Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.10.2010, Az. IV ZR 30/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2695

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] BESCHLUSS [X.]vom 5. Oktober 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja [X.] §§ 2295, 323 Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben bestimmt, ein gegenseitiger [X.] verbunden, in dem der Bedachte sich zum Erbringen von Pflegeleistungen verpflichtet und der [X.] weitere Verpflichtungen übernimmt (hier: keine Veräußerung oder Be-lastung seines Hausgrundstücks zu Lebzeiten), so kann letzterer wegen un-terbliebener Pflegeleistungen gemäß § 323 [X.] von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 [X.] vom Erbvertrag zurücktreten. Ein derartiger Rücktritt kommt erst dann in Betracht, wenn der Erblasser den Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich aufgefordert hat, die im [X.] zu bezeichnenden Pflegeleistungen zu erbringen.
[X.], Beschluss vom 5. Oktober 2010 - [X.] - [X.]

LG Oldenburg - 2 -

[X.] hat durch [X.], [X.], [X.] Karczewski und [X.] am 5. Oktober 2010 beschlossen: Auf die Beschwerde des [X.]n wird die Revision ge-gen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 12. Januar 2010 zugelassen. Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 104.000 •

Gründe: [X.] Die Klägerin nimmt den [X.]n auf Feststellung der [X.] eines Erbvertrages in Anspruch. Mit [X.] setzte die Klägerin den [X.]n zu ihrem Erben ein. Ferner verpflichte-te sie sich, ihr Hausgrundstück ohne Zustimmung des [X.]n weder zu veräußern noch zu belasten. Im Falle eines Verstoßes sollte der [X.] berechtigt sein, die sofortige unentgeltliche Übertragung des 1 - 3 -

Grundstücks zu verlangen. Der [X.] seinerseits verpflichtete sich, "die Erschienene zu 1. in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen, ohne dass dafür [X.] von [X.] oder meinen Rechts-nachfolgern aufzuwenden sind".
Der [X.] wohnte seit 1980 zunächst in einer eigenen Wohnung im Haus der Klägerin, bis er Anfang 1993 auszog. Am 19. April 1999 for-derte die Klägerin den [X.]n schriftlich unter Hinweis auf den [X.] auf, bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig zu werden. Pflegeleistungen durch den [X.]n wurden in der Folgezeit nicht er-bracht. Am 20. Juni 2007 zog die Klägerin in ein Alten- und Pflegeheim, wo sie sich auch gegenwärtig noch aufhält. Am 18. Januar 2008 erklärte sie den Rücktritt vom Erbvertrag unter Berufung darauf, dass sie seit Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang des Jahres 2005 in größerem Umfang auf Pflege angewiesen gewesen sei. Das [X.] hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. 2 I[X.] Die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne weitere Sachauf-klärung verletzt den Anspruch des [X.]n auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise und rechtfertigt die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO. 3 1. Nicht verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht zunächst die Feststellung getroffen, die Klägerin sei gemäß §§ 2295, 323 Abs. 1 [X.] wirksam vom Erbvertrag zurückgetreten, da der [X.] seine Pflege-verpflichtung nicht erfüllt habe. 4 - 4 -

