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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Strafzumessung bei Betäubungsmitteldelikten: Anwendbarkeit des Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe bei taktierendem Verhalten des Angeklagten
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2016
a) im Ausspruch über die für die Fälle [X.] (50 Kokainankäufe des Angeklagten bei [X.]) verhängten Einzelstrafen,
b) im Gesamtstrafenausspruch und
c) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist,
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
I.
Das [X.] hat den Angeklagten am 27. Juli 2016 (nicht wie widersprüchlich im Rubrum angeführt am Mittwoch, den 29. Juli 2016; vgl. Antragsschrift des [X.] vom 22. November 2016) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 Fällen, hiervon in 19 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 57 Fällen, davon in 51 Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
II.
1. Während der Schuldspruch entsprechend den Ausführungen des [X.] keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist, sind die hinsichtlich der für die Fälle [X.] (50 Kokainkäufe des Angeklagten bei dem anderweitig verfolgten [X.] ) verhängten Einzelstrafen rechtsfehlerhaft. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Die Kammer hat bezüglich dieser Fälle eine Anwendung des vertypten [X.] aus § 31 [X.] Nr.1, [X.] und [X.] BtMG iVm § 46b Abs.2 und Abs.3 StGB abgelehnt, weil [X.] bereits vor der Aussage des Angeklagten das Land verlassen hatte (vgl. [X.]), was dem Angeklagten bekannt gewesen sei (siehe [X.]). Die Aufklärungshilfe des Angeklagten sei daher nicht als werthaltig anzusehen. Dies begegnet rechtlichen Bedenken. Denn es steht der Anwendbarkeit von § 31 [X.] Nr. 1 BtMG nicht entgegen, wenn der durch die Angaben des Angeklagten - zur Überzeugung des Tatrichters der Sache nach zutreffend - Belastete bisher noch nicht ergriffen werden konnte ([X.], Beschluss vom 28. August 2002 - 1 [X.], [X.], 162 f.). Ein [X.] setzt nicht die Verurteilung oder Festnahme des von dem Täter Belasteten voraus, sondern ist schon dann anzunehmen, wenn zur Überzeugung des Gerichts durch seine Angaben, insbesondere eine für Fahndungsmaßnahmen ausreichende Bezeichnung der von ihm belasteten Person, die Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens im Falle der Ergreifung geschaffen wurden (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 532/99, [X.], 318). Die Kammer hat hierzu festgestellt, der Angeklagte habe mit seiner Offenlegung von [X.] bei [X.] Taten geschildert, die 'ohne seine Angaben nicht hätten nachgewiesen werden können' (siehe [X.]). Den Ermittlungsbehörden seien die [X.] mit [X.] zuvor nicht bekannt gewesen und 'wären auch ohne die Einlassung des Angeklagten unerkannt geblieben' ([X.]). Das Gericht hat die Angaben des Angeklagten zu den Geschäften mit [X.] als glaubhaft eingestuft (siehe [X.] ff.) und festgestellt, der Zeuge [X.] habe ausgesagt, dass [X.] derzeit flüchtig sei (siehe [X.]), woraus hervorgeht, dass es sich offenbar um eine existierende Person handelt, die aufgrund der Angaben des Angeklagten namhaft gemacht werden konnte. Dass dem Angeklagten bei seinen Angaben bekannt war, dass sich [X.] bereits im Ausland befand, hindert die Aufklärungshilfe nicht. Selbst taktierendes Verhalten, bei dem ein Täter sein Wissen bewusst erst offenbart, wenn die von ihm belastete Person das Land verlassen hat, kann eine Anwendung von § 31 BtMG nach sich ziehen (vgl. [X.], Urteil vom 31. Oktober 1984 - 2 [X.], [X.] 1985, 14 f.). Der damit zu konstatierende Rechtsfehler erfasst die [X.] hinsichtlich der abgeurteilten [X.] mit [X.] .“
Dem tritt der Senat bei.
Angesichts der Vielzahl der betroffenen Einzelstrafen kann der Senat auch nicht ausschließen, dass bei zutreffender Rechtsanwendung der Tatrichter eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hätte, weshalb auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe aufzuheben war.
