Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.10.2010, Az. 27 W (pat) 60/10

27. Senat | REWIS RS 2010, 2513

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Esslinger Zwiebelfest" – auch ohne Bezug zur Zwiebelpflanze keine Unterscheidungskraft


Leitsatz

Esslinger Zwiebelfest

Die Bezeichnung "Zwiebelfest" ist für Veranstaltungen und damit zusammenhängende Waren und Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig. Daran ändert es nichts, dass "Zwiebel" im Zusammenhang mit einem bestimmten Fest keinen Bezug zu der Pflanze Zwiebel hat, sondern zu einer auf einer Sage beruhenden Bezeichnung für die Bewohner einer Stadt, weil diese Sage nicht allgemein bekannt ist.

Tenor

In der Beschwerdesache

…       

betreffend die Markenanmeldung 307 76 516.4

hat der 27. Senat ([X.]) durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin am [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2010

beschlossen:

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse vom 19. Juni 2009 und 18. Januar 2010 insoweit aufgehoben, als die Anmeldung für

„[X.]: Schreibwaren“

zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

1

I.        

2

Die Anmelderin hat beim [X.] die Eintragung der Wortmarke

3

[X.] [X.]

4

für die Waren und Dienstleistungen

5

„Klasse 9:

6

Bild- und / oder Tonträger, insbesondere bespielte beziehungsweise mit Aufnahmen versehene Videobänder, Tonbänder, Videokassetten, Tonbandkassetten, Compact Disks, DVDs;

7

Klasse 16:

8

Druckereierzeugnisse, Bücher, Zeitschriften, Broschüren, [X.]; Photographien; Schreibwaren;

9

Klasse 21:

Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten;

Klasse 33:

Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), Wein, Sekt, Spirituosen und Liköre, Cocktails und Aperitifs auf Spirituosen- und Weingrundlage;

Kasse 35:

Werbung; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Werbung im [X.] für Dritte;

Klasse 43:

Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen“

beantragt.

Die Markenstelle hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 19. Juni 2009 und 18. Januar 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Dies ist damit begründet, das angemeldete Zeichen weise auf ein vom Thema her bestimmtes Fest an einem Ort hin. Alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen könnten dort angeboten werden bzw. Verwendung finden. Die von der Anmelderin herangezogenen eingetragenen Fest-Marken bezögen sich auf Waren und Dienstleistungen, bei denen dies nicht der Fall sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die „Zwiebel“ sich hier historisch scherzhaft auf eine Bezeichnung für [X.] Bewohner beziehe.

Der Erinnerungsbeschluss wurde der Anmelderin am 25. Januar 2010 zugestellt.

Die Anmelderin hat dagegen am 17. Februar 2010 Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, [X.] sei kein bekannter Ort. Das [X.] sei nur regional begrenzt bekannt. Keinesfalls sei [X.] [X.] für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend; es könne nicht mit „Fußball Weltmeisterschaft“ gleichgesetzt werden.

Sie beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle des [X.]s vom 19. Juni 2009 und 18. Januar 2010 aufzuheben

und die Marke einzutragen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 [X.] zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache nur teilweise Erfolg, weil einer Registrierung der angemeldeten Marke für die streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von Schreibwaren das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegensteht.

1.

Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer zu unterscheiden sowie deren Ursprungsidentität zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428, 431 Nr. 48 - Henkel; [X.] 850, 854 Nr. 18 - [X.] 2006).

Wortmarken besitzen nach der Rechtsprechung dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen.

Ist - wie hier - die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen gegenüber anderen Wortmarken. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden Marke ist auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. [X.] 2001, 162 - Rational Software Corporation).

2.

Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke „[X.] [X.]“ für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von Schreibwaren jegliche Unterscheidungskraft, da sie bezüglich dieser Waren und Dienstleistungen einen ohne weiteres erkennbaren beschreibenden Begriffsinhalt aufweist, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der angemeldeten Wortfolge um einen Hinweis auf eine in der Stadt [X.] stattfindende Veranstaltung, die einen mit „Zwiebel“ benennbaren thematischen Bezug hat. Für ein entsprechendes Verständnis sprechen insbesondere die von der Markenstelle ermittelten [X.]belege, die eine Verwendung von vergleichbaren Begriffen durch Dritte belegen. Danach finden in unterschiedlichen Ortschaften Feste statt, die jeweils einen Bezug zu verschiedenen Lebensmitteln haben (z. B. Honigfest in [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] in Schöppingen).

