Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.10.2016, Az. B 1 KR 59/16 B

1. Senat | REWIS RS 2016, 3922

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Beweisantrag - Fehlen von Entscheidungsgründen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 2. März 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Erstattung von 8367,26 Euro einer in der Bodenseeklinik (Privatkrankenanstalt iS von § 30 Gewerbeordnung) durchgeführten Mammareduktionsplastik ([X.]) bei der [X.] und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das [X.] hat zur Begründung ua ausgeführt, der Klägerin stehe kein Kostenerstattungsanspruch zu, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der präoperative Zustand ihrer Brüste ([X.]) keine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung dargestellt habe und eine mittelbare Behandlung ihrer Wirbelsäulenbeschwerden im Wege der tatsächlich durchgeführten [X.] (nach [X.] Gewichtsreduktion Bruststraffung mit einem Resektionsgewicht von rechts 140 g und links 163 g) nicht geeignet gewesen sei, positiv die Wirbelsäulenbeschwerden zu beeinflussen. Zudem habe es noch konservative Therapiealternativen gegeben (Urteil vom 2.3.2016).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] [X.] zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.] abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels.

4

1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.]) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB [X.]-1500 § 160a [X.] [X.]8; [X.]-4100 § 111 [X.] f; [X.]-2500 § 240 [X.] f mwN). Die Klägerin formuliert bereits keine Rechtsfrage. Sie macht lediglich in nicht nachvollziehbarer Weise geltend, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung habe, weil sie auf einem Verfahrensmangel beruhe, auf welchem wiederum die angefochtene Entscheidung beruhe. Es scheint in den Darlegungen der Klägerin auch ansonsten keine Rechtsfrage auf. Sie setzt sich in ihrer Begründung nur mit der Beweiswürdigung des [X.] auseinander.

5

2. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 S 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB [X.] § 160a [X.], 24, 36). Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.] stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des [X.] wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl [X.] Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; [X.] Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu [X.] Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; [X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 97/05 B - RdNr 6; [X.] SozR 4-1500 § 160 [X.] RdNr 11 mwN).

6

Die Klägerin legt keinen Verfahrensmangel in diesem Sinne dar. Sie benennt bereits keinen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag. Ein Beweisantrag muss unzweifelhaft erkennen lassen, dass der Antragsteller eine weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen für erforderlich hält. Der Tatsacheninstanz soll durch einen solchen Antrag vor der Entscheidung vor Augen geführt werden, dass der Kläger die gerichtliche Sachaufklärungspflicht in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion. Eine solche Warnfunktion fehlt bei [X.], die in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, und ihrem Inhalt nach lediglich als Anregungen zu verstehen sind, wenn sie nach Abschluss von Amts wegen durchgeführter Ermittlungen nicht mehr zu einem bestimmten Beweisthema als Beweisantrag aufgegriffen werden; eine unsubstantiierte Bezugnahme auf frühere Beweisantritte genügt nicht (vgl zum Ganzen [X.]-1500 § 160 [X.]). Die Klägerin macht lediglich geltend, das [X.] hätte zumindest ein "Obergutachten" einholen müssen, um die widersprechenden gutachtlichen Meinungen anerkannter Gutachter in Einklang zu bringen. Hierbei berücksichtigt die Klägerin zudem nicht, dass eine Verpflichtung zur Einholung eines sogenannten [X.] nicht besteht; der Begriff ist dem [X.] und der ZPO fremd (vgl [X.] in Zeihe, [X.], Stand April 2016, Vor § 128 [X.] Anm 4 B II). Die Pflicht, ein weiteres Gutachten einzuholen, besteht im Allgemeinen selbst bei einander widersprechenden Gutachtensergebnissen nicht ([X.] SozR 4-1500 § 160a [X.] RdNr 8; [X.] in Zeihe, [X.], Stand April 2016, Vor § 128 [X.] Anm 4 B III).

7

Soweit die Klägerin mit ihrer Darlegung, das [X.] folge einfach den für sie negativen Gutachten, ohne dies nachvollziehbar zu begründen, sinngemäß das Fehlen von Entscheidungsgründen rügen wollte, legt sie deren Fehlen nicht schlüssig dar. Entscheidungsgründe fehlen nicht bereits dann, wenn die Gründe (vermeintlich) sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (vgl [X.] SozR [X.]9 zu § 128 [X.]; [X.] Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN). Infolgedessen legt eine Beschwerdebegründung das Fehlen von Gründen nicht schlüssig dar, wenn sie lediglich geltend macht, das [X.] habe weitere, konkret benannte rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte behandeln müssen. Im [X.] greift sie damit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Richtigkeit der Entscheidung an. Solches Vorbringen reicht indes nicht aus, um die Revision zuzulassen (vgl [X.] § 160a [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 65/05 B - Juris RdNr 15; [X.] Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN). So liegt es hier. Die Klägerin beachtet nicht, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden kann. Gleichwohl rügt sie lediglich, dass das [X.] den Sachverständigen [X.] und [X.] nicht gefolgt sei. Sie formuliert sogar ausdrücklich, der Verfahrensmangel bestehe darin, dass das [X.] seinem Urteil falsche gutachterliche Würdigungen zugrunde gelegt habe und erläutert die (vermeintlich) fehlerhafte Beweiswürdigung umfänglich.

8

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 59/16 B

14.10.2016

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Bayreuth, 2. Dezember 2013, Az: S 6 KR 339/09, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 128 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.10.2016, Az. B 1 KR 59/16 B (REWIS RS 2016, 3922)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3922

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