Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2008, Az. 4 StR 455/08

4. Strafsenat | REWIS RS 2008, 88

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 [X.] vom 18. Dezember 2008 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja StPO § 136 Abs. 1 Satz 2 1. Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist er wegen des Belehrungsverstoßes (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) bei Beginn der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbar-keit der früheren Angaben hinzuweisen (—[X.] Belehrung). 2. Unterbleibt die —[X.] Belehrung, sind trotz rechtzeitigen Wider-spruchs die nach der Belehrung als Beschuldigter gemachten Angaben nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall verwertbar. 3. Neben dem in die Abwägung einzubeziehenden Gewicht des Verfahrens-verstoßes und des [X.] ist maßgeblich darauf abzu-stellen, ob der Betreffende nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung davon - 2 - ausgegangen ist, von seinen früheren Angaben nicht mehr abrücken zu können [im [X.] an [X.], Urteil vom 3. Juli 2007 [X.] 1 StR 3/07 = [X.], 450, 452]. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2008 [X.] 4 [X.] [X.] [X.] Arnsberg 1. 2. 3. 4. wegen zu 1. bis 3. versuchten schweren Raubes u.a. zu 4. Beihilfe zum versuchten schweren Raub - 3 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 18. Dezember 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Maatz, Prof. Dr. [X.], [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.]

als beisitzende [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten [X.]. , Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten [X.] , Rechtsanwältin als Verteidigerin für den Angeklagten [X.] , Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten [X.] , Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - 1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 4. März 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. 2. Die Revisionen der Angeklagten [X.] und [X.] gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. Es wird davon abgesehen, diesen Angeklagten die Kos-ten ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen. Jedoch haben sie die durch ihre Rechtsmittel dem Nebenkläger entstande-nen notwendigen Auslagen zu tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten [X.]. , [X.] und [X.] jeweils des (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raubes, den Angeklagten [X.]. darüber hinaus der [X.] begangenen gefährlichen Körperver-letzung, für schuldig befunden. Den Angeklagten [X.]. hat es zu einer [X.] und sechs Monaten, den Angeklagten [X.] zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und den Angeklagten [X.] zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.] hat das [X.] wegen Beihilfe zum (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raub eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es zur [X.] - 5 - rung ausgesetzt hat. Ferner hat das [X.] ein Messer und einen Kabel-schlagstock eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwalt-schaft mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen, mit denen sie beanstandet, dass das [X.] die Angeklagten nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts bzw. der Beteiligung daran für schuldig befunden hat. Die Angeklagten [X.] und [X.] rügen mit ihren Revisi-onen ebenfalls die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Angeklag-te [X.] greift insoweit insbesondere die Beweiswürdigung und die Strafzu-messung des angefochtenen Urteils an. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Dagegen erweisen sich die Revisionen der Angeklagten [X.] und [X.] als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. I. Das [X.] hat festgestellt: 2 Die Angeklagten [X.]. , [X.] und [X.] fassten im Verlauf des 30. Mai 2007 den Entschluss, durch einen Überfall auf den Kiosk der Eheleute [X.]zu Geld zu kommen, um sich anschließend Kokain zu besorgen. Sie vereinbarten, dass ein Messer eingesetzt werden sollte, um damit den [X.]bedrohen zu können. In diesem Zusammenhang for-derte der Angeklagte [X.] den Angeklagten [X.]. auf, aus seiner Wohnung ein Messer zu holen, das lang und spitz sein müsse, weil das stark übergewich-tige Opfer so dick sei. Dementsprechend holte der Angeklagte [X.]. aus seiner Wohnung ein Steakmesser mit 12,5 cm langer, spitz zulaufender und einseitig gezahnt geschliffener Klinge. Sodann rief absprachegemäß der Ange-klagte [X.] den mit ihm befreundeten Angeklagten [X.] an und bat ihn, mit dem Pkw zu ihnen zu kommen, was [X.] auch tat. Gemeinsam fuhren sie 3 - 6 - dann am Kiosk der Eheleute [X.]vorbei, wobei [X.] erst zu diesem Zeitpunkt in den [X.] eingeweiht wurde. Ob dabei auch über das Messer und dessen geplante Verwendung gesprochen wurde, vermochte das [X.] nicht festzustellen. Der Angeklagte [X.] stellte den Pkw in der Nähe des vorgesehenen [X.]es ab und verblieb beim Fahrzeug, während die drei ande-ren Angeklagten auf dem Weg zum Kiosk die konkreten Einzelheiten der bis dahin nur grob geplanten Tat besprachen. Der Angeklagte [X.] überredete den Angeklagten [X.]. , den Kioskbetreiber [X.]mit dem Messer "in [X.]ach zu halten" und ihm "auf die Ohren zu boxen", falls dieser anfange zu schreien. Der Angeklagte [X.]. traf als erster auf den Kioskbetreiber [X.] , als dieser sich gerade vor seinem Kiosk befand. Kurz bevor der Angeklagte [X.]. ihn erreichte, richtete sich [X.]