5 a) Nach § 2295 [X.] kann der Erblasser von einer vertragsmäßi-gen Verfügung zurückzutreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf ei-ne rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbeson-dere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird. Grundsätzlich finden die Regelun-gen über gegenseitige Verträge nach § 320 ff. [X.], insbesondere über den Rücktritt nach § 323 [X.], auf Erbverträge keine Anwendung, da es am [X.] zwischen der erbrechtlichen Verfügung und der übernommenen Verpflichtung des [X.] fehlt ([X.] FamRZ 1997, 1180; [X.] [X.] 1978, 685; [X.]/ Kanzleiter, [X.] [2006] § 2295 Rn. 3; MünchKomm[X.]/Musielak, 5. Aufl. § 2295 Rn. 1; Erman/[X.], [X.] 12. Aufl. § 2295 Rn. 8; [X.]/Wolf, [X.] 13. Aufl. § 2295 Rn. 4; [X.]/[X.]/[X.], Testament und Erbvertrag 5. Aufl. § 2295 Rn. 6). Zutreffend hat das Berufungsge-richt allerdings erkannt, dass hier ein gegenseitiger Vertrag vorliegt. Der Erbvertrag vom 15. April 1981 enthält nicht nur die Erbeinsetzung des [X.]n einerseits und die Pflegeverpflichtung des [X.]n anderer-seits; vielmehr hat die Klägerin weiter die Verpflichtung übernommen, ihr Hausgrundstück nicht zu veräußern und zu belasten. Zu deren [X.] haben die Parteien bei Verstoß eine Pflicht zur sofortigen unentgelt-lichen Übereignung in den Vertrag aufgenommen und diese zugunsten des [X.]n durch eine Vormerkung abgesichert. Diese Unterlas-sungspflicht der Klägerin sowie die [X.] des [X.]n stehen in einem [X.] i.S. von § 323 Abs. 1 [X.]. Ist aber mit dem Erbvertrag ein gegenseitiger [X.] verbunden, durch den der Bedachte sich dem Erblasser zur Gewährung von Pflege und/oder Unterhalt verpflichtet, so kann der Erblasser beim Vorliegen der - 5 -

Voraussetzungen des § 323 [X.] von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 [X.] vom Erbvertrag zurücktreten (vgl. bereits RG [X.] 1935, 678; [X.] aaO Rn. 9; [X.] aaO Rn. 4).
b) Unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hat das Berufungsge-richt jedoch festgestellt, dass der [X.] seine Vertragspflichten zu keinem Zeitpunkt erfüllt habe und eine Fristsetzung wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entbehrlich gewesen sei. 6 aa) Zunächst kann die nach § 323 Abs. 1 [X.] erforderliche Frist-setzung zur Leistung oder Nacherfüllung nicht in dem Schreiben der Klä-gerin vom 19. April 1999 gesehen werden. Dieses enthält schon keine konkrete Aufforderung zur Erbringung von Pflegeleistungen, sondern nur die allgemeine Feststellung, der [X.] habe sich seit dem 31. Juli 1992 nicht mehr um die Klägerin gekümmert und er solle bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig werden. Insoweit fehlt es schon an der erforderlichen bestimmten und eindeutigen Aufforderung zur Leistung (vgl. [X.]/[X.], [X.] 69. Aufl. § 323 Rn. 13). 7 bb) Aber auch eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweige-rung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 [X.] hat das Berufungsgericht nicht [X.] festgestellt. Es hat vielmehr ausschließlich den Vortrag der Klägerin zugrunde gelegt und den Vortrag des [X.]n außer [X.] ge-lassen, wonach er auch nach dem Streit mit der Klägerin 1992/1993 zu ihrer Pflege bereit gewesen sei und auch heute noch ist. Der [X.] hat im Einzelnen vorgetragen, nach seinem Auszug aus dem Haus der Klägerin habe diese den Kontakt zu ihm abgebrochen und nicht umge-kehrt. Er habe erst im Januar 2008 erfahren, dass die Erblasserin sich im 8 - 6 -

Pflegeheim befinde. Ferner habe die Klägerin ihn zu keinem Zeitpunkt zu konkreten und bestimmten Pflegeleistungen aufgefordert. Bereits das [X.] hatte zumindest teilweise zu den maßgeblichen Fragen der Pflegebedürftigkeit der Klägerin, der Kenntnis des [X.]n hiervon so-wie der Ablehnung eines Kontakts der Klägerin mit dem [X.]n durch Vernehmung der [X.]

