Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2018, Az. 4 AZR 443/17

4. Senat | REWIS RS 2018, 6184

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Gegenstand

Auslegung einer Bezugnahmeklausel - Betriebliche Übung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. August 2017 - 6 [X.]/15 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Februar 2015 - 7 [X.] 1216/14 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, welche Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden und in diesem Zusammenhang über einen Entgeltdifferenzanspruch für den Monat November 2013.

2

Die nicht tarifgebundene Klägerin ist seit 1994 bei der [X.] und ihren Rechtsvorgängerinnen im Klinikum in der [X.] 27 in [X.] beschäftigt. Das Klinikum wurde ua. vom [X.] und dem diesem nachfolgenden Bkreis in Form eines Eigenbetriebs als „[X.]-Klinikum“ geführt. Im Arbeitsvertrag vom 28. August 1995 heißt es ua.:

        

„§ 2   

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag ([X.]) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.]) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.“

3

Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin wurde im Jahr 2005 in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) übergeleitet.

4

[X.] ging das Klinikum im Wege eines Betriebsübergangs auf die S-Klinikum Gmb[X.] über, die zunächst weiterhin den [X.] anwandte.

5

Mit Schreiben vom 20. August 2010 teilte die S-Klinikum Gmb[X.] der Klägerin mit, dass rückwirkend zum 1. Januar 2010 der [X.] ([X.] M/W/[X.]) und zum 1. Juli 2010 der Konzern-Entgelt-Tarifvertrag ([X.]) sowie damit verbundene haustarifliche Sonderregelungen in [X.] getreten seien und das Arbeitsverhältnis „aus diesem Grund“ in das neue Tarifrecht „übergeleitet“ werde. Mit weiterem Schreiben im Oktober 2010 wurde die Klägerin unter Bezugnahme auf den [X.] M/W/[X.] und den [X.] sowie den Konzern-Überleitungs-Tarifvertrag (Ü-TV M/W/[X.]), den Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung (TV-EUmw M/W/[X.]), den [X.] (A-TV M/W/[X.]) bei Auszubildenden und den Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung ([X.]) über die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts informiert. Seitdem wurden diese Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angewandt.

6

Mit Wirkung zum 1. November 2013 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund eines weiteren Betriebsübergangs auf die Beklagte, damals firmierend unter „[X.] B mb[X.]“ über.

7

Die Beklagte betrieb schon vor Übernahme des [X.]-Klinikums in [X.], in der [X.] 4, das Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Am 28. März 2006 hatte sie mit der [X.] ([X.]) einen [X.]austarifvertrag ([X.]-[X.]TV) abgeschlossen.

8

Mit Schreiben vom 7. November 2013 informierte die Beklagte die Klägerin über den Betriebsübergang und teilte mit, bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen und Arbeitsverhältnissen mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das jeweils anwendbare Tarifrecht würden „die bisherigen tarifvertraglichen Regelungen von [X.] durch den Tarifvertrag von [X.] abgelöst“. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2013 widersprach die Klägerin der Anwendung des [X.]-[X.]TV und beanspruchte auch für die [X.] nach dem 1. November 2013 die Anwendung der [X.]-Tarifverträge.

9

Die Beklagte zahlte an die Klägerin für den Monat November 2013 ein Bruttoarbeitsentgelt i[X.]v. 2.717,85 Euro. Bei Anwendung der [X.]-Tarifverträge hätte ihr ein Arbeitsentgelt i[X.]v. 2.768,73 Euro brutto zugestanden.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. Februar 2014 forderte die Klägerin die Beklagte ua. zur Zahlung von Differenzbeträgen auf.

Mit Wirkung zum 1. Februar 2017 schloss die Klägerin mit der [X.] einen neuen Arbeitsvertrag, der eine abweichende Bezugnahmeklausel enthält.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis richte sich weiter nach den für den [X.]-Konzern geltenden Tarifverträgen. Das ergebe sich aus einer konkludenten Änderung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel oder aus einer betrieblichen Übung, da seit dem [X.] die tarifvertraglichen Regelungen des [X.]-Konzerns auf ihr Arbeitsverhältnis angewandt worden seien.

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass der [X.] für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur ([X.] M[X.]F[X.]/W/[X.]),

                 

der Entgelt-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur ([X.] M[X.]F[X.]/W/[X.]),

                 

der Überleitungs-Konzern-Tarifvertrag (Ü-TV [X.]) für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur,

                 

der Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur ([X.]/W/[X.]),

                 

der Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur ([X.])