2. Das Urteil kann schließlich keinen Bestand haben, soweit die [X.] von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
a) Nach den getroffenen Feststellungen, welche sich mit der Ansicht des Sachverständigen decken, hat der Angeklagte mit Sicherheit Alkohol und Kokain konsumiert, und dies wohl auch nicht nur gelegentlich, was auch durch die Angaben des Zeugen A. bestätigt wurde ([X.]). Auch wenn nach Auffassung der [X.] die vom Angeklagten gemachten Mengenangaben im Hinblick auf das Fehlen jeglicher körperlicher sowie seelischer Schädigungen als unglaubwürdig und übertrieben erschienen sind ([X.]), liegt nach Auffassung des [X.]s beim Angeklagten nicht ausschließbar ein Hang im Sinne des § 64 StGB vor ([X.]), da der Angeklagte unbestritten Kokain, Marihuana und Alkohol regelmäßig über einen längeren Zeitraum konsumiert hat. Die [X.] konnte jedoch noch keinen Hang feststellen, „Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren“ ([X.]). Der Angeklagte sei ohne Schwierigkeiten in der Lage gewesen, den [X.] sowohl von Alkohol, Kokain und Marihuana unmittelbar nach der Festnahme sofort zu beenden, ohne jegliche körperliche oder seelische Entzugserscheinungen oder andere Beeinträchtigungen zu zeigen. Darüber hinaus habe der [X.] des Angeklagten auch schon vorher, also zu den Fahrzeiten, keinerlei körperliche oder psychische Auswirkungen gezeigt, welche aber bei dem von ihm behaupteten Ausmaß des [X.]s sicher zu erwarten gewesen seien. Eine Vernachlässigung in seiner Lebensführung sei für die Kammer nicht erkennbar gewesen; der Angeklagte sei in der Lage gewesen, seine [X.] mit einem nicht unerheblichen zeitlichen, logistischen und finanziellen Aufwand zu steuern und zu organisieren. Aus einer Gesamtschau dieser Aspekte sei ein Hang, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren, daher nicht gegeben (UA S. 49).
b) Diese Erwägungen zum Unterbleiben der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat den Begriff des [X.]. § 64 StGB als Maßstab für die [X.] im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zutreffend erfasst. Es hat nicht alle für die Anwendung dieses Maßstabs bedeutsamen, von ihm festgestellten Umstände zur Persönlichkeit des Angeklagten, insbesondere zu den verfahrensgegenständlichen Taten, in die rechtliche Beurteilung zum Hang eingestellt. Die allein aus der vorgenommenen Gesamtschau herrührende tatgerichtliche Wertung erweist sich deshalb als rechtsfehlerhaft.
c) Wie das [X.] an sich zutreffend angenommen hat, ist für einen Hang gemäß § 64 StGB eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger [X.] von [X.] ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 10. Januar 2017 - 1 [X.], Rn. 7; vom 26. Oktober 2016 - 4 StR 408/16, Rn. 6; vom 10. November 2015 - 1 [X.], [X.], 113 und vom 21. August 2012 - 4 [X.], [X.] 2013, 34 f.). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. Oktober 2016 - 4 StR 408/16, Rn. 6 und vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15, Rn. 5; Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, [X.], 210). Dem Umstand, dass durch den [X.] die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 [X.] aaO; vom 21. August 2012 - 4 [X.] aaO; vom 12. April 2012 - 5 [X.], [X.], 271 und vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, [X.], 198 f.). Ebenso wenig ist für einen Hang erforderlich, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Januar 2017 - 1 [X.], Rn. 7; vom 26. Oktober 2016 - 4 StR 408/16, Rn. 6; vom 10. November 2015 - 1 [X.] aaO und vom 25. Juli 2007 - 1 StR 332/07, [X.], 7).
Bei der Bewertung der festgestellten Umstände nach diesen Maßgaben hat das [X.] im Kontext seiner Erwägungen nicht erkennbar in den Blick genommen, dass die große Anzahl der vom Angeklagten begangenen Betäubungsmittelstraftaten nach den getroffenen Feststellungen deutlich auch als Beschaffungstaten für den Eigenkonsum zu charakterisieren sind, deren indizielle Bedeutung einen Hang nahe legt. Warum diese als Ergebnis einer Gesamtschau für die Beurteilung des Hangs nicht bedeutsam sein sollen, obgleich das [X.] zunächst selbst nicht ausschließbar von einem Hang im Sinne des § 64 StGB ([X.]) ausgegangen ist, ergibt sich aus den weiteren Ausführungen zur Ablehnung der Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht, so dass es an einer tragfähigen Begründung fehlt. Die [X.] hat keine Umstände von Gewicht genannt, die der indiziellen Bedeutung der [X.] entgegengehalten werden könnten.
Auf diesem Wertungsfehler der [X.] beruht das angefochtene Urteil insoweit. Handelt es sich wie hier um Straftaten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, liegt der erforderliche symptomatische Zusammenhang nahe (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Januar 2017 - 1 [X.], Rn. 9; vom 12. Oktober 2016 - 1 [X.], Rn. 7 mwN und vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, [X.], 75).
d) Es handelt sich lediglich um einen Wertungsfehler des [X.]s. Die der Entscheidung bezüglich der Maßregel zugrunde liegenden Feststellungen bleiben daher aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] kann ergänzende Feststellungen im Strafausspruch treffen.
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Meta
12.01.2017
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Augsburg, 27. Juli 2016, Az: 1 KLs 301 Js 141505/15
§ 29 BtMG, § 31 S 1 Nr 1 BtMG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2017, Az. 1 StR 587/16 (REWIS RS 2017, 17529)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 17529
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 587/16 (Bundesgerichtshof)
1 StR 415/17 (Bundesgerichtshof)
Betäubungsmitteldelikt: Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
1 StR 652/16 (Bundesgerichtshof)
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6 StR 398/22 (Bundesgerichtshof)
Verlesung von Gutachten aus Privatlaboren
3 StR 415/19 (Bundesgerichtshof)
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