Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.12.2017, Az. 5 AZR 118/17

5. Senat | REWIS RS 2017, 1205

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Gegenstand

Entgeltfortzahlung an Feiertagen


Leitsatz

1. § 12 EFZG (juris: EntgFG) verbietet nur Abweichungen von der Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen "zuungunsten" des Arbeitnehmers. Die Vorschrift verlangt - anders als § 4 Abs. 3 TVG - nicht, dass die vom Gesetz abweichende Regelung "zugunsten des Arbeitnehmers" erfolgt. Deshalb sind tarifliche Regelungen der Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen auch dann wirksam, wenn sie im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung nicht stets günstiger, sondern ambivalent oder neutral sind.

2. Ein Tarifvertrag, der bestimmt, dass Arbeitnehmer für jeden gesetzlichen Feiertag, der auf die Wochentage Montag bis Freitag fällt, einen Anspruch auf Gutschrift von 1/261 des individuellen Jahresarbeitszeitsolls haben, weicht nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer von der gesetzlichen Regelung der Entgeltfortzahlung an Feiertagen in § 2 Abs. 1 EFZG (juris: EntgFG) ab.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 24. November 2016 - 5 [X.]/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] für Feiertage.

2

Die Klägerin ist bei der [X.], einem Unternehmen des [X.], in [X.] als „Fachreferentin Finanzen“ in Teilzeit beschäftigt. Ihre Jahresarbeitszeit beträgt 1.018 Stunden. Die Arbeitsleistung ist nach dem [X.] vom 24. April 2013 an den Tagen Dienstag und Mittwoch mit jeweils 5,00 Stunden, am Donnerstag mit 6,00 Stunden und alle zwei Wochen am Montag mit 7,00 Stunden zu erbringen.

3

Auf das Arbeitsverhältnis finden [X.] der [X.] Tarifvertrag für Tätigkeiten der [X.] - verschiedener Unternehmen des [X.] ([X.] 6-TV) und der Basistarifvertrag zu den [X.]n Tarifverträgen und Funktionsspezifischen Tarifverträgen verschiedener Unternehmen des [X.] ([X.]) Anwendung.

4

Der [X.] 6-TV lautet auszugsweise:

        

Abschnitt VI          

        

Arbeitszeit            

                 
        

§ 37   

        

Individuelles regelmäßiges [X.]

        

(1)     

Als Vollzeitarbeit gilt eine - auf der Basis beidseitiger Freiwilligkeit - individuell vereinbarte Arbeitszeit von 1.827 bis 2.088 Stunden (individuelles regelmäßiges [X.]) ausschließlich der gesetzlichen Ruhepausen im Kalenderjahr (Abrechnungszeitraum). Als Teilzeitarbeit gilt ein - auf der Basis beidseitiger Freiwilligkeit - individuell vereinbartes regelmäßiges [X.] von weniger als 1.827 Stunden im Abrechnungszeitraum.

        

…       

        
        

(4)     

Wird das individuelle [X.] am Ende des Abrechnungszeitraums nicht erreicht (Minderzeit), werden bis zu 40 Stunden der Unterschreitung des individuellen [X.]s, höchstens aber der Unterschreitung des individuellen regelmäßigen [X.]s, auf den folgenden Abrechnungszeitraum übertragen. Dadurch erhöht sich das individuelle [X.] im folgenden Abrechnungszeitraum entsprechend. Durch Nachtarbeit entsteht keine Überzeitarbeit. Ein weiterer Übertrag erfolgt nicht, wenn das dadurch erhöhte individuelle [X.] in diesem Abrechnungszeitraum nicht erreicht wird.

                          
        

§ 38   

        

Überzeit

        

(1)     

Überzeit ist die [X.], die vom Arbeitnehmer auf Anordnung über das individuelle regelmäßige [X.] abzüglich des Vortrags nach § 39 Abs. 5 - mindestens jedoch über 1.827 Stunden - geleistet wurde, einschließlich der [X.], die nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zu verrechnen bzw. anzurechnen ist.

        

…       

        
        

§ 39   

        

Arbeitszeitkonto

        

(1)     

Für Arbeitnehmer wird ein Arbeitszeitkonto geführt, in dem die geleisteten [X.]en und die nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zu verrechnenden bzw. anzurechnenden [X.]en fortlaufend erfasst werden. Das Arbeitszeitkonto dient auch als arbeitszeitrechtliche Grundlage für das Entgelt.

