Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2006, Az. 3 StR 374/06

3. Strafsenat | REWIS RS 2006, 1113

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[X.] vom 26. Oktober 2006 in der Strafsache gegen alias: wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 26. Oktober 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Juli 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und sichergestellte Drogen eingezogen. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiel-len Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer verfahrensrechtlichen Beanstandung Erfolg. Zu Recht macht der Beschwerdeführer geltend, dass das [X.] einen Beweisantrag auf Vernehmung zweier im Ausland zu ladender Zeugen unter Verstoß gegen § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO zurückgewiesen hat. 1 1. Das [X.] hat sich davon überzeugt, dass der Angeklagte auf einer Busfahrt von [X.] nach [X.] im Auftrag unbekannter Hintermän-ner gegen Entlohnung einen Rollenkoffer ([X.]) mit größeren, zum [X.] Weiterverkauf bestimmten Mengen Amphetamin, Ecstasy-Tabletten und Haschisch mit sich führte, die er einem Empfänger in [X.] oder 2 - 3 - einem anderen nordeuropäischen Übergabeort aushändigen sollte. Die [X.] wurden nach der Einreise des Busses über die [X.] bei einer Kontrolle in der [X.] entdeckt und [X.]. Zu den näheren Umständen des [X.] hat das Land-gericht folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte, der im Jahre 2003 unerlaubt in die [X.] ein-gereist war, hier zweimal wegen ausländerrechtlicher Verstöße vorbestraft und von drei verschiedenen Staatsanwaltschaften im Bundeszentralregister mit Suchvermerk ausgeschrieben ist, hielt sich zuletzt in [X.] auf. Er hatte den Entschluss gefasst, sich zu seiner Lebensgefährtin nach [X.] zu bege-ben, bei der er künftig leben wollte. Zu diesem Zweck erwarb er im Januar 2006 auf den Falschnamen S. eine Fahrkarte für eine Busreise von [X.] nach [X.]. Hierbei meldete er nur die Mitnahme von Handgepäck an. Daher wurde ihm eine Fahrkarte mit dem Aufdruck "[X.]" ausge-stellt. Die Fahrer der Buslinie sind angewiesen, jeden Reisenden, der eine sol-che Fahrkarte erworben hat, darauf zu kontrollieren, dass er tatsächlich nur Handgepäck mit sich führt und kein weiteres Gepäck in den Stauraum des [X.] verlädt. Unterlassen sie dies, kann das für sie zu arbeitsrechtlichen Konse-quenzen führen. Obwohl der Angeklagte vor der Abfahrt in Telefonaten mit [X.] und einem Bekannten angekündigt hatte, er werde - da er in [X.] aus seiner Wohnung geflogen sei - die Reise ohne Kleider und Koffer nur mit dem, was er auf dem Leib habe, antreten, erschien er zur Abfahrt des Busses nicht nur mit zwei Plastiktüten mit Lebensmitteln als Handgepäck, sondern auch mit dem [X.], der mit einem Vorhängeschloss verschlossen war, für das der Angeklagte keinen Schlüssel besaß. Obwohl er nur die [X.] mit dem genannten Aufdruck erworben hatte und an dem [X.] auch kein Beförderungsetikett der Buslinie angebracht war, gelang es ihm - [X.] - 4 - licherweise aufgrund unzureichender Kontrolle durch die beiden Busfahrer -, den Koffer in den Stauraum des Busses zu verladen oder verladen zu lassen. Nachdem der Bus am 19. Januar 2006 gegen 1.30 Uhr nachts in die [X.] eingereist war, wurden die Fahrgäste einer Kontrolle unterzo-gen. Hierbei stellten die Beamten fest, dass der Angeklagte, der sich als [X.] S. ohne festen Wohnsitz in der [X.] ausgab, keine