, [X.]sowie [X.]Beweis erhoben. Vor diesem Hintergrund stellt es daher einen Verstoß gegen den Anspruch des [X.]n auf rechtliches Gehör dar, wenn das Berufungsgericht ohne weitere Begründung von einer endgül-tigen Leistungsverweigerung des [X.]n ausgeht, ohne seinen Vor-trag sowie die erfolgte Beweisaufnahme zu berücksichtigen.
cc) Nicht entscheidend kann hierbei auch auf den vom Berufungs-gericht weiter herangezogenen Umstand abgestellt werden, den [X.] habe eine fortlaufende Erkundigungs- und Überwachungspflicht da-hin getroffen, ab wann tatsächlich die im Vertrag vorausgesetzte Bedürf-tigkeit bei der Klägerin eingesetzt habe. Zwar muss der Schuldner nach § 294 [X.] die Leistung dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tat-sächlich anbieten. Dies muss in einer Art und Weise geschehen, dass der Gläubiger nur noch zuzugreifen braucht ([X.], Urteil vom [X.] 1991 - [X.], [X.]Z 116, 244, 249). Soweit es um die Ver-pflichtung zu Pflegeleistungen geht, muss diese aber, wenn keine klaren vertraglichen Abreden bestehen, inhaltlich, zeitlich und räumlich durch den Gläubiger konkretisiert werden, damit der Schuldner überhaupt weiß, was er zu tun hat. Es war deshalb zunächst Aufgabe der Klägerin, sich gegenüber dem [X.]n im Einzelnen dahin zu äußern, welche konkre-ten Pflegeleistungen dieser durchzuführen hat. Das allgemeine Schrei-ben vom 19. April 1999 genügte dafür nicht. Demgegenüber ist es nicht 9 - 7 -

Aufgabe des nicht mehr im Haus der Klägerin wohnenden [X.]n, sich fortlaufend bei der Klägerin zu erkundigen, ab wann und welche Leistungen sie benötigt.
c) Nicht tragfähig sind ferner die weiteren Feststellungen des [X.], der [X.] sei nicht wegen Unmöglichkeit von der Erfül-lung der Pflegeverpflichtung frei, sondern habe sich an den Kosten der Heimunterbringung in Höhe seiner ersparten Aufwendungen zu beteili-gen. Dasselbe soll nach Ansicht des Berufungsgerichts dann gelten, wenn nicht die Heimunterbringung selbst, sondern die persönlichen Dif-ferenzen der Vertragspartner der Durchführung der Pflege entgegen-stünden. In dem [X.] haben die Parteien [X.], dass der [X.] die Klägerin in kranken und alten Tagen zu he-gen und zu pflegen hat, "ohne dass dafür geldwerte Mittel von [X.] oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind". Geschuldet werden vom [X.]n mithin nicht von ihm gesondert zu zahlende Sachleistungen, sondern nur die eigentlichen Pflege- und Dienstleistungen. Eine geson-derte Geldzahlungsverpflichtung des [X.]n kommt demgegenüber nach der neueren Rechtsprechung des [X.] nicht in [X.]. So hat der [X.] in seinem Urteil vom 29. Januar 2010 - [X.]/09 - ([X.], 554 unter 2 b) entschieden, ein Familienan-gehöriger, der als Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks die Pflege des Übergebers übernommen habe und seine Leistung wegen Umzugs des Übergebers in ein Pflegeheim nicht mehr erbringen könne, sei aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung im Zweifel nicht ver-pflichtet, an Stelle des ersparten Zeitaufwands eine Zahlungsverpflich-tung zu übernehmen. Der Übernehmer verpflichte sich zu der Pflege und Betreuung des Übergebers meist in der Annahme, die geschuldeten Dienste selbst oder durch Familienangehörige, also ohne finanziellen 10 - 8 -

Aufwand, erbringen zu können. Es entspreche deshalb in aller Regel nicht dem hypothetischen Parteiwillen, dass Geldzahlungen an die Stelle der versprochenen Dienste träten, wenn diese aus Gründen, die der Ü-bernehmer nicht zu vertreten habe, nicht mehr erbracht werden könnten.
Kann der [X.] mithin die Pflegeleistungen wegen des Umzugs der Klägerin in das Alten- und Pflegeheim nicht mehr erbringen, so ist er grundsätzlich auch nicht zur Übernahme von Geldzahlungen verpflichtet. Anderes würde nur dann gelten, wenn die Pflegeleistungen aus vom [X.]n zu vertretenden Gründen nicht mehr erbracht werden und allein hierdurch ein Umzug in das Alten- und Pflegeheim erforderlich gewesen sein sollte. Das wiederum hängt von der ohnehin noch zu klärenden [X.] ab, ob der [X.] ernsthaft und endgültig die Leistung verweigert hat. Nur dann käme wegen Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 [X.] überhaupt ein Rücktritt vom Vertrag in Betracht. Auf die vom [X.]n weiter aufgeworfene Frage, ob auch bereits bei sons-tigen persönlichen Differenzen unabhängig von einem individuellen [X.] die Verpflichtung zur anteiligen Geldzahlung entfällt, kommt es dagegen nicht an. Maßgebend sind vielmehr allein die Vorgaben des § 323 [X.], nämlich ob einerseits eine Fristsetzung nach Abs. 2 Nr. 1 wegen endgültiger und ernsthafter Leistungsverweigerung durch den [X.]n entbehrlich war, oder ob umgekehrt nach Absatz 6 ein Rücktritt der Klägerin ausgeschlossen ist, weil sie für den Umstand, der sie zum Rücktritt berechtigen würde (hier die unterlassene Erbringung der Pfle-geleistung), allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, oder ob der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist. 11 - 9 -