        

…       

        
        

§ 41   

        

Arbeitszeitbewertung

        

…       

        
        

(3)     

Gesetzliche [X.], die auf die Tage Montag bis Freitag fallen, werden am [X.] neben der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit auf dem Arbeitszeitkonto mit 1/261 des individuellen regelmäßigen [X.]s nach § 37 Abs. 1 verrechnet. Die am Sitz des Betriebs bzw. am jeweiligen Arbeitsort geltenden Vorschriften über gesetzliche [X.] sind für die Anwendung maßgeblich.

        

…“    

        

5

Der [X.] regelt [X.].:

        

Abschnitt III          

        

Arbeitszeitbestimmungen            

        

       

        

§ 38   

        

Arbeitszeitkonto

        

(1)     

Arbeitnehmern ist monatlich der Stand ihres [X.] (Soll/Ist) schriftlich mitzuteilen.

        

(2)     

Endet das Arbeitsverhältnis, ist das Arbeitszeitkonto bis zu diesem [X.]punkt auszugleichen. Der Arbeitgeber schafft die hierzu erforderlichen Voraussetzungen. Ist das nicht möglich, erfolgt ein zuschlagsfreier Ausgleich (Regelungen zur Überzeit bleiben unberührt) über das Entgelt, das für die ggf. zu verrechnende Arbeitszeit entsprechend den jeweiligen Bestimmungen zur Berechnung des Stundenentgeltes zu ermitteln ist. Dabei sind zum [X.]punkt des Ausscheidens noch verbleibende [X.] finanziell nur auszugleichen, wenn der Arbeitnehmer sie zu vertreten hat. Die [X.] ergeben sich aus dem Unterschied zwischen dem maßgeblichen individuellen Arbeitszeit-Soll und einer ggf. geringeren Ist-Arbeitszeit des Arbeitnehmers. …“

6

Die Beklagte führt für die Klägerin ein Arbeitszeitkonto nach § 39 [X.] 6-TV. Für gesetzliche Feiertage iSv. § 1 Abs. 1 des [X.] ([X.]) schreibt sie auf dem Arbeitszeitkonto, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Klägerin an diesen Tagen eine Arbeitsleistung erbracht hätte, 3 Stunden und 54 Minuten gut. Dies entspricht 1/261 des [X.] der Klägerin. Das Monatsentgelt zahlt die Beklagte in gleichbleibender Höhe, auch wenn die Gutschrift für die einzelnen Feiertage hinter der feiertagsbedingt ausgefallenen Arbeitszeit zurückbleibt.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die nach § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV auf 1/261 des [X.] beschränkte Gutschrift für Feiertage, an denen sie ohne den Feiertag zur Arbeit eingeteilt gewesen wäre, weiche zu ihren Ungunsten von § 2 Abs. 1 EFZG ab und benachteilige sie als Teilzeitkraft. Die tarifliche Regelung sei insoweit nach § 12 EFZG unwirksam. Die Beklagte sei nach § 2 Abs. 1 EFZG verpflichtet, ihr für diese Feiertage die gesamten ausfallenden Arbeitsstunden gutzuschreiben.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für [X.], an denen sie dienstplanmäßig ohne den Feiertag zur Arbeit eingeteilt wäre, die tatsächlich an diesem Tag dienstplanmäßig ausgefallenen Arbeitsstunden gutzuschreiben.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat der Berufung der [X.]n zu Recht stattgegeben und die Klage abgewiesen.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Die Klägerin hat eine zulässige Elementenfeststellungsklage erhoben.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Bedingungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist in diesem Fall gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr. vgl. [X.] 13. Dezember 2016 - 9 [X.] - Rn. 20 mwN). Der Vorrang der Leistungsklage steht unter diesen Voraussetzungen einem Feststellungsinteresse nicht entgegen (dazu [X.] 23. September 2014 - 9 [X.] 827/12 - Rn. 13).

b) Der Klageantrag, mit dem die Klägerin die Feststellung einer Verpflichtung der [X.]n zur Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto begehrt, entspricht diesen Anforderungen. Durch eine Entscheidung über die beantragte Feststellung kann der Streit der Parteien abschließend geklärt werden. Über die weiteren Faktoren, welche die Umsetzung der begehrten Entscheidung betreffen, konkret den Umfang der Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto, besteht kein Streit. Die Zahl der an Arbeitstagen zu leistenden und feiertagsbedingt ausfallenden Arbeitsstunden ist dem [X.] vom 24. April 2013 iVm. dem für die Klägerin maßgeblichen Dienstplan ohne Weiteres zu entnehmen.