auf und drehte sich mit dem Ober-körper in Richtung des Angeklagten. Dieser "stach - enthemmt von dem fort-dauernden Verlangen nach weiteren Drogen und überrascht und überfordert davon, dass der Geschädigte sich plötzlich in seine Richtung drehte - ungezielt mit nicht erheblichem Kraftaufwand auf den Geschädigten ein. Er fühlte sich dabei 'wie im Film'". Der Stich drang knapp oberhalb der rechten [X.] maximal 3 cm in dessen Rücken ein. "Aus Panik und Überforderung mit der Situation" stach der Angeklagte [X.]. mindestens drei weitere Male ungezielt auf sein Opfer ein, das blutüberströmt zu Boden sank. [X.] erlitt eine [X.] 15 cm tiefe Stichwunde im Epigastrium mit [X.] tration des Bauchfells sowie Eröffnung der [X.] mit linksseitiger Verlet-zung der Leber, ferner einen ca. 6 cm tiefen Stich in den rechten Brustkorb [X.] einen ca. 3 cm tiefen Stich in den linken Unterbauch; er verlor noch am [X.] 1,5 bis 2 Liter Blut. "Bei sämtlichen Stichen hatte der Angeklagte [X.]. nicht den Tod des Geschädigten gewollt und nicht billigend in Kauf genommen und auch diese Möglichkeiten nicht in sein Bewusstsein aufgenommen". Während dessen begab sich der Angeklagte [X.] durch die seitliche Eingangstür - 7 - in den Kiosk, gefolgt von dem Angeklagten [X.] . Dabei trafen die Angeklagten auf die Ehefrau des Geschädigten, die auf die Hilferufe ihres Mannes aus ihrem Wohnhaus in den angrenzenden Kiosk geeilt war. Auf ihren Zuruf: "[X.] ihr hier? Macht, dass ihr rauskommt!" flüchteten beide Angeklagte aus dem Ki-osk und rannten mit dem Angeklagten [X.]. weg. Der Angeklagte [X.] hatte das Geschehen aus der Nähe beobachtet. Ihm war bewusst, dass die [X.] gescheitert war. Deshalb rannte er zu seinem Pkw und fuhr davon; er erhielt aber kurz darauf einen Anruf des Angeklagten [X.] , holte ihn ab und fuhr ihn nach [X.]. Der blutüberströmt vor dem Kiosk liegende Ge-schädigte wurde von der Fahrerin eines vorbeifahrenden Linienbusses bemerkt, die den Notarzt und die Polizei verständigte. Die Stichverletzungen waren nicht unmittelbar lebensbedrohlich. II. Revision der Staatsanwaltschaft 4 Die Beschwerdeführerin hat schon mit ihren Verfahrensbeschwerden [X.]. Mit diesen beanstandet sie, dass das [X.] entgegen den Anträgen der Staatsanwaltschaft die Kriminalbeamten [X.]u. und [X.]sowie den [X.] am [X.] nicht als Zeugen zu den Angaben der Angeklagten [X.] und [X.] bei ihren Vernehmungen am 21. Juni 2007 vernommen und diese Angaben auch nicht verwertet hat. Daraus hätte sich ergeben, dass unter den Angeklagten [X.]. , [X.] und [X.]
von vornherein abgesprochen worden war, das mitgeführte [X.] gegen den Geschädigten [X.]einzusetzen, und der Angeklagte [X.] hiervon auch wusste. 5 - 8 - Das [X.] hat insoweit ein Beweiserhebungsverbot angenommen, weil die Polizeibeamten die Angeklagten [X.] und [X.] trotz gegen sie bereits bestehenden Tatverdachts als Zeugen vernommen und deshalb nicht ord-nungsgemäß nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt hätten. Auch habe der Kriminalbeamte [X.]u. den Angeklagten [X.] im späteren Verlauf der [X.] ebenso wie der Ermittlungsrichter die beiden Angeklagten zwar als Beschuldigte belehrt; die [X.] hätten dabei aber den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der bei den Vernehmungen als Zeugen gemachten Angaben unterlassen ("qualifizierte" Belehrung; vgl. [X.] StPO 51. Aufl. § 136 Rdn. 9 m.N.). 