Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.07.2015, Az. B 1 KR 50/15 B

1. Senat | REWIS RS 2015, 7586

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulassungsgrund - Verfahrensmangel - Amtsermittlungsgrundsatz - Beweisanregung - Beweisantrag - Fehlen der Entscheidungsgründe


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 8. April 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, sie mit einer Liposuktionsbehandlung zu versorgen, bei der [X.] und dem [X.] erfolglos geblieben. Das L[X.] hat die zuletzt auf Erstattung von 13 010,14 Euro Kosten einer während des Berufungsverfahrens in drei Behandlungsschritten durchgeführten Liposuktion zur Behandlung ihres Lipödems an Armen und Beinen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das L[X.] hat ua ausgeführt, eine Kostenerstattung sei ausgeschlossen, weil die Liposuktion nicht Gegenstand einer Sachleistung der [X.]n sein könne. Es fehle an einer erforderlichen positiven Empfehlung des Gemeinsamen [X.]. Es stehe bislang nicht fest, dass die Liposuktion dem [X.] des § 2 Abs 1 [X.] [X.]B V entspreche. Anhaltspunkte für eine grundrechtsorientierte Auslegung oder ein Systemversagen bestünden nicht (Beschluss vom 8.4.2015).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im L[X.]-Beschluss.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] [X.]G zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.]G abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten [X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G.

4

1. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.]G und § 128 Abs 1 S 1 [X.]G (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB B[X.] SozR 1500 § 160a [X.], 24, 36). Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.]G stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des L[X.] wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB B[X.] Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; B[X.] Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des B[X.] die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu B[X.] Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 97/05 B - RdNr 6; B[X.] SozR 4-1500 § 160 [X.] RdNr 11 mwN).

5

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - das L[X.] von der ihm durch § 153 Abs 4 S 1 [X.]G eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 [X.] [X.]G muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das L[X.] keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, innerhalb der vom L[X.] gesetzten Frist diesem ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl B[X.] SozR 3-1500 § 160 [X.]1 S 52; B[X.] Beschluss vom 16.1.2013 - B 1 KR 25/12 B - Juris RdNr 5; B[X.] Beschluss vom 3.12.2014 - B 1 KR 5/14 B - RdNr 6; B[X.] Beschluss vom 6.6.2001 - B 2 U 117/01 B - Juris RdNr 2; B[X.] Beschluss vom 27.12.2011 - [X.] R 253/11 B - Juris Rd[X.]).

6

Die Klägerin legt keinen Verfahrensmangel in diesem Sinne dar. Sie benennt bereits keinen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag. Ein Beweisantrag muss unzweifelhaft erkennen lassen, dass der Antragsteller eine weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen für erforderlich hält. Der Tatsacheninstanz soll durch einen solchen Antrag vor der Entscheidung vor Augen geführt werden, dass der Kläger die gerichtliche Sachaufklärungspflicht in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion. Eine solche Warnfunktion fehlt bei [X.], die in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, und ihrem Inhalt nach lediglich als Anregungen zu verstehen sind, wenn sie nach Abschluss von Amts wegen durchgeführter Ermittlungen nicht mehr zu einem bestimmten Beweisthema als Beweisantrag aufgegriffen werden; eine unsubstantiierte Bezugnahme auf frühere Beweisantritte genügt nicht (vgl zum Ganzen B[X.] SozR 3-1500 § 160 Nr 9 [X.]1).

7

Die Klägerin legt nicht dar, sie habe nach Zugang der Anhörungsmitteilung einen solchen Beweisantrag gestellt. Sie trägt lediglich vor, sie habe auf die Anhörungsmitteilung hin gerügt, dass im gerichtlichen Verfahren bislang kein Sachverständigengutachten nach persönlicher Untersuchung eingeholt worden sei, und die Einholung eines solchen Gutachtens mit Schriftsatz vom 24.3.2015 "angeregt". Auch aus den erst nach Ablauf der Begründungsfrist postalisch eingegangenen - und damit nicht berücksichtigungsfähigen - Anlagen zur fristgemäß per Telefax übersandten Beschwerdebegründung ergibt sich im Übrigen nichts anderes, sondern - wie die Klägerin selbst formuliert - nur eine (Beweis-)Anregung. Auch setzt sie sich in der Beschwerdebegründung nicht damit auseinander, warum dem L[X.] nach seiner Rechtsauffassung diese Tatsachenbehauptung als klärungsbedürftig hätte erscheinen müssen.

8

Soweit die Klägerin mit ihrer Darlegung, das L[X.] sei nicht auf die Urteile des Hessischen L[X.] vom 5.2.2013 (L 1 KR 391/12) und des [X.] Chemnitz vom 1.3.2012 ([X.] KR 189/10) eingegangen, sinngemäß das Fehlen von Entscheidungsgründen rügt, legt sie deren Fehlen nicht schlüssig dar. Entscheidungsgründe fehlen nicht bereits dann, wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (vgl B[X.] SozR [X.]9 zu § 128 [X.]G; B[X.] Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN). Infolgedessen legt eine Beschwerdebegründung das Fehlen von Gründen nicht schlüssig dar, wenn sie lediglich geltend macht, das L[X.] habe weitere, konkret benannte rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte behandeln müssen. Im [X.] greift sie damit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Richtigkeit der Entscheidung an. Solches Vorbringen reicht indes nicht aus, um die Revision zuzulassen (vgl B[X.] SozR 1500 § 160a [X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 65/05 B - Juris RdNr 15; B[X.] Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN). So liegt es hier.

9

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 1 KR 50/15 B

24.07.2015

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Würzburg, 28. Januar 2014, Az: S 11 KR 598/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 128 Abs 1 SGG, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.07.2015, Az. B 1 KR 50/15 B (REWIS RS 2015, 7586)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7586

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