Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. I ZB 13/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1896

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 13/12
vom

25. Oktober
2012

in der Rechtsbeschwerdesache

-
2
-
Der I.
Zivilsenat des [X.] hat am 25.
Oktober
2012 durch [X.]
Dr.
Bornkamm und [X.], Dr.
Kirchhoff, Dr.
Koch und Dr.
Löffler

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 23.
Januar 2012 aufgehoben.
Der Beschluss der 37.
Zivilkammer des [X.] vom 6.
Dezember 2011
wird auf die Beschwerde der Antragstellerin abgeändert.
Der Beteiligten wird gestattet, der Antragstellerin unter Verwen-dung von Verkehrsdaten im Sinne des §
3 Nr.
30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt
1 des Beschlusses der 37.
Zivilkam-mer des [X.] vom 6.
Oktober 2011 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.
Die Kosten der gerichtlichen Anordnung trägt die Antragstellerin.
Gegenstandswert:
3.000

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3
-
Gründe:

I.
Die Antragstellerin ist ein Softwareunternehmen. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Vertriebsrechte für [X.], [X.]. Das
Computer-spiel ist am 9.
November 2010 in [X.] veröffentlicht worden.

Die Antragstellerin hat die L.

[X.] GmbH beauftragt, Onli-
ne-Tauschbörsen im Blick auf das Computerspiel
zu überwachen. Die L.

[X.] GmbH verfügt über eine Software, mit der festgestellt werden kann, über welchen [X.]anschluss eine bestimmte Datei zum Download an-geboten wird. Die von der Antragstellerin vorgelegte Anlage ASt
1 enthält von der L.

[X.] GmbH ermittelte IP-Adressen, die Nutzern zugewie-
sen waren, die das Computerspiel Two Wor

in der [X.] zwischen dem 28.
September und dem 3.
Oktober
2011 über eine Online-Tauschbörse ande-ren Nutzern zum Herunterladen angeboten hatten. Die jeweiligen (dynami-schen) IP-Adressen waren den Nutzern von der (weiteren) Beteiligten, der [X.], als [X.]-Provider zugewiesen worden.
Die Antragstellerin hat gemäß §
101 Abs.
9 [X.] in Verbindung mit §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] beantragt, der Beteiligten zu gestatten, ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des §
3 Nr.
30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anla-ge ASt
1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.
Das [X.] hat den Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelas-senen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
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II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die zum Erlass der begehr-ten Anordnung erforderliche Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß sei ausgeführt:
Werde ein einziges urheberrechtlich geschütztes Werk im [X.] zum Herunterladen angeboten, könne eine Rechtsverletzung in gewerblichem Aus-maß nur angenommen werden, wenn es sich entweder um ein besonders wert-volles Werk handele oder eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht werde. Ob sich ein Werk in der relevanten Verwertungsphase befinde, könne nur im Einzelfall be-stimmt werden, wobei den jeweiligen Vermarktungsbe[X.]gungen Rechnung zu tragen sei. Für den Bereich der aktuellen Unterhaltungsmusik sowie der Spiel-filme sämtlicher Kategorien
sei davon auszugehen, dass die wesentliche kom-merzielle Auswertung nach spätestens sechs Monaten abgeschlossen sei. Nach Ablauf dieser Frist bedürfe es besonderer Umstände, um eine Fortdauer der relevanten Verwertungsphase annehmen zu können.
Im Streitfall sei aufgrund der vorgetragenen Verkaufszahlen davon [X.], dass die wirtschaftliche Vermarktung bereits nach weniger als einem halben Jahr, jedenfalls aber nach knapp einem Jahr im Wesentlichen abge-schlossen gewesen sei. Dass es sich bei dem Computerprogramm um eine vergleichsweise große Datenmenge gehandelt habe, sei zwar ein Indiz für die Schwere der geltend gemachten Rechtsverletzung. Diesem komme
jedoch im Rahmen der Gesamtabwägung letztlich keine entscheidende Bedeutung zu.
III.
Die gemäß §
101 Abs.
9 Satz
4 [X.], §
70 Abs.
1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Antrag, es der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsda-5
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5
-
ten im Sinne des §
3 Nr.
30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt
1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren, kann mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung nicht abgelehnt werden.
1. Die durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von [X.] des geistigen Eigentums mit Wirkung vom 1.
September 2009 in das Urhe-berrechtsgesetz eingefügte Bestimmung des §
101 [X.] gibt dem Verletzten einen Auskunftsanspruch sowohl gegen den Verletzer als auch gegen Dritte: Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann vom [X.] auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in [X.] genommen werden (§
101 Abs.
1 Satz
1 [X.]). In Fällen offensichtli-cher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den [X.] Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von §
101 Abs.
1 [X.] auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß -
was im vorlie-genden Fall allein von Bedeutung ist -
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutz-te Dienstleistungen erbrachte, es sei denn, die Person wäre nach den §§
383 bis 385 ZPO im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berech-tigt (§
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.]). Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§
3 Nr.
30 TKG) erteilt werden, ist für ihre Erteilung nach §
101 Abs.
9 [X.] eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu [X.] ist.
2. Der Antrag auf Erteilung einer Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten (§
101 Abs.
9 [X.]) ist nur begründet, wenn 9
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ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft besteht. Entgegen der [X.] setzt der von der Antragstellerin behauptete Anspruch aus §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienst-leistungen erbrachte, nicht voraus, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben ([X.], Beschluss vom 19.
April 2012 -
I ZB 80/11, [X.], 1026
Rn.
10 = [X.], 1250
-
Alles kann besser werden). Es kann daher offenbleiben, ob das unbefugte Einstellen eines einzigen urheberrechtlich geschützten Werks in eine Online-Tauschbörse als eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß anzusehen ist.
Weder der Wortlaut des §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] noch die [X.] oder der Zweck des Gesetzes bieten
einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass der Anspruch auf Auskunft gegen die Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, nur unter der einschränkenden Voraussetzung besteht, dass die [X.] Tätigkeiten gleichfalls ein gewerbliches Ausmaß hatten
(vgl. [X.], [X.], 1026
Rn.
11 bis 23
-
Alles kann besser werden). Auch die [X.] 2004/48/[X.] vom 29.
April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, deren Umsetzung das [X.] vor allem dient, steht der Regelung in einem Mitgliedstaat nicht entgegen, nach der ein Auskunftsanspruch gegenüber [X.] nicht nur bei einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß besteht (vgl. [X.], [X.], 1026
Rn.
24
bis 26
-
Alles kann besser werden). Schließlich kommt es für die Auslegung des §
101 Abs.
2 [X.] nicht entscheidend darauf an, dass die Verfasser des Regierungsentwurfs der Ansicht waren, der Auskunftsanspruch gegen Dritte setze eine Rechtsverletzung
in gewerblichem Ausmaß voraus, weil 11
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-
diese Ansicht im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden
hat (vgl. [X.], [X.], 1026
Rn.
27 bis 30 -
Alles kann besser werden).
IV.
Danach ist der Beschluss des [X.] auf die Rechtsbe-schwerde der Antragstellerin aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil
diese zur Endentscheidung reif ist (§
101 Abs.
9 Satz
4 [X.], §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG). Der Beschluss des [X.]s ist auf die [X.] der Antragstellerin abzuändern. Dem Antrag, der Beteiligten zu ge-statten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des §
3 Nr.
30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt
1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren, ist stattzugeben.
1. Die Antragstellerin hat gegen die Beteiligte einen Anspruch aus §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] auf Auskunft über den Namen und die Anschrift derje-nigen Nutzer, denen die in der Anlage ASt
1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.
a) Die Antragstellerin ist berechtigt, den Auskunftsanspruch geltend zu machen. Anspruchsberechtigt ist nicht nur der Urheber oder der Inhaber eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts, sondern auch der Inhaber eines ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechts. Die Antrag-stellerin ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Vertriebsrechte für [X.], [X.] und die [X.] an dem urheberrechtlich geschütz-ten Computerspie