2. Der Feststellungsantrag genügt den Anforderungen von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) An die Bestimmtheit eines Feststellungsantrags sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die eines Leistungsantrags ([X.] 12. Dezember 2012 - 5 [X.] 918/11 - Rn. 35). Auch wenn das Bestehen oder der Umfang eines Rechtsverhältnisses oder eines Anspruchs zur gerichtlichen Entscheidung gestellt wird, muss zuverlässig erkennbar sein, worüber das Gericht eine Sachentscheidung treffen soll ([X.] 23. März 2016 - 5 [X.] 758/13 - Rn. 21 mwN, [X.]E 154, 337). Wie der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, erfordert die hinreichende Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) eines auf Feststellung dieser Verpflichtung gerichteten Antrags, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können sowie eine Konkretisierung, an welcher Stelle des [X.] die Gutschrift erfolgen soll (vgl. [X.] 29. Juni 2016 - 5 [X.] 617/15 - Rn. 14 mwN, [X.]E 155, 310).

b) Der Klageantrag bezieht sich auf eine Gutschrift auf dem von der [X.]n für die Klägerin nach § 39 Abs. 1 Satz 1 [X.] 6-TV geführten Arbeitszeitkonto. An welcher Stelle des [X.] die Gutschrift vorgenommen werden soll, kommt zwar im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber unter Berücksichtigung der von der [X.]n erstellten und von der Klägerin vorgelegten Monatsübersichten über den Stand des [X.] durch Auslegung ermittelt werden. Die Klägerin verlangt die Gutschrift in der Spalte des [X.], in der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 [X.] 6-TV die geleisteten Arbeitszeiten und die nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zu verrechnenden bzw. anzurechnenden Zeiten fortlaufend zu erfassen sind. Der Feststellungsantrag ist zukunftsbezogen, so dass die begehrte Gutschrift noch erfolgen kann.

II. Die Klage ist unbegründet. Die [X.] ist nicht verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die feiertagsbedingt tatsächlich ausfallende Arbeitszeit gutzuschreiben. Ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Zeitgutschrift ergibt sich weder aus dem [X.] 6-TV noch aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz.

1. Die Klägerin hat gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 [X.] 6-TV iVm. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 [X.] für gesetzliche [X.] an ihrem Arbeitsort, die auf die Tage Montag bis Freitag fallen, einen Anspruch auf Gutschrift von 1/261 des [X.] auf dem Arbeitszeitkonto. Den tariflichen Anspruch erfüllt die [X.], indem sie für die betreffenden Tage auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin 3 Stunden und 54 Minuten gutschreibt. Das steht zwischen den Parteien außer Streit.

2. Ein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin auf Zeitgutschrift folgt nicht aus § 2 Abs. 1 [X.]. Den Umfang der für gesetzliche Feiertage gutzuschreibenden Arbeitsstunden bestimmt im Arbeitsverhältnis der Parteien allein § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV. Die von der gesetzlichen Regelung abweichende tarifliche Bestimmung steht in Einklang mit § 12 Abs. 1 [X.]. Sie verdrängt § 2 Abs. 1 [X.].

a) Nach § 2 Abs. 1 [X.] hat der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte ([X.] 15. Mai 2013 - 5 [X.] 139/12 - Rn. 9). Der Arbeitnehmer ist so zu stellen, als hätte er an dem Feiertag im Umfang der für diesen Tag geschuldeten Arbeitszeit gearbeitet. Er ist nicht zur unentgeltlichen Vor- oder Nacharbeit der durch den Feiertag ausgefallenen Arbeitszeit verpflichtet (vgl. [X.] 14. August 2002 - 5 [X.] 417/01 - zu II 1 der Gründe). Bei Führung eines [X.] ist der Arbeitgeber nach § 2 Abs. 1 [X.] verpflichtet, die Anzahl von Stunden gutzuschreiben, die der Arbeitnehmer an dem Feiertag ohne den Ausfall gearbeitet hätte (vgl. [X.] 27. März 2014 - 6 [X.] 621/12 - Rn. 31).

