Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.03.2013, Az. 7 ABR 47/11

7. Senat | REWIS RS 2013, 7451

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Gegenstand

(Aktives Wahlrecht nach § 5 Abs 2 S 1 DrittelbG - Nichtigkeit einer Wahl - mitbestimmungsrechtlicher Unternehmensbegriff))


Leitsatz

Führen mehrere - jeweils der drittelparitätischen Mitbestimmung nach § 1 Abs. 1 DrittelbG unterliegende - Unternehmen einen (oder mehrere) Gemeinschaftsbetrieb(e), haben die mit einem Unternehmen arbeitsvertraglich verbundenen Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebs (oder der gemeinsamen Betriebe) das aktive Wahlrecht bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat bei jedem Trägerunternehmen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des [X.] vom 10. März 2011 - 9 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. [X.]ie Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl eines Arbeitnehmervertreters in den Aufsichtsrat.

2

Antragsteller sind die zu 1. bis 7. beteiligten wahlberechtigten Arbeitnehmer der zu 8. beteiligten [X.], welche ca. 830 Arbeitnehmer beschäftigt. [X.]er zu 9. Beteiligte ist der bei ihr gebildete Aufsichtsrat. [X.]ie [X.] und die zu 11. beteiligte [X.], die ca. 550 Arbeitnehmer beschäftigt, gehören zum Konzern der [X.]. Sie führen gemeinsam fünf Betriebe.

3

Am 3. März 2010 fand bei der [X.] die Wahl des [X.] der Arbeitnehmer nach dem [X.]rittelbeteiligungsgesetz ([X.]) statt, an der auch die Arbeitnehmer der [X.] teilnahmen. Ausweislich des am 12. März 2010 im elektronischen [X.] veröffentlichten Wahlergebnisses wurde der Beteiligte zu 10. als Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer gewählt.

4

Mit am 19. März 2010 beim Arbeitsgericht eingegangener Antragsschrift haben die zu 1. bis 7. beteiligten Antragsteller die Nichtigkeit, hilfsweise Unwirksamkeit der Wahl geltend gemacht. Sie haben die Ansicht vertreten, die Arbeitnehmer der [X.] seien zu Unrecht an der Wahl beteiligt worden. Es seien nur die Arbeitnehmer aktiv wahlberechtigt, die in einem Arbeitsverhältnis mit der [X.] stünden.

5

[X.]ie Antragsteller haben beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die bei der Beteiligten zu 8. nach Maßgabe des [X.] durchgeführte Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nichtig ist;

        

2.    

hilfsweise, die bei der Beteiligten zu 8. nach Maßgabe des [X.] durchgeführte [X.] für unwirksam zu erklären.

6

[X.]as Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. [X.]ie Beschwerde der Antragsteller blieb vor dem [X.] ohne Erfolg. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter. [X.]ie Beteiligten zu 8., 10. und 11. beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

7

B. [X.]ie zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen erkannt, dass die Wahl des [X.] der Arbeitnehmer bei der [X.] weder nichtig noch anfechtbar ist.

8

I. [X.]er zulässige Hauptantrag ist unbegründet. [X.]ie streitbefangene Wahl ist nicht nichtig.

9

1. [X.]er Hauptantrag ist zulässig.

a) [X.]ie Feststellung der Nichtigkeit einer Wahl nach dem [X.] kann - unabhängig von den formellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 11 [X.] - von jedermann jederzeit geltend gemacht werden, sofern hieran ein rechtliches Interesse besteht (vgl. [X.] 16. April 2008 - 7 [X.] - Rn. 9, [X.]E 126, 286; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 11 [X.] Rn. 5 mwN). [X.]ies ist bei den Antragstellern, die Arbeitnehmer der [X.] sind, der Fall.

b) [X.]er Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Auch wenn das [X.]atum der Wahl im Antrag nicht wiedergegeben ist, folgt aus der Antragsbegründung das Begehren der Antragsteller, die Nichtigkeit der am 3. März 2010 bei der [X.] durchgeführten Wahl des [X.] der Arbeitnehmer festzustellen.

