Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.06.2020, Az. 2 BvE 2/19

2. Senat | REWIS RS 2020, 2859

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT ABGEORDNETE POLIZEI ASYL- UND AUSLÄNDERRECHT FLÜCHTLINGE BUNDESTAG GRUNDRECHTE STAATSEXAMEN MENSCHENRECHTE DURCHSUCHUNG AUFENTHALTSRECHT ABGEORDNETENRECHTE FREIE MANDATSAUSÜBUNG EXAMENSTIPP

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zur Berücksichtigung der Abgeordnetenrechte (Art 38 Abs 1 S 2 GG) bei der Ausübung von Hausrecht und Polizeigewalt durch den Deutschen Bundestag (Art 40 Abs 2 S 1 GG) - polizeiliches Betreten der Büroräume eines Bundestagsabgeordneten zwecks Entfernung von "Plakatierungen" verletzt dessen Recht aus Art 38 Abs 1 S 2 GG (freie Mandatsausübung) - mangelnde Verhältnismäßigkeit der Maßnahme


Tenor

Der Antragsgegner hat den Antragsteller in seinem Recht aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes dadurch verletzt, dass die Polizei beim [X.] die Abgeordnetenräume des Antragstellers, Zimmer 2013 und 2015 in dem Objekt … am 29. September 2018 betreten hat.

Gründe

A.

1

Der Antragsteller gehört als Mitglied der Fraktion [X.] dem [X.] an. Er wendet sich dagegen, dass die Polizei beim [X.] die [X.]räume betreten hat, die ihm im [X.]gebäude zugewiesen sind. Der Antragsteller macht eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] in Verbindung mit Art. 40 Abs. 2 Satz 2 und Art. 47 [X.] geltend.

2

1. § 4 der Hausordnung des [X.]es (nachfolgend: Hausordnung) vom 7. August 2002 ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2017 ([X.]) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 4

Verhalten in Gebäuden

(1) […]

(2) Es ist nicht gestattet, Spruchbänder oder Transparente zu entfalten, Informationsmaterial zu zeigen oder zu verteilen, es sei denn, es ist zur Verteilung zugelassen.

(3) bis (5) […]

3

2. Ferner besteht eine Dienstanweisung für den Polizeivollzugsdienst der Polizei beim [X.] (nachfolgend: [X.]). Eine förmliche Bekanntmachung ist nicht erfolgt. Auszugsweise lautet die in diesem Verfahren vorgelegte Fassung der [X.] wie folgt:

§ 1

Grundlagen

(1)

(2) bis (4) […]

§ 7

Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen

(1) Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen sie zu richten.

(2)

(3) Verursacht eine Person, die zu einer Verrichtung bestellt ist, die Gefahr in Ausführung der Verrichtung, so können Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die die andere zu der Verrichtung bestellt hat.

§ 8

Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen

(1) Geht von einer Sache eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten.

(2)

(3) Geht die Gefahr von einer herrenlosen Sache aus, so können die Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.

§ 9

Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme

(1)

(2) Entstehen durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, ist der Vorgang dem [X.] zuzuleiten.

§ 10

Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen

(1) Die Polizei kann Maßnahmen gegen andere Personen als die nach §§ 7 und 8 Verantwortlichen richten, wenn

1. eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist,

2. Maßnahmen gegen die nach §§ 7 und 8 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen,

3. sie die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren kann und

4. die Personen ohne erhebliche Gefahr und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.

(2) Die Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur aufrechterhalten werden, solange die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist.

§ 11

Allgemeine Befugnisse

(1) Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfalle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 13 bis 25 die Befugnisse der Polizei besonders regeln.

(2)

§ 23

Betreten und Durchsuchen von Räumen

(1) Die Polizei kann einen Raum ohne Einwilligung der Benutzerin/des Benutzers zur Abwehr einer Gefahr betreten.

(2) Die Polizei kann einen Raum ohne Einwilligung der Benutzerin/des Benutzers durchsuchen, wenn

1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihm eine Person befindet, die nach § 15 Absatz 3 vorgeführt oder nach § 17 in Gewahrsam genommen werden darf,

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihm eine Sache befindet, die nach § 25 Nr. 1 sichergestellt werden darf oder

3. dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist.

(3)

4

1. Von Donnerstag, dem 27. September 2018, bis Samstag, dem 29. September 2018, hielt sich der [X.] Staatspräsident in [X.] auf. Im Zuge dieses Staatsbesuchs wurden Straßensperrungen im Regierungsviertel vorgenommen. Innerhalb des gesperrten Gebiets befand sich auch das Gebäude ... Im zweiten Obergeschoss dieses Gebäudes befinden sich die dem Antragsteller zugewiesenen [X.]räume.