                 

in der [X.] vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Januar 2017 Inhalt des zwischen ihr und der [X.] bestehenden Arbeitsverhältnisses war;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 50,88 Euro brutto nebst Zinsen i[X.]v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit erfolgtem Betriebsübergang seien die für den [X.]-Konzern geltenden Tarifverträge gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch den [X.]-[X.]TV abgelöst worden. Die Norm erfasse nicht nur tarifgebundene Arbeitnehmer, sondern gelte auch für sog. Außenseiter. Überdies finde der [X.]-[X.]TV auch aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Bezugnahmeklausel sei eine sog. Tarifwechselklausel.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die zulässige Feststellungsklage ist unbegründet. Die Tarifverträge des [X.]-Konzerns finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. De[X.]alb besteht auch der auf ihrer Basis geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht.

I. Die Klage ist zulässig. Der Antrag zu 1. ist als sog. Elementenfeststellungsantrag ([X.]. nur [X.] 1. Juli 2009 - 4 [X.] - Rn. 26 ff., [X.]E 131, 176; 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 128, 165) zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche und auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (st. Rspr., zB [X.] 25. Januar 2017 - 4 [X.] - Rn. 16) besondere Feststellungsinteresse. Durch die gerichtliche Entscheidung kann der Streit der Parteien über die - dynamische - Anwendbarkeit der im Antrag konkret bezeichneten Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien im Umfang des gestellten Antrags geklärt werden (zu diesem Erfordernis [X.] 21. April 2010 - 4 [X.] - Rn. 21 mwN).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Tarifverträge des [X.]-Konzerns finden weder aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme noch aufgrund einer betrieblichen Übung oder konkludenten Vertragsänderung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das [X.] angenommen, die im Antrag genannten Tarifverträge des [X.]-Konzerns fänden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen [X.] Anwendung. Die Parteien haben arbeitsvertraglich vielmehr die tariflichen Regelungen des [X.]/[X.] zeitdynamisch in Bezug genommen. Das ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags (zu den Maßstäben der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 15, [X.]E 134, 283).

a) Die [X.] verweist auf den [X.] und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der [X.] ([X.]) jeweils geltenden Fassung und „außerdem“ auf die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge. Zum 1. Oktober 2005 wurde der [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Spiegelstrich 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-[X.]) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) vom 13. September 2005 ersetzt. Danach enthält der Arbeitsvertrag der Parteien nunmehr eine Bezugnahme auf den [X.]/[X.] und den TVÜ-[X.] (vgl. nur [X.] 16. Mai 2012 - 4 [X.] - Rn. 22).

b) Die [X.] der Beklagten werden von der [X.] nicht erfasst.

aa) Die [X.] sind keine den [X.] „ergänzenden, ändernden oder ersetzenden“ Tarifverträge iSv. § 2 des Arbeitsvertrags. Nach dem Wortlaut der Bezugnahmeregelung ist das Arbeitsverhältnis den Tarifbestimmungen des „[X.] ([X.]) … in der für den Bereich der [X.] ([X.]) jeweils geltenden Fassung“ unterstellt worden. Damit sollten nur die von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes abgeschlossenen ([X.] in Bezug genommen werden. Dies können zwar auch firmenbezogene [X.] sein. Sie müssen dann aber unter Beteiligung der [X.] geschlossen worden sein. Nicht von der [X.] erfasst sind hingegen [X.] eines privaten Arbeitgebers. Diese sind - jedenfalls arbeitgeberseitig - nicht von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes abgeschlossen worden (vgl. [X.] 16. Mai 2018 - 4 [X.] - Rn. 19; 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 15).

bb) Eine Bezugnahme auf die [X.] ergibt sich auch nicht aus § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags, wonach „außerdem … die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung“ finden sollen.

(1) Dafür spricht bereits der Wortlaut.

(a) Der Begriff „außerdem“ bedeutet „überdies“, „darüber hinaus“ und wird synonym verwendet iSv. „auch“, „ferner“, „daneben“, „des Weiteren“, „im Übrigen“, „zusätzlich“ ([X.] [X.]). Die Wortwahl legt nahe, dass mit dieser ergänzenden Bezugnahmeregelung Tarifverträge erfasst werden sollten, die „darüber hinaus“ und „neben“ dem [X.], also „zusätzlich“ zu diesem zur Anwendung kommen können. Dabei kann es sich allerdings nur um Tarifverträge handeln, deren inhaltliche Regelungsbereiche sich nicht mit denen des [X.] überschneiden. Andernfalls wären sie nicht „überdies“ und „darüber hinaus“, sondern vielmehr „anstelle“ des [X.] anwendbar ([X.] 16. Mai 2018 - 4 [X.] - Rn. 22; vgl. auch [X.] 15. Juni 2016 - 4 [X.] 485/14 - Rn. 20; 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 17 mwN).

