Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.09.2013, Az. IX AR (VZ) 1/12

9. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2643

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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) BERUFSFREIHEIT INSOLVENZRECHT INSOLVENZ ÜBERWACHUNG VERTRAUEN

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Gegenstand

Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Amts des Insolvenzverwalters auf natürliche Personen


Leitsatz

Eine juristische Person wird durch die Beschränkung des Amts des Insolvenzverwalters auf natürliche Personen nicht in ihren Grundrechten auf Gleichbehandlung und auf Berufsfreiheit verletzt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 22. Oktober 2012 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung, die in [X.] 35 Standorte mit insgesamt rund 300 Mitarbeitern, darunter 42 [X.]erufsträger, unterhält und ausschließlich auf dem Gebiet der Insolvenz- und Zwangsverwaltung tätig ist. Ihren Antrag auf Aufnahme in die [X.] für Insolvenzverwalter hat das Amtsgericht abgelehnt. Der nach § 23 [X.] bei dem [X.] gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr [X.]egehren weiter.

II.

2

Das [X.] hat ausgeführt, weil es sich bei der Antragstellerin nicht um eine natürliche [X.] handele, gehöre sie nach § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht zu dem Kreis derjenigen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen einer [X.]estellung zum Insolvenzverwalter erfüllten. Die [X.]eschränkung des Zugangs zur [X.]estellung als Insolvenzverwalter auf natürliche [X.]en sei weder offenbar sachwidrig noch unverhältnismäßig und stelle keinen Verstoß gegen den Grundsatz auf Gleichbehandlung dar. Auf eine etwaige Europawidrigkeit der Norm könne sich die Antragstellerin als inländische Gesellschaft nicht berufen.

III.

3

Die gemäß § 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 [X.] statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Antragsgegner ist nach Genehmigung der Verfahrensführung durch die Generalstaatsanwaltschaft wirksam vertreten. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet. Die Antragstellerin kann als juristische [X.] nicht in die [X.] aufgenommen werden, weil gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur eine natürliche [X.] als Insolvenzverwalter in [X.]etracht kommt. Die gesetzliche Regelung steht in Einklang mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 [X.].

4

1. Nach dem Inhalt des § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche [X.] zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von [X.] bereiten [X.]en auszuwählen ist. Der eindeutige, auf natürliche [X.]en bezogene Wortlaut der Regelung schließt es aus, juristische [X.]en zum Insolvenzverwalter zu bestellen (MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 56 Rn. 15). Diese Würdigung wird überdies durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Die ursprünglich erwogene Möglichkeit, juristische [X.]en zum Insolvenzverwalter zu ernennen ([X.]T-Drucks. 12/2443 [X.]), ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit Rücksicht auf Haftungs- und Aufsichtsprobleme sowie die Gefahr von Interessenkollisionen ([X.]T-Drucks. 12/7302 [X.]) aufgegeben worden. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine erweiternde Auslegung des § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] dahin, auch juristische [X.]en als Insolvenzverwalter einzusetzen.

5

2. Die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] steht mit Art. 3 Abs. 1 [X.] in Einklang.

6

a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen an[X.] behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche [X.]ehandlung rechtfertigen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind ([X.], NJW 2013, 847 Rn. 72 mwN).

7

b) Diesen Anforderungen genügt die [X.]estimmung des § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.], soweit nur natürliche [X.]en als Insolvenzverwalter zugelassen werden. Gegen die Einbeziehung juristischer [X.]en in den Kreis der Insolvenzverwalter sprechen mit der ganz überwiegenden Auffassung (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 56 Rn. 15, [X.]/[X.], [X.], § 56 Rn. 35 f; [X.], [X.], 13. Aufl., § 56 Rn. 11; [X.]., [X.]. 1993, 453 ff; HmbKomm-[X.]/Frind, 4. Aufl., § 56 Rn. 1 b, 1 c; HK-[X.]/Eickmann, 6. Aufl., § 56 Rn. 9; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 56 Rn. 13; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 56 Rn. 33; [X.] in Kübler/Prütting/[X.]ork, [X.], § 56 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], § 56 Rn. 5; [X.], ZIP 1993, 737 ff; ebenso wohl [X.], Z[X.] 2009, 1641 Rn. 23; [X.], Z[X.] 2004, 937, 938; Kleine-Cosack, [X.], 791 ff; FK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 56 Rn. 8) im Interesse der ordnungsgemäßen Durchführung eines Insolvenzverfahrens gewichtige Sachgründe.