Per-sonalpapiere mit sich führte und kein Visum besaß. Er wurde daher wegen Ver-dachts der unerlaubten Einreise - ebenso wie ein weiterer Mitreisender - in [X.] genommen. Auf Nachfrage der Beamten erklärte er, er habe außer den beiden Plastiktüten kein weiteres Gepäck dabei. Nachdem der Angeklagte erkennungsdienstlich behandelt und ein Datenabgleich vorgenommen worden war, bei dem sich herausstellte, dass er bereits unter anderem Namen in der [X.] registriert war, wurde er am Morgen des 19. Januar 2006 we-gen der ihm angelasteten ausländerrechtlichen Verstöße vernommen. [X.] bereits auf dem Weg zum Vernehmungszimmer oder - nach Belehrung - bei der Vernehmung, äußerte der Angeklagte spontan gegenüber dem türkisch-stämmigen Vernehmungsbeamten, dass er einen Koffer vermisse. Diese Äuße-rung wurde nicht in das Vernehmungsprotokoll aufgenommen. 4 Der Reisebus war zwischenzeitlich weiter gefahren. Vor der Ausreise nach [X.] wurde er erneut kontrolliert. Hierbei wurde der [X.] gefun-den, der keinem der verbliebenen Reisenden zugeordnet werden konnte. Nachdem ein [X.] angeschlagen hatte, wurde der [X.] aufgeschnitten und das Rauschgift gefunden. Weder an dem Koffer noch an seinem Inhalt fanden sich Fingerabdrücke oder DNA-Spuren des Angeklagten. 5 2. Der Angeklagte hat in Abrede gestellt, die Betäubungsmittel transpor-tiert zu haben. Er habe auch nicht anlässlich der Vernehmung am Morgen des 6 - 5 - 19. Januar 2006 geäußert, dass er einen Koffer vermisse. Der [X.] habe ihn entweder falsch verstanden oder belaste ihn wahrheitswidrig, weil er - der Angeklagte - [X.] sei. Das [X.] hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten entscheidend auf dessen Spontanäuße-rung am Morgen des 19. Januar 2006 gestützt, die es aufgrund der eidlichen Aussage des Vernehmungsbeamten für erwiesen hielt. Vor dem Hintergrund dieser Beweislage hat der Angeklagte unter ande-rem beantragt, die beiden Busfahrer, die Zeugen N. und [X.]. , zum Beweis dafür zu vernehmen, dass sie bei jeder Busfahrt die Passagiere und die Fahrscheine darauf kontrollieren, ob die Reisenden nur Handgepäck bei sich führen, und jeden Passagier, der eine Fahrkarte mit dem Aufdruck "[X.]" besitzt, nur dann in den Bus lassen, wenn er auch tatsächlich kein weiteres Gepäck bei sich hat, sowie schließlich dafür, dass dieses Vorgehen auch beim Antritt der Fahrt von [X.] nach [X.] am 18. Januar 2006 eingehalten wurde. Das [X.] hat diesen Antrag gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO zurückgewiesen, weil die Vernehmung der Zeugen zur Erfor-schung der Wahrheit nicht erforderlich sei. Aufgrund des Umstandes, dass sich auf der Fahrt von [X.] nach [X.] am 18./19. Januar 2006 ein nicht mit Etikett und Namen eines Passagiers versehener Koffer in dem Bus befunden habe, sei davon auszugehen, dass die Zeugen jedenfalls auf dieser Fahrt ihre Kontrollpflicht nicht vollständig erfüllt hätten. Ob die Zeugen ansonsten bei jeder Fahrt ihrer Kontrollpflicht in vollem Umfang nachkämen, sei für die Entschei-dung ohne Belang (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). 7 In den Urteilsgründen befasst sich das [X.] nochmals mit diesem Antrag und führt aus: Einer Vernehmung der beiden Busfahrer, die im Ausland hätten geladen werden müssen, habe es nicht bedurft. Der Zeuge [X.]