2. [X.]er Hauptantrag ist unbegründet. Es kann dahinstehen, ob die in einem Arbeitsverhältnis zur [X.] stehenden Arbeitnehmer berechtigt waren, an der bei der [X.] durchgeführten Wahl des [X.] der Arbeitnehmer teilzunehmen. [X.]er behauptete Verstoß gegen die Vorschriften über das aktive Wahlrecht nach dem [X.] wäre schon nicht geeignet, die Nichtigkeit der Wahl vom 3. März 2010 zu begründen.

a) [X.]ie Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer kann wegen der damit verbundenen weitreichenden Folgen nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, in denen die Voraussetzungen der Wahl nicht vorlagen oder bei der Wahl gegen fundamentale Wahlgrundsätze in so hohem Maße verstoßen wurde, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorliegt (für die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl vgl. [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 26; vgl. auch [X.]/[X.] 5. Aufl. § 11 [X.] Rn. 8 mwN), beispielsweise weil die erstmalige Wahl der Arbeitnehmervertreter ohne vorheriges Statusverfahren durchgeführt wurde (so [X.] 16. April 2008 - 7 [X.] - Rn. 11, [X.]E 126, 286 ).

b) Hiernach ist der von den Antragstellern behauptete Verstoß gegen die Vorschriften über das aktive Wahlrecht nach dem [X.] nicht geeignet, die Nichtigkeit der Wahl vom 3. März 2010 zu begründen.

aa) [X.]ie Verkennung des [X.] der wahlberechtigten Arbeitnehmer hat in der Regel nicht die Nichtigkeit der durchgeführten Wahl zur Folge (vgl. für die Betriebsratswahl [X.] 19. November 2003 - 7 [X.]). Selbst wenn die bei der [X.] beschäftigten Arbeitnehmer an der Wahl des Mitglieds der Arbeitnehmer des bei der [X.] gebildeten Aufsichtsrats nicht hätten teilnehmen dürfen (vgl. aber dazu, dass sie zur Wahl berechtigt waren, unter [X.]), wäre der Verstoß nicht so gewichtig, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorläge.

[X.]) [X.]ie Wahl ist auch nicht etwa deshalb nichtig, weil es bereits an den Voraussetzungen für die Wahl eines [X.] der Arbeitnehmer fehlte. [X.]as als Gesellschaft mit beschränkter Haftung verfasste zu 8. beteiligte Unternehmen ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 [X.] verpflichtet, einen drittelbeteiligten Aufsichtsrat zu bilden. Es beschäftigt in der Regel mehr als 500 vertraglich „eigene“ Arbeitnehmer. Es kommt nicht darauf an, ob bei der Ermittlung des Schwellenwertes nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 [X.] die in den fünf gemeinsamen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer der [X.] „mitzählen“.

II. [X.]er damit zur Entscheidung anf[X.]de Hilfsantrag der Wahlanfechtung ist zulässig, aber unbegründet.

1. [X.]ie formellen Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung liegen vor.

a) [X.]ie Wahlanfechtung ist statthaft. Nach § 11 Abs. 1 [X.] kann die Wahl eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angefochten werden, wenn die Wahl fehlerhaft war.

b) [X.]ie zu 1. bis 7. beteiligten Antragsteller sind als wahlberechtigte Arbeitnehmer der [X.] nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] zur Anfechtung der Wahl befugt.

c) [X.]ie Anfechtungsfrist des § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] von zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Wahlergebnisses im elektronischen [X.] ist eingehalten. [X.]as Wahlergebnis wurde am 12. März 2010 im elektronischen [X.] veröffentlicht. [X.]ie Wahlanfechtung ist am 19. März 2010 beim Arbeitsgericht eingegangen.

2. [X.]er Hilfsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das [X.] zutreffend erkannt hat, ist die Wahlanfechtung unbegründet.

a) Nach § 11 Abs. 1 [X.] kann die Wahl eines [X.] der Arbeitnehmer angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

b) Bei der am 3. März 2010 bei der [X.] durchgeführten Wahl des [X.] der Arbeitnehmer wurde nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen. [X.]ie in einem Arbeitsverhältnis zu der [X.] stehenden Arbeitnehmer haben zu Recht an der Wahl teilgenommen. Sie sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] wahlberechtigte Arbeitnehmer der [X.], auch wenn sie mit ihr keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben.

aa) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] sind zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer wahlberechtigt die Arbeitnehmer des Unternehmens, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Führen mehrere - jeweils der drittelparitätischen Mitbestimmung nach § 1 Abs. 1 [X.] unterliegende - Unternehmen einen (oder mehrere) [X.](e), haben die mit einem Trägerunternehmen arbeitsvertraglich verbundenen Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebs (oder der gemeinsamen Betriebe) das aktive Wahlrecht bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat bei jedem Trägerunternehmen. Sie sind iSv. § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] (auch) Arbeitnehmer des oder der anderen Unternehmen, mit dem sie keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben. [X.]as ergibt eine am Normwortlaut unter Hinzuziehung der Gesetzeshistorie, an der Systematik sowie an Sinn und Zweck der Unternehmensmitbestimmung orientierte Auslegung von § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] (eine unternehmensmitbestimmungsrechtliche „Mehrfachberücksichtigung“ der Arbeitnehmer eines [X.]s und insbesondere deren aktives Wahlrecht bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in [X.] Trägerunternehmen nehmen im Schrifttum an: [X.]äubler FS Zeuner S. 19, 31; [X.]/[X.]/[X.] Handbuch zur [X.] 5. Aufl. Rn. 31; [X.] [X.]as Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 34 Rn. 45; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Mitbestimmungsrecht 3. Aufl. § 10 [X.] Rn. 21; [X.] ZfA 1990, 115, 127; Hjort NZA 2001, 696, 701; [X.]/[X.] § 3 [X.] Rn. 3; [X.]/Veil [X.] 5. Aufl. § 3 Rn. 44; [X.] ZfA 2008, 51, 61; [X.]. [X.]ie Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz Rn. 213; Thüsing/[X.] FS Kreutz S. 867, 880; [X.] 1962, 212, 213; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 3 [X.] Rn. 42; [X.]/[X.] § 10 [X.] Rn. 24; [X.] [X.]er gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen S. 166 f.; Hohenstatt/[X.] NZA 2010, 846, 850; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern [X.]; vgl. auch [X.]/[X.] § 5 [X.] Rn. 6 und §§ 10 - 18 [X.] Rn. 3 [bei § 1 [X.] Rn. 28 aber auf die [X.] im Schrifttum verweisend]; diff. [X.] [X.]er gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen [X.]; [X.] und Unternehmensmitbestimmung S. 121; [X.] FS Semler S. 995, 1012). Eine Entscheidung darüber, ob die Arbeitnehmer des [X.]s in den Aufsichtsrat des Trägerunternehmens, mit dem sie keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben, wählbar sind, erfordert der Streitfall ebenso wenig wie eine Aussage darüber, ob diese Arbeitnehmer bei den in § 1 Abs. 1 [X.] genannten Schwellenwerten den Trägerunternehmen „wechselseitig“ zugerechnet werden (zu Letzterem - differenzierend nach dem Umfang der Arbeitsleistung - [X.] 1. [X.]ezember 1961 - 1 [X.] - [zur Berechnung der mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte des § 77 Abs. 2 [X.] 1952]; vgl. auch LG Hannover 14. Mai 2012 - 25 O 65/11 - [mit zust. [X.]. Lüers/[X.], 565]; [X.] 21. Oktober 2008 - 417 O 171/07 - [zum Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer nach dem [X.]]; vgl. ferner zur mitbestimmungsrechtlichen Berücksichtigung von Fremdpersonal Hanseatisches O[X.] 29. Oktober 2007 - 11 [X.]7/07 - [keine Berücksichtigung von gestelltem Personal bei den Schwellenwerten von § 1 [X.]]; OLG [X.]üsseldorf 12. Mai 2004 - 19 [X.]/04 - [keine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten von §§ 76, 77, 77a [X.] 1952]).

(1) Nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] sind wahlberechtigt die „Arbeitnehmer des Unternehmens“.

(a) [X.]ies legt auf den ersten Blick nahe, als wahlberechtigt nur diejenigen Arbeitnehmer anzusehen, die einen Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen geschlossen haben, bei dem ein drittelbeteiligter Aufsichtsrat zu bilden ist. [X.]ie Norm formuliert zwar nicht „Vertragsarbeitnehmer“ oder „Arbeitnehmer des [X.]“. Sie bezieht sich aber auch nicht auf den „Betrieb“ oder den „[X.]“. Nach dem fachsprachlich feststehenden Sprachgebrauch sind die Kategorien „Betrieb“ und „Unternehmen“ zu unterscheiden. Für sich genommen kann der Begriff „Unternehmen“ nicht dahin ausgelegt werden, dass mit ihm (auch) „Betrieb“ gemeint sei (vgl. hierzu [X.] 29. September 2004 - 1 [X.] [X.] 2 a aa der Gründe, [X.]E 112, 100). Aus den allgemeinen Begriffsbestimmungen im [X.]rittelbeteiligungsgesetz folgt nichts anderes. Während „Arbeitnehmer“ und „Betrieb“ nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] - unter Verweis auf das [X.] - legaldefiniert sind, kennt das [X.]rittelbeteiligungsgesetz keinen eigenständigen [X.] (zum [X.] vgl. [X.] 17. März 2010 - 7 [X.] 706/08 - Rn. 15). Bei der betrieblichen Mitbestimmung wird im Zusammenhang mit dem Begriff des Unternehmens an die in anderen Gesetzen vorgeschriebenen Rechts- und Organisationsformen angeknüpft (vgl. [X.] 13. Febr[X.]r 2007 - 1 [X.] 184/06 - Rn. 17 mwN, [X.]E 121, 168). Auch § 1 [X.] mit der Normüberschrift „Erfasste Unternehmen“ verwendet den [X.] stellvertretend für die Rechtsform des jeweiligen Unternehmensträgers (AG, GmbH usw.; vgl. zu § 1 [X.] [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] Mitbestimmungsrecht § 1 [X.] Rn. 35). [X.]er mitbestimmungsrechtliche [X.] ist damit kein anderer als der der betrieblichen Mitbestimmung.