8

aa) [X.]ereits die höchstpersönliche Rechtsnatur des Amtes eines Insolvenzverwalters (vgl. [X.], aaO) steht der [X.]estellung einer juristischen [X.] entgegen.

9

Es ist allgemein anerkannt, dass der Insolvenzverwalter sein Amt als solches nicht auf einen anderen übertragen kann; vielmehr ist er mit diesem höchstpersönlich betraut ([X.], aaO). Insolvenzverfahrensspezifische Handlungen darf der Verwalter, wenn auch der Einsatz von Mitarbeitern in größeren Verfahren praktisch unvermeidbar oder gar geboten sein kann ([X.], aaO), nur persönlich vornehmen. Dazu gehören etwa die Führung eines Anfechtungsprozesses oder die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses, die Entscheidung über die Kündigung und Entlassung von Arbeitnehmern sowie die Entscheidung über die Art der Verwertung der Masse. Auch die zentralen Aufgaben des Insolvenzverwalters wie die [X.]erichtspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht, der Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss (§ 58 Abs. 1 Satz 2, §§ 69, 79, 152, 156 [X.]), seine Pflicht zur Erstellung eines Insolvenzplans nach § 218 [X.] auf entsprechenden [X.]eschluss der Gläubigerversammlung (§ 157 [X.]) wie auch die Schlussrechnungsregelung (§ 66 [X.]) muss er unbeschadet etwaiger Zulieferungs- und Hilfsarbeiten seiner Mitarbeiter im Wesentlichen selbst vornehmen ([X.], [X.], 301 Rn. 46).

Die Verfahrenskonzentration auf die [X.] des Insolvenzverwalters würde durch die Einsetzung einer juristischen [X.], die bei entsprechender Mitarbeiterausstattung eine unbegrenzte Zahl von [X.] übernehmen kann, beseitigt. Eine Gesellschaft, die im Unterschied zur Antragstellerin nur einen organschaftlichen Vertreter hat, könnte an verschiedenen Standorten übernommene [X.] nicht verantwortlich führen. Die gebotene höchstpersönliche Amtsausübung wäre bei solchen tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr gewährleistet. Vielmehr liegt auf der Hand, dass die Aufgabe des Insolvenzverwalters ungeachtet ihrer höchstpersönlichen Rechtsnatur im jeweiligen Einzelfall stärker als vertretbar auf den nachgeordneten Mitarbeiterstab delegiert werden müsste (vgl. [X.], aaO; [X.], aaO S. 741).

bb) Würde eine juristische [X.] als Insolvenzverwalter eingesetzt, fehlte den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht wegen der Verlagerung der Aufgabe auf verschiedene Entscheidungsträger zudem ein bestimmter, persönlich für die zweckentsprechende Aufgabenwahrnehmung Verantwortlicher ([X.]/[X.]/[X.], [X.], § 56 Rn. 13).

Die sachdienliche Verfahrensdurchführung hängt von der [X.]efähigung und Zuverlässigkeit gerade der konkreten natürlichen [X.] ab, die das Insolvenzgericht als vertrauenswürdig erachtet und laufend beaufsichtigt (vgl. [X.], aaO S. 739 f; [X.]/[X.]/[X.], aaO). Darum wird die Auswahl des Insolvenzverwalters vielfach als "Schicksalsfrage" des Insolvenzverfahrens bezeichnet ([X.], aaO S. 453; [X.], aaO S. 737 jeweils mwN). Das Amtsverständnis des Gesetzes ist auf die [X.]estellung eines haftungsrechtlich und strafrechtlich persönlich verantwortlichen, in eigener [X.] mit den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht kommunizierenden, beständiger Aufsicht unterliegenden Insolvenzverwalters angelegt (vgl. [X.], aaO S. 739 f; [X.]/[X.]/[X.], aaO).

