Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.11.2019, Az. 30 W (pat) 6/18

30. Senat | REWIS RS 2019, 1584

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 111 108.9

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 24. Januar 2017 und vom 21. Dezember 2017 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 8. Dezember 2016 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 42 und 45 zur Eintragung als Marke in das vom [X.] geführte Register angemeldet worden.

4

Mit Beschlüssen vom 24. Januar 2017 und vom 21. Dezember 2017 hat die Markenstelle für Klasse 9 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Wortmarke setze sich aus dem Begriff „Prio“ (für „Priorität, Vorrang“) und dem Wort „Box“, welches in der [X.] nachweislich einen Speicherbereich bezeichne, zusammen. Im vorliegenden Waren- und Dienstleistungszusammenhang beinhalte das Anmeldezeichen daher den Sachhinweis auf eine Software, die einen besonderen Bereich zur Ablage von Daten und Vorgängen mit Priorität aufweise.

5

[X.] als Marke mit Herkunftsfunktion.

6

Der Senat hat dem Anmelder mit der Terminsladung vom 8. Oktober 2019 Ergebnisse einer Internetrecherche zur Verwendung der Wortelemente „Prio“ und „Box“ übersandt.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Anmelder das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt eingeschränkt:

8

„Klasse 9: Software; Netzwerk- bzw. Systemmanagement-Software; elektronische Datenbanken; mobile Apps

9

Klasse 42: Entwurf von Software; Entwicklung von Software; Entwicklung von Datenbanken; Pflege von Datenbanken

Klasse 45: Lizenzierung von Software,

sämtliche vorgenannten Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit

der automatisierten Ermittlung und Messung persönlicher Wünsche und

Ziele“.

Der Anmelder beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s vom 24. Januar 2017 und vom 21. Dezember 2017 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nach der seitens des Anmelders vorgenommenen Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses begründet, da [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht festgestellt werden können.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.], 610 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608 ([X.]) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; [X.], 173 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.] 2016, 934 ([X.]) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; BGH [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 29) – [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 ([X.]) – [X.]; [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.] 2004, 674 ([X.]) – Postkantoor; BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) – [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 11) – Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 32) – [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 ([X.]) – [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) – [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Hintergrunds steht der angemeldeten Wortzusammensetzung [X.] nach erfolgter Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht entgegen.

a) Allerdings ist der Markenstelle darin zu folgen, dass sich das Anmeldezeichen schon aufgrund der Binnengroßschreibung unmittelbar erkennbar aus den Wortelementen „Prio“ und „Box“ zusammensetzt. „Prio“ ist lexikalisch nachweisbar (vgl. den Wikipedia-Eintrag in der [X.]) das Kurzwort u.a. für „Priorität“ und wird ausweislich der weiteren Rechercheergebnisse des Senats mit dieser Bedeutung inländisch seit langem gängig verwendet (vgl. die Anlage „Wortschatz [X.]“, u.a. mit folgenden Verwendungsbeispielen: „Die erste Prio hat die Mannschaft“, [X.] 2011; „Erste Prio hat das Stadion“, [X.] 2011; „Ich finde, das muss für uns alle Prio A sein“, 2011). Darüber hinaus ist „[X.]“ nachweislich als Wortbildungselement in Wortverbindungen wie „[X.]“, „[X.]Setzung“, „[X.]Versand“ gebräuchlich.

Das zweite Zeichenelement, das [X.] Wort „Box“, ist mit verschiedenen Bedeutungen in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen. Im hier betroffenen [X.] wird es, wie es die Fundstellen der Markenstelle und des Senats belegen, gerade auch zur Bezeichnung eines individuellen (meist passwortgeschützten) Speicherbereichs verwendet.

b) Wenngleich das Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit somit als sachlicher Hinweis auf einen Ablage- bzw. Speicherbereich für Prioritäten verstanden werden kann, ist gleichwohl die Beurteilung eines Zeichens stets in Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen vorzunehmen, für die eine Eintragung begehrt wird ([X.] [X.] 2004, 674 (Nr. 33) – Postkantoor).

[X.], dem Verkehr allenfalls im Rahmen einer analysierenden Betrachtungsweise, was aber bereits die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] begründet.

3. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] steht einer Eintragung des angemeldeten Markenwortes für die nach Einschränkung des Verzeichnisses verbliebenen Waren und Dienstleistungen nicht entgegen, denn [X.] beschreibt diese weder unmittelbar noch ist die Anmeldung für diese spezifischen Waren und Dienstleistungen im Interesse der Mitbewerber freihaltebedürftig.

4. Da der [X.] somit nach der erfolgten Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] nicht mehr versagt werden kann, war der Beschluss auf die Beschwerde des Anmelders aufzuheben.

Meta

30 W (pat) 6/18

14.11.2019

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.11.2019, Az. 30 W (pat) 6/18 (REWIS RS 2019, 1584)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1584

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