Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.12.2013, Az. XII ZB 159/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 576

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Gegenstand

Aufwendungsersatz des anwaltlichen Verfahrenspflegers: Höhe der erstattungsfähigen Fotokopierkosten


Leitsatz

1. Kann der Verfahrenspfleger die ihm entstandenen Kopierkosten nicht konkret darlegen, kann das Gericht die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen schätzen.

2. Fertigt ein zum Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt für die Führung der Verfahrenspflegschaft erforderliche Fotokopien auf einem in seinem Büro vorhandenen Fotokopiergerät, kann auf die Dokumentenpauschale in Nr. 7000 Nr. 1 RVG-VV als Schätzgrundlage zurückgegriffen werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 14. März 2012 wird auf Kosten der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.

[X.]: 3,00 €

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 2 verlangt als anwaltlicher Verfahrenspfleger der Betroffenen Ersatz von [X.] in Höhe von 0,50 € je angefertigter Kopie.

2

Der Beteiligte zu 2 wurde vom Amtsgericht zum Verfahrenspfleger mit dem Aufgabenkreis "Ausschlagung einer Erbschaft" bestellt. Die Berufsmäßigkeit der [X.]ührung der [X.] wurde festgestellt.

3

Nach Abschluss seiner Tätigkeit hat der Beteiligte zu 2 gegenüber der [X.] einen Vergütungs- und Auslagenersatzanspruch in Höhe von 103,82 € geltend gemacht. Darin enthalten waren Kosten für die [X.]ertigung von sieben Kopien, die der Beteiligte zu 2 mit jeweils 0,50 € [X.] MwSt. je Kopie abgerechnet hat. Das Amtsgericht hat die [X.] nur mit 0,15 € [X.] MwSt. je Kopie berücksichtigt und die Vergütung in Höhe von 100,91 € festgesetzt.

4

Auf die vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das [X.] die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und unter Berücksichtigung von [X.] von 0,50 € [X.] MwSt. je Kopie die Vergütung des Beteiligten zu 2 auf 103,82 € festgesetzt. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 3 (nachfolgend: [X.]) die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung nach § 70 Abs. 1 [X.]am[X.]G statthaft und konnte von der [X.] nach § 10 Abs. 4 Satz 2 [X.]am[X.]G ohne Vertretung durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden. Sie hat in der Sache keinen Erfolg.

6

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Bestimmung in § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.], wonach für die Anfertigung der ersten 50 Ablichtungen und Ausdrucke 0,50 € je Seite ersetzt werden, finde vorliegend keine Anwendung. Der Beschwerdeführer sei als Verfahrenspfleger nicht in den in § 1 [X.] bestimmten [X.] aufgenommen und § 1835 Abs. 1 Satz 1 BGB verweise ausdrücklich nur hinsichtlich des Ersatzes von [X.]ahrtkosten auf § 5 [X.]. [X.]ür eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Erstattung von Kopierkosten fehle es deshalb an einer planwidrigen Regelungslücke. Entscheidend sei nach Maßgabe des in Bezug genommenen § 670 BGB vielmehr allein, in welcher Höhe Kopierkosten tatsächlich angefallen seien und ob der Beschwerdeführer diese für erforderlich habe halten dürfen. Seien die Kopierkosten nicht exakt bezifferbar, seien sie zu schätzen.

7

Dabei sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, die Kosten für die Anfertigung einer Ablichtung auf 0,15 € je Kopie zu schätzen. Denn die Annahme, dies entspreche dem Preis für eine in einem Copyshop angefertigte Kopie, sei ohne weiteres gerechtfertigt.

8

Dieser Maßstab dürfe vorliegend jedoch nicht herangezogen werden; denn es sei unstreitig, dass der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Kopien nicht in einem Copyshop habe anfertigen lassen, sondern sich als Rechtsanwalt des in seiner Kanzlei aufgestellten Kopiergerätes - und wohl auch der Unterstützung eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin - bedient habe. Die Erstattung von Kopierkosten, die einem Rechtsanwalt bei [X.]ertigung von Kopien in seiner eigenen Kanzlei entstünden, regele indes Nr. 7000 VV RVG. Danach erhalte der Rechtsanwalt eine "Pauschale" für die ersten 50 abzurechnenden Ablichtungen und Ausdrucke in Höhe von 0,50 € [X.] MwSt. Mit dieser Vorschrift solle die "wirklich notwendige oder sonst gerechtfertigte Abgeltung echter Unkosten" gesichert werden.