Juristische [X.]en lassen, zumal wenn sie wechselnde Organe haben, die für eine [X.] unabdingbare Gewähr vermissen. Eine weitgehende Anonymisierung der Insolvenzverwaltung innerhalb einer juristischen [X.] läuft dem Interesse an einer verfahrensgemäßen, gedeihlichen Aufgabenwahrnehmung zuwider. Die im Gesetz angelegte Ausrichtung des Insolvenzverfahrens auf die [X.] des allzuständigen, vollverantwortlichen Verwalters würde ausgehöhlt, wenn die Insolvenzverwaltung entsprechend der Entscheidung der Geschäftsleitung einer juristischen [X.] auf bestimmte Organmitglieder oder Angestellte mit der Gefahr uneinheitlicher, mitunter sich wi[X.]prechender Entscheidungen aufgespaltet werden könnte. Die Konzentration des Verfahrens auf eine natürliche [X.] als Insolvenzverwalter verringert den für hierarchische Organisationsformen typischen Koordinierungsbedarf und beugt zugleich etwaigen durch Störungen in der Zusammenarbeit bedingten, alle Verfahrensbeteiligten treffenden Nachteilen insbesondere vermögensmäßiger Art vor. Die existentiellen Interessen des Schuldners und seiner Gläubiger, die innerhalb eines Insolvenzverfahrens in Ausgleich zu bringen sind, verbieten eine Zergliederung der Insolvenzverwaltung auf verschiedene innerhalb einer Organisation tätige Entscheidungsträger.

cc) [X.]ei Einsetzung einer juristischen [X.] wäre auch die notwendige Kontinuität der Amtsausübung gefährdet, weil mit dieser Tätigkeit betraute [X.] abberufen (§ 38 Abs. 1 und 2 GmbHG, § 84 Abs. 3 [X.]) und angestellte Mitarbeiter jederzeit gekündigt (§§ 620 ff [X.]G[X.]) werden können.

Selbst wenn die Aufgabe der Insolvenzverwaltung innerhalb der juristischen [X.] einem bestimmten Mitglied der Geschäftsleitung, etwa einem Geschäftsführer oder Vorstand, übertragen würde, könnte diese [X.] während der Dauer des Insolvenzverfahrens ohne weiteres (§ 38 Abs. 1 GmbHG) oder aus wichtigem Grund (§ 38 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, § 84 Abs. 3 [X.]) abberufen werden. Ein mit der Verwaltung betrauter Angestellter könnte grundsätzlich jederzeit gekündigt werden (§§ 620 ff [X.]G[X.]). Ferner entspricht es den heutigen Gegebenheiten des Rechtslebens, dass nicht nur einzelne Partner, sondern ganze - etwa mit Insolvenzverwaltung betraute - Abteilungen eine [X.]eratungsgesellschaft verlassen. Überdies ist die nie ausschließbare Möglichkeit in den [X.]lick zu nehmen, dass eine juristische [X.] aufgelöst wird (§§ 60 ff, § 262 [X.]) und nach Abwicklung und Vollbeendigung (§ 70 GmbHG, § 264 ff, § 273 [X.]) untergeht.

