Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.03.2021, Az. XII ZB 445/20

12. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 7530

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Gegenstand

Unterbringungsverfahren: Umfang der Anhörungspflicht bei Nichteinlassung des Betroffenen im Rahmen der persönlichen Anhörung


Leitsatz

Zum Umfang der Anhörungspflicht, wenn sich der Betroffene im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nicht zum Verfahrensgegenstand einlässt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.] vom 28. September 2020 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Gründe

I.

1

Der Betroffene wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine [X.].

2

Bei dem Betroffenen besteht eine langjährig bekannte paranoide Schizophrenie, die bei eigenmächtiger Absetzung der Medikation zur Eskalation seiner psychischen Verfassung mit Eigengefährdung sowie Bedrohungen und tätlichen Übergriffen auf Dritte führt. Für ihn ist seit langem eine Betreuung eingerichtet, die unter anderem die Aufgabenbereiche der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung umfasst. Auf Antrag des Betreuers ist wiederholt die geschlossene Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung genehmigt worden. Zuletzt hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 6. August 2020 die geschlossene Unterbringung bis einschließlich 16. Oktober 2020 und die Einwilligung des Betreuers in eine [X.] für die Dauer von sechs zusammenhängenden Wochen genehmigt, verbunden mit der Auflage, bei einer Unterbringung über den 18. September 2020 hinaus zuvor unter Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attests über den bisherigen Behandlungsverlauf und die beabsichtigte weitere Behandlung zu berichten. Dieser Beschluss ist Gegenstand des Parallelverfahrens [X.] 430/20. Vorliegend hat der Betreuer eine Abänderung der Genehmigung der Einwilligung in die [X.] beantragt, weil ein Medikament in der genehmigten Dosierung nicht erhältlich war und ein bislang nicht gerichtlich genehmigtes Medikament im Rahmen einer notfallmäßigen Behandlung beim Betroffenen besser angeschlagen hatte.

3

Das Amtsgericht, das für den Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellt, ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt und den Betroffenen in Anwesenheit des Verfahrenspflegers in der geschlossenen Unterbringung persönlich angehört hatte, hat durch Beschluss vom 15. September 2020 den Beschluss vom 6. August 2020 dahingehend abgeändert, dass nunmehr für vier zusammenhängende Wochen die Einwilligung in eine [X.] mit den vom Sachverständigen vorgeschlagenen Medikamenten genehmigt werde. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Feststellung, dass die Beschlüsse des Amts- und des [X.]s ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

5

Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall einer - hier vorliegenden - Erledigung einer Unterbringungsmaßnahme nach § 312 Satz 1 Nr. 3 FamFG aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2019 - [X.] 2/19 - FamRZ 2019, 1181 Rn. 6 mwN). Nach der im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 62 Abs. 1 FamFG ist der Feststellungsantrag auch im Übrigen zulässig (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2019 - [X.] 2/19 - FamRZ 2019, 1181 Rn.7 mwN).

6

In der Sache ist die Rechtsbeschwerde indessen nicht begründet.

7

1. Das Beschwerdegericht hat - unter Berücksichtigung seiner in Bezug genommenen weiteren Entscheidung vom 23. September 2020 - zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen der Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung des Betroffenen bis zum 16. Oktober 2020 nach § 1906 Abs. 1 BGB lägen vor. Ausweislich der vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachten leide der Betroffene seit langem an paranoider Schizophrenie, derzeit in einer akuten Phase. Er befinde sich in [X.] psychotischen Zustand und sei außerhalb eines schützenden Umfelds als hilflose, verwirrte Person ohne hinreichende Selbstversorgungskompetenz bei unzureichender Steuerungsfähigkeit anzusehen. Eine medikamentöse Behandlung sei unverzichtbar, nicht nur, weil ohne Behandlung eine erhöhte Suizidgefahr bestehe, sondern auch, weil der Betroffene ansonsten infolge der fortbestehenden handlungsbestimmenden psychotischen Verkennung sich selbst und auch anderen gesundheitlichen Schaden zufügen werde. Der Betroffene lehne eine Medikation ab und habe sie bislang bei jeder sich bietenden Gelegenheit abgesetzt. Eine Krankheits- oder Behandlungseinsicht bestehe nicht, da der Betroffene in unbehandeltem Zustand krankheitsbedingt zu keiner unabhängigen Willens- und abwägenden Meinungsbildung fähig sei. Die erforderliche konsequente Medikation könne daher nur im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung sichergestellt werden. Da nur durch die medikamentöse Behandlung eine Besserung des Zustands des Betroffenen erreicht werden könne, sei die geschlossene Unterbringung unentbehrlich und auch verhältnismäßig. Die Dauer der Unterbringung beruhe auf einer dahingehenden Empfehlung des Sachverständigen. Für den über die [X.] von zunächst sechs Wochen hinausgehenden Zeitraum ab 18. September 2020 sei ein weiteres Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden, das der Sachverständige unter dem 29. August 2020 zwischenzeitlich bereits erstattet habe.