(b) Dieses Verständnis wird durch die Bezugnahme auf die „jeweils geltenden sonstigen einschlägigen“ Tarifverträge bestätigt. Der Verweis auf die „jeweils“ geltenden Tarifverträge regelt lediglich die zeitliche Dynamik der Bezugnahme, sagt aber nichts über deren inhaltliche Reichweite aus. Der Hinweis auf die für den Arbeitgeber „geltenden sonstigen einschlägigen“ Tarifverträge kann vor dem Hintergrund der in Satz 1 der [X.] vereinbarten - grundsätzlichen - Regelung mangels weiterer Anhaltspunkte nicht als „Öffnungsklausel“ für [X.] verstanden werden. Ein verständiger und redlicher Vertragspartner des Arbeitgebers als des Verwenders der Klausel darf diese Formulierung als - lediglich - inhaltliche Einschränkung der Verweisung, dh. dahingehend verstehen, dass es sich insoweit nur um solche „sonstigen“, dh. außerdem, „sonst noch“ anwendbaren Tarifverträge handeln sollte, die sich in ihrem inhaltlichen Regelungsbereich von denen des [X.] unterscheiden und diese nicht „verdrängen“. Andernfalls käme der Regelung in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags - was die Beklagte offenbar annimmt - die Funktion einer Tarifwechselklausel zu. Eine kleine dynamische Verweisung kann jedoch über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung (Tarifwechselklausel) ausgelegt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen ergibt (vgl. nur [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] 706/09 - Rn. 45 mwN, [X.]E 138, 269; 29. August 2007 - 4 [X.] 767/06 - Rn. 17, [X.]E 124, 34). Solche sind dem Wortlaut der [X.] im [X.] nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen. Allein der Umstand, dass die fraglichen [X.] mit derselben [X.] abgeschlossen worden sind, genügt insoweit nicht. Die Parteien haben durch die von ihnen vereinbarte [X.] zum Ausdruck gebracht, dass sich ihre Arbeitsbedingungen an den zwischen bestimmten Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifnormen orientieren sollen. Um solche handelt es sich gerade nicht, wenn nur eine der Tarifvertragsparteien an dem betreffenden Tarifvertrag mitgewirkt hat.

(2) Auch die Systematik der [X.] stützt dieses Verständnis. In Satz 1 haben die Arbeitsvertragsparteien eine sog. kleine dynamische [X.] vereinbart. Diese bezieht sich auf ([X.] bestimmter Tarifvertragsparteien. Von dieser grundsätzlichen Regelung ausgehend kann Satz 2, der mit dieser sowohl systematisch als auch sprachlich („außerdem“) verknüpft ist, nur dahingehend verstanden werden, er ergänze Satz 1 inhaltlich, trete aber nicht zu diesem in Konkurrenz und verdränge ihn gegebenenfalls ([X.] 16. Mai 2018 - 4 [X.] - Rn. 24).

2. Das [X.] hat hingegen rechtsfehlerhaft angenommen, die im Klageantrag genannten Tarifverträge seien aufgrund betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine auf die Anwendung eines Tarifvertrags gerichtete betriebliche Übung neben einer auf einen anderen Tarifvertrag verweisenden arbeitsvertraglichen [X.] überhaupt entstehen kann. Im Streitfall fehlt es bereits an Anhaltspunkten für die Annahme, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe bei der Anwendung der [X.]-Tarifverträge mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] können Tarifverträge zwar im Grundsatz im Wege einer betrieblichen Übung in Bezug genommen werden (zB [X.] 9. Mai 2007 - 4 [X.] 275/06 - Rn. 26 mwN; 19. Januar 1999 - 1 [X.] 606/98 - zu [X.]). Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden ([X.] 24. Februar 2016 - 4 [X.] 990/13 - Rn. 19; 23. März 2011 - 4 [X.] 268/09 - Rn. 59). Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen ([X.]. nur [X.] 24. Februar 2016 - 4 [X.] 990/13 - Rn. 20; 23. März 2011 - 4 [X.] 268/09 - Rn. 60 mwN). Dabei ist für die Entstehung eines Anspruchs entscheidend, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte ([X.] 23. März 2011 - 4 [X.] 268/09 - aaO; 17. März 2010 - 5 [X.] 317/09 - Rn. 20, [X.]E 133, 337). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat ([X.] 23. März 2011 - 4 [X.] 268/09 - aaO; 18. April 2007 - 4 [X.] 653/05 - Rn. 43 mwN).