6 Die deshalb unterbliebene Beweiserhebung zu den Angaben der Ange-klagten [X.] und [X.] im Ermittlungsverfahren rügt die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht. 7 1. Allerdings ist die [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte [X.] bereits auf Grund der Auswertung des von ihm noch in der Tatnacht mit dem Mitangeklagten [X.] geführten [X.] verdächtig war und er deshalb bereits zu Beginn seiner polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen, auch wenn gegen ihn noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet war und er nicht die Stellung ei-nes formell Beschuldigten hatte. 8 a) Zwar begründet nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigtenei-genschaft mit der Folge einer entsprechenden [X.]; vielmehr kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungs-behörde, nach [X.] Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatver-dacht sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als 9 - 9 - Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (st. Rspr.; [X.]St 37, 48, 51 f.; 51, 367, 371; [X.]surteil vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03). Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die [X.] anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres [X.] würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen wird (vgl. [X.]St aaO). So verhält es sich hier hinsichtlich des Angeklagten [X.] . Denn aus der Auswertung der SMS-Nachrichten und der Erklärung des [X.] anlässlich der Durchsuchung am frühen Morgen noch vor Beginn seiner Zeugenvernehmung, er habe die fraglichen SMS-Nachrichten an den Mitangeklagten [X.] versandt, ergab sich bereits zweifelsfrei, dass außer [X.] auch der Angeklagte [X.] am [X.] gewesen war und sie dort gemeinsam hatten Beute machen wollen. Zu Recht hat deshalb das [X.] [X.] nach Widerspruch [X.] ein [X.] und Verwertungsverbot jedenfalls hinsichtlich der Angaben des Ange-klagten [X.] angenommen, die dieser bei seiner Vernehmung durch den Kri-minalbeamten [X.]u. vor der Beschuldigtenbelehrung als Zeuge gemacht hat (st. Rspr.; [X.]St 38, 214, 224 f.; 47, 172, 173 a.E.). Denn der Verstoß gegen die [X.] wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte [X.] anschließend nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt wurde und danach erneut aussagte ([X.]St 51, 367, 376 m. Anm. [X.], 16 ff.). 10 b) Daraus folgt jedoch noch nicht ohne Weiteres, dass auch die Anga-ben, die der Angeklagte [X.] im Ermittlungsverfahren nach erfolgter Beschuldig-tenbelehrung gemacht hat, einem Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot unterlagen. 11 - 10 - aa) Allerdings hätte der Angeklagte [X.] [X.] was nicht erfolgt ist [X.] bei [X.] der Beschuldigtenvernehmung zusammen mit der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen der [X.] unterbliebenen Belehrung als Beschuldigter die vorangehende Zeugenaus-sage unverwertbar sei (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2007 [X.] 1 StR 3/07, [X.], 450, 452, insoweit in [X.]St 51, 367 nicht abgedruckt; ferner [X.], Urteil vom 19. September 2000 [X.] 1 StR 205/00 [der 1. Strafsenat ersichtlich unter Abweichung von seiner Entscheidung [X.]St 22, 129]; [X.] in [X.]. § 136 Rdn. 27 m.w.N.; [X.] in [X.] 26. Aufl. § 136 Rdn. 106; [X.] in [X.] StPO § 136, Rdn. 28; [X.] aaO [X.] 17; wohl auch [X.] aaO § 136 Rdn. 9 m.w.N.). 