9

Damit biete das anwaltliche Vergütungsverzeichnis eine rechtliche Grundlage für die Abschätzung der Kosten, die einem Rechtsanwalt für die Anfertigung einer Ablichtung bei Benutzung des in seinem Büro vorhandenen Kopierers tatsächlich entstünden. [X.]ür die Grundlage dieser Abschätzung sei es ohne Bedeutung, ob der Rechtsanwalt Ablichtungen im Zuge seiner anwaltlichen Tätigkeit oder - wie im vorliegenden Zusammenhang - aufgrund seiner Tätigkeit als bestellter Verfahrenspfleger fertige. Diese Kosten seien dem anwaltlichen Verfahrenspfleger tatsächlich entstanden und deshalb nach Maßgabe von § 670 BGB zu erstatten.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

a) Gemäß § 277 Abs. 1 Satz 1 [X.]am[X.]G iVm §§ 1835 Abs. 1 Satz 1, 670 BGB kann der Verfahrenspfleger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Hierzu zählen auch die Kosten, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die Erstellung von [X.]otokopien entstanden sind (MünchKomm[X.]am[X.]G/[X.] 2. Aufl. § 277 Rn. 5). Kann der Verfahrenspfleger die hierfür angefallenen Kosten nicht konkret darlegen, weil er - wie im vorliegenden [X.]all - die Kopien in seinem Büro unter Verwendung eines eigenen Kopiergerätes angefertigt hat, werden in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, in welcher Höhe [X.] zu erstatten sind. Teilweise wird ein Pauschalbetrag von 0,15 € für jede angefertigte Kopie für angemessen gehalten ([X.], 492, 493; [X.] [X.]amRZ 2001, 864; BayObLG NJWE-[X.]ER 2001, 292; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 3. Aufl. Teil [X.] Rn. 15; [X.] Betreuungsrecht [März 2013] § 1835 BGB Rn. 30; [X.]/[X.]/[X.] BGB 4. Aufl. § 1835 Rn. 4; [X.]/[X.] Die Vergütung des Betreuers 5. Aufl. Rn. 219). Nach anderer Ansicht sind entsprechend § 7 Abs. 2 [X.] 0,50 € für jede der ersten 50 [X.]otokopien und für jede weitere 0,15 € zu erstatten ([X.] [X.]amRZ 2001, 114; HK-BUR/[X.]/[X.] [Dezember 2012] § 1835 BGB Rn. 34 a; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 BGB Rn. 9).

b) Das Beschwerdegericht hat sich im Ergebnis der letztgenannten Auffassung angeschlossen und den Aufwand, der dem Beteiligten zu 2 durch die [X.]ertigung der Kopien entstanden ist, pauschal auf 0,50 € pro Kopie geschätzt. Hiergegen ist für den Aufwendungsersatzanspruch eines anwaltlichen Verfahrenspflegers, der aus Anlass der ihm übertragenen [X.] Kopien auf einem in seiner Kanzlei vorhandenen Kopiergerät fertigt, aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

aa) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass für die Höhe der ersatzfähigen Kopierkosten nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] abgestellt werden kann. Der in einem Betreuungsverfahren gerichtlich bestellte Verfahrenspfleger wird vom persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 [X.] nicht erfasst. Auch eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] scheidet aus, weil es an der für eine Analogie notwendigen Regelungslücke fehlt.

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften ([X.] - [X.]) vom 25. Juni 1998 ([X.]) am 1. Januar 1999 erklärte § 1835 Abs. 4 Satz 2 BGB die Vorschriften über das Verfahren bei der Entschädigung von Zeugen hinsichtlich ihrer baren Auslagen für sinngemäß anwendbar. Daraus wurde vereinzelt geschlossen, dass über diese Verweisung auch diejenigen Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen anwendbar seien, die materielle Regelungen über die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen treffen (so etwa [X.]/[X.] BGB 55. Aufl. § 1835 Rn. 19). Mit der Neufassung des § 1835 BGB und insbesondere der Bezugnahme auf § 9 [X.] für den Ersatz von [X.]ahrtkosten durch das [X.] sollte die bisherige unscharfe Verweisung in § 1835 Abs. 4 Satz 2 BGB a. [X.]. durch eine klare, auf den Ersatz von [X.]ahrtkosten begrenzte Regelung ersetzt werden (vgl. BT-Drucks. 13/7158 [X.]). Diese gesetzgeberische Entscheidung, für den erstattungsfähigen Aufwendungsersatzanspruch des Vormunds neben § 9 [X.] nicht auf weitere Bestimmungen dieses Gesetzes zu verweisen, kann nicht durch eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 2 [X.], der seit dem Inkrafttreten des [X.] vom 5. Mai 2004 ([X.]) die Regelung des § 11 [X.] ersetzt, umgangen werden.