8

Danach lägen die Voraussetzungen für die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme gegen den Willen des Betroffenen gemäß § 1906 a Abs. 1 BGB für einen zusammenhängenden Zeitraum von weiteren vier Wochen vor. Die [X.] mit nunmehr Ciatyl-Z Acuphase und Diazepam sei dringend erforderlich und aus ärztlicher Sicht alternativlos, da nur so die Aussicht bestehe, dass sich [X.] psychotische Symptomatik, welche gegenwärtig das Fühlen, Denken und Handeln des Betroffenen mit durchgehender und hochgradiger Verkennung der Realität nahezu vollständig bestimme, deutlich [X.]. Die krankheitsbedingten Einschränkungen der Kritik- und Urteilsfähigkeit und die daraus resultierende derzeit nicht bestehende Willensfähigkeit führten dazu, dass der Betroffene über das Für und Wider einer Behandlung nicht entscheiden könne. Ihm fehle der freie Wille. Wiederholt sei vergeblich versucht worden, den Betroffenen von der Notwendigkeit der Einnahme der empfohlenen Medikamente zu überzeugen. Der Betroffene lehne indessen jedwede Medikation ab. Der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme überwiege die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich; der Sachverständige habe insoweit die empfohlene Medikation dezidiert dargestellt und begründet und dabei Nutzen und Nachteile im Einzelnen abgewogen. Die [X.] sei auch zur Besserung des Krankheitsbildes geeignet und verhältnismäßig, ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Damit sei die Maßnahme auch im Rahmen einer Gesamtabwägung angemessen.

9

Von einer erneuten persönlichen Anhörung sei nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen worden, nachdem der Betroffene zuletzt vor drei Tagen im Beisein seines Verfahrenspflegers richterlich angehört worden sei und Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit einer nochmaligen Anhörung des Betroffenen nicht ersichtlich seien.

2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

a) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das vom Amtsgericht eingeholte ergänzende psychiatrische Sachverständigengutachten vom 29. August 2020 über die Änderung der [X.] sei dem Betroffenen nicht in seinem ganzen Wortlaut zur Verfügung gestellt worden.

Zwar setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten in seinem vollen Wortlaut dem Betroffenen im Hinblick auf seine [X.] (§ 316 FamFG) grundsätzlich rechtzeitig vor dem Anhörungstermin zu überlassen, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zu diesem und den sich hieraus ergebenden Umständen zu äußern (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 4. März 2020 - [X.] 485/19 - FamRZ 2020, 782 Rn. 8 mwN). Indessen vermag die Rechtsbeschwerde keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass das vollständige Gutachten vom 29. August 2020 dem Betroffenen vor dem Anhörungstermin am 10. September 2020 nicht übermittelt worden sein sollte.

Das Amtsgericht hat am 2. September 2020 die Übermittlung einer (vollständigen) Kopie des Gutachtens (Umfang: 13 Seiten) an den Betroffenen per Fax in die Klinikstation verfügt mit Zusatz für die Klinik: „Das [X.] muss dem Betroffenen ausgehändigt werden!“ Diese Verfügung wurde noch am gleichen Tag ausgefertigt. Die entsprechende Bestätigung der Faxübermittlung an das Stationsfax der Klinik weist eine erfolgreiche Übertragung von 16 Seiten aus. Weder der Betroffene noch der Verfahrenspfleger haben geltend gemacht, der Betroffene habe das Gutachten nicht erhalten. Vielmehr hat der Betreuer ausweislich des [X.] vom 10. September 2020 berichtet, dass er die - in dem genannten Gutachten empfohlene - Ausweitung der Betreuung auf Vermögensangelegenheiten kurz vor dem Anhörungstermin mit dem Betroffenen besprochen habe.

b) Ebenso ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, die Anhörung genüge nicht den Anforderungen des § 319 FamFG, weil ein Gespräch mit dem Betroffenen nicht zustande gekommen sei.

