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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
II ZR
290/13
Verkündet am:
20. Mai 2014
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2014 durch den Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Strohn als Vorsitzenden, die Richterinnen Caliebe
und Dr. Reichart und die Richter Dr.
Drescher und Born
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 7. August 2013 teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 6. Februar 2013 teilweise abgeän-dert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.883,70
k-ten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.
November 2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesell-.
KG
einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erwor-benen Immobilie ist. Die Beklagte ist an der KG seit 1993 als Kommanditistin beteiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Verlustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Ausschüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Komman-ditisten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszins-verbindlichkeiten der KG in Anspruch.
Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in §
3 Nr.
7 folgen-de Regelung:
l-schaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungs-verpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschuss-verpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschuss-pflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß
Auf Seite
24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik
Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nach-schusspflicht, was insbesondere für die Fremdfinanzierung gilt.
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Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeit-raum erwirtschafteten Gewinne und führen gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Aus-
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der KG ursprünglich für den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise vermieten ließ, geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der KG zur Vermeidung der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in Hö-he von
e-hen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs-
und Zinsraten stundete die Klägerin immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die KG ihre Kommandi-tisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftli-che Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin erhaltenen Auszahlungen. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.
Nach der Behauptung der Klägerin bestand eine Verbindlichkeit der KG in Höhe von 500.000
n-barungen ausgenommene Darlehenszinsen für den Zeitraum 2.
Juli 2010 bis 30.
August 2011.
Die auf Zahlung von 8.883,70
erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Über die Revision ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sach-lichen Prüfung des Antrags beruht (BGH, Urteil vom 4.
April 1962 -
V
ZR
110/60, BGHZ 37, 79, 81).
Die Revision der Klägerin hat weitgehend Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Zwar habe die Beklagte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 8.883,70
§
172 Abs. 4 HGB gewesen seien, da den Anlegern bereits 1993 planmäßig ein Verlust in Höhe von etwa 80 % der geleisteten Einlage zugewiesen worden sei. Der Klägerin habe gegen die KG eine fällige Zinsforderung in Höhe von ur-sprünglich 500.000
Kommanditisten noch in Höhe
von 59.810,82
Einem Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten stehe aber die Regelung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte einen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaf-tern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die Gesellschaft hätten, gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB um-fasse. Der potenzielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko zum Beitritt zur KG bewegt werden sollen.
Die Beklagte könne die Klägerin ferner darauf verweisen, in erster Linie die KG in Anspruch zu nehmen. Kommanditisten hafteten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus sogenannten Drittgeschäften mit Gesellschaftern lediglich 7
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subsidiär. Dass eine
Inanspruchnahme der KG aussichtslos wäre, weil sie den von der Stundung ausgenommenen Zinsanteil nicht aufbringen könne, sei we-der dargetan noch sonst ersichtlich. Die mangelnde Zahlungsbereitschaft der KG rechtfertige im vorliegenden Fall keine andere Beurteilung, da die Klägerin einen dominierenden Einfluss auf die Geschäftsführung der KG habe.
Schließlich verstoße eine Inanspruchnahme der Beklagten gegen §
242
BGB. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Klägerin gegenüber ihren Mitgesellschaftern verbiete es jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls, dass die Klägerin ihre drohenden Verluste auf die Anleger abwälze. Die Klägerin schiebe bewusst die Insolvenz der KG durch die Stun-dungsvereinbarungen hinaus, lasse aber jeweils
einen Teilbetrag der Zinsen fällig, um gegen die Mitkommanditisten vorgehen zu können. Käme es stattdes-sen zu einem Insolvenzverfahren, müssten die Kommanditisten die Ausschüt-tungen zwar auch zurückzahlen, hätten aber nicht die mit der klageweise Gel-tendmachung verbundenen Nachteile. Zum anderen sei es aufgrund der wieder erreichten Vollvermietung der Immobilie denkbar, dass eine Insolvenz auch oh-ne die Rückzahlungen vermieden werden könne. Treuwidrig sei auch, dass die Klägerin lediglich einen Teil der Kommanditisten in Anspruch nehme, ohne dass für die Auswahl nachvollziehbare Kriterien ersichtlich seien.
II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nach-prüfung im Wesentlichen nicht stand.
1. Der Anspruch der Klägerin aus §
171 Abs.
1, §
172 Abs.
4 HGB ist nicht durch die Regelung in §
3 Nr.
7 Satz
1 GV ausgeschlossen. Die Vertrags-klausel ist (nur) im Sinne einer Klarstellung auszulegen, dass die Kommanditis-ten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von §
161 Abs.
2, §
105 Abs.
3 HGB, §
707 BGB abweichende Vereinbarung einer Nachschusspflicht 13
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getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mit-gesellschafter aus §
171 Abs. 1, §
172 Abs.
4 HGB sind durch die Regelung dagegen nicht ausgeschlossen,
ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des §
305c Abs.
2 BGB bestehen würden (vgl. im Übrigen BGH, Urteil vom 8.
Oktober 2013 -
II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn.
19 ff.).
2. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, zunächst die KG in Anspruch zu nehmen, bevor
sie ihre Drittgläubigerforderung gegen die Kommanditisten gel-tend macht. Der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der eine Dritt-gläubigerforderung gegen einen persönlich haftenden Mitgesellschafter geltend macht, muss nicht zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen. Eine gene-rell nur subsidiäre Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesell-schaft aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern lässt sich aus der
Treuepflicht mangels Schutzbedürftigkeit der Mitgesellschafter nicht ableiten. Zwar ist anzuerkennen, dass ein Gesellschafter, wenn möglich, nicht sein eige-nes Vermögen einsetzen soll, vielmehr Gesellschaftsschulden vor allem aus dem Gesellschaftsvermögen beglichen werden sollen. Der Mitgesellschafter, der von dem Gesellschafter-Gläubiger in Anspruch genommen wird, hat jedoch in der Regel nicht nur einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesell-schaft gemäß § 110 HGB, wenn er die Gesellschaftsschuld begleicht. Er kann auch bereits aufgrund der drohenden Inanspruchnahme Freistellung verlangen (Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 110 Rn. 33; MünchKommHGB/K.
Schmidt, 3. Aufl., §
128 Rn.
35 mwN). Ist die Gesellschaft zur Zahlung bereit und in der Lage, sollte es somit gar nicht dazu kommen, dass der Mitgesellschafter auf sein privates Vermögen zurückgreifen muss, selbst wenn sich der Gesellschafter-Gläubiger direkt an ihn wendet. Kann oder will die Gesellschaft ihre Schuld dagegen nicht tilgen, würde der Gesellschafter auch unter grundsätzlicher Annahme der Subsidiarität haften (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013 -
II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn.
34).
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3. Mit der Inanspruchnahme der Kommanditisten verstößt die Klägerin auch sonst nicht gegen ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Die Klägerin muss entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb gegenüber den Kommanditisten auf ihre Forderung verzichten, weil anderenfalls das wirt-schaftliche Risiko des Fonds auf diese abgewälzt würde. Die Kommanditisten durften nicht darauf vertrauen, ihre Ausschüttungen endgültig behalten zu dür-fen. Sie sind im Emissionsprospekt auf ihr Haftungsrisiko nach §
171 Abs.
1, §
172 Abs.
4 HGB hingewiesen worden. Dass die Bank, die einen solchen Fonds auflegt, nicht uneigennützig handelt und ein gewährtes Darlehen zurück-fordern wird, ist zudem für den Anleger offensichtlich. Naheliegend ist auch, dass die Bank dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Schuldner in Anspruch nehmen wird. Der Prospekt enthält keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin anders zu behandeln wäre als
andere Drittgläubiger und nicht frei entscheiden dürfte, wen sie in Anspruch nimmt (vgl. im Übrigen BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013 -
II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn.
36 ff.).
III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs.
3 ZPO).
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe der ihm gewährten Ausschüttungen von 8.883,70
171 Abs.
1, §
172 Abs.
4 Satz
1 HGB zu, weil ihre Einlage teilweise zurückbezahlt worden ist, so dass ihre persönliche Haftung gegenüber Gläubigern der KG in diesem Umfang wiederaufgelebt ist.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Klägerin ein fälliger Zins-anspruch gegen die KG zusteht, der den von der Beklagten geforderten Betrag übersteigt, der Anspruch noch nicht durch Zahlungen anderer in Anspruch ge-nommener Kommanditisten getilgt wurde und die Beklagte Ausschüttungen in 17
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Höhe der Klagesumme erhalten hat, durch die ihr die Einlage zurückbezahlt wurde. Gegen diese Feststellungen hat die Beklagte keine Einwände erhoben.
2. Verzugszinsen sind der Klägerin allerdings erst ab dem 1.
November 2011 und nicht wie beantragt ab Rechtshängigkeit zuzusprechen. Die Klägerin hat ihren Anspruch gegen die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 27.
Oktober 2011 auf den Zinsanspruch in Höhe von 500.000
t-raum 2.
Juli 2010 bis 30.
August 2011 gestützt. Nachdem der bis dahin geltend gemachte Zinsanspruch gestundet worden war, ist die Beklagte erst mit Zugang dieses Schriftsatzes in Verzug geraten. Der Schriftsatz wurde ausweislich der Akten vom Klägervertreter direkt an den Beklagtenvertreter versandt. Daher kann vom Zugang des Schreibens am zweiten Werktag nach der Aufgabe zur Post (vgl. §
270 Satz 2 ZPO), mithin am 31. Oktober 2011, einem Montag, aus-gegangen werden. Die Klägerin hat daher erst ab 1.
November 2011 einen An-spruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens gemäß §
280 Abs.
1, Abs.
2, §§
286, 289 Satz
2 BGB. Gegen die Höhe des geltend gemachten Verzugs-schadens hat die Beklagte keine Einwände erhoben.
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Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Versäumnisurteil kann die säumige Partei innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt, schriftlich Einspruch durch eine von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-nen Rechtsanwältin oder
einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-anwalt unterzeichnete Einspruchsschrift beim Bundesgerichtshof,
Herrenstr.
45a, 76133 Karlsruhe (Postanschrift: 76125 Karlsruhe) einlegen.
Strohn
Caliebe
Reichart
Drescher
Born
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 06.02.2013 -
5 O 186/11 -
OLG Celle, Entscheidung vom 07.08.2013 -
9 U 37/13 -
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Meta
20.05.2014
Bundesgerichtshof II. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2014, Az. II ZR 290/13 (REWIS RS 2014, 5473)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 5473
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
II ZR 290/13 (Bundesgerichtshof)
Kommanditgesellschaft: Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern
II ZR 186/13 (Bundesgerichtshof)
Kommanditgesellschaft: Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften; Direkthaftung ohne vorherige Inanspruchnahme der …
II ZR 289/13 (Bundesgerichtshof)
II ZR 186/13 (Bundesgerichtshof)
II ZR 185/13 (Bundesgerichtshof)