b) Hiervon weicht § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV ab. Der Tarifvertrag sieht zwar für die an gesetzlichen Feiertagen ausfallende Arbeitszeit die unveränderte Zahlung des nach § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] 6-TV iVm. § 29 Abs. 2 Buchst. b [X.] geschuldeten verstetigten [X.] vor. Er stellt den Arbeitnehmer damit im Hinblick auf die ausbezahlte Monatsvergütung so, als hätte er an gesetzlichen Feiertagen gearbeitet. Abweichend von § 2 Abs. 1 [X.] gewährt § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV jedoch keinen „taggenauen“ Entgeltfortzahlungsanspruch, sondern für jeden gesetzlichen Feiertag, der auf die Wochentage Montag bis Freitag fällt, einen Anspruch auf Gutschrift von 1/261 des individuellen [X.]. Unerheblich ist, ob und in welchem Umfang durch den Feiertag Arbeitszeit ausfällt.

c) § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV verstößt nicht gegen § 12 Abs. 1 [X.]. Die Regelung weicht von den [X.] nicht „zuungunsten“ des Arbeitnehmers ab.

aa) Abgesehen von § 4 Abs. 4 [X.] kann nach § 12 [X.] von den Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes im Übrigen, dh. auch von der in § 2 Abs. 1 [X.] geregelten Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen, nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. § 12 [X.] verbietet nicht jede Abweichung, sondern nur die zuungunsten der Arbeitnehmer ([X.]/[X.] 7. Aufl. § 12 [X.] Rn. 4; [X.]/[X.] in [X.] [X.] 8. Aufl. § 12 Rn. 31).

(1) Eine Kollision zwischen [X.] beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden Tarifregelungen und den gesetzlichen Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung an Feiertagen ist unter Beachtung des Günstigkeitsprinzips zu lösen. Ob die tarifliche Regelung ungünstiger ist, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der gesetzlichen Regelung (sog. [X.]).

(a) Der nach § 12 [X.] geforderte [X.] bezieht sich auf die jeweilige Abweichung von der gesetzlichen Anordnung. Es ist kein Gesamtvergleich, dh. eine Gegenüberstellung von Tarifvertrag und Gesetz insgesamt, vorzunehmen. Eine Kompensation einer ungünstigen Abweichung mit einer für den Arbeitnehmer günstigen Abweichung vom Gesetz an anderer Stelle erfolgt nicht ([X.] vgl. [X.] 22. August 2001 - 5 [X.] 699/99 - zu I 3 d der Gründe, [X.]E 98, 375; [X.]/[X.] 17. Aufl. § 12 [X.] Rn. 7; [X.]/Müller-Glöge 7. Aufl. § 12 [X.] Rn. 4; [X.] [X.] 2. Aufl. § 12 Rn. 18; Malkmus in [X.]/Malkmus 2. Aufl. § 12 [X.] Rn. 45; [X.]/[X.] 2. Aufl. § 12 [X.] Rn. 15; [X.]/[X.] in [X.] [X.] 8. Aufl. § 12 Rn. 33). Für die Durchführung des [X.]s sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall.

(b) Danach sind vorliegend § 2 Abs. 1 [X.] und § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV zu vergleichen. Beide Bestimmungen treffen besondere Regelungen für die Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen.