Gemäß § 319 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor einer Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine [X.] persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Diese Pflicht zur persönlichen Anhörung besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Allerdings darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug rechtmäßig vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 7. Februar 2018 - [X.] 334/17 - FamRZ 2018, 707 Rn. 15 mwN). Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hier vor, weil die Anhörung im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist, auch wenn sich der Betroffene in dem vom Amtsgericht anberaumten Anhörungstermin auf ein persönliches Gespräch über den Verfahrensgegenstand nicht eingelassen hat.

aa) Für die Ausgestaltung der persönlichen Anhörung im Einzelnen enthält das Gesetz keine Vorgaben. In § 319 Abs. 2 FamFG heißt es lediglich, dass das Gericht den Betroffenen über das weitere Verfahren unterrichtet. Unabhängig davon, ob § 34 FamFG auch im Rahmen des § 319 FamFG Anwendung findet (zur Anwendbarkeit im Rahmen des § 278 FamFG vgl. Senatsbeschluss vom 2. Juli 2014 - [X.] 120/14 - FamRZ 2014, 1543 Rn. 11 ff.), ergeben sich aus § 34 FamFG jedenfalls keine weiteren Details über die Gestaltung der Anhörung. Der Umfang der persönlichen Anhörung bemisst sich daher unter Beachtung des § 26 FamFG nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. [X.]/Weinreich/[X.] FamFG 6. Aufl. § 319 Rn. 11).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist insoweit nicht davon auszugehen, dass eine persönliche Anhörung zwingend ein Gespräch mit dem Betroffenen über den Verfahrensgegenstand erfordert. So sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, den Betroffenen im Rahmen der persönlichen Anhörung zu einem solchen Gespräch zu zwingen. Denn die Regelungen des § 319 Abs. 5 bis 7 FamFG ermöglichen lediglich, den Betroffenen zwangsweise zur Anhörung vorführen zu lassen, während gemäß § 34 Abs. 3 FamFG eine Beendigung des Verfahrens ohne persönliche Anhörung erreicht werden kann. Zudem kann eine Äußerung des Betroffenen im Rahmen der persönlichen Anhörung auch nonverbal erfolgen (für die Anhörung zur [X.] vgl. etwa Senatsbeschluss vom 27. Juni 2018 - [X.] 601/17 - FamRZ 2018, 1602 Rn. 11 mwN).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Regelung. Die persönliche Anhörung des Betroffenen nach § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG soll einerseits den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sichern und andererseits sicherstellen, dass sich das Gericht vor der Entscheidung einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, durch den es in die Lage versetzt wird, das eingeholte Sachverständigengutachten zu würdigen. Schließlich soll § 319 Abs. 1 FamFG verhindern, dass es zu einer Unterbringung ohne persönlichen Kontakt zwischen Gericht und dem Betroffenen kommt (zur persönlichen Anhörung des Betroffenen gemäß § 278 Abs. 1 FamFG vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts vgl. Senatsbeschluss vom 4. November 2020 - [X.] 344/20 - FamRZ 2021, 224 Rn. 10 mwN).

Soweit die persönliche Anhörung danach im Interesse der Verfahrensrechte und zum Schutz des Betroffenen erfolgt, ist davon auszugehen, dass es dem Betroffenen freisteht, ob und inwieweit er sich zum Verfahrensgegenstand äußern will. Äußert er sich nicht, ist das Verfahren insoweit so fortzuführen, als ob der Betroffene persönlich angehört worden wäre, da ihm Gelegenheit hierzu gegeben worden ist (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 192). Der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör kann zudem auch durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers gesichert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 4. November 2020 - [X.] 344/20 - FamRZ 2021, 224 Rn. 14 mwN zu § 278 FamFG).

