Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. AnwZ (Brfg) 55/11

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2012, 8097

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS

AnwZ ([X.]) 55/11

vom

15. März 2012

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

-
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-
Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch [X.] Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] sowie die Rechtsanwälte [X.] und Prof. Dr. Stüer

am 15. März 2012
beschlossen:

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des 1. Senats des Hessischen [X.]s vom 11.
Juli 2011 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000

festgesetzt.

Gründe:
I.
Die [X.]eklagte hat mit [X.]escheid vom 9. März
2011
die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.]) widerrufen. Dessen hiergegen gerichtete
Klage ist vor dem
Anwaltsge-richtshof ohne Erfolg geblieben.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der [X.]erufung.
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II.
Der nach § 112e Satz 2
[X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]erufung hat keinen Erfolg. Die geltend ge-machten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§
112e Satz 2 [X.], § 124 Abs.
2 Nr. 1 VwGO)
bestehen nicht. Dieser Zulas-sungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in
Frage gestellt wird ([X.] 110, 77, 83; [X.], NJW 2009, 3642; Senatsbeschluss vom 23. März 2011 -
AnwZ ([X.]) 9/10, juris
Rn. 3 m.w.[X.]). Daran fehlt es hier.
a)
Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs
(9. März 2011)
-
ein Widerspruchsverfahren war vorliegend im Hinblick auf § 112c Abs. 1 Satz
1 [X.], § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO in Verbindung mit Ziffer 10.4. der Anlage zu § 16a HessAGVwGO entbehrlich
-
bestand eine gesetzliche Vermu-tung für den Vermögensverfall des [X.]
(vgl. §
14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs.
2 [X.], § 915 ZPO).

aa) Gegen ihn waren am 29. Juli 2010
vom Amtsgericht F.

drei Haftbefehle erlassen und in das dortige Schuldnerverzeichnis einge-tragen worden. In einem dieser Zwangsvollstreckungsverfahren hatte
der Klä-ger außerdem am 7. September 2010 die eidesstattliche Versicherung abgege-ben, die ebenfalls im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts F.

vermerkt worden war. Die
genannten
Eintragungen -
und damit die mit ihnen verbundene Vermutungswirkung
-
bestanden bei Erlass des Widerspruchsbe-scheids fort.

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bb)
Umstände, die geeignet wären, die für seinen Vermögensverfall sprechende
gesetzliche
Vermutung zu widerlegen, hat der Kläger weder darge-tan noch nachgewiesen. Der Kläger verfügte unstreitig nicht über liquide Mittel, um die in der Vollstreckung befindlichen Forderungen -
neben den bereits er-wähnten Verfahren betrieben weitere Gläubiger die Zwangsvollstreckung
-
zu tilgen. Er hat auch nicht geltend gemacht, zum Zeitpunkt des Widerrufs mit sämtlichen Gläubigern [X.] getroffen zu haben
und diese vereinbarungsgemäß zu bedienen. Vielmehr hat er sich nur darauf beru-fen, dass einige Gläubiger zwischenzeitlich zum Abschluss eines Moratoriums mit Stundungs-
und [X.] bereit seien.

Der Kläger sieht einen Vermögensverfall jedoch schon im Hinblick darauf ausgeräumt, dass er im
Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs mit einem für ihn günstigen Ausgang des damals beim [X.] anhängigen und im Zusammenhang mit den eingetragenen Vollstreckungsmaßnahmen stehenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (

[X.]