(2) § 12 [X.] bestimmt den Prüfungsmaßstab für den [X.] im Anwendungsbereich des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Während § 4 Abs. 3 [X.] von unmittelbar und zwingend geltenden Tarifbestimmungen abweichende vertragliche Abmachungen nur „zugunsten“ des Arbeitnehmers zulässt und damit fordert, dass die mit dem Tarifvertrag kollidierende vertragliche Regelung „stets günstiger“ ist (vgl. zum [X.] nach § 4 Abs. 3 [X.]: [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] 587/13 - Rn. 32, [X.]E 151, 221; 20. September 2017 - 6 [X.] 474/16 - Rn. 49; ebenso zum [X.] vertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfristen [X.] 29. Januar 2015 - 2 [X.] 280/14 - Rn. 19, [X.]E 150, 337), eröffnet § 12 [X.] den Tarifvertragsparteien für die Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen einen weitergehenden Regelungsspielraum. Die Bestimmung verbietet, wie sich aus ihrem von § 4 Abs. 3 [X.] abweichenden Wortlaut ergibt, nur tarifliche Regelungen „zuungunsten“ des Arbeitnehmers. Allein in diesem Fall führt die Abweichung vom Gesetz zur Nichtigkeit der tariflichen Regelung, § 12 [X.] iVm. § 134 BGB (vgl. [X.] 26. September 2001 - 5 [X.] 539/00 - zu I der Gründe, [X.]E 99, 112). Wirksam sind demzufolge von § 2 Abs. 1 [X.] abweichende tarifliche Regelungen der Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen nicht nur, wenn sie „stets günstiger“ als das Gesetz sind, sondern auch dann, wenn nach objektiven Maßstäben - sei es, weil es sich um eine „ambivalente“ Regelung handelt, bei der es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob sie sich für den Arbeitnehmer günstiger oder ungünstiger auswirkt (vgl. dazu [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] 587/13 - Rn. 29, [X.]E 151, 221; 20. September 2017 - 6 [X.] 474/16 - Rn. 49), sei es, weil die Regelung neutral ist - nicht zweifelsfrei feststellbar ist, dass sie für den Arbeitnehmer ungünstiger sind.

bb) Die Regelung in § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV ist für den Arbeitnehmer nicht ungünstiger.

(1) In den [X.] sind angesichts des nach § 37 Abs. 1 [X.] 6-TV zu erreichenden [X.] und des hierauf abstellenden [X.] von § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV alle gesetzlichen Feiertage des Jahres einzubeziehen, die auf die Tage Montag bis Freitag fallen. Es ist kein punktueller, auf einzelne Feiertage beschränkter Vergleich zwischen gesetzlicher und tariflicher Regelung vorzunehmen.

(2) Hiervon ausgehend ist die Regelung in § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV, indem sie einen vom tatsächlichen feiertagsbedingten Arbeitsanfall unabhängigen Anspruch auf Gutschrift von 1/261 des [X.] begründet, im Vergleich zu § 2 Abs. 1 [X.] ambivalent: Die Gutschrift ist einerseits zum Vorteil des Arbeitnehmers selbst dann zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer auch ohne den Feiertag nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre, ebenso, wenn der Feiertag nicht die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen ist und/oder auch dann, wenn der tatsächlich feiertagsbedingte Arbeitsausfall geringer ist als 1/261 des [X.]. Sie ist andererseits, was für den Arbeitnehmer nachteilig ist, auf 1/261 des individuellen [X.] auch dann beschränkt, wenn der tatsächlich (allein) feiertagsbedingte Arbeitsausfall höher ist. Während in den erstgenannten Fällen die für Feiertage - als Äquivalent der geschuldeten Vergütung - vorzunehmende Zeitgutschrift die ausgefallende Arbeitszeit übersteigt, bleibt im letztgenannten Fall die tatsächlich gebuchte Ist-Zeit hinter der Ist-Zeit zurück, die ohne Feiertag an den betreffenden Tagen zugunsten des Arbeitnehmers gebucht worden wäre.

(3) Die Ambivalenz der Regelung in § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV ist Folge des Feiertagsrechts, das auf bestimmte Wochentage festgelegte Feiertage - in [X.] gemäß § 1 Abs. [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] - vorsieht und solche, die auf bestimmte Kalendertage festgelegt sind - in [X.] der 1. Januar (Neujahr), 1. Mai ([X.]), 3. Oktober ([X.]) sowie 25. und 26. Dezember (erster und zweiter Weihnachtsfeiertag) - und auf jeden Wochentag fallen können. Die tarifliche Regelung wirkt sich infolgedessen für Arbeitnehmer, deren Jahresarbeitszeit, wie bei der Klägerin, nicht gleichmäßig auf die Tage Montag bis Freitag verteilt ist, im Vergleich zur gesetzlichen Regelung in einzelnen Jahren vorteilhaft, in anderen nachteilig aus.

(4) § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV verstieße selbst dann nicht gegen § 12 [X.], wenn im Einzelfall eines bestimmten Arbeitnehmers auch bei einer jahresbezogenen, nicht auf ein einzelnes Kalenderjahr beschränkten Betrachtung nicht gewährleistet wäre, dass der feiertagsbedingte Arbeitsausfall im Ergebnis in vollem Umfang durch Gutschriften auf dem Arbeitszeitkonto kompensiert wird und die pauschalierte Bewertung sich deshalb als ungünstiger erweist.