5

2. Am Samstag, dem 29. September 2018, hingen an den zur [X.] gerichteten Fenstern der [X.]räume des Antragstellers (Zimmer 2013 und 2015) auf Papier gedruckte Abbildungen von Zeichen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten [X.] in [X.], jeweils im Format [X.] A4 (nachfolgend: [X.]). Beamte der Polizei beim [X.] stellten diese [X.] anlässlich eines Kontrollgangs um 16:07 Uhr fest. Zu diesem [X.]punkt waren die Straßensperrungen im Bereich des Gebäudes … bereits wieder aufgehoben. Der Antragsteller hielt sich bei Entdeckung der Plakatierung durch die Polizeibeamten nicht in seinen Büroräumen auf. Versuche, ihn telefonisch oder auf anderem Wege zu erreichen, unternahm die Polizei beim [X.] nicht.

6

3. Die Beamten der Polizei beim [X.] betraten die [X.]räume und nahmen die [X.] ab. In den Büroräumen hinterließen sie einen roten Hinweiszettel, der die Angabe enthielt, bei einem "routinemäßigen Kontrollgang" seien in den Zimmern 2013/2015 "[X.]" festgestellt worden, die "gemäß § 4 Abs. 2 der Hausordnung anlässlich des Staatsbesuchs des [X.]n Staatspräsidenten" abgenommen worden seien.

7

4. Zur Aufklärung des Geschehens wandte sich der parlamentarische Geschäftsführer der [X.] [X.] an den Antragsgegner. In einem daraufhin erstellten Vermerk erläuterte der Antragsgegner die streitgegenständliche Maßnahme. Er führte unter anderem aus, in rechtlicher Hinsicht stütze sich die Maßnahme auf §§ 11, 9 [X.]. Anlass der Maßnahme sei nicht der bloße Verstoß gegen die Hausordnung gewesen, sondern der Besuch des [X.]n Staatspräsidenten.

8

Der Antragsteller begehrt mit dem vorliegenden [X.]verfahren die Feststellung, dass er durch das Betreten und das Durchsuchen seiner [X.]räume in seinen verfassungsmäßigen Rechten als [X.] verletzt worden sei.

9

1. Der Rechtsweg zum [X.] sei eröffnet, denn es handele sich um einen [X.] im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit § 13 Nr. 5 [X.]. Gegenstand des Verfahrens sei die Reichweite des dem Antragsgegner zustehenden Rechts aus Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.].

2. Der Antrag sei auch begründet. Für das polizeiliche Handeln fehle es bereits an einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen eines Eingriffs nicht vor.

a) Die polizeiliche Maßnahme greife in die gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] geschützte freie Mandatsausübung ein. Nach dieser Vorschrift obliege den [X.] eine Repräsentations- und Kontrollfunktion. Diese Aufgaben könne der Antragsteller nur ausüben, wenn er im Wesentlichen frei von der Einflussnahme durch andere staatliche Stellen, insbesondere auch andere Verfassungsorgane, sein Mandat ausüben könne. Eine Durchsuchung von Räumlichkeiten, in denen der Antragsteller seiner [X.]tätigkeit nachkomme, sei geeignet, ihn in seiner Repräsentationsfunktion zu behindern und in seiner Kontrollfunktion zu beschränken.

b) Dieser Eingriff sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Das Betreten und Durchsuchen von Räumlichkeiten stellten gemäß Art. 13 [X.] einen Grundrechtseingriff sowie einen Eingriff in die im Grundgesetz verbrieften Rechte eines [X.] aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] dar. Ein derartiger Eingriff könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn es eine formelle Ermächtigungsgrundlage gebe. Diese Voraussetzung erfülle die [X.] nicht. Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] selbst stelle lediglich eine Aufgabenzuweisungsnorm dar.

c) Selbst, wenn man davon ausgehe, dass § 23 [X.] eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für das Betreten und Durchsuchen der [X.]räume darstelle, lägen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor. § 23 [X.] sehe vor, dass die Polizei einen Raum ohne Einwilligung der Benutzerin oder des Benutzers zur Abwehr einer Gefahr betreten könne. An einer Gefahr fehle es hier. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass der abgesperrte Bereich von einer relevanten Anzahl von "Anhängern des [X.]n Staatspräsidenten" betreten werden würde. Er, der Antragsteller, sei zudem weder [X.] noch Zweckveranlasser.

d) Schließlich sei der Eingriff unverhältnismäßig. Bei dem Pförtner der Liegenschaft … seien die Telefonnummern des Antragstellers sowie des Parlamentarischen Geschäftsführers der [X.] [X.] hinterlegt. Es hätte ein milderes Mittel dargestellt, zunächst den Versuch eines telefonischen Kontakts zu unternehmen. Dadurch hätte ihm die Möglichkeit gegeben werden können, die [X.] selbst zu entfernen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, der Antrag sei zu verwerfen, jedenfalls sei er unbegründet.

