wort entspricht folglich nicht dem Begriff „sale“, mit dem im Inland der Ausverkauf zu ermäßigten Preisen benannt wird (vgl. [X.], Suchbegriff „Sale“).
Entgegen der Auffassung des Anmelders geht der Senat davon aus, dass das angesprochene allgemeine Publikum den Bestandteil „sell“ - jedenfalls im Kontext mit dem weiteren Element „Euro“ - im Sinne von „Verkauf“ versteht. Er gehört zum [X.] Grundwortschatz (vgl. [X.], Thematischer Grund- und Aufbauwortschatz, 2000, Seite 271) und dürfte somit auch Verkehrsteilnehmern mit lediglich Basiskenntnissen der [X.] Sprache überwiegend bekannt sein. Zudem ist die substantivische Verwendung eines [X.] Verbs - wie beispielsweise bei den Wortfolgen „to have a swim/a go/a good run“ oder „a cheap buy“ - aus dem Zusammenhang erkennbar. Schließlich hat der Begriff „sell“ bereits Eingang in die [X.] gefunden. So ist er nicht nur Teil der inländischen Wirtschaftssprache, was etwa in den Begriffen „Onlineseller“ oder „buy/hold/sell“ im Bereich des [X.] zum Ausdruck kommt. Vielmehr lässt sich auch sein Gebrauch als Substantiv im Inland mit der Bedeutung „Verkauf“ nachweisen (vgl. Anlage 3 zur Ladung vom 8. März 2018: „[X.]“ unter „https://home.mobile.de/CARSELL“).
Das Zeichenelement „[X.]“ hat in [X.] vorrangig die Bedeutung „[X.] betreffend“ (vgl. [X.], [X.], 9. Auflage, 2007; vgl. auch [X.], Beschluss vom 22. August 1997, 33 W (pat) 36/97 - [X.]; Beschluss vom 11. Juni 2008, 25 W (pat) 74/06 - [X.]; Beschluss vom 15. Januar 2014, 26 W (pat) 75/12 - [X.]). Es bezeichnet zudem die Währungseinheit der Europäischen Währungsunion.
Insgesamt vermittelt damit das sprachüblich aus einer geografischen und einer substantivischen Tätigkeitsangabe zusammengesetzte Anmeldezeichen die Aussage „Verkauf in [X.]“ (vgl. auch [X.], Beschluss vom 29. Juni 2017, 30 W (pat) 2/16 - [X.], dort insbesondere Rdnr. 21). Auf die weitere Möglichkeit der Interpretation im Sinne von „Verkauf in Euro“ oder „Verkauf gegen Euro“ kommt es nicht mehr an, da der Begriffskombination „[X.]“ bereits unter Zugrundelegung der Bedeutung „Verkauf in [X.]“ nicht die erforderliche Unterscheidungskraft zukommt.
b) In Verbindung mit den gegenständlichen Waren der Klassen 6, 9 und 14 weist das Anmeldezeichen darauf hin, dass sie in [X.] vor Ort oder über eine Onlineplattform verkauft werden. Diese Bedeutung erschließt sich den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen und Fachleuten ohne weiteres. Vor dem Hintergrund des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs im [X.] Binnenmarkt liegt es nahe, dass auch das vom Anmelder beanspruchte Warensortiment grenzüberschreitend in [X.] vertrieben wird. Selbst wenn der Begriff „[X.]“ nicht als Angabe einer Vertriebsstätte aufgefasst wird, da es sich bei einer solchen eher um einen örtlich begrenzten [X.] handelt (vgl. [X.]/ Hacker/Thiering, [X.], 12. Auflage, § 8, Rdnr. 106), so weist er dennoch einen die Unterscheidungskraft entfallen lassenden engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren auf. So können diese beispielsweise [X.] Normen entsprechen oder so ausgestaltet sein, dass sie in allen Staaten [X.]s unabhängig von den dort herrschenden geographischen, klimatischen oder von Menschen geschaffenen Bedingungen eingesetzt werden können. „[X.]“ bzw. „Verkauf in [X.]“ weist folglich auf die Bestimmung und Beschaffenheit der angemeldeten Waren, jedoch nicht auf ihre Herkunft hin.
c) Das in Rede stehende Zeichen bringt weiterhin im Zusammenhang mit den Tätigkeiten
„Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels auch über das [X.] in den Bereichen: Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel, [X.] und Gartenartikel, Hobbybedarf und Bastelbedarf, Elektrowaren und Elektronikwaren, Tonträger und Datenträger, Uhren und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Büroartikel, Täschnerwaren und Sattlerwaren, Einrichtungswaren und Dekorationswaren; Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Dienstleistungen einer Im- und Exportagentur; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen“
zum Ausdruck, dass sie dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen in [X.] dienen. Die spezielle Ausrichtung auf dieses Absatzgebiet kann sich zum Beispiel darin widerspiegeln, dass sich die [X.] vor Ort nur in [X.] Staaten befinden oder Waren bzw. Dienstleistungen nur ins [X.] Ausland geliefert bzw. dort erbracht werden.
Dem angemeldeten Zeichen kommt auch in Bezug auf die Tätigkeiten der Klasse 35 die Funktion einer Zweckangabe zu, die nicht unmittelbar den Verkauf von Waren zum Gegenstand haben, sondern vielmehr diesen erst vorbereiten („Werbung; Marketing; Präsentation von Waren in [X.], für den Einzelhandel; Preisvergleichsdienste; Verkaufsförderung [Sales promotion] [für Dritte]; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von e-commerce; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentations- und Verkaufszwecken“). Sie können ebenfalls Eigenschaften aufweisen, die sie in besonderer Weise für den Verkauf von Waren in [X.] geeignet erscheinen lassen. So ist es möglich, dass sie in allen [X.] Sprachen angeboten werden, damit sie ein Verkäufer oder Käufer unkompliziert und schnell in Anspruch nehmen kann. Ebenso kommt eine territoriale Beschränkung ihrer Inanspruchnahme auf [X.] in Betracht.
Die Beschwerde des Anmelders war daher zurückzuweisen.
3. Die Markenstelle wird noch zu klären haben, ob die in allen beanspruchten Warenklassen enthaltene Angabe „Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten“ dem Bestimmtheitserfordernis genügt.
Meta
10.08.2018
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.08.2018, Az. 28 W (pat) 552/16 (REWIS RS 2018, 4918)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 4918
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