Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2019, Az. 1 StR 197/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 5168

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Gegenstand

Beihilfe zur Steuerhinterziehung: Strafrahmenverschiebung bei fehlender steuerlicher Erklärungspflicht des Gehilfen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2019 aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

In einem ersten Rechtsgang wurde der Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen. Die der Strafzumessung zugrunde gelegten Feststellungen hat der Senat aufrechterhalten und ergänzende Feststellungen durch das neue Tatgericht ausdrücklich für zulässig erachtet.

2

Das [X.] hat den Angeklagten nun zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO); hinsichtlich der von ihm ebenfalls angegriffenen Feststellungen ist seine Revision unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die von der [X.] getroffenen ergänzenden Feststellungen bleiben bestehen.

3

1. Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

Der Angeklagte hat nach den auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden (ergänzenden) Feststellungen von der durch den Haupttäter verursachten Hinterziehung [X.] Verbrauch- und Umsatzsteuer in Höhe von 16.399.691,78 Euro lediglich 3.912.683,96 Euro (zum Additionsfehler, vgl. Antrag des [X.]) durch den Einsatz der von ihm zur „illegalen“ Produktion von Zigaretten in den Produktionshallen der Firma [X.]([X.]) gelieferten Maschinen als seinen Tatbeitrag mit zu verantworten.

5

Die [X.] hat allerdings einen besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 [X.] nach Abwägung strafmildernder und strafschärfender allgemeiner Strafzumessungsgesichtspunkte wegen des Gewichts seines Tatbeitrags nur unter Hinzunahme und Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrunds der Beihilfe (§ 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB) für entkräftet erachtet und die Strafe dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 [X.] entnommen. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1 StGB hat es rechtsfehlerhaft nicht in den Blick genommen.

6

a) Gemäß § 28 Abs. 1 StGB ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, wenn bei dem Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen, welche die Strafbarkeit des [X.] begründen. Die sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Pflichtwidrigkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gründende steuerliche Erklärungspflicht ist nach der geänderten Rechtsprechung des Senats, die das [X.] bei seiner Entscheidung noch nicht kennen konnte, ein [X.] besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB ([X.], Urteil vom 23. Oktober 2018 – 1 [X.] Rn. 17 ff.). Bei einem Gehilfen, der im Zeitpunkt der Gehilfenhandlung nicht selbst zur Aufklärung der Finanzbehörde verpflichtet ist, ist daher eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen des Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe statt [X.]chaft angenommen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 2018 – 1 [X.] Rn. 21; Beschluss vom 13. März 2019 – 1 StR 50/19 Rn. 6).

7

b) Eine solche Pflicht zur Aufklärung der [X.] Finanzbehörden bestand nach den Feststellungen des [X.] beim Angeklagten nicht. Dieser stand mit seiner Firma M.              (Sitz T.   ) lediglich in Geschäftsbeziehungen mit der Firma [X.], deren Inhaber „im Tatzeitraum als Verantwortlicher der der Firma [X.] entgegen seiner ihm bekannten steuerlichen Verpflichtung weder Verbrauch- noch Umsatzsteuern für die illegal produzierten Zigaretten an die zuständigen [X.] Behörden abführte“. Der Angeklagte war damit nicht Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 [X.]. Die Voraussetzungen einer Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB lagen damit vor.

8

2. Der Senat kann ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Erörterungsmangel nicht ausschließen; denn die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob das [X.] allein wegen des Fehlens einer sich aus § 35 [X.] ergebenden Erklärungspflicht nicht von [X.]chaft, sondern von Beihilfe ausgegangen ist.

9

3. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier allein vorliegenden Wertungsfehler nicht.

4. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes [X.] zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Raum     

      

[X.]     

      

Fischer

      

Bär     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 197/19

23.07.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 22. Januar 2019, Az: 10 KLs 2050 Js 13818/14 (2)

§ 27 Abs 2 StGB, § 28 Abs 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 370 Abs 1 AO, § 370 Abs 3 Nr 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2019, Az. 1 StR 197/19 (REWIS RS 2019, 5168)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5168

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