1. a) Es liege bereits kein Verfassungsrechtsverhältnis vor. Vielmehr handele es sich um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit, für die die Fachgerichte zuständig seien. Insbesondere sei kein Fall des Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] gegeben. Die Befugnisse aus Art. 40 Abs. 2 [X.], also das Hausrecht und die Polizeigewalt, fänden zwar ihre Ermächtigungsgrundlage in der Verfassung. Durch sie werde aber ein verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis begründet. Ein Verfassungsrechtsverhältnis sei nur dann anzunehmen, wenn Verfassungsorgane in spezifischem Verfassungsrecht betroffen würden. Das sei hier nicht der Fall, denn die Pflicht, die Außenfassade freizuhalten, treffe nicht nur Abgeordnete. Vielmehr bestehe diese Pflicht unabhängig vom Status des jeweiligen Büroinhabers.

b) Darüber hinaus verfüge der Antragsteller nicht über die erforderliche Antragsbefugnis, denn eine Verletzung von Art. 38 [X.] sei nicht ersichtlich. Die Vorschrift enthalte kein dahingehendes "Leistungsrecht", dass dem Antragsteller Büroräume zur Verfügung zu stellen seien. Selbst wenn man von einem entsprechenden Anspruch ausgehe, sei dieser Anspruch "von vornherein" mit der Last verbunden, die Räume nur in der Weise zu nutzen, wie es das Hausrecht und die Gefahrenabwehr gestatten würden. [X.] sich die "immanenten Nutzungsschranken", werde Art. 38 [X.] dadurch nicht verletzt.

2. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet.

a) Mit Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] gebe es eine Grundlage, die die materielle Ermächtigung vermittle, all die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwehr der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich seien. Hierunter seien sämtliche Polizeibefugnisse zu subsumieren.

b) Der Antragsgegner habe seine Kompetenz aus Art. 40 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 [X.] durch die [X.] näher dargelegt und ausgeführt, inwieweit er die Polizei beim [X.] mit der Ausübung seiner Kompetenz [X.]. Aus § 23 Abs. 1 [X.] ergebe sich, inwieweit das Betreten von Räumlichkeiten zulässig sei. Die Vorschrift sehe vor, dass ein Raum zur Abwehr einer Gefahr betreten werden dürfe. Diese Vorgabe sei im Sinne der allgemeinen polizeirechtlichen Lehre zu verstehen, sodass es um eine konkrete Gefahr gehen müsse. Eine Gefahr in diesem Sinne habe im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht vorgelegen.

aa) Zunächst sei die Funktionsfähigkeit des [X.] betroffen gewesen. [X.] man Meinungsäußerungen an der Außenfassade an, dann bestehe die Gefahr, dass diese politische Sympathiekundgabe dem Parlament zugerechnet werde, obwohl das Parlament eine derartige Haltung nicht beschlossen habe.

bb) Betroffen seien darüber hinaus die völkerrechtlichen Beziehungen zu anderen [X.], die ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit darstellten. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei es möglich gewesen, dass die Kenntnisnahme der Sympathiebekundungen an der Außenfassade des [X.]gebäudes durch Mitglieder der [X.]n Regierung oder von regierungsfreundlichen Gruppen zu einer nicht unbeachtlichen Belastung der auswärtigen Beziehungen [X.] zur [X.] geführt hätte. Dabei spiele es eine Rolle, dass die Meinungsäußerung dem Parlament als Gesamtinstitution zugerechnet worden wäre.

cc) Ferner sei das Schutzgut der Unversehrtheit des [X.]gebäudes betroffen. Es handele sich insoweit um privates Eigentum in öffentlicher Hand sowie um eine öffentliche Einrichtung. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass "pro-[X.] Anhänger" sich durch Sympathiebekundungen provoziert gefühlt und sie der Provokation mit Gewaltmaßnahmen gegenüber dem Gebäude oder den dort befindlichen Personen Ausdruck verliehen hätten. Zwar könne den Personen, die die [X.] angebracht hätten, nicht unterstellt werden, sie hätten Gewaltmaßnahmen politischer Gegner beabsichtigt. Es sei aber nach dem [X.] davon auszugehen, dass sie mit solchen Gewaltmaßnahmen zumindest hätten rechnen müssen. Sie müssten sich das Verhalten Dritter unmittelbar zurechnen lassen. Es sei zudem möglich gewesen, dass auch das Personal von Gewalt betroffen gewesen wäre.

dd) Es liege schließlich ein Verstoß gegen die Rechtsordnung vor. Es handele sich bei den [X.] um [X.] der [X.]. Deren Verwendung sei nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG strafbar.

ee) Die Maßnahme stelle sich als verhältnismäßig dar. Der Eingriff sei auf ein Minimum beschränkt worden. Es habe keine [X.] für aufwendige Erkundungen über den Aufenthaltsort des Antragstellers zur Verfügung gestanden.