(a) Das Entgeltfortzahlungsgesetz lässt, indem den Tarifvertragsparteien durch § 12 [X.] ein Regelungsspielraum eröffnet wird, der nicht auf Abweichungen „zugunsten“ des Arbeitnehmers beschränkt ist, sondern allein Abweichungen zuungunsten der Beschäftigten verbietet, pauschalierende Regelungen der Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen durch Tarifvertrag zu, sofern sie im Regelfall mit dem Gesetz gleichwertig oder ambivalent sind und strukturell nicht auf eine Benachteiligung der Arbeitnehmer ausgerichtet sind. Den Tarifvertragsparteien ist es dabei gestattet, im Interesse der Praktikabilität, der Verständlichkeit und der Übersichtlichkeit typisierende Regelungen zu treffen. Sie dürfen sich am Regelfall orientieren und sind nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die dabei auftretenden Abweichungen und im Einzelfall möglicherweise auftretenden Härten sind einer tariflichen Pauschalierung immanent (vgl. zur Typisierungsbefugnis von Tarifvertragsparteien bei der Regelung von Massenerscheinungen [X.] 18. April 2008 - 1 BvR 759/05 - Rn. 72, [X.]K 13, 455; zu Stichtagsregelungen [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] 247/11 - Rn. 19 mwN; zur Berechnung des [X.] im Rahmen eines Tarifvertrags zur Altersteilzeitarbeit vgl. [X.] 19. Februar 2013 - 9 [X.] 431/11 - Rn. 24 mwN).

(b) Diesen Anforderungen genügt § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV. Die Bestimmung führt im Vergleich zur gesetzlichen Regelung nicht zu einer strukturellen Schlechterstellung der Arbeitnehmer bei der Entgeltfortzahlung an Feiertagen. Die Tarifbestimmung rückt vom konkreten Entgeltausfallprinzip des § 2 [X.] zugunsten einer pauschalierenden Bewertung ab, um zu gewährleisten, dass alle Arbeitnehmer für die auf Montag bis Freitag fallenden [X.] die durchschnittliche Vergütung erhalten, auch wenn der konkrete Arbeitsausfall aufgrund der unregelmäßigen Arbeitszeit zufällig ist (vgl. zu § 5 Abs. 2 Nr. 2b [X.] [X.] 7. Mai 2003 - 5 [X.] 256/02 - zu II 4 b der Gründe, [X.]E 106, 132). Angesichts der Vielzahl denkbarer Arbeitszeitgestaltungen ist es nicht möglich, eine Entgeltfortzahlungsregelung zu schaffen, die keine Nachteile für einzelne Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen mit sich brächte. Auch die gesetzliche Regelung kann dazu führen, dass Arbeitnehmer mit unregelmäßig verteilter oder nur auf einen Wochentag fallender Arbeitszeit in geringerem Umfang von der Entgeltfortzahlung für gesetzliche Feiertage profitieren als Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit gleichmäßig auf die Wochentage verteilt ist.

d) § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV führt nicht zu einer Benachteiligung von Teilzeitkräften iSv. § 4 Abs. 1 TzBfG. Die Vorschrift gilt für alle Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie in Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt werden. Sie behandelt Teilzeit- und Vollzeitkräfte gleich, denn nicht alle Vollzeitkräfte sind stets an den Wochentagen Montag bis Freitag mit gleichbleibendem [X.] eingesetzt. Auch eine Vollzeit[X.] erhält nach § 41 Abs. 3 Satz 1 [X.] 6-TV unabhängig davon, wie viele Arbeitsstunden für sie tatsächlich feiertagsbedingt ausfallen, für gesetzliche [X.], die auf die Tage Montag bis Freitag fallen, stets „nur“ eine Gutschrift von 1/261 des individuellen regelmäßigen [X.].

III. Die Klägerin hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    [X.]    

        

    Volk    

        

    Weber    

        

        

        

    Busch    

        

    Dohna-Jaeger    

                 

Meta

5 AZR 118/17

06.12.2017

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 23. Februar 2016, Az: 4 Ca 7036/15, Urteil

§ 4 Abs 3 TVG, § 12 Abs 1 EntgFG, § 2 Abs 1 EntgFG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.12.2017, Az. 5 AZR 118/17 (REWIS RS 2017, 1205)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1205

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