In all diesen Konstellationen wären [X.]eeinträchtigungen der ordnungsgemäßen Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu befürchten. Nach Ausscheiden des mit der Insolvenzverwaltung betrauten [X.] oder Angestellten wäre schon nicht ohne weiteres sichergestellt, dass überhaupt ein gleichwertiger Ersatz in der [X.] eines ebenso befähigten und erfahrenen Mitarbeiters zur Verfügung steht. Außerdem müssten sich neue Verantwortliche in die Sache einarbeiten, was bei einem komplexen Verfahren einen erheblichen Zeitablauf erfordert und einen geordneten Verfahrensfortgang behindern, wenn nicht gar lähmen könnte. Auch wäre das Risiko nicht von der Hand zu weisen, dass wichtige, für eine fruchtbare Verwaltung notwendige Entscheidungen infolge des [X.] zum Nachteil der Masse verzögert oder gar - etwa wegen Ablaufs einer Angebotsfrist - versäumt werden. Die Ablösung des innerhalb der juristischen [X.] Verantwortlichen birgt ferner die Unwägbarkeit, dass die nacheinander mit der Insolvenzverwaltung betrauten [X.]en unterschiedliche, miteinander schwer oder gar nicht zu vereinbarende Strategien im Sinne des § 1 Satz 1 [X.] verfolgen. Diese Nachteile wären gerade dann zu befürchten, wenn eine juristische [X.] im Vertrauen auf die [X.]efähigung eines - später ausgeschiedenen - bestimmten Geschäftsleiters oder Angestellten mit dem Amt des Insolvenzverwalters beauftragt worden ist. Würde die mit der Insolvenzverwaltung betraute juristische [X.] liquidiert, müsste gar ein neuer Insolvenzverwalter bestellt werden. Die notwendige Kontinuität der Amtsausübung ist bei Einsetzung einer juristischen [X.] somit nicht gewährleistet (ebenso [X.]/[X.], [X.], § 56 Rn. 35; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 56 Rn. 15; HmbKomm-[X.]/Frind, aaO Rn. 1 b; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 56 Rn. 13; [X.], ZIP 1993, 737, 740; [X.], [X.]. 1993, 453, 457).

dd) Die [X.]estellung einer juristischen [X.] kann überdies zu einer unverhältnismäßigen Erschwernis der Willensbildung im Rahmen der ordnungsgemäßen Ausübung des Amtes eines Insolvenzverwalters führen.

[X.]ei einer juristischen [X.] wird die Geschäftsführung von dem [X.] und nicht den einzelnen Geschäftsleitern wahrgenommen (§ 37 Abs. 1, § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Deshalb bedarf die Ausübung der Geschäftsführung grundsätzlich einer Abstimmung innerhalb des Gesamtorgans ([X.]/Strohn/[X.], Gesellschaftsrecht, § 37 GmbHG Rn. 4; [X.]/Strohn/[X.], aaO § 77 [X.] Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, § 37 Rn. 24; [X.]/Witt, GmbH-Recht in der Praxis, 2. Aufl., [X.]. 5 Rn. 18). Dabei kann das aus § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] folgende Einstimmigkeitsprinzip ([X.] in [X.]/[X.], aaO; [X.]/Witt, aaO; vgl. [X.]/Willerscheid, [X.], 3. Aufl., § 50 Rn. 5) innerhalb des [X.] unauflösbare Konflikte hervorrufen, die eine sachgemäße Insolvenzverwaltung schlimmstenfalls vollends blockieren.

Für die Rechtsform GmbH tritt als mögliche weitere Verzögerung bei der Willensbildung hinzu, dass die Geschäftsführer gemäß § 37 Abs. 1, § 43 Abs. 2 GmbHG, an[X.] verhält es sich nach § 76 [X.] für die Vorstände einer AG, jedenfalls insoweit Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen, als die Rechtmäßigkeit und wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von Maßnahmen der Insolvenzverwaltung in Rede steht (vgl. [X.] in [X.]/[X.], aaO § 37 Rn. 11). In diesem Sinne wird auch die Regelung des § 59f Abs. 4 Satz 2 [X.] ([X.] in [X.]/Prütting, [X.], 3. Aufl., § 59f Rn. 26; Kleine-Cosack, [X.], 5. Aufl., § 59f Rn. 7) und des § 60 Abs. 2 [X.] ([X.]/Maxl, [X.], 3. Aufl., § 60 Rn. 22 ff) verstanden. Etwaigen gesetzlichen Weisungsbeschränkungen innerhalb der als Gesellschaften organisierten Zusammenschlüsse der rechts- und steuerberatenden [X.]erufe käme ohnehin keine ausschlaggebende [X.]edeutung zu, weil aus anderen [X.]erufen stammende, als Insolvenzverwalter geeignete [X.]en sich der allgemeinen, mit den angeführten Nachteilen belasteten Gesellschaftsformen zu bedienen hätten.

