Bundessozialgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. B 6 KA 39/11 R

6. Senat | REWIS RS 2012, 2250

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Beteiligtenfähigkeit einer Berufsausübungsgemeinschaft bei Zulassungsfragen - Klageänderung - Beteiligtenwechsel - Drittanfechtung einer Sonderbedarfszulassung - Voraussetzung für Anfechtungsberechtigung - zweistufige Prüfung


Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des [X.] vom 1. Oktober 2010 sowie des [X.] vom 18. April 2007 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2006 rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 6. bis 10.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 5.

2

Die klagende Gemeinschaftspraxis (seit dem 1.1.2007: Berufsausübungsgemeinschaft) bestand zum Zeitpunkt der Klageerhebung aus zwei Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie sowie einer praktischen Ärztin. Sie betreibt in [X.] ein Dialysezentrum und eine Diabetologische Schwerpunktpraxis. Zum [X.] trat eine weitere Vertragsärztin, Frau Dr. R., in die Berufsausübungsgemeinschaft ein.

3

Der Beigeladene zu 5., Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie, beantragte im Mai 2003 eine Sonderbedarfszulassung in der Gemeinschaftspraxis der Beigeladenen zu 2. bis 4., wo er bereits seit 2001 im Rahmen des [X.] tätig war.

4

Nachdem die zu 1. beigeladene [X.] dem Beigeladenen zu 5. die Erteilung eines Versorgungsauftrages nach § 3 Abs 3 Buchst d der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)/Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen ([X.]) in gemeinschaftlicher Berufungsausübung mit der Gemeinschaftspraxis [X.]. [X.] zugesichert hatte, erteilte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom [X.] nach [X.] e der Bedarfsplanungs-Richtlinie ([X.]) aF dem Beigeladenen zu 5. mit Wirkung zum [X.] eine Sonderbedarfszulassung zur ausschließlichen Erbringung von Leistungen im Bereich Nephrologie am [X.] [X.], [X.] wurde zur ausschließlichen Bildung einer Gemeinschaftspraxis mit den [X.]. [X.] zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs 7 Buchst [X.] der Vereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren erteilt. Den Beigeladenen zu 2. bis 5. wurde durch weiteren Beschluss vom selben Tag die Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Form einer Gemeinschaftspraxis erteilt.

5

Gegen die Zulassung legte die Klägerin am 29.12.2005 Widerspruch ein. Es bestehe kein nephrologischer Versorgungsbedarf, der nicht schon durch die bestehenden Zulassungen gedeckt sei. Der beklagte Berufungsausschuss wies mit Beschluss vom 14.2.2006 den Widerspruch der Klägerin zurück, weil er unzulässig sei. Ein Vertragsarzt könne nