Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2017, Az. IX ZR 95/16

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17491

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:120117BIXZR95.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX [X.]/16
vom

12. Januar
2017

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 765, 280, 249 Ba
Übernimmt eine Muttergesellschaft gegenüber einem Gläubiger ihrer Tochtergesell-schaft eine harte Patronatserklärung, ist sie dem Gläubiger zur Schadensersatzleis-tung verpflichtet, wenn ihn die Tochtergesellschaft befriedigt, er diese Zahlung [X.] im Wege der Insolvenzanfechtung erstatten muss.
[X.] §
144 Abs. 1
Erweist sich die Befriedigung des aus einer harten Patronatserklärung gesicherten Gläubigers als anfechtbar, kann der Gläubiger gegenüber [X.] die ihm aus [X.]atserklärung zustehenden Rechte geltend machen.
[X.], Beschluss vom 12. Januar 2017 -
IX [X.]/16 -
OLG [X.]

[X.]

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
[X.] Dr. Gehrlein, Prof. [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am
12. Januar 2017
beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 6. April 2016 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 940.000

Gründe:

I.

Die Klägerin belieferte die S.

GmbH (nachfolgend: Schuldnerin), eine Tochtergesellschaft der [X.], mit Gas. Im Blick auf Zahlungsrückstände der Schuldnerin erteilte die Beklagte der Klägerin am 12.
Juni 2007 eine Patronatserklärung, die auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"Wir,
die alleinige Gesellschafterin der S.

GmbH

verpflichten uns hiermit, der S.

GmbH

die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu [X.], dass sie ihrerseits den vertraglichen Verpflichtungen gemäß mit ihrem Haus vereinbarten Zahlungsplan einhalten kann.

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Die vorliegende Patronatserklärung ist zeitlich bis zum [X.] 2007 befristet."

Die Klägerin stellte die Belieferung der Schuldnerin, die teilweise Zahlun-gen leistete,
am 18. September 2007 ein. Nach Eröffnung eines Insolvenzver-fahrens über das Vermögen der Schuldnerin und Anfechtung der von ihr be-wirkten Zahlungen zahlte die Klägerin im Vergleichswege einen Betrag von
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an den Insolvenzverwalter.

Vorliegend
nimmt die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz in [X.], weil sie die vereinbarte Patronatserklärung nicht erfüllt habe. Nach Stattgabe der Klage in Höhe von 2
Mio.

Erstgericht
hat das Beru-fungsgericht
den Zahlungsbetrag auf 940.000

Nichtzu-lassungsbeschwerde
erstrebt die Beklagte die volle Abweisung der Klage.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf. Die Klageforderung ist
auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet.

1. Die Beklagte hat im Streitfall gegenüber der Klägerin eine harte [X.] übernommen. Da die Beklagte den daraus sich [X.] Pflichten nicht genügt hat, kann die Klägerin Schadensersatz verlan-gen.

a) Eine harte Patronatserklärung statuiert eine rechtsgeschäftliche Ein-standspflicht des Patrons gegenüber dem Adressaten der Erklärung ([X.], Ur-2
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teil vom 19. Mai 2011

[X.], [X.], 1085 Rn. 18). [X.]atsge-ber übernimmt durch eine harte, rechtsgeschäftliche Patronatserklärung entwe-der im Inne[X.]erhältnis zu seiner Tochtergesellschaft oder im Auße[X.]erhältnis zu deren Gläubiger die Verpflichtung, die Tochtergesellschaft in der Weise aus-zustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren finanziellen Verbindlichkeiten zu genügen ([X.], aaO Rn. 17). Handelt es sich

wie im Streitfall

um eine [X.]
einer Muttergesellschaft für ihre Tochtergesellschaft, [X.] die Muttergesellschaft
dem Gläubiger neben
der
Tochtergesellschaft
für die-selbe Leistung auf das Ganze. Eine solche Verpflichtung wird allgemein als ein der Bürgschaft oder Garantieerklärung vergleichbares Sicherungsmittel ange-sehen ([X.], Urteil vom 8. Mai 2003