Diese vielfältigen Abstimmungserfordernisse hemmen bereits im Falle einer Insolvenzverwaltung durch Geschäftsleiter, die sich fortwährend bei Entscheidungen geringerer oder größerer Tragweite absprechen müssen, einen geregelten Verwaltungsablauf. Der Abstimmungsbedarf würde sich zusätzlich verschärfen, wenn die Insolvenzverwaltung durch eine Vielzahl von Angestellten ausgeübt wird, die an Vorgaben der Geschäftsleitung gebunden sind. In dieser Weise verhält es sich etwa, sofern der an der [X.]etriebsstätte des Schuldners eingesetzte Mitarbeiter Anordnungen nur nach [X.]erichterstattung an die Geschäftsleitung mit deren Einverständnis treffen darf. Wenn es um eilbedürftige Maßnahmen geht, kann dieses Abstimmungsgebot eine sachgerechte Insolvenzverwaltung mit dem Risiko erheblicher finanzieller Nachteile vereiteln.

Selbst wenn durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung (vgl. [X.]/Strohn/[X.], aaO § 77 [X.] Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.], aaO § 37 Rn. 25) eine sich in einer Ressortverantwortung manifestierende Übertragung der einzelnen [X.] auf bestimmte Geschäftsleiter vorgesehen ist, würde dadurch die Gesamtverantwortung aller Geschäftsleitungspersonen einschließlich der Notwendigkeit einer wechselseitigen Informations- und Kontrollpflicht nicht berührt ([X.]/Strohn/[X.], aaO § 37 GmbHG Rn. 4). Ebenso bliebe bei Delegation der Insolvenzverwaltung auf einen bestimmten Angestellten die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung im Sinne einer Überwachungspflicht erhalten ([X.]/[X.], GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rn. 37; Urban, [X.], 106). Eine in jeder Situation uneingeschränkt handlungsfähige Insolvenzverwaltung ist darum nur bei [X.]estellung einer natürlichen [X.] gesichert.

ee) Die durch den Einsatz von Organmitgliedern und Angestellten bedingten unklaren Verantwortlichkeiten lösen bei Einsetzung einer juristischen [X.] als Insolvenzverwalter für eine effektive gerichtliche Aufsicht erhebliche Gefahren aus.

Der Insolvenzverwalter unterliegt gemäß § 58 [X.] der Aufsicht des [X.]. Fehlt es infolge der Organisationsstruktur der juristischen [X.] an einem unmittelbaren, in allen [X.]elangen allein entscheidungsbefugten Ansprechpartner, ist die Effektivität der Aufsicht in Frage gestellt ([X.] [X.]. 1993, 454, 456; [X.], ZIP 1993, 747, 741 f; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 56 Rn. 13). Wegen der [X.]efugnis des [X.] einer juristischen [X.], ein konkretes Verfahren einem Geschäftsleiter oder einem Angestellten zu entziehen, können überdies gesellschaftsinterne und gerichtliche Aufsichtsmaßnahmen miteinander kollidieren. Insbesondere kann die Geschäftsleitung geneigt sein, einer Entlassung der Gesellschaft aus dem Amt des Insolvenzverwalters durch eine Auswechslung der mit der Aufgabe betrauten [X.] zuvorzukommen ([X.], aaO; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 56 Rn. 15; [X.]/[X.], [X.], § 56 Rn. 35; [X.]/[X.]/[X.], aaO). Auch hätte das Gericht bei einem Wechsel des Ansprechpartners stets die Eignung der juristischen [X.] als Verwalter erneut zu prüfen (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 56 Rn. 15). Nicht zuletzt wäre die mit der Insolvenzverwaltung betraute [X.] einem die Qualität ihrer Tätigkeit möglicherweise beeinträchtigenden [X.] ausgesetzt, wenn sie sowohl der sich an kaufmännischen Erwägungen und damit auch einem etwaigen Vergütungsinteresse orientierenden gesellschaftsinternen Kontrolle als auch der die [X.] aller Verfahrensbeteiligter berücksichtigenden Aufsicht des [X.] unterläge ([X.], aaO S. 457).

ff) Würde eine juristische [X.] zum Insolvenzverwalter bestimmt, würde schließlich die Prüfung ihrer Unabhängigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 [X.]) besondere Schwierigkeiten aufwerfen.

Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von dem Schuldner und den Gläubigern ist für einen sachgerechten Verfahrensablauf von zentraler [X.]edeutung ([X.]/[X.], aaO Rn. 42). Nehmen für eine juristische [X.] eine Vielzahl von Mitarbeitern Aufgaben im [X.]ereich der Insolvenzverwaltung wahr, können etwaige wirtschaftliche oder sonstige Verflechtungen zu dem Schuldner oder anderen Verfahrensbeteiligten nur mit erheblichen Schwierigkeiten aufgedeckt werden ([X.], ZIP 1993, 737, 741). Außerdem werden die Gesellschafter der juristischen [X.] dem Insolvenzgericht vielfach nicht bekannt sein. Selbst wenn das Insolvenzgericht über sie informiert ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass infolge einer - nur im [X.]ereich der Rechts- und Steuerberatung untersagten (§ 59e Abs. 3 [X.], § 50a Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 28 Abs. 4 Nr. 2 [X.]) - Treuhandstellung oder eines im Laufe des Verfahrens stattfindenden - nur im [X.]ereich der Rechts- und Steuerberatung anzuzeigenden (§ 59m Abs. 1 Satz 1 [X.], § 49 Abs. 4 Satz 1 [X.]; großzügiger wohl § 30 Satz 1 [X.]) - Gesellschafterwechsels eine bedenkliche Verbindung zu Verfahrensbeteiligten geknüpft wird ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 56 Rn. 33).

gg) Letztlich streiten auch haftungsrechtliche Erwägungen gegen die [X.]estellung einer juristischen [X.] als Insolvenzverwalter.

Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 [X.] allen [X.]eteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Dabei hat er nach § 60 Abs. 1 Satz 2 [X.] für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen. Dieser [X.] wäre auch auf eine juristische [X.] in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalter anzuwenden. Insoweit bestünde jedoch die Gefahr, dass Haftpflichtansprüche ungedeckt blieben, weil die juristische [X.] nur mit dem gesetzlichen Mindestkapital ausgestattet ist ([X.], aaO S. 742; [X.], aaO). Hier fällt ins Gewicht, dass der Insolvenzverwalter keiner gesetzlichen Versicherungspflicht unterliegt ([X.] in [X.]/[X.], Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 Rn. 1699). Die faktische Haftungsbeschränkung auf das (Mindest-) Stammkapital der juristischen [X.] wird mit Hilfe einer Haftpflichtversicherung, die auch zu Insolvenzverwaltern bestellte natürliche [X.]en abschließen, nicht ausgeglichen. Eine Deckungssumme von 2,5 Mio. € - wie sie die Antragstellerin vorhält - wird in größeren Insolvenzen vielfach nicht ausreichen, entstandene Schäden voll aufzufangen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die [X.]erufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte oder Steuerberater nicht sämtliche Risiken der Verwaltertätigkeit erfasst ([X.], aaO Rn. 1705 ff; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], § 60 Rn. 52; [X.], aaO S. 743).

3. Aus vorstehenden Überlegungen befindet sich die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch in Einklang mit dem Grundrecht der [X.]erufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 [X.]), auf das sich die Antragstellerin als juristische [X.] (Art. 19 Abs. 3 [X.]) grundsätzlich berufen kann (vgl. [X.]E 97, 228, 253). Die vorgeschriebene Rechtsform stellt eine subjektive Zulassungsvoraussetzung dar (vgl. [X.]E 64, 72, 82), die zum Schutz eines beson[X.] wichtigen Gemeinschaftsguts, der geordneten Durchführung eines Insolvenzverfahrens, gerechtfertigt ist (vgl. [X.]E 93, 213, 235; 97, 12, 26; 119, 59, 80). Die [X.]eschränkung ist nicht unverhältnismäßig, zumal die einer [X.]eratungsgesellschaft angehörenden [X.]erufsträger persönlich zu Verwaltern ernannt werden können.

