Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.02.2014, Az. B 8 SO 58/13 B

8. Senat | REWIS RS 2014, 7933

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Nothilfe - kein Fortbestehen des Eilfalles bei Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Leistungsfall - Anwendbarkeit des § 16 SGB 1 im Sozialhilferecht - Antragstellung beim unzuständigen Leistungsträger)


Leitsatz

Da der bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als gegenüber dem zuständigen Sozialhilfeträger gestellt gilt, entfällt der Anspruch des Nothelfers mit diesem Zeitpunkt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 29. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des [X.] als sozialhilferechtlicher Nothelfer auf Erstattung von Aufwendungen in Höhe von noch 164,45 Euro im Streit.

2

Am [X.], einem Freitag, wurde um 2:35 Uhr [X.] ([X.]) wegen einer akuten Eigen- und Fremdgefährdung unter Alkohol zur stationären Behandlung auf der Suchtstation des [X.] (einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts) aufgenommen (Aufnahmediagnose: psychische und [X.]erhaltensstörung durch Alkohol: [X.]). Noch am Aufnahmetag stellte eine Mitarbeiterin des [X.] für [X.] einen Antrag auf Leistungen nach dem [X.] ([X.]) bei der [X.]. Der Antrag wurde am 10.1.2008 an die [X.] weitergeleitet, die wegen fehlender Identitätsprüfung und fehlenden Nachweises über den Aufenthalt des [X.] noch nicht über den Antrag entschieden hat. Am Aufnahmetag unterzeichnete [X.] zugleich eine Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 [X.] Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB [X.]).

3

Am 14.1.2008 teilte der Kläger dann der Beklagten die Aufnahme des [X.] mit und beantragte die Erstattung der Behandlungskosten des [X.] als Nothelfer (Rechnung vom [X.] über 421,07 Euro), die die Beklagte jedoch ablehnte (Bescheid vom 23.4.2008; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Zwar habe ein [X.] vorgelegen, doch seien Ansprüche gegen die Krankenkasse wegen der Berechtigung des [X.], Leistungen nach dem [X.] zu beziehen, vorrangig. Während die zum [X.] erhobene Klage ohne Erfolg blieb (Urteil vom 21.12.2010), hatte die Berufung des [X.] insoweit Erfolg, als der im Berufungsverfahren Beigeladene zur Zahlung von 256,62 Euro (Kosten für den Aufnahmetag) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen verurteilt worden ist. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ([X.]) ausgeführt, der Beigeladene sei der nach § 98 Abs 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]) örtlich und sachlich zuständige Sozialhilfeträger; als solcher sei er zur Zahlung an den Kläger (nur) verpflichtet, soweit es die Leistungen für den [X.] (Aufnahmetag) betreffe. Denn es habe ein medizinischer und am Aufnahmetag auch ein sozialhilferechtlicher [X.] vorgelegen. Dies sei jedoch ab [X.] anders. Wegen der Regelung des § 16 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]) sei mit dem Antrag auf Leistungen an die [X.] deren Kenntnis dem Sozialhilfeträger zuzurechnen.

4

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung folgender Rechtsfragen geltend:

"1. Ist für den Kostenerstattungsanspruch aus § 25 Satz 1 [X.] die Zuständigkeitsregelung in § 98 Abs 2 Satz 3 Alt 3 [X.] für Eilfälle einschlägig, ohne dass Zweifel über die tatsächliche und endgültige Zuständigkeit bestehen?
2. Stellt das Unterlassen der Kenntnisgabe eines medizinischen [X.]s gegenüber dem Träger der Leistungen nach dem [X.] eine Obliegenheitsverletzung des [X.] dar, obgleich dieser einen einkommens- und vermögenslosen Patienten veranlasst hat, Antrag auf Leistungen nach dem [X.] zu stellen und von der zeitgleichen Begründung eines Krankenversicherungsverhältnisses aus § 5 Abs 1 Ziff 2a SGB [X.] ausgegangen ist?
3. Kann der sozialhilferechtliche [X.] trotz Kenntnis des Sozialhilfeträgers von der Notfallbehandlung fortdauern, weil die Notwendigkeit sofortiger medizinischer Hilfe keine Zeit lässt, die Entschließung des Sozialhilfeträgers über die Gewährung der erforderlichen Hilfe als Sozialhilfe abzuwarten?"