Der Antrag ist zulässig.

Er ist als Antrag im [X.]verfahren statthaft. Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 [X.], § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. [X.] entscheidet das [X.] im Wege des [X.] über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten [X.]organs oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten [X.]organs mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Das [X.]verfahren ist danach statthaft, wenn es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit über den Umfang der Rechte und Pflichten von Beteiligten im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 [X.] handelt (vgl. [X.] 108, 251 <271>). Das Verfahren dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. [X.] 68, 1 <69 ff.>; 73, 1 <29 f.>; 80, 188 <212>; 104, 151 <193 f.>; 118, 244 <257>; 126, 55 <67 f.>; 129, 356 <365>; 151, 191 <198 Rn. 20>; [X.], Beschluss des [X.] vom 17. September 2019 - 2 [X.] -, Rn. 27). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Das vorliegende Verfahren betrifft die Reichweite der Rechte, die dem Antragsgegner aus Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] zustehen. Diese Streitigkeit ist - zumindest im vorliegenden Zusammenhang - verfassungsrechtlicher Natur.

Streitgegenständlich ist die Frage, ob und inwieweit der Antragsgegner bei der Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] die [X.]rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu berücksichtigen und zu wahren hat. Der verfassungsrechtliche Charakter folgt aus dem [X.]status des Antragstellers. Abgeordnete genießen aufgrund von Art. 38 [X.] einen besonderen Schutz, während ein solcher Schutz bei anderen Nutzern des [X.] nicht besteht. Der sonst verwaltungsrechtlich geprägten Ausübung von Polizeigewalt durch den Antragsgegner kommt daher hier verfassungsrechtliche Relevanz zu (vgl. zu Art. 40 Abs. 2 Satz 2 [X.] bereits [X.] 108, 251 <271>).

Der vorliegende Antrag bezieht sich auf das Betreten und das behauptete Durchsuchen der [X.]räume im [X.] und damit auf einen zulässigen Antragsgegenstand. Gegenstand eines Antrags im [X.]verfahren kann gemäß § 64 [X.] eine Maßnahme oder eine Unterlassung des Antragsgegners (vgl. [X.] 146, 1 <36 Rn. 79>) sein. Das Betreten und Durchsuchen von [X.]räumen durch die Polizei beim [X.] erfüllt diese Voraussetzung, denn dieses Handeln ist dem Antragsgegner in verfassungsrechtlich relevanter Weise zuzurechnen. Maßgeblich ist insoweit, dass der Antragsgegner die in Art. 40 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 [X.] verankerte Polizeigewalt durch § 1 Abs. 1 Satz 1 bis 3 [X.] auf die Polizei beim [X.] übertragen hat. Überträgt ein Verfassungsorgan die Ausübung einer verfassungsrechtlichen Befugnis auf einen [X.], stellt sich dessen Handeln als das Handeln des [X.] selbst dar.

Der Antragsteller ist antragsbefugt, soweit er sich wegen des Betretens der ihm zugewiesenen [X.]räume in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] verletzt sieht. Soweit er deren Durchsuchen (auch unter Verstoß gegen Art. 40 Abs. 2 Satz 2 [X.]) sowie eine Verletzung von Art. 47 [X.] rügt, besteht eine Antragsbefugnis indes nicht.

Ein Antrag eines einzelnen [X.] im [X.]verfahren ist gemäß § 64 Abs. 1 [X.] zulässig, wenn er die Verletzung oder Gefährdung eines Rechts geltend macht, das mit seinem Status verfassungsrechtlich verbunden ist. Es darf nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen, dass der Antragsgegner Rechte des Antragstellers, die aus einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, durch die beanstandete rechtserhebliche Maßnahme verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (vgl. [X.] 94, 351 <362 f.>; 99, 19 <28>; 104, 310 <325>; 108, 251 <271 f.>; 118, 277 <317>).

Hiernach ist eine Rechtsverletzung durch ein Durchsuchen der [X.]räume ausgeschlossen, da die Polizei beim [X.] eine "Durchsuchung" offensichtlich nicht durchgeführt hat. Hierunter versteht man das ziel- und zweckgerichtete Suchen nach Personen oder Sachen (vgl. zur Durchsuchung von Wohnungen [X.] 51, 97 <106 f.>; 75, 318 <327>; 76, 83 <89>). Es geht darum, etwas Verborgenes aufzuspüren (vgl. [X.] 51, 97 <106 f.>; 75, 318 <327>). Im vorliegenden Fall war den Polizeibeamten bekannt, auf welchen Gegenstand sich ihre Maßnahme bezieht und an welcher Stelle sich dieser Gegenstand befindet. Es fehlt daher am Element des Suchens. Das Betreten der [X.]räume war lediglich das Mittel, um ein bereits ausgemachtes Ziel, die Entfernung der [X.] von den Fenstern, zu erreichen. Damit scheidet zugleich die vom Antragsteller gerügte Verletzung von Art. 40 Abs. 2 Satz 2 [X.] von vornherein aus.

Auch eine Verletzung von Art. 47 [X.] ist ausgeschlossen. Die Vorschrift normiert ein Zeugnisverweigerungsrecht für Abgeordnete (Satz 1) und ein damit korrespondierendes Beschlagnahmeverbot (Satz 2). Der Antragsteller wendet sich hier aber gerade nicht gegen das polizeiliche Handeln, das sich unmittelbar auf die [X.] bezieht. Er wendet sich nach der Formulierung seines Antrags ausdrücklich lediglich gegen das Betreten und Durchsuchen seiner Räumlichkeiten. Aus der Begründung ergibt sich nichts Anderes. Diese Maßnahme berührt den Anwendungsbereich von Art. 47 [X.] nicht.

Das für den [X.] erforderliche (vgl. [X.] 87, 207 <209>; 108, 251 <272>) Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers liegt vor. Es entfällt nicht deswegen, weil das Betreten der [X.]räume bereits abgeschlossen ist. Da entsprechende Eingriffe jederzeit erneut vorgenommen werden können, steht dem Antragsteller die Möglichkeit offen, das abgeschlossene Geschehen einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung zu unterziehen.

Der Antrag ist begründet. Der Antragsgegner hat den Antragsteller durch das Betreten der ihm zugewiesenen Räume in seinem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] verletzt.

1. Den [X.] des [X.]es steht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] das Recht zu, die ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten ohne Beeinträchtigungen durch Dritte nutzen zu können (so im Ergebnis [X.], in: [X.]/[X.], [X.], Art. 40 Rn. 167 f. ; [X.], Die Rechtsstellung der [X.]präsidenten in den Ländern der [X.] und ihre Aufgaben im parlamentarischen Geschäftsgang, 2000, S. 238 f.; für Fraktionen auch [X.], Das Recht der [X.]fraktionen, 2001, [X.]; [X.], in: [X.]/[X.]/ [X.], [X.]recht, 2016, § 21 Rn. 34; aus der landesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung [X.] [X.], Urteil vom 22. Februar 1996 - [X.] 17/95 -, NJW 1996, S. 2567 <2568>).

Die effektive Wahrnehmung des Mandats setzt in materieller Hinsicht voraus, dass den [X.] eine gewisse Infrastruktur zur Verfügung steht. Sie müssen sich darauf verlassen können, diese Infrastruktur nutzen zu können, ohne eine unberechtigte Wahrnehmung ihrer Arbeit durch Dritte befürchten zu müssen. Die [X.]tätigkeit ist von kommunikativen Elementen und vom Umgang mit schriftlichen Unterlagen geprägt, die eine Meinungsbildung im parlamentarischen Prozess erst ermöglichen. Geistige Haltungen und politische Projekte entstehen regelmäßig in verkörperter Form; sie benötigen einen räumlichen Schutz, damit ihre Entfaltung nicht von vornherein Hemmnissen unterliegt.

Das freie Mandat kann daher beeinträchtigt werden, wenn die Büroräumlichkeiten des [X.] ohne dessen Zustimmung von [X.] betreten werden. Müsste ein [X.] jederzeit mit Maßnahmen dieser Art rechnen, bestünde von vornherein die latente Gefahr, dass [X.] und [X.] im Zuge solcher Maßnahmen wahrgenommen oder sichergestellt werden. Das kann unter anderem zur Folge haben, dass Dokumente oder die darin enthaltenen Gedanken nach außen dringen, obwohl sie nicht zur Verbreitung in der Öffentlichkeit bestimmt sind. Die Freiheit des Mandats erfordert es jedoch, dass der Abgeordnete über Art, [X.]punkt und Umfang der Veröffentlichung seiner Arbeitsinhalte selbst entscheidet.