- ein Beamter, der bei der Ausreisekontrolle des Busses nach [X.] mitwirkte - 8 - 6 - habe bekundet, die beiden Fahrer hätten bei einer informatorischen Befragung zu dem Koffer und dessen Herkunft widersprüchliche und wechselnde Angaben gemacht und diese alsbald wieder zurückgezogen. Sie seien sich nicht sicher gewesen, überhaupt gesehen zu haben, wer den Koffer in den Bus verladen habe. Der Busfahrer [X.]. habe seine anfängliche Aussage, eine junge Frau habe den Koffer in den Bus gestellt, auf Nachfrage sofort wieder [X.]. Warum sich - so das [X.] - nunmehr beide Zeugen nach sechs Monaten genau an den Vorgang und daran erinnern können sollen, wer den Koffer in den Bus gestellt hat, ein für sie nicht erheblicher und alltäglicher Vorgang, sei in keiner Weise ersichtlich. 3. Zutreffend beanstandet der Beschwerdeführer, dass das [X.] den Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat, soweit er auf den Nachweis gerichtet war, dass die beiden als Zeugen benannten Busfahrer vor der Abfahrt des Busses von [X.] am 18. Januar 2006 die [X.] durchgeführt hatten. 9 Gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein Beweisantrag auf Verneh-mung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn dessen Anhörung nach [X.] Beurteilung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Ob die Ladung und Verneh-mung eines [X.] geboten ist, richtet sich somit nach der [X.] im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO. Bei deren Prüfung hat der Tatrichter namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen. In diesem Rahmen ist er von dem sonst geltenden Verbot der [X.] befreit. Daher darf er prognostisch berücksichtigen, welche Er-gebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu würdigen wären. Kommt er dabei unter Berücksichtigung sowohl des [X.] - 7 - bringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse mit [X.] Begründung zu dem Ergebnis, dass der Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde [X.] können oder dass ein Einfluss der Aussage auf seine - des Tatrichters - Überzeugungsbildung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist die Ablehnung des Beweisantrags in aller Regel nicht zu beanstanden (st. Rspr.; s. nur [X.], 2322, 2323 m. zahlr. [X.].). Ob das Gebot des § 244 Abs. 2 StPO, die Beweisaufnahme zur Erfor-schung der Wahrheit auf alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und Beweis-mittel zu erstrecken, es gebietet, dem Beweisantrag auf Vernehmung eines [X.] nachzukommen, kann nur unter Berücksichtigung der [X.] beurteilt werden. Allgemein gilt lediglich der Grundsatz, dass bei einem durch die bisherige Beweisaufnahme gesicher-ten Beweisergebnis auf breiter [X.] eher von der Vernehmung des [X.] abgesehen werden kann, insbesondere wenn er nur zu [X.] benannt ist, die lediglich indiziell relevant sind oder die Sachaufklä-rung sonst nur am Rande betreffen. Dagegen wird die Vernehmung des [X.] um so eher notwendig sein, je ungesicherter das bisherige [X.] erscheint, je größer die Unwägbarkeiten sind und je mehr Zweifel hinsichtlich des Werts der bisher erhobenen Beweise überwunden werden müssen; dies gilt insbesondere dann, wenn der Auslandszeuge Vorgänge [X.] soll, die für den Schuldvorwurf von zentraler Bedeutung sind (s. allg. etwa [X.], 148; 1996, 249; NStZ-RR 1996, 299; 2003, 205; Gollwit-zer in Löwe/[X.], [X.]. § 244 Rdn. 68; [X.], StPO 49. Aufl. § 244 Rdn. 12). 