5

Die Notwendigkeit der Entscheidung der Rechtsfrage [X.] ergebe sich aus der nicht zugesprochenen Kostenerstattung für den zweiten Behandlungstag. Es sei nicht davon auszugehen, dass im [X.] immer der Sozialhilfeträger am [X.] örtlich und sachlich zuständig sei. Der [X.] habe zudem - Rechtsfrage 2 - noch nicht entschieden, ob es immer eine Obliegenheitsverletzung darstelle, wenn der Sozialhilfeträger trotz Dienstbereitschaft nicht unterrichtet werde. Die Rechtsfrage sei auch klärungsfähig. Wenn das [X.] nicht von einer Obliegenheitsverletzung ausgegangen wäre, hätte es das Fortbestehen des medizinischen Notfalls festgestellt und einen Anspruch zugesprochen. Sollte dem Sozialhilfeträger über § 16 [X.] die Kenntnis vermittelt worden sein, sei die Rechtsfrage entscheidungserheblich. Denn die Zurückweisung der Berufung könne auf einen anderen Grund, den das [X.] nicht formuliert habe, gestützt werden, nämlich dass Erstattungsansprüche aus § 25 [X.] nicht in Betracht kämen, wenn der Sozialhilfeträger Kenntnis vom [X.] besitze. Für diesen Fall stelle sich die dritte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

6

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

7

Die unter [X.] gestellte Rechtsfrage, ob der sozialhilferechtliche [X.] auch bei Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Leistungsfall bis zur Entscheidung des Sozialhilfeträgers fortbesteht, hat der [X.] mittlerweile entschieden (Urteile vom [X.] [X.] 19/12 R - [X.] 4-5910 § 121 [X.] und vom 12.12.2013 - [X.] [X.] 13/12 R); sie ist nicht mehr klärungsbedürftig. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bildet die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des [X.] und des Hilfebedürftigen.

8

Die unter [X.] und 2 gestellten Fragen sind damit vorliegend nicht klärungsfähig. Der [X.] hat nämlich bereits entschieden, dass § 16 [X.], der Regelungen zur Antragstellung auf Sozialleistungen trifft, auch für die Sozialhilfe gilt, obwohl diese nicht im eigentlichen Sinne antragsabhängig ist und die Antragstellung beim unzuständigen Leistungsträger die nach § 18 [X.] erforderliche Kenntnis vermittelt (vgl BSG [X.] 4-3500 § 18 [X.] Rd[X.] 22 f). Im Rahmen des § 25 [X.], bei dem die Kenntnis des Sozialhilfeträgers die entscheidende Zäsur darstellt, ist von der Anwendbarkeit des § 16 [X.] keine Ausnahme zu machen. Mit der Antragstellung beim Jobcenter noch am Aufnahmetag erlangte die Beklagte vom Leistungsfall Kenntnis; der Nothelferanspruch des [X.] aus § 25 [X.] endete damit schon deshalb.

9

Die Frage, ob sich die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers in allen Fällen des § 25 [X.] nach § 98 Abs 2 Satz 3 [X.] bestimmt (Frage [X.]) wäre im vorliegenden [X.]erfahren nur klärungsfähig, wenn dem [X.] die Möglichkeit eröffnet wäre, über den geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung als Nothelfer nach § 25 [X.] für den zweiten Behandlungstag zu entscheiden. Doch ist dies, wie ausgeführt, nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 8 SO 58/13 B

13.02.2014

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 21. Dezember 2010, Az: S 12 SO 3180/08, Urteil

§ 25 S 1 SGB 12, § 18 Abs 1 SGB 12, § 16 Abs 2 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.02.2014, Az. B 8 SO 58/13 B (REWIS RS 2014, 7933)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7933

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