12 d) Für die weitere Verfahrensweise weist der Senat ferner auf ei-nen bisher nicht hinreichend beachteten Gesichtspunkt hin. Als Aufhe-bung der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Bedachten, dem [X.] für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, ist gemäß § 2295 [X.] auch der Fall der nachträglichen Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung anzusehen (MünchKomm[X.]/Musielak, § 2295 Rn. 4; [X.]/Wolf, § 2295 Rn. 3; Erman/[X.], § 2295 Rn. 4). Eine derartige Unmöglichkeit der Leistungserbringung für den [X.]n gemäß § 275 Abs. 1 [X.] in Form der subjektiven Unmöglich-keit könnte sich hier daraus ergeben, dass die Erblasserin am 20. Juni 2007 in ein Alten- und Pflegeheim gezogen ist. Der [X.] selbst war lediglich zu einer Betreuung der Klägerin im häuslichen Umfeld mit den ihm gegebenen persönlichen Möglichkeiten verpflichtet. Sollte die Kläge-rin aber im [X.] in ein Alten- und Pflegeheim umgezogen sein, weil nur noch dort, nicht dagegen zu Hause, eine adäquate medizinische und pflegerische Betreuung möglich war, so entfiel gemäß § 275 Abs. 1 [X.] wegen nachträglicher Unmöglichkeit eine Pflegeverpflichtung des [X.]n, was der Klägerin dann die Möglichkeit eröffnete, ihrerseits von der erbvertraglichen Einsetzung des [X.]n zurückzutreten. Warum die Klägerin 2007 in ein Alten- und Pflegeheim gezogen ist, wurde von ihr bisher nicht hinreichend vorgetragen. Dies wird auf entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts nachzuholen sein.
2. Durchgreifenden Bedenken begegnet ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe mit der Rücktrittserklärung vom 18. Januar 2008 den Erbvertrag zugleich wirksam nach § 2281 Abs. 1 i.V. mit § 2078 Abs. 2 [X.] angefochten. Hierbei kann die Frage, ob überhaupt ein [X.]sgrund wegen Fehlvorstellungen der Klägerin über die vom Bedachten erbrachten Betreuungsleistungen vorliegt, offen 13 - 10 -