2. Ein Eingriff in den in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] geschützten [X.]status ist zulässig, wenn und soweit andere Rechtsgüter von Verfassungsrang ihn rechtfertigen (vgl. [X.], in: Dreier, [X.], [X.], 3. Aufl. 2015, Art. 38 Rn. 159; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], Art. 38 Rn. 218 ). Das freie Mandat wird in seinem Umfang zwar nicht von vornherein durch das Hausrecht oder die Polizeigewalt des Antragsgegners begrenzt. Über Art. 40 Abs. 2 gibt das Grundgesetz ihm aber grundsätzlich die Möglichkeit, das freie Mandat im Wege der Abwägung mit widerstreitenden Rechtsgütern in Ausgleich zu bringen. Die Repräsentations- und die Funktionsfähigkeit des [X.] sind als solche Rechtsgüter von Verfassungsrang anerkannt (vgl. [X.] 80, 188 <219>; 84, 304 <321>; 96, 264 <279>; 99, 19 <32>; 118, 277 <324>).

II.

Die streitgegenständliche Maßnahme genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Eingriff in das freie Mandat des Antragstellers nicht.

1. Dabei kann offenbleiben, ob Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] selbst eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für ein polizeiliches Handeln des Antragsgegners darstellt (so [X.]schnittger, Die rechtliche Stellung des [X.]tagspräsidenten, 1963, S. 138 f.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 5, [X.]; [X.], DVBl 1992, S. 1577 <1581>; [X.], [X.], [X.] <155>; Brocker, in: [X.] Kommentar, Art. 40 Rn. 265 ; Risse/[X.], in: [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2018, Art. 40 Rn. 4; [X.], in: v. Mangoldt/[X.]/[X.], [X.], [X.], 7. Aufl. 2018, Art. 40 Rn. 27; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], Art. 40 Rn. 169 ff. ) oder ob es insoweit eines formellen Gesetzes bedurft hätte (so [X.], NVwZ 2010, S. 1462 <1465 f.>; Friehe, [X.], S. 521 <522 ff.>). Jedenfalls genügt die streitgegenständliche Maßnahme nicht den Anforderungen von Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Selbst dann, wenn Art. 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] als eine taugliche Ermächtigungsgrundlage angesehen würde, müsste das polizeiliche Handeln den Anforderungen der [X.] genügen. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Obwohl die [X.] kein formelles Gesetz ist (vgl. [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 5, [X.]; [X.], NVwZ 2010, S. 1462 <1465>; Friehe, [X.], S. 521 <522>; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], Art. 40 Rn. 171 mit [X.]. 6 ), zielen die darin enthaltenen Regelungen darauf ab, die Polizei beim [X.] zu binden. Damit kommt der [X.] der Charakter einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift zu (vgl. im Zusammenhang mit der Hausordnung [X.], in: [X.]/[X.], [X.], Art. 40 Rn. 161 f. ).

Ein Handeln außerhalb der Grenzen, die die [X.] setzt, ist vor diesem Hintergrund rechtswidrig. Zwar können sich Abgeordnete hinsichtlich ihrer Rechtsstellung nicht auf Grundrechte berufen (vgl. [X.] 94, 351 <365>; 99, 19 <29>; 118, 277 <327>). Ein Handeln außerhalb der Grenzen der [X.] führt daher, soweit die spezifische Rechtsstellung eines [X.] betroffen ist, nicht - wie in anderen Fällen (vgl. [X.] 69, 161 <168 f.>; 73, 280 <299 f.>; 116, 135 <153 f.>) - zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 [X.]. Für Abgeordnete gilt jedoch der aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] abgeleitete parlamentsbezogene Grundsatz, wonach alle Mitglieder des [X.] formal gleichgestellt sind (vgl. [X.] 40, 296 <317 f.>; 80, 188 <220 f.>; 84, 304 <325>). Dieser Grundsatz wird verletzt, wenn der Antragsgegner nicht nach Maßgabe einheitlicher Voraussetzungen in die Rechtsstellung der [X.] des [X.]es eingreift. Insbesondere dann, wenn der Antragsgegner selbst allgemeingültige Eingriffsvoraussetzungen aufstellt, muss er sich hinsichtlich seines Handelns gegenüber sämtlichen [X.] an diesen Voraussetzungen messen lassen.

2. Die Zulässigkeit des Betretens von [X.]räumen bestimmt sich nach § 23 [X.]. Zwar mögen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sein (a). Jedenfalls genügt die streitgegenständliche Maßnahme aber nicht den allgemeinen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit polizeilichen Handelns (b).

a) § 23 Abs. 1 [X.] gestattet der Polizei beim [X.] das Betreten eines Raums zur Abwehr einer Gefahr. Eine Gefahr liegt bei einer Sachlage vor, bei der im konkreten Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer [X.] ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird (vgl. [X.] 115, 320 <364>; s. auch [X.] 120, 274 <328 f.>; 125, 260 <330>). Zur öffentlichen Sicherheit zählen die Unversehrtheit der Rechtsordnung, die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Bestand und die Funktionsfähigkeit des Staates und sonstiger Hoheitsträger, ihrer Einrichtungen und Veranstaltungen (vgl. [X.], in: [X.]/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des [X.], 2. Aufl. 2019, § 14 [X.] Rn. 10). Die Wahrscheinlichkeitsprognose, die für die Feststellung einer Gefahr erforderlich ist, muss sich auf Tatsachen gründen. [X.] Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen ohne greifbaren, auf den Einzelfall bezogenen Anlass reichen nicht aus (vgl. [X.] 69, 315 <353 f.>; 113, 348 <377 f.>; 115, 320 <364>; 125, 260 <330>; zur Anwendung des Maßstabs s. auch [X.] 44, 353 <380 ff.>; 110, 33 <61>).