Soweit die persönliche Anhörung danach (auch) der Aufklärung des Sachverhalts dient, hat das Gericht unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Amtsermittlung nach § 26 FamFG nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen, ob ein persönliches Gespräch mit dem Betroffenen über den Verfahrensgegenstand zur Sachverhaltsaufklärung unabdingbar ist, oder ob nach Ausschöpfung aller sonstigen Erkenntnismöglichkeiten eine dem Sach- und Streitstand entsprechende Entscheidung auch ohne eine Äußerung des Betroffenen zum Verfahrensgegenstand im Anhörungstermin getroffen werden kann.

bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Beschwerdegericht vorliegend zutreffend davon ausgegangen, dass die persönliche Anhörung des Betroffenen bereits im ersten Rechtszug ordnungsgemäß erfolgt ist.

Das Amtsgericht hat für den Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellt, ein Sachverständigengutachten eingeholt und nach Übermittlung dieses Gutachtens an den Betroffenen diesen in Anwesenheit des Verfahrenspflegers zur Anhörung in der geschlossenen Unterbringung aufgesucht. Zur Anhörung hat es auch den behandelnden Oberarzt des Betroffenen hinzugezogen. Dieser berichtete, dass der Betroffene, der in der letzten gerichtlichen Anhörung die [X.] tätlich angegriffen hatte, am Vortag unter Hinzuziehung der Polizei fixiert werden musste, weil er anders nicht unter Kontrolle zu halten gewesen sei. Der Betroffene sei weiterhin außerordentlich angespannt und habe eine ganz niedrige Reizschwelle, so dass für die Anhörung mit einer erheblichen Impulsdurchbrüchigkeit zu rechnen sei. Für die Sicherheit der Anwesenden könne dabei nicht garantiert werden. Gleichwohl hat das Amtsgericht den Betroffenen auf Distanz kurz in Augenschein genommen. Dabei zeigte sich der Betroffene an einem Gespräch nicht interessiert, sondern fragte stattdessen, ob er endlich ins Bett könne. Zudem hat das Amtsgericht hier ersichtlich alle anderweitigen Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Nachdem auch die Rechtsbeschwerde nicht darlegen kann, dass ein Gespräch mit dem Betroffenen über den Verfahrensgegenstand zur weiteren Sachverhaltsaufklärung unabdingbar gewesen wäre, lässt das Vorgehen des Amtsgerichts die Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften nicht erkennen.

Auf den weiteren Verlauf des Verfahrens hat das Amtsgericht entgegen den Behauptungen der Rechtsbeschwerde im Rahmen des Anhörungstermins ausweislich des Anhörungsprotokolls hingewiesen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene eine Vertrauensperson zum Verfahren hätte hinzuziehen wollen, sind weder dargelegt noch ersichtlich. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist daher auch nicht davon auszugehen, dass das Amtsgericht den Betroffenen auf diese Möglichkeit hätte hinweisen müssen.

cc) Dass von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren neue Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären, hat die Rechtsbeschwerde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lagen nach den Feststellungen des [X.] auch die Voraussetzungen für die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in die [X.] gemäß § 1906 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB vor.

Zwar weist die Rechtsbeschwerde insoweit zu Recht darauf hin, dass der Betreuer nach § 1906 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur einwilligen kann, wenn zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht wurde, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. September 2018 - [X.] 87/18 - FamRZ 2018, 1947 Rn. 18 ff.).

Das Beschwerdegericht hat hierzu festgestellt, dass wiederholt vergeblich versucht worden sei, den Betroffenen von der Notwendigkeit der Einnahme der empfohlenen Medizin zu überzeugen. Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, diese Feststellungen seien mit dem Akteninhalt nicht in Einklang zu bringen, übergeht sie, dass in den Akten über die persönliche Anhörung vor dem Amtsgericht am 6. August 2020 hinaus jedenfalls vier weitere erfolglose [X.] seitens des Betreuers, der behandelnden Ärzte und der gerichtlich bestellten Gutachter dokumentiert sind.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

      

[X.]     

      

Günter

      

Botur     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 445/20

24.03.2021

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Hamburg, 28. September 2020, Az: 309 T 180/20

§ 26 FamFG, § 319 FamFG, § 1906a Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.03.2021, Az. XII ZB 445/20 (REWIS RS 2021, 7530)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 1087-1088 REWIS RS 2021, 7530

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