IX ZR 334/01, [X.], 1178, 1179 f). [X.] haftet aus einer externen Patronatserklärung im Falle der [X.] ([X.], Urteil vom 30. Januar 1992

[X.], [X.]Z 117, 127, 130).

b) Im Streitfall hat die Beklagte gegenüber der Klägerin eine harte [X.] übernommen, die einen Direktanspruch der Klägerin ge-gen die Beklagte begründet.
Der Verpflichtung, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie stets ihren finanziellen Verbindlichkeiten genügt ([X.], Urteil vom 19. Mai 2011, aaO), entspricht es nicht, wenn sich die von ihr durch eine interne [X.] zugunsten der Klägerin veranlassten Zahlungen als anfechtbar erweisen. Vielmehr unterliegt die Beklagte einer Schadenser-satzpflicht, weil sich die Forderung der Klägerin im Umfang der erfolgreichen Anfechtung als uneinbringlich erweist ([X.], Urteil vom 30. Januar 1992, aaO). Darum verwandelt sich die von der Muttergesellschaft dem Gläubiger ihrer Tochtergesellschaft erteilte externe Patronatserklärung nach einer Insolvenz der Tochtergesellschaft
in eine Pflicht zur Direktzahlung an diesen ([X.], Urteil vom 19. Mai 2011, aaO Rn. 20). Dem Risiko, dass eine interne [X.] an 7
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die Tochtergesellschaft nicht zur Befriedigung des Gläubigers führt, kann [X.] durch eine Direktzahlung an diesen begegnen ([X.]/[X.], 6. Aufl., Rn. 50 vor § 765). Mithin kann die Klägerin in der Insolvenz der Schuldnerin den [X.] als Schadensersatz beanspruchen, weil die Beklagte ihrer Ausstattungspflicht nicht genügt hat (vgl. [X.], Urteil vom 30.
Januar 1992, aaO S. 133).

c) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf eine zeitliche Befristung [X.]atserklärung.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine zeit-lich unbefristete Patronatserklärung für die Zukunft gekündigt werden kann, wenn die Parteien nach den Umständen des Einzelfalles ein entsprechendes Kündigungsrecht vereinbart haben ([X.], Urteil vom 20. September 2010

II
ZR 296/08, [X.]Z
187, 69 Rn. 17 ff).
Da eine solche Kündigung nur ex nunc wirkt, hat [X.] für die bis zum Wirksamwerden der Kündigung begründe-ten Verbindlichkeiten weiter einzustehen und wird nur im Blick auf künftige [X.] von seiner Haftung befreit ([X.], aaO Rn. 19, 41).
Im Streitfall war die Patronatserklärung ausdrücklich auf bis zum 15. August 2007 entstan-dene Forderungen der Klägerin befristet. Gegenstand der vorliegenden Klage bilden ausschließlich derartige Forderungen. Die Befristung bedeutet entgegen der Auffassung
der Beschwerde nicht, dass [X.] seiner Ausstattungs-pflicht nur während des [X.] [X.]atserklärung zu genügen hat. Bei einem derartigen
Verständnis könnte sich der
Patron auf einfachste Weise
seiner Verpflichtung entziehen, indem er
während der Laufzeit keine Zahlung leistet. Dies wäre indessen nicht [X.]. Vielmehr hat er für sämtliche während der Laufzeit seiner Erklärung entstandene Verbindlichkeiten auch nachträglich aufzukommen.
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2. Für diese rechtliche Bewertung
streitet auch die Regelung des § 144 Abs. 1 [X.].
Die Verpflichtung aus einer Patronatserklärung besteht nach An-fechtung einer zugunsten des patronierten Unternehmens erbrachten Zahlung fort, gleich
ob eine Patronatserklärung als akzessorisches
oder nichtakzessori-sches Sicherungsrecht
zu bewerten ist (vgl. die Nachweise pro und contra bei [X.]/[X.], 6. Aufl., Rn. 51 [X.]. 217 vor § 765).