11 - 8 - Nach diesen Maßstäben hat das [X.] hier die Grenzen zulässiger antizipatorischer Beurteilung überschritten; seine Behandlung des [X.] erweist sich daher als rechtsfehlerhaft. Die Vernehmung der beiden [X.] zu der in ihr Wissen gestellten Beweisbehauptung war geboten. Ihren Aussagen kam im Rahmen des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme und deren Würdigung erhebliches Gewicht zu. Einziges bedeutsames Indiz für die Täterschaft des Angeklagten war seine spontane Äußerung anlässlich der [X.] des 19. Januar 2006, er vermisse einen Koffer. Wie das [X.] selbst nicht verkannt hat, ist der Beweiswert dieses Indizes indes-sen durchaus zweifelhaft; denn es mutet eher ungewöhnlich an, dass ein aus anderen Gründen verhafteter Betäubungsmittelkurier die Ermittlungsbehörden auf das noch nicht gefundene und ihm auch nicht ohne weiteres zuordenbare Behältnis mit dem transportierten Rauschgift aufmerksam macht. Soweit das [X.] diese Äußerung zu erklären sucht ("einige Erklärungen denkbar"; [X.]), beschränkt es sich auf den Hinweis, es erscheine wegen des hohen Werts der noch nicht entdeckten Drogen und des Fehlens jeglichen Verdachts in diese Richtung "nahe liegend", der Angeklagte sei davon ausgegangen, er könne unter Vermittlung der Polizei dafür Sorge tragen, dass eine andere Per-son in seinem Auftrag den Koffer bei dem Busunternehmen in [X.] ab-holen und so die Betäubungsmittel sichern könne. Selbst wenn diese Überle-gung nicht als reine Vermutung ohne hinreichende Tatsachenbasis, sondern als möglicher Ausfluss freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 261 StPO) hinge-nommen werden müsste, ist sie jedenfalls nicht geeignet, der Überzeugungsbil-dung des [X.] von der Täterschaft des Angeklagten ein solideres [X.] zu verschaffen. Andererseits sind einige Indizien vorhanden, die eher gegen den Tatvorwurf sprechen. So liegt es etwa insbesondere nicht nahe, dass ein Betäubungsmittelkurier, der Drogen in einem Koffer auf einer Busfahrt transportieren will, einen Fahrschein erwirbt, der ihm lediglich die Mitnahme von 12 - 9 - Handgepäck erlaubt, so dass er schon zu Beginn der [X.] mit Komplika-tionen rechnen muss. Ungewöhnlich erscheint auch, dass ein Kurier erhebliche Mengen Drogen durch halb [X.] transportiert, ohne im Besitz irgendwelcher Personalpapiere zu sein, und sich so dem Risiko aussetzt, bei einer Kontrolle sofort entdeckt zu werden. Hinzu kommt das Fehlen jeglicher Spuren des [X.] an dem Transportkoffer und seinem Inhalt (wobei das Fehlen von DNA-Spuren letztlich auf einer Unterstellung beruht, weil das von der [X.] in Auftrag gegebene Gutachten im Urteilszeitpunkt noch nicht vor-lag). Bei dieser Beweislage war es für die Beurteilung des [X.] von zentraler Bedeutung, ob die beiden Fahrer bei der Beladung des Busses der ihnen von ihrem Arbeitgeber erteilten Weisung nachgekommen waren, das Ge-päck kontrolliert und Passagieren, die lediglich einen Fahrschein für die Mit-nahme von Handgepäck erworben hatten, die Verladung weiterer Gepäckstü-cke im Stauraum des Busses verwehrt hatten; denn in diesem Falle hätte der [X.] mit den Betäubungsmitteln nicht auf dem vom [X.] angenom-menen Weg in den Bus gelangen können. 