12 Das Recht zu schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen (—nemo teneturfi-Grundsatz), gehören zum —Kernstück des von Art. 6 Abs. 1 [X.] garantierten fairen Verfahrensfi ([X.] NJW 2002, 499, 501; [X.] 2005, 423 m. Anm. [X.]; dazu weiter [X.]St [X.] GS [X.] 42, 139, 151 ff.). Gerade deshalb muss die rechtsstaatliche Ordnung Vorkehrungen in Form einer —quali-fiziertenfi Belehrung treffen, die verhindert, dass ein Beschuldigter auf sein Aus-sageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die [X.] zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können ([X.] aaO). Zwar ergibt sich ein gewisser Widerspruch insofern, als die Rechtsprechung bislang bei den [X.] schwerer wiegenden [X.] Verstößen nach § 136 a StPO eine solche —[X.] Belehrung nicht verlangt (vgl. [X.] aaO § 136 a Rdn. 30 m.N.); ob daran festzuhalten ist, hat der [X.] hier jedoch nicht zu entscheiden. 13 - 11 - bb) Der Verstoß gegen die Pflicht zur "qualifizierten" Belehrung hat [X.] nicht dasselbe Gewicht wie der Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Deshalb ist in einem solchen Fall die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung nach neuerer Recht-sprechung des [X.] durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln ([X.], Urteil vom 3. Juli 2007 [X.] 1 StR 3/07, [X.], 450, 452; krit. dazu [X.] aaO [X.] 17; [X.] aaO § 136 Rdn. 9 a.E.). 14 Bei einer solchen Abwägung ist zum einen auf das Gewicht des [X.] abzustellen und dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob die Vernehmung als Zeuge - wofür hier nichts spricht - in bewusster Umgehung der [X.]en erfolgt ist; weiter muss das Interesse an der Sachauf-klärung Beachtung finden (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2007 aaO; [X.]St 42, 139, 157 [Hörfalle]; 47, 172, 179 f.; [X.] NJW 2007, 3138, 3142). Darüber [X.] ist maßgeblich darauf abzustellen, ob sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass der [X.] davon ausgegangen ist, von seinen vor der Be-schuldigtenbelehrung gemachten Angaben als Zeuge bei seiner weiteren [X.] als Beschuldigter nicht mehr abrücken zu können. Dies wird [X.] dann anzunehmen sein, wenn sich die Beschuldigtenvernehmung in-haltlich als bloße Wiederholung oder Fortsetzung der in der Zeugenvernehmung gemachten Angaben darstellt. So verhält es sich hier jedoch nicht. Denn der Angeklagte [X.] hat nach seiner Belehrung als Beschuldigter gerade nicht seine früheren Angaben lediglich im Wesentlichen wiederholt. Er hat auch nicht nur weiterhin [X.] nunmehr allerdings detailliert [X.] die Mitangeklagten [X.]. und [X.] belastet. Vielmehr hat er erstmals auch sich selbst massiv belastende An-gaben gemacht, denen zufolge [X.]. das Opfer "auf jeden Fall abstechen" sollte und ihm, [X.] , "absolut klar (war), dass [X.] dabei sterben kann". Angesichts dessen liegt die Annahme eher fern, dass sich der Angeklagte [X.] 15 - 12 - seiner Entscheidungsfreiheit nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung nicht bewusst war und dass deshalb der ursprüngliche Belehrungsverstoß fort-wirkte. Jedenfalls spricht danach die [X.] vom [X.] unterlassene [X.] Abwä-gung hier gegen das von der [X.] angenommene Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot hinsichtlich der nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben des Angeklagten [X.] ; das Gericht hätte deshalb den ent-sprechenden Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung des Kriminal-beamten [X.]u. und des Ermittlungsrichters stattgeben müssen. 