Von § 23 Abs. 1 [X.] geschützt ist mithin auch die Unversehrtheit des [X.]gebäudes und der [X.]mitarbeiter, auf die sich die Polizeibeamten hier berufen haben. Ob weitere Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit betroffen sind, bedarf keiner Entscheidung. Nicht völlig fernliegend erscheinen vor dem Hintergrund des zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs mit dem Besuch des [X.]n Staatspräsidenten die Erwägungen, die der Antragsgegner zum Vorliegen einer Gefahr vorgebracht hat. Ebenso erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller zu Recht als Adressat der Maßnahme ausgewählt wurde.

b) Jedenfalls fehlt es aber an der Verhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Maßnahme. Die Rechtsfolge der polizeilichen Eingriffsbefugnis aus § 23 Abs. 1 [X.] besteht darin, dass dem Antragsgegner, und damit der Polizei beim [X.], ein Ermessen eingeräumt wird, über die Durchführung einer Maßnahme und über deren konkrete Ausgestaltung zu entscheiden. Bei der Ausübung des Ermessens muss die handelnde Polizeibehörde den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Der Abgeordnete ist gegenüber Maßnahmen des [X.]tagspräsidenten durch seine besondere Rechtsstellung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] geschützt. Der [X.]tagspräsident muss deswegen verhältnismäßig handeln, wenn er Polizeigewalt gegenüber einem [X.] ausübt. Verhältnismäßig ist eine Maßnahme, die einem legitimen Zweck dient, die geeignet ist, diesen Zweck zu erreichen, die erforderlich ist im Sinne des Grundsatzes des mildesten Mittels und die den Grundsatz der Angemessenheit wahrt.

aa) Außer Zweifel steht, dass die streitgegenständliche Maßnahme zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet war. Sie diente dazu, die Unversehrtheit des [X.]gebäudes sowie der [X.]mitarbeiter durch die Entfernung einer angenommenen Gefahrenquelle sicherzustellen.

bb) Ob die Maßnahme darüber hinaus auch erforderlich war, ist fraglich. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Polizei beim [X.] ein milderes, die betroffene Rechtsposition weniger intensiv beschränkendes Mittel zur Verfügung stand, mit dem das Ziel der Maßnahme ebenso effektiv hätte erreicht werden können (vgl. [X.] 118, 168 <194 f.>; 120, 274 <321>; 126, 112 <144 f.>; 135, 90 <118 Rn. 74>). Als alternative Handlungsmöglichkeit denkbar wäre gewesen, telefonischen Kontakt zum Antragsteller oder zum Parlamentarischen Geschäftsführer der [X.] [X.] aufzunehmen, um auf diesem Wege zur Entfernung der [X.] aufzufordern. Ob diese Handlungsmöglichkeit gleich effektiv gewesen wäre, hängt davon ab, in welchem Maße ein höherer [X.]bedarf entstanden wäre und wie sich der [X.]ablauf auf die Entwicklung der Gefahrenlage ausgewirkt hätte.

cc) In jedem Fall fehlt es an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im engeren Sinne. Danach muss der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung der beeinträchtigten Rechtsposition stehen (vgl. [X.] 67, 157 <173>). Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben (vgl. [X.] 67, 157 <178>; 83, 1 <19>; 113, 167 <260>; 120, 224 <241>; 126, 112 <152 f.>; ähnlich [X.] 101, 331 <350>; 102, 197 <220>; 118, 168 <195>; 133, 277 <322 [X.]>). Das ist hier nicht der Fall.