13 Dies hat auch das [X.] im Ansatz nicht übersehen; die [X.] seines Ablehnungsbeschlusses bedeutet demgemäß der Sache nach, dass durch die bisherige Beweisaufnahme das Gegenteil der [X.] bereits erwiesen sei: Da sich der [X.] in dem Bus befand, müssten die Fahrer ihre Kontrollpflichten nicht erfüllt haben. Diese Schlussfolgerung ist rechtsfehlerhaft. Die Überzeugung des [X.], die beiden Busfahrer [X.] ihren Kontrollpflichten nicht genügt, beruht allein auf der Tatsache, dass der Koffer mit den Betäubungsmitteln in den Stauraum des Busses gelangt sei, ob-wohl er nicht mit dem erforderlichen Beförderungsetikett der Buslinie versehen war. Dieser Schluss wäre indessen nur dann gerechtfertigt, wenn der Koffer 14 - 10 - notwendig von einem der Mitreisenden stammen musste und nur aufgrund mangelhafter Kontrolle der Busfahrer verladen werden konnte. Das war jedoch nicht der Fall. Er konnte vielmehr von den Fahrern selbst oder von einem ande-ren Mitarbeiter des Busunternehmens in dem Gepäckraum des Busses verstaut worden sein. Dies hat das [X.] bei der Ablehnung des [X.] nicht bedacht. Seine antizipatorische Beweiswürdigung ist daher lücken- und somit rechtsfehlerhaft. Allerdings hat sich das [X.] in den Urteilsgründen mit der Mög-lichkeit auseinandergesetzt, dass es sich bei den Busfahrern um die [X.]kuriere handelte, und weitere Gründe für die Ablehnung des [X.] auf deren Vernehmung genannt. Dies ist jedoch unbeachtlich. Lehnt das Gericht einen Beweisantrag mit fehlerhafter Begründung ab, so sind ergänzende Ausführungen in den Urteilsgründen nicht geeignet, diesen Rechts-fehler zu heilen; denn der Antragsteller, aber auch die anderen Verfahrensbetei-ligten, müssen sich für ihr weiteres Prozessverhalten grundsätzlich auf die ih-nen mitgeteilten Ablehnungsgründe verlassen können; sie dürfen daher in den Urteilsgründen im Allgemeinen nicht mit einer ergänzten oder völlig neuen Be-gründung der Ablehnung des [X.] überrascht werden. Die nachge-schobenen Ausführungen im Urteil können daher allenfalls für die Prüfung des Revisionsgerichts Relevanz gewinnen, ob das Urteil auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht ([X.] aaO Rdn. 150 m. zahlr. [X.].). 15 Hier kommt hinzu, dass die in den Urteilsgründen nachgeschobenen [X.] die Ablehnung des Beweisantrags ebenfalls nicht zu rechtfertigen vermögen und darüber hinaus auf eine völlig neue Grundlage zu stellen su-chen. Dass nach Überzeugung des [X.] nicht die Busfahrer den Koffer in den Bus verladen haben, lässt die Möglichkeit offen, dass dies durch andere 16 - 11 - Mitarbeiter des Busunternehmens geschehen ist und der Koffer daher anläss-lich der Kontrolle beim Verladen des Gepäcks der Passagiere am Busbahnhof in [X.] nicht auffallen musste. Die weiteren Überlegungen des [X.] zur Ablehnung des Beweisantrags verfälschen das Beweisthema und wechseln darauf aufbauend den Ablehnungsgrund der Sache nach in denjenigen völliger Ungeeignetheit der Beweismittel (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) aus. Die beiden Zeugen waren jedoch nicht zum Beweis dafür benannt, eine bestimmte - mit dem Angeklagten nicht identische - Person habe den Koffer verladen, sondern dafür, dass sie die ihnen obliegende Gepäckkontrolle vor der Abfahrt am 18. Januar 2006 ordnungsgemäß durchgeführt hatten. Nach alledem beruht das Urteil auf dem dargestellten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] zu einer abweichenden Beweiswürdigung gelangt wäre, wenn es die beiden Busfahrer vernommen und diese die Beweisbehauptung bestätigt hätten. 17 Tolksdorf [X.]von [X.]

Meta

3 StR 374/06

26.10.2006

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2006, Az. 3 StR 374/06 (REWIS RS 2006, 1113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1113

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