a) Handelte
es sich bei einer Patronatserklärung um ein akzessorisches Sicherungsrecht, bliebe die Beklagte nach der erfolgreichen Anfechtung der von der Schuldnerin bewirkten Zahlung aus ihrer Patronatserklärung gegenüber der Klägerin verpflichtet.
[X.] Sicherheiten leben mit der erfolgreichen Anfechtung wieder auf, wie wenn die Forderung nie erloschen gewesen wäre. Dies gilt sowohl für akzessorische Sicherheiten des Schuldners als auch eines Drittsicherungsgebers ([X.], Urteil vom 24. Oktober 1973 [X.], NJW 1974, 57; vom 3. März 2009

[X.], [X.], 790 Rn. 11; Beschluss vom 15. April 2010

[X.], [X.]; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, 3. Aufl., §
144 Rn. 10c; HK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 144 Rn. 3). Bei dieser Sachlage wäre die Beklagte aus ihrer infolge der wirksamen Anfechtung wieder aufgelebten Patronatserklärung verpflichtet.

b) Ebenso würde die Verpflichtung der [X.] aus [X.]atserklä-rung nicht entfallen, wenn sie als nichtakzessorisches Sicherungsrecht zu [X.] wäre.

aa) Bestand ein nichtakzessorisches Sicherungsrecht eines Dritten

etwa eine Grundschuld

zur Zeit der Rückgewähr der angefochtenen Zahlung fort, sichert es die wieder aufgelebte Forderung ([X.], [X.], 10
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626,
628; [X.],
[X.], 245, 249; [X.]/[X.], [X.], §
144 Rn.
18). Bei dieser Sachlage würde die weiterhin wirksame
Patronatserklärung die infol-ge der Anfechtung wiederaufgelebte Forderung der Klägerin sichern.

bb) Wäre
die Patronatserklärung mit den
Zahlungen der Schuldnerin un-tergegangen, wäre die
Beklagte
zur
Neubestellung der Drittsicherung
verpflich-tet.
Durch die nur vorübergehende, nicht dauerhafte Tilgung der Hauptforde-rung wäre die Beklagte von ihrer Pflicht zur Stellung der Sicherheit nicht ent-bunden
worden. Da der Sicherungsgeber kein schützenswertes Interesse daran hat, durch eine anfechtbare Leistung des Schuldners von seiner Sicherung be-freit zu werden,
wäre die Beklagte aufgrund
der ursprünglichen [X.] verpflichtet
(vgl. [X.], Z[X.]
2004, 504, 506; [X.], [X.], 271; [X.],
[X.], 982, 983; [X.], aaO S. 250; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, aaO § 144 Rn. 10d; [X.]/[X.], aaO). Ge-genüber einer Inanspruchnahme aus dem Sicherungsrecht könnte sich die [X.] nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben
(§ 242 BGB) nicht auf das Nichtbestehen des Sicherungsrechts berufen. Vielmehr müsste sie sich
so be-handeln
lassen, wie wenn sie der Pflicht zur Neubestellung nachgekommen wäre (vgl. [X.], aaO; [X.], aaO).

3. Die geltend gemachten Verletzungen von [X.] hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Be-gründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz
2 Halbs.
2 ZPO abgesehen, weil sie

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nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter de-nen eine Revision zuzulassen ist.

Kayser
Gehrlein
Pape

Ri[X.] [X.] ist im Erho-lungsurlaub und kann daher nicht unterschreiben.

Kayser
Möhring
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.05.2015 -
1 O 3788/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 06.04.2016 -
13 U 989/15 -

Meta

IX ZR 95/16

12.01.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2017, Az. IX ZR 95/16 (REWIS RS 2017, 17491)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17491

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