(1) Der Eingriff wiegt schwer. Auf Seiten des Antragstellers sind dessen Statusrechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] betroffen. Die Statusrechte der [X.] des [X.]es stellen ein hochrangiges Rechtsgut dar. In beiden Sätzen des Art. 38 Abs. 1 [X.] ist das Prinzip der repräsentativen Demokratie verankert. Es gewährleistet für jeden [X.] insbesondere die Freiheit in der Ausübung seines Mandats (vgl. [X.] 102, 224 <237 ff.>). Das freie Mandat sichert gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] die freie Willensbildung der [X.] und damit eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen den [X.] und den Wählerinnen und Wählern (vgl. [X.] 134, 141 <172>). Das freie Mandat dient auch dazu, die Funktionsfähigkeit des [X.]es insgesamt zu gewährleisten (vgl. [X.] 104, 310 <332> in Bezug auf die Immunität der [X.] nach Art. 46 Abs. 2 [X.]). Dabei stellt die räumliche Integrität eines [X.]büros ein wichtiges Element der freien Mandatsausübung dar. [X.] ist die Mandatsausübung nur dann, wenn der Abgeordnete innerhalb seiner Büroräume von vornherein nicht beziehungsweise nur unter Wahrung hoher Voraussetzungen mit Zugriffen Dritter rechnen muss.

(2) Die zur Rechtfertigung des Eingriffs in Betracht zu ziehenden Gründe wahren im Verhältnis dazu nach ihrem Gewicht und ihrer Dringlichkeit die Grenze der Zumutbarkeit nicht. Zunächst wiegt die Absicht der Polizei beim [X.], die Funktionsfähigkeit des [X.]es durch die Abwehr äußerer Gefahren zu sichern, nicht schwerer als die Sicherung der Funktionsfähigkeit durch die Gewährleistung der Integrität der [X.]büros. Auch wenn Hemmnisse bei der Ausübung des [X.]mandats nicht augenfällig sind, kommt ihnen eine Bedeutung zu, die nicht von vornherein weniger ins Gewicht fällt als die mutmaßlichen Gewalttaten, deren Verhinderung die Polizei beim [X.] hier beabsichtigt hat.

Darüber hinaus waren die Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage nur schwach ausgeprägt. Zum [X.]punkt der Durchführung der Maßnahme war nicht ersichtlich, dass Passanten die [X.] bereits wahrgenommen hatten. Die Polizei beim [X.] hatte keinen ersichtlichen Anhaltspunkt anzunehmen, dass jemand bereits im Begriff war, Handlungen zum Nachteil des [X.]gebäudes oder der [X.]mitarbeiter vorzunehmen.

Unabhängig davon war das Provokationspotential gering, denn die [X.] waren nur eingeschränkt wahrnehmbar. Sie waren im [X.] A4-Format gehalten, das sich bezogen auf die Außenfassade eines Bürokomplexes als äußerst kleinformatig darstellt. Angebracht waren die [X.] in einem oberen Stockwerk. Daher bestand eine gewisse räumliche Distanz zu den Passanten im Straßenbereich.

Vor diesem Hintergrund ist das streitgegenständliche sofortige Einschreiten der Polizei beim [X.] offensichtlich unangemessen. Bei einer Intensivierung der Gefahrenlage wäre eine Neubewertung des gebotenen polizeilichen Handelns jederzeit möglich gewesen, da - wie der Fall zeigt - regelmäßige Kontrollgänge im Bereich des betroffenen Gebäudes stattfanden.

D.

Besondere [X.], die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 [X.] ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (zum Maßstab vgl. [X.] 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

Meta

2 BvE 2/19

09.06.2020

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

Art 38 Abs 1 S 2 GG, Art 40 Abs 2 S 1 Alt 2 GG, § 4 Abs 2 BTHausO 2002, § 23 Abs 1 BTPolVollzDA

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.06.2020, Az. 2 BvE 2/19 (REWIS RS 2020, 2859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2859

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 BvE 2/20 (Bundesverfassungsgericht)

Begrenzung des Wahlvorschlagsrechts gem § 2 Abs 1 GO-BT (juris: BTGO 1980) für Stellvertreter des …


2 BvR 508/01, 2 BvE 1/01 (Bundesverfassungsgericht)

Zur personellen und sachlichen Reichweite des Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbots aus Art. 47 Satz 2 GG


2 BvE 6/08, 2 BvR 2436/10 (Bundesverfassungsgericht)

Bundesamt für Verfassungsschutz darf Bundestagsabgeordnete nur unter strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen beobachten - Zum Gewährleistungsgehalt des Art …


2 BvE 2/20 (Bundesverfassungsgericht)

Eilantrag eines AfD-Bundestagsabgeordneten im Organstreitverfahren bzgl der Wahl von Stellvertretern des Bundestagspräsidenten erfolglos (hier: Zulassung …


2 BvE 2/18 (Bundesverfassungsgericht)

Rechtsschutzbedürfnis im Organstreitverfahren bzgl der Verhängung parlamentarischer Ordnungsmaßnahmen setzt Durchführung des Einspruchsverfahrens (§ 39 BTGO) …


Referenzen
Wird zitiert von

23 C 23.2129

1 C 10/22

10 B 22.798

Zitiert

2 BvE 2/18

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.