b) Eine betriebliche Übung kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer - möglichen - Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war ([X.] 10. Dezember 2013 - 3 [X.] 832/11 - Rn. 62; 18. April 2007 - 4 [X.] 653/05 - Rn. 43; 24. November 2004 - 10 [X.] 202/04 - zu [X.] (3) der Gründe, [X.]E 113, 29). Eine betriebliche Übung entsteht auch dann nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich aufgrund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte ([X.] 16. Juni 2004 - 4 [X.] 417/03 - zu [X.] (1) der Gründe; 16. Oktober 2002 - 4 [X.] 467/01 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 103, 141). Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen, und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden ([X.] 10. Dezember 2013 - 3 [X.] 832/11 - aaO; 18. April 2007 - 4 [X.] 653/05 - aaO mwN).

c) In Anwendung dieser Maßstäbe hat das [X.] die Entstehung einer betrieblichen Übung zu Unrecht angenommen.

aa) Die Beurteilung, ob die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen die Annahme einer betrieblichen Übung rechtfertigen oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. nur [X.] 24. Februar 2016 - 4 [X.] 990/13 - Rn. 18 mwN; grundlegend 28. Juni 2006 - 10 [X.] 385/05 - Rn. 39 mwN, [X.]E 118, 360).

bb) Im Streitfall fehlt es schon an Anhaltspunkten im Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten, aufgrund derer die Klägerin davon ausgehen konnte, die Tarifverträge des [X.]-Konzerns und die daraus resultierenden Leistungen sollten ihr unabhängig von einer - vermeintlichen - Rechtspflicht auf Dauer gewährt werden. Zwar wandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Tarifverträge ab August 2010 an, sie ging aber ausweislich ihrer Schreiben vom 20. August 2010 sowie von Oktober 2010 davon aus, dass sie aufgrund der Einbeziehung des [X.] in den Geltungsbereich der [X.] „[X.]“ zu deren Anwendung verpflichtet sei. Das wird insbesondere aus ihrer Mitteilung vom 20. August 2010 über das Inkrafttreten der neuen Tarifverträge deutlich, in der sie weiter ausführt, dass „aus diesem Grund“ die „Überleitung“ des Arbeitsverhältnisses „in dieses neue Tarifrecht“ erforderlich sei. Soweit sie dieses Schreiben auch an nicht tarifgebundene Arbeitnehmer versandt hat, ging sie ersichtlich - wenn auch irrtümlich - davon aus, die Anwendbarkeit der [X.]-Tarifverträge ergäbe sich aus einer entsprechenden arbeitsvertraglichen [X.]. Anhaltspunkte dafür, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe die [X.]-Tarifverträge ohne jegliche Rechtspflicht auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer anwenden wollen, sind - auch aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers - nicht erkennbar und von der Klägerin nicht dargelegt worden.

3. Die Entscheidung des [X.]s erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Durch die - von der Klägerin unwidersprochen gebliebene - Anwendung der [X.]-Tarifverträge durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten ist es nicht zu einer konkludenten Vertragsänderung gekommen. Aus den vorgenannten Gründen kann deren Verhalten schon nicht als Angebot auf Änderung der arbeitsvertraglichen [X.] verstanden werden. Ob in der schlichten Weiterarbeit der Klägerin eine Annahmeerklärung zu sehen wäre, welche insbesondere zur Abänderung der schriftlich vereinbarten [X.] geführt hätte (vgl. dazu [X.] 1. August 2001 - 4 [X.] 129/00 - Rn. 45 ff., [X.]E 98, 293), bedarf im Streitfall de[X.]alb keiner Entscheidung.

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Kiefer    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 443/17

11.07.2018

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Magdeburg, 18. Februar 2015, Az: 7 Ca 1216/14, Urteil

§ 611 BGB, TVöD, BAT, TVÜ-VKA

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2018, Az. 4 AZR 443/17 (REWIS RS 2018, 6184)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6184

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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