2. Soweit die Beschwerdeführerin die unterbliebene Beweiserhebung und -verwertung hinsichtlich der Angaben des Angeklagten [X.] beanstandet, die dieser bei seinen Vernehmungen als Zeuge durch den Kriminalbeamten [X.]am 21. Juni 2006 und nachfolgend als Beschuldigter bei seiner richterlichen Vernehmung am selben Tage gemacht hat, dringt die Rüge schon deshalb durch, weil der vom [X.] auch insoweit angenommene [X.] nicht vorliegt. Anders als bei dem Angeklagten [X.] bestand gegen ihn bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung noch kein solcher Verdacht der [X.] an dem Überfall auf den Kiosk, dass nach den aufgezeigten Maßstäben der vernehmende Beamte die Grenzen seines [X.] willkür-lich überschritt, indem er den Angeklagten [X.] nicht von vornherein als Be-schuldigten vernahm (vgl. [X.] NStZ 2008, 48). Denn bezüglich [X.] stand selbst nach Auswertung der zwischen den Angeklagten [X.] und [X.] ausge-werteten SMS-Nachrichten vom Tattag nur fest, dass er [X.]inhaber des von dem Angeklagten [X.] benutzten [X.] war. Das allein genügte jedoch nicht, um einen hinreichenden Tatverdacht der Beteiligung an dem Ü-berfall gegen ihn zu begründen. Wie der [X.] zutreffend [X.] hat, musste der Vernehmungsbeamte auch nicht unter dem Gesichts-punkt einer Strafbarkeit nach § 138 StGB zu einer Beschuldigtenvernehmung 16 - 13 - übergehen, nachdem der Angeklagte seine Anwesenheit am [X.] eingeräumt hatte. Denn [X.] hatte weiter angegeben, er habe mit der Sache nichts zu tun haben wollen und habe noch versucht, den Anderen die Tat auszureden. Inso-weit war die erfolgte Belehrung nach § 55 StPO durch den Vernehmungsbeam-ten ausreichend, um den Angeklagten vor einer übereilten, sich selbst belas-tenden Aussage zu schützen (vgl. [X.] aaO). Hinderungsgründe, die der Be-weisaufnahme und der Verwertung seiner Angaben im Ermittlungsverfahren entgegengestanden hätten, lagen danach nicht vor. 3. Auf der unterbliebenen Beweiserhebung zu den Angaben des Ange-klagten [X.] nach seiner Belehrung als Beschuldigter und denjenigen des [X.] [X.] im Ermittlungsverfahren beruht das angefochtene Urteil (§ 337 StPO). Denn es liegt nahe, dass der Tatrichter, hätte er die [X.] gehört und die betreffenden Angaben der Angeklagten verwertet, sich entgegen der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil die Überzeugung ver-schafft hätte, dass es dem Plan der Angeklagten entsprach, dass der Angeklag-te [X.]. auf den Geschädigten [X.] auch um den Preis seines Todes einstechen sollte. 17 4. Dringen die Verfahrensbeschwerden der Staatsanwaltschaft somit schon deshalb durch, weil das [X.] zu Unrecht Angaben der Angeklag-ten [X.] und [X.] im Ermittlungsverfahren für unverwertbar erachtet hat, braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob der Auffassung zu folgen ist, dass ein [X.] wegen eines Verstoßes gegen die [X.] jeweils nur zu Gunsten desjenigen Angeklagten wirkt, demgegenüber der Verstoß began-gen wurde, nicht aber auch zu Gunsten von Mitbeschuldigten und Mitangeklag-ten (so aber [X.] NStZ 1994, 595, 596; ebenso [X.] wistra 2000, 311, 313; 18 - 14 - NJW 2002, 1279; zustimmend [X.] aaO § 136 Rdn. 26; [X.] aaO § 136 Rdn. 20; a.[X.] [X.] in [X.] aaO Rdn. 90 m.w.N.). [X.] Revisionen der Angeklagten [X.] und [X.] 19 Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisions-rechtfertigungen der beiden Beschwerdeführer hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der [X.] zur Vermei-dung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des [X.] in seinen [X.] vom 14. Oktober 2008 nach § 349 Abs. 2 StPO. 20 Tepperwien Maatz [X.] [X.] Mutzbauer

Meta

4 StR 455/08

18.12.2008

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2008, Az. 4 StR 455/08 (REWIS RS 2008, 88)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 88

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