bleiben. Jedenfalls hat die Klägerin die [X.] durch das Schreiben vom 18. Januar 2008 nicht rechtzeitig erklärt. Gemäß § 2283 Abs. 1 [X.] kann die [X.] durch den Erblasser nur binnen Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt nach Absatz 2 im Falle eines Irrtums mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem [X.]sgrund Kenntnis erlangt. Kenntnis bedeutet sichere und überzeugte Kenntnis aller wesentlicher Tatumstände (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1973 - [X.], FamRZ 1973, 539 unter 2; BayObLG [X.] 1995, 105; NJW-RR 1990, 200; FamRZ 1983, 1275; MünchKomm[X.]/Musielak, § 2283 Rn. 3; [X.]/Wolf, § 2283 Rn. 2). An diese Kenntnis dürfen zwar nicht zu [X.] Anforderungen gestellt werden, zumal es in derartigen Fällen [X.] noch auf eine hinreichende innere Überzeugungsbildung des [X.] ankommt. Auch auf dieser Grundlage trifft aber die Annahme des Berufungs-gerichts, die nötige Kenntnis vom [X.]sgrund liege erst vor, wenn sich der Erblasser der notwendigen Erkenntnis schlechterdings nicht mehr verschließen könne, nicht zu, weil hierdurch zu hohe Anforderun-gen an die Kenntniserlangung gestellt werden. Soweit das Berufungsge-richt in diesem Zusammenhang den Fristbeginn erst mit dem Umzug der Klägerin in das Alten- und Pflegeheim angenommen hat, wird verkannt, dass die Verpflichtung des [X.]n zur Erbringung von [X.] nicht erst auf einem Niveau einsetzt, das Leistungen eines Alten- und Pflegeheims erforderlich macht. Nach der vertraglichen Regelung hat der [X.] generell die Klägerin in kranken und alten Tagen zu he-gen und zu pflegen. Es kommt daher auf den Zeitpunkt an, zu dem die Klägerin sichere Kenntnis von ihrer eigenen Pflegebedürftigkeit und der tatsächlich nicht erbrachten Pflegeleistung durch den [X.]n hatte. Das ist spätestens im [X.] der Fall gewesen. Die Klägerin hat 14 - 11 -

selbst vorgetragen, sie sei ab Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang 2005 in größerem Umfang pflegebedürftig gewesen. Sie selbst hatte über eine Anzeige bereits im Jahre 2005 eine Betreuerin gesucht. Die Zeugin M. war dann seit 2005 bei ihr tätig, wobei sich die [X.] dahin steigerten, dass nicht nur die allgemeine Haushaltsführung übernommen, sondern die Klägerin auch gebadet und angezogen werden musste. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kann der Klägerin nicht mehr verborgen geblieben sein, dass sie objektiv pflege-bedürftig war und der [X.] keine Pflegeleistungen erbrachte. Eine erst im [X.] erklärte [X.] war daher verfristet.
3. Auch eine Kündigung nach § 314 [X.] kommt schließlich nicht in Betracht. Nach § 314 Abs. 3 [X.] kann der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Das Berufungsgericht orientiert sich hierfür an der [X.]sfrist des § 2283 [X.]. Ob eine derartige allgemeine Übertra-gung der Frist zulässig ist, erscheint zweifelhaft. Das Gesetz hat nämlich wegen der Vielgestaltigkeit der Dauerschuldverhältnisse bewusst von [X.] festen Ausschlussfrist abgesehen (vgl. MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl. § 314 Rn. 20). Fristbeginn ist jedenfalls der Zeitpunkt, zu dem der Kündigende Kenntnis vom Kündigungsgrund erlangt. Notwendig ist eine sichere und umfassende Kenntnis von den Tatsachen, aus denen sich der wichtige Grund ergibt (MünchKomm[X.] aaO Rn. 21). Das [X.] will hier erneut auf den Einzug der Klägerin in das [X.] abstellen. Aus den oben genannten Gründen ist die erforderliche 15 - 12 -

Kenntnis aber bereits im [X.] mit den häuslichen Pflegeleistungen durch die Zeugin M. anzunehmen, so dass eine Kündigung erst mit dem Schreiben vom 18. Januar 2008 verfristet war.
[X.] Dr. [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.09.2009 - 9 O 1710/08 - [X.], Entscheidung vom 12.01.2010 - 12 U 67/09 -

Meta

IV ZR 30/10

05.10.2010

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.10.2010, Az. IV ZR 30/10 (REWIS RS 2010, 2695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2695

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 30/10 (Bundesgerichtshof)

Rücktritt von einem Erbvertrag und einem damit verbundenen gegenseitigen Vertrag unter Lebenden: Fristsetzung zur Erbringung …


IV ZR 207/12 (Bundesgerichtshof)

Erbvertrag mit Pflegeverpflichtung: Rücktritt bei nachträglicher Unmöglichkeit der Betreuungsleistung


IV ZR 207/12 (Bundesgerichtshof)


23 WLw 6/05 (Oberlandesgericht Köln)


IV ZR 207/12 (Bundesgerichtshof)

Erbvertrag mit Pflegeverpflichtung: Rücktritt bei nachträglicher Unmöglichkeit der Betreuungsleistung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 30/10

V ZR 132/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.