) und damit mit einer [X.] seiner finanziellen Verhältnissen habe rechnen können. Dass sich diese Hoffnung später zerschlagen habe, sei unschädlich, weil die Rechtsmä-ßigkeit eines Zulassungswiderrufs allein nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Verfahrens zu beurteilen sei. Dem Kläger ist zwar einzuräu-men, dass nach neuer Rechtslage Entwicklungen, die nach Abschluss des be-hördlichen Verfahrens eingetreten sind, im [X.] generell
unbe-rücksichtigt bleiben (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 -
AnwZ
([X.]) 11/10, NJW 2011, 3234 Rn.
9 ff.). Dies ändert aber nichts daran, dass bei Erlass des Widerrufsbescheids allenfalls
die ungesicherte Erwartung bestand, die wirt-schaftliche Situation des [X.] könne sich verbessern. Dies genügt nicht, um die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu entkräften. Auch der Hin-weis des [X.], er sei schuldlos in
eine angespannte wirtschaftliche Lage ge-raten, vermag diese Vermutungswirkung nicht zu widerlegen. Da § 14 Abs. 2 6
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-
Nr. 7 [X.] allein dem Schutz des rechtsuchenden Publikums dient, ist die [X.] zur Rechtsanwaltschaft auch dann zu widerrufen, wenn der Anwalt sei-ne belastende Vermögenslage nicht verschuldet hat
(Senatsbeschluss vom 12.
März 2001 -
AnwZ ([X.]) 27/00, juris Rn. 4
m.w.[X.]).
cc) Soweit der Kläger weiter beanstandet, der [X.] habe ihm nicht die Möglichkeit eröffnet, durch die Fortführung seiner anwaltlichen Tätigkeit Schuldenfreiheit zu erlangen, ist dieser Einwand schon im Hinblick darauf
unbeachtlich, dass nach neuer Rechtslage für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens ab-zustellen
ist (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 -
AnwZ ([X.]) 11/10, aaO). Im Übrigen war auch nach bisherigem
Verfahrensrecht lediglich eine zweifelsfrei nachgewiesene nachträgliche Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, nicht aber dem
Rechtsanwalt Gelegenheit zu geben, seine finanzielle Situation unter [X.]eibehaltung seiner Zulassung zur Anwaltschaft zu bereinigen. Eine solche Vorgehensweise ließe
sich mit dem oben beschriebe-nen Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] nicht vereinbaren.
b) Nach der in §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsan-walts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden [X.]. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu [X.] ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen des Vermögensverfalls folgt, wird sie im nach der gesetzli-chen Wertung vorrangigen
Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Aus-nahmefällen verneint werden können (st. Rspr.; zuletzt Senatsbeschluss vom 22. Juni 2011 -
AnwZ ([X.]) 12/11, juris Rn. 3).
Denn die Annahme einer Ge-fährdung der Interessen der Rechtsuchenden im Falle des Vermögensverfalls 8
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des beauftragten Rechtsanwalts ist regelmäßig schon im Hinblick auf dessen Umgang mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 -
AnwZ
([X.]) 11/10, aaO Rn. 8 m.w.[X.]). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung beim Widerruf der Zulassung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorge-tragen noch ersichtlich.
Der Kläger meint, eine Gefährdungslage liege nicht vor, weil es bislang zu keinen [X.]eanstandungen gekommen sei,
er keine
[X.]ar-
oder Scheckzahlun-gen entgegennehme und den Zahlungsverkehr nicht über ein Kanzlei-Anderkonto, sondern über besondere [X.] abwickle. Diese Umstände schließen aber -
wie der [X.] zutreffend angenommen hat
-
eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Mandanten nicht aus. Der Kläger ist als Einzelanwalt tätig und kann daher -
anders als ein bei einer Sozie-tät angestellter Anwalt, der sich besonderen arbeitsrechtlichen Einschränkun-gen und einer Überwachung durch einen (zuverlässigen) Arbeitgeber unterwor-fen hat
-
nicht auf die Einhaltung der selbst auferlegten [X.]eschränkungen über-wacht werden (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2010 -
AnwZ ([X.]) 55/09, juris Rn. 12
m.w.[X.]).

c) Entgegen der Auffassung
des [X.] verstößt der Widerruf der [X.] auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Rege-lung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts (Senatsbe-schluss vom 31. Mai 2010 -
AnwZ ([X.]) 55/09, aaO Rn.
13 m.w.[X.]). [X.], gleichermaßen wirksame Maßnahmen kommen nicht in [X.]etracht.
2. Dem [X.] sind auch keine durchgreifenden Verfahrens-fehler (§
112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) unterlaufen.
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a) Soweit der Kläger rügt, der [X.] habe gehörswidrig (Art.
103 Abs. 1 GG) von
ihm vorgebrachte Tatsachen übergangen,
verkennt er, dass
kein Gehörsverstoß vorliegt, wenn ein Gericht -
wie hier
-
Sachvortrag un-berücksichtigt
lässt, weil es nach seinem Rechtsstandpunkt auf diesen nicht ankommt (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 14. Juni 2011 -
2
[X.]vR 431/09, juris Rn.
4 m.w.[X.]).
b) Die vom Kläger als unrichtig gerügte Zurückweisung seines gegen ein Mitglied des [X.]s gerichteten [X.] stellt keinen im Zulassungsverfahren zu berücksichtigenden Verfahrensfehler dar, da eine solche Entscheidung nach §
112c Abs. 1 [X.], §
146 Abs.
2 VwGO nicht mit der [X.]eschwerde angefochten werden kann und folglich gemäß §
112c Abs.
1 [X.], § 173 Satz 1 VwGO, § 512 ZPO einer inhaltlichen Überprüfung durch das [X.]erufungsgericht entzogen ist (Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2011 -
AnwZ ([X.]) 46/11, juris Rn. 7 m.w.[X.]).
3. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche [X.]edeutung zu (§
112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürf-tige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der [X.] an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senatsbeschlüsse vom 24. März 2011 -
AnwZ ([X.]) 4/11, juris Rn.
12; vom
6. September 2011 -
AnwZ ([X.]) 5/11, juris Rn.
9 m.w.[X.]). Die Auffassung
des [X.], die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
vertretene
"These der regelmäßigen Gemeinwohlgefährlichkeit beim Vermögensverfall des [X.]"
sei verfassungsrechtlich bedenklich (Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz),
ist bereits im gegenteiligen Sinne ge-13
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klärt (Senatsbeschluss vom 22. Juni 2011 -
AnwZ
([X.]) 12/11, aaO Rn.
6 m.w.[X.]).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], §
154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des [X.] auf §
194 Abs.
2 Satz
1 [X.].

[X.]
König
Fetzer

Wüllrich
Stüer

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 11.07.2011 -
1 [X.] 2/11 -

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Meta

AnwZ (Brfg) 55/11

15.03.2012

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. AnwZ (Brfg) 55/11 (REWIS RS 2012, 8097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8097

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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