Ihr steht daher -
unter anderem -
das aus-schließliche Recht
zu, das Computerspiel öffentlich zugänglich zu machen (§
19a [X.]).
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14
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-
b) Dieses ausschließliche Recht ist dadurch verletzt worden, dass Nutzer d

in der [X.] zwischen dem 28.
September
und dem 3.
Oktober
2011 über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten haben. Die Rechtsverletzung ist auch offensichtlich; sie ist so eindeutig, dass eine ungerechtfertigte Belastung der Beteiligten aus-geschlossen erscheint (vgl. BT-Drucks. 16/5048, S.
39).
c) Die Beteiligte hat als [X.]-Provider den Nutzern die [X.]an-schlüsse zur Verfügung gestellt und die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen zugewiesen und damit in gewerblichem Ausmaß für die rechtsverletzenden [X.] genutzte Dienstleistungen erbracht.
d) Die Inanspruchnahme der Beteiligten auf Auskunftserteilung ist im Streitfall auch nicht unverhältnismäßig (§
101 Abs.
4 [X.]). Es ist weder vorge-tragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin als Auskunftsberechtigte kein oder nur ein äußerst geringes Interesse daran haben kann, die Rechtsverletzer genannt zu bekommen (vgl. [X.], [X.], 1026
Rn.
36 -
Alles kann [X.] werden).
2. Die begehrte Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der Anlage ASt
1 aufgeführten IP-Adressen zu den [X.] [X.]punkten zugewiesen waren, kann nur unter Verwendung von Verkehrs-daten (§
3 Nr.
30 TKG) im Sinne des
§
101 Abs.
9 Satz
1 [X.] erteilt werden (vgl. [X.], [X.], 1026
Rn.
37
bis 39 -
Alles kann besser werden).
3. Die Begründetheit des Antrags nach §
101 Abs.
9 Satz
1 [X.] auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten [X.]punkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, setzt jedenfalls in den 15
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Fällen, in denen -
wie hier -
ein Auskunftsanspruch nach §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutz-te Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbeson-dere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraus. Ein solcher [X.] ist vielmehr unter Abwägung der betroffenen Rechte des Rechtsinhabers, des Auskunftspflichtigen und der Nutzer sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in aller Regel ohne weiteres begründet. Dagegen bestehen weder unionsrechtliche noch verfassungsrechtliche Beden-ken
(vgl. [X.], [X.], 1026
Rn.
40 bis 52 -
Alles kann besser werden).
V. Es stellen sich keine Fragen des Unionsrechts, die eine Vorlage an den [X.] gebieten
(vgl. [X.], [X.], 1026
Rn.
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Alles kann besser werden).
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VI. Die Kostenentscheidung beruht auf §
101 Abs.
9 Satz
5 [X.].
Bornkamm

Pokrant

Kirchhoff

Koch

Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.12.2011 -
237 O 233/11 -

O[X.], Entscheidung vom 23.01.2012 -
6 W 13/12 -

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Meta

I ZB 13/12

25.10.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. I ZB 13/12 (REWIS RS 2012, 1896)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1896

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I ZB 13/12

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