4. Soweit das [X.] ausgeführt hat, die Antragstellerin könne sich als inländische juristische [X.] auf einen etwaigen Verstoß der gesetzlichen Regelung gegen die Richtlinie über Dienstleistungen im [X.]innenmarkt vom 12. Dezember 2006 ([X.] 2006/123/[X.], [X.]. 376/36 vom 27. Dezember 2006; nachfolgend Dienstleistungsrichtlinie) nicht berufen und werde darüber hinaus durch eine unterschiedliche [X.]ehandlung im Vergleich zu Gesellschaften aus anderen [X.] der [X.] unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 [X.] verletzt, werden dagegen von der [X.]eschwerde keine Einwendungen erhoben. Diese rechtliche Würdigung ist nicht zu beanstanden.

a) Nach den Feststellungen des [X.]s liegt dem Verfahren ein rein innerstaatlicher Sachverhalt zugrunde, weil sich die Antragstellerin als inländische Gesellschaft in ihrer nicht grenzüberschreitenden [X.]erufsausübung beschränkt sieht. Für das primäre Gemeinschaftsrecht ist geklärt, dass es nicht auf [X.]etätigungen anwendbar ist, deren wesentliche Elemente sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen ([X.], Urteil vom 18. März 1980 - [X.]. 52/79, [X.], Slg. 1980, 833 Rn. 9; vom 26. Februar 1991 - [X.]. [X.]/89, [X.], Slg. 1991, [X.] Rn. 9; vom 16. Januar 1997 - [X.]. [X.]/95, [X.]/[X.], Slg. 1997, [X.] Rn. 19 ff). Ebenso wenig soll die Dienstleistungsrichtlinie auf innerstaatliche Sachverhalte erstreckt werden (vgl. Handbuch der [X.] zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, [X.]), sondern gilt nach ihren Erwägungen (vgl. Nr. 5 und 116) ausdrücklich nur für Dienstleistungserbringer, die sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat Dienstleistungen erbringen wollen, ohne dort niedergelassen zu sein. Für die aktive Dienstleistungsfreiheit folgt das Erfordernis eines grenzüberschreitenden [X.]ezugs auch aus der Formulierung des Art. 16 Abs. 1 Dienstleistungsrichtlinie (vgl. [X.]/Korte, Dienstleistungsrecht in der [X.], 2011, § 6 Rn. 10).

b) Führt eine mangelnde Übereinstimmung von nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht dazu, dass [X.] nach nationalem Recht weniger weitgehende Rechte zustehen als Ausländern nach Gemeinschaftsrecht, so stellt die darin liegende Inländerdiskriminierung eine solche des nationalen Rechts und nicht des Gemeinschaftsrechts dar, die an denjenigen nationalen Normen zu messen ist, die eine Diskriminierung verbieten, also vor allem an Art. 3 Abs. 1 [X.] ([X.]VerwGE 126, 149 Rn. 60). Soweit das innerstaatliche Recht Inländer strenger als Unionsangehörige behandelt, ist eine solche Ungleichbehandlung hinzunehmen, wenn sie in Einklang mit dem Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 [X.] steht (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 28. Februar 1985 - [X.], [X.], 886; [X.]VerwGE 129, 226 Rn. 40). Mit Rücksicht auf die Ausgestaltung des nationalen Gesellschaftsrechts sind - wie dargelegt - hinreichend sachliche Gründe gegeben, die eine Ungleichbehandlung von inländischen Gesellschaften im Vergleich zu juristischen [X.]en aus dem [X.]ereich der [X.] rechtfertigen, sofern diese zur Aufnahme in die [X.] zugelassen werden müssten. Dass dies bisher tatsächlich einmal geschehen sei, wird überdies von der [X.]eschwerde nicht behauptet (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 18. September 1989 - [X.] ([X.]) 24/89, [X.]Z 108, 342, 346 f; [X.]VerwGE 122, 130, 146 f; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., Art. 3 Rn. 74).

Kayser                               [X.]                               [X.]

                     Grupp                                 [X.]

Meta

IX AR (VZ) 1/12

19.09.2013

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Karlsruhe, 22. Oktober 2012, Az: 6 VA 10/12

§ 56 Abs 1 S 1 InsO, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.09.2013, Az. IX AR (VZ) 1/12 (REWIS RS 2013, 2643)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2643


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 3102/13

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 3102/13, 12.01.2016.

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 3102/13, 02.01.2016.


Az. IX AR (VZ) 1/12

Bundesgerichtshof, IX AR (VZ) 1/12, 19.09.2013.


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