(b) Allerdings verbietet die textliche Fassung von § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch kein Verständnis dahingehend, als Arbeitnehmer „des“ Unternehmens - auch - diejenigen anzusehen, die in einem von diesem Unternehmen geführten [X.] beschäftigt sind, ohne dass sie mit diesem Unternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. [X.]er [X.] ist ein Betrieb aller und jedes der an ihm beteiligten Unternehmen. [X.]aher ist es vom Wortsinn her nicht ausgeschlossen, alle in einem [X.] beschäftigten Arbeitnehmer als Arbeitnehmer aller und jedes der beteiligten Unternehmen anzusehen. [X.]ie Formulierung „des Unternehmens“ in § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] lässt sich auch dahin verstehen, dass damit inhaltlich eine Zugehörigkeit im weitesten Sinn ausgedrückt werden soll. Wortlaut und Wortsinn sind nicht überschritten, wenn man dem Possessivgenitiv eine „Zuordnungsbedeutung“ (allg. hierzu auch [X.]uden 8. Aufl. Bd. 4 [X.]ie Grammatik Rn. 1268) dahingehend entnimmt, die Arbeitnehmer des von einem Unternehmen geführten [X.]s diesem Unternehmen - auch ohne „arbeitsvertragliches Band“ - zuzurechnen. [X.]ies steht nicht in Wi[X.]pruch zu der Entscheidung des [X.] des [X.] vom 29. September 2004 (- 1 [X.] - [X.]E 112, 100), wonach es bei der an die Belegschaftsgröße des Unternehmens anknüpfenden Eröffnung des [X.] nach § 99 [X.] auf die Anzahl der vom betreffenden Unternehmen als [X.] beschäftigten Arbeitnehmer ankommt. [X.]ie Formulierungen in § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] („In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern“) und in § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] („die Arbeitnehmer des Unternehmens“) sind zwar ähnlich, aber nicht identisch. Vor allem aber stehen sie in einem unterschiedlichen Sinnzusammenhang.

(c) Aus der Entstehungsgeschichte des [X.] ergibt sich deutlich, dass mit der Formulierung „Arbeitnehmer des Unternehmens“ in § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] alle in [X.]en beschäftigten Arbeitnehmer - unabhängig von ihrer arbeitsvertraglichen Bindung - gemeint sind.

(aa) [X.]ie [X.]rittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat war vor Inkrafttreten des [X.] (mit Ausnahme von § 13 [X.] am 1. Juli 2004) in den §§ 76 bis 87a des [X.]es vom 11. Oktober 1952 ([X.] 1952) geregelt. [X.]ie übrigen Vorschriften des [X.] 1952 waren bereits durch die Neuregelung der Betriebsverfassung im Jahr 1972 aufgehoben worden. [X.]er verbliebene „Regelungsrest“ zur Unternehmensmitbestimmung und die darauf aufbauende Wahlordnung aus dem [X.] blieben zunächst auch noch nach dem Gesetz zur Reform des [X.]es vom 23. Juli 2001 ([X.]-ReformG) in [X.]. Mit dem [X.] in den Aufsichtsrat vom 18. Mai 2004 ([X.]I S. 974), das [X.]. eine Ablösung des [X.] 1952 durch das [X.]rittelbeteiligungsgesetz festlegt, wollte der Gesetzgeber den von ihm als „für die Praxis nur noch schwer handha[X.]ar“ angesehenen „Regelungsrest“ durch „anwenderfreundliche Regelungen“ neu fassen, „ohne den bisherigen Geltungsbereich und den Inhalt des Gesetzes zu verändern“ (vgl. BT-[X.]rucks. 15/2542 S. 1). Zu den inhaltlichen Schwerpunkten des [X.] heißt es in der Gesetzesbegründung ferner wörtlich (vgl. BT-[X.]rucks. 15/2542 S. 10):