Dass vorliegend mit „Zwiebel“ kein solcher Bezug zu einer regionalen Spezialität der Gattung Lauch hergestellt werden soll, ist für einen nicht mit der Geschichte der Stadt [X.] vertrauten Verbraucher nicht erkennbar. Die Sage darüber, wie die Bewohner der Stadt [X.] zu der Bezeichnung „Zwiebel“ kamen, gehört nicht zum bundesweit bekannten Sagenschatz.

Der damit nicht vertraute [X.] ist sehr groß. Er wird „[X.]“ in eine Reihe mit den o. g. Festen einordnen und entsprechende „[X.]e“ in Gemüseanbaugebieten erwarten - ja sogar weitere solche Feste in [X.] nicht ausschließen, zumal er daran gewöhnt ist, in einer [X.] auch mehreren von verschiedenen Veranstaltern durchgeführten [X.], Starkbierfesten, Weinfesten etc. zu begegnen.

In Bezug auf die zu versagenden Waren und Dienstleistungen weist die Bezeichnung „[X.] [X.]“ das angesprochene Publikum lediglich darauf hin, dass diese Waren und Dienstleistungen anlässlich eines in der Stadt [X.] stattfindenden [X.]es angeboten werden oder dessen Durchführung dienen.

Die beanspruchten Waren der Klassen 9 und 16 (mit Ausnahme von Schreibwaren) können sich inhaltlich mit dem [X.] [X.] befassen. Damit ist „[X.] [X.]“ insoweit als Inhaltsangabe beschreibend.

Die Dienstleistungen der Klasse 43 können auf die Organisation und Durchführung der als „[X.] [X.]“ bezeichneten Veranstaltung bezogen werden. Das angemeldete Zeichen ist auch für die beanspruchten „Dienstleistungen zur Beherbergung und Verpflegung von Gästen“ freizuhalten. Zunehmend wenden sich Veranstalter größerer Festivitäten mit einem Komplettangebot, zu dem auch Übernachtungsmöglichkeiten gehören, an die Interessenten. „[X.] [X.]“ ist damit unmittelbar beschreibend. Daran ändern auch faktische Monopolstellungen der Anmelder nichts, soweit ihre Marken - wie hier - nicht die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs. 3 [X.]) erfüllen. Der beschreibende Charakter eines Veranstaltungsnamens betrifft aber nicht nur die Durchführung der Veranstaltung, sondern umfasst auch die hierfür eingesetzten Hilfsmittel und -leistungen. Insoweit handelt es sich bei der Benennung der Veranstaltung um eine Bestimmungsangabe im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Auch wenn sie die betroffenen Waren und Dienstleistungen selbst nicht unmittelbar beschreibt, wird durch sie doch ein „enger beschreibender Bezug“ dazu hergestellt, der auch vom Bedeutungsgehalt der angemeldeten Marke bestimmt wird ([X.] / [X.], [X.], 9. Aufl., § 8 Rn. 161, 162).

Der beschreibende Charakter eines Veranstaltungsnamens betrifft daher vorliegend auch die das Fest ermöglichenden Dienstleistungen der Klasse 43 und die hierfür eingesetzten Hilfsmittel der Klasse 35.

Die Getränke der Klasse 33 können für das [X.] [X.] bestimmt sein oder dort ausgeschenkt werden (s. a. [X.], Beschluss vom 24. März 2010, [X.].: 26 W (pat) 82/09 - [X.] Oktoberfest). Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), Wein, Sekt, Spirituosen und Liköre, Cocktails und Aperitifs auf Spirituosen- und Weingrundlage werden in Verbindung mit den entsprechenden Dienstleistungen auf jedem Fest angeboten bzw. verwendet. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des [X.] zu

Die Produkte der Klasse 21 können dort ebenfalls vertrieben werden.

3.

Eine andere Beurteilung ist lediglich für die im Tenor genannten „Schreibwaren“ angezeigt.

Insoweit steht der Eintragung des Begriffs „[X.] [X.]“ weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] noch der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

Die Bezeichnung „[X.] [X.]“ ist nicht geeignet, Merkmale dieser Waren unmittelbar zu beschreiben, da das Publikum bei dem Besuch einer so benannten Veranstaltung nicht erwarten wird, dass es dort Schreibwaren erwerben kann. Mangels eines im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalts kann der Wortfolge insoweit auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

In diesem Umfang konnten die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle daher keinen Bestand haben.

4.

Billigkeitsgründe für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr sind nicht ersichtlich.

5.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 574 ZPO) liegen nicht vor, weil keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen und der Senat mit dieser Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht.

Meta

27 W (pat) 60/10

12.10.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.10.2010, Az. 27 W (pat) 60/10 (REWIS RS 2010, 2513)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2513

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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