Die Höhe der dem Verfahrenspfleger zu ersetzenden Kopierkosten ist demnach gesetzlich nicht festgelegt, insbesondere nicht auf bestimmte Beträge beschränkt. Vielmehr sind die Kosten nach Aufwand zu ersetzen.

bb) Kann der Verfahrenspfleger die ihm entstandenen Kopierkosten nicht konkret darlegen, kann das Gericht die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen schätzen, wenn eine ausreichende Schätzgrundlage vorhanden ist (Prütting/Helms/[X.]röschle [X.]am[X.]G 2. Aufl. § 277 [X.]am[X.]G Rn. 19). Es wäre ein unverhältnismäßiger Aufwand, müsste ein Verfahrenspfleger, der über ein eigenes Kopiergerät verfügt, die für die [X.]ertigung einer [X.]otokopie relevanten Kosten (z.B. Anschaffungskosten und Lebensdauer des Geräts, Aufwand an Toner und Papier) konkret darlegen (vgl. BayObLG NJWE-[X.]ER 2001, 292).

Keine Bedenken bestehen dagegen, bei der im Rahmen des § 670 BGB gebotenen Schätzung der einem zum Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalt zu erstattenden Kopierkosten auf die [X.] nach Nummer 7000 Nr. 1 des [X.] zu § 2 Abs. 2 RVG (im [X.]olgenden Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG) abzustellen.

[X.]ür die notwendige Schätzung bietet die Höhe der [X.] in Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG eine tragfähige Grundlage. Die dort vorgesehene Pauschale von 0,50 € für die ersten 50 Kopien übersteigt zwar die Kosten, die bei der [X.]ertigung von Kopien beispielsweise in einem Copyshop entstehen. Sie berücksichtigt jedoch die marktüblichen Durchschnittspreise für die [X.]ertigung von Kopien, erhöht um die anteiligen Gemeinkosten des Erstattungsberechtigten (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 181). Mit ihr sollen neben den reinen Materialkosten auch alle weiteren mit der [X.]ertigung der Kopien verbundenen Aufwendungen abgegolten werden (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, [X.] und von ehrenamtlichen Richtern nach dem [X.] 25. Aufl. § 7 [X.] Rn. 7.20; [X.] [X.] § 7 Rn. 28). Hinzu kommt, dass außer in Nr. 7000 VV RVG inzwischen in allen gesetzlichen Kostenregelungen für die [X.]ertigung der ersten 50 Kopien ein erstattungsfähiger Pauschalbetrag von 0,50 € für jede Kopie vorgesehen ist (vgl. Nr. 9000 Nr. 1 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 [[X.]], Nr. 2000 Nr. 1 der Anlage zu § 4 Absatz 1 [X.], Nr. 31000 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 [KV GNotKG] und § 7 Abs. 2 [X.]).

Mit der in Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG enthaltenen [X.] steht damit ein brauchbarer Orientierungsmaßstab zur Verfügung, der die einem zum Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalt bei der [X.]ertigung von Kopien in seiner Kanzlei entstehenden Kosten angemessen abbildet und daher als Grundlage für die im Rahmen des Erstattungsanspruchs nach § 277 Abs. 1 Satz 1 [X.]am[X.]G iVm §§ 1835 Abs. 1 Satz 1, 670 BGB erforderliche Schätzung herangezogen werden kann.

Dose                     [X.]                          Günter

             Botur                                [X.]

Meta

XII ZB 159/12

04.12.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Kassel, 14. März 2012, Az: 3 T 108/12, Beschluss

§ 277 Abs 1 S 1 FamFG, § 1835 Abs 1 S 1 BGB, Nr 7000 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.12.2013, Az. XII ZB 159/12 (REWIS RS 2013, 576)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 576

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10 U 579/15

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