        

„Mit dem [X.]rittelbeteiligungsgesetz ([X.]) wird das [X.] 1952 abgelöst. Es handelt sich im Wesentlichen um die redaktionelle Neufassung unübersichtlicher Regelungen und damit um Rechtsbereinigung und Vereinfachung.“

([X.]) [X.]ie vormals in § 76 Abs. 2 Satz 1 [X.] 1952 geregelte Wahlberechtigung war [X.] formuliert. [X.]ie Vorschrift lautete:

        

„[X.]ie Vertreter der Arbeitnehmer werden in allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl von [X.] nach § 7 des [X.]es wahlberechtigten Arbeitnehmern der Betriebe des Unternehmens für die [X.] gewählt, die im Gesetz oder in der Satzung für die von der Hauptversammlung zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder bestimmt ist.“

Nach der sprachlichen Fassung waren damit in gemeinsam geführten Betrieben tätige Arbeitnehmer solche aller Trägerunternehmen. Mit § 5 Abs. 2 [X.] wurde die „bisherige, sich durch eine Verweisung ergebende [X.]e Formulierung in § 76 Abs. 2 Satz 1 [X.] 1952 … durch eine unternehmensbezogene Formulierung ersetzt“ (vgl. BT-[X.]rucks. 15/2542 S. 13). [X.]em Gesetzgeber ging es offensichtlich um eine rein sprachliche Modifikation. Im Unterschied zu der Änderung des Gesetzeswortlauts in § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] durch das [X.]-ReformG (von „Betrieb“ in „Unternehmen“), mit der erklärtermaßen auch inhaltlich etwas anderes ausgedrückt ist (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des [X.]-ReformG in BT-[X.]rucks. 14/5741 S. 50; vgl. auch [X.] 29. September 2004 - 1 [X.] [X.] 2 c der Gründe, [X.]E 112, 100), kommt in den Gesetzesmaterialien zum [X.]rittelbeteiligungsgesetz an keiner Stelle ein inhaltlicher Änderungswille des Gesetzgebers zum Ausdruck. Im Gegenteil: Es wi[X.]präche dem deutlich verlautbarten Regelungsziel, mit dem [X.]rittelbeteiligungsgesetz die Bestimmungen des [X.] 1952 zur [X.]rittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat im wesentlichen Inhalt nicht verändern zu wollen, wenn man der unternehmensbezogenen Formulierung von § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] einen anderen Regelungsgehalt zur Wahlberechtigung als dem des [X.] verfassten § 76 Abs. 2 Satz 1 [X.] 1952 beimessen würde.

(2) [X.]ie Gesetzessystematik spricht gleichfalls für die Berechtigung von Arbeitnehmern eines [X.]s zu der Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat bei [X.] den gemeinsamen Betrieb führenden - und vom [X.]rittelbeteiligungsgesetz erfassten - Unternehmen. Nach § 6 Satz 1 [X.] erfolgt die Wahl aufgrund von Wahlvorschlägen [X.]. „der Betriebsräte“. „[X.]ie Betriebsräte“ sind im Übrigen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] zur Wahlanfechtung berechtigt. Nach der gesetzlichen Betriebsverfassung ist der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen die für die Bildung des Betriebsrats maßgebliche Organisationseinheit, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.]. [X.]er Betriebsrat des [X.]s repräsentiert somit die Arbeitnehmer aller Trägerunternehmen unabhängig davon, mit welchem Unternehmen diese einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Es erschiene eher unstimmig, bei dem aktiven Wahlrecht der in einem [X.] tätigen Arbeitnehmer nach dem [X.] zu differenzieren, während die Wahlvorschlags- und Wahlanfechtungsberechtigung dem Gremium ihrer Interessenvertretung unabhängig von einem [X.]bezug zukommt.

(3) Sinn und Zweck der Unternehmensmitbestimmung sprechen deutlich für ein Verständnis des § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] dahingehend, dass die Arbeitnehmer eines [X.]s ein auf die Aufsichtsräte aller Trägerunternehmen bezogenes aktives Wahlrecht haben.

(a) Sinn des Mitbestimmungsrechts im [X.]rittelbeteiligungsgesetz ist - wie zuvor in §§ 76 ff. [X.] 1952 - die Sicherung der kollektiven Interessenvertretung der Belegschaft im Aufsichtsrat. [X.]ie Mitbestimmungsrechte für Arbeitnehmer dienen dazu, die mit ihrer Unterordnung unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an unternehmerischen Entscheidungen zu mildern. Auch die [X.]rittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat dient der kollektiven Interessenvertretung der Belegschaft durch die Mitbestimmung im Hinblick auf die [X.] und personellen Auswirkungen wirtschaftlicher Unternehmerentscheidungen in einem wichtigen Organ des Unternehmensträgers (vgl. BGH 7. Febr[X.]r 2012 - II ZB 14/11 - Rn. 26 mwN; [X.] 18. Juni 1970 - 1 [X.] - zu 2 der Gründe, [X.]E 22, 390).

(b) Arbeitnehmer eines [X.]s werden nicht nur durch die Entscheidungen desjenigen Unternehmens betroffen, mit dem sie einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, sondern gleichermaßen von den unternehmerischen Entscheidungen des (oder der) weiteren am [X.] beteiligten Unternehmen. [X.]em [X.] ist typisch, dass Entscheidungen eines an ihm beteiligten Unternehmens über dessen Unternehmensgrenzen hinaus wirken. [X.]as Ziel der Repräsentation aller von den unternehmerischen Entscheidungen betroffenen Arbeitnehmer im Aufsichtsrat kann daher bei [X.]en am ehesten erreicht werden, wenn die dort beschäftigten Arbeitnehmer hinsichtlich der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei [X.] Trägerunternehmen wahlberechtigt sind (zur teleologischen Auslegung ebenso - allerdings über die Wahlberechtigung hinausgehend und im Sinn einer allgemeinen Zurechnung der Arbeitnehmer zu [X.] Trägerunternehmen - Thüsing/[X.] FS Kreutz S. 867, 870 ff.).

(4) [X.]iesem Verständnis von § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] im Sinn eines „doppelten“ oder „mehrfachen“ aktiven Wahlrechts von Arbeitnehmern bei den Wahlen ihrer Vertreter in den Aufsichtsrat oder die Aufsichtsräte des von zwei oder mehreren Unternehmen geführten Betriebs steht nicht entscheidend entgegen, dass die Belegschaften der [X.]e in dem Aufsichtsrat des jeweiligen Trägerunternehmens gegenüber den Belegschaften anderer Betriebe des Unternehmens, in denen nur Vertragsarbeitnehmer beschäftigt werden, stärker repräsentiert sind, als es allein dem Verhältnis aller Vertragsarbeitnehmer des Unternehmens entspricht. [X.]em [X.] ist eigen, dass seine Belegschaft von arbeitnehmerrelevanten Entscheidungen der Gremien zweier oder mehrerer Unternehmen betroffen ist. Im Hinblick auf diese „doppelte“ oder „mehrfache“ Betroffenheit ist eine „doppelte“ oder „mehrfache“ Partizipation an den unternehmerischen Entscheidungsebenen von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Sie dient der Wahrung des [X.] zwischen arbeitgeberseitiger Entscheidungsmacht und Arbeitnehmerbeteiligung (vgl. [X.]äubler FS Zeuner S. 19, 31; Thüsing/[X.] FS Kreutz S. 867, 875).

[X.]) Hiernach waren die Arbeitnehmer der [X.] berechtigt, an der am 3. März 2010 bei der [X.] durchgeführten Wahl des [X.] der Arbeitnehmer teilzunehmen. Sie sind Arbeitnehmer der von der [X.] und der [X.] gemeinsam geführten fünf Betriebe und damit wahlberechtigte Arbeitnehmer der [X.] iSv. § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.], auch wenn sie in einem Arbeitsverhältnis mit der [X.] stehen.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Bea    

        

    Strippelmann    

                 

Meta

7 ABR 47/11

13.03.2013

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Frankfurt, 26. August 2010, Az: 21 BV 177/10, Beschluss

§ 1 Abs 1 Nr 3 DrittelbG, § 4 Abs 1 DrittelbG, § 11 Abs 1 DrittelbG, § 5 Abs 2 S 1 DrittelbG, § 1 Abs 1 S 2 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.03.2013, Az. 7 ABR 47/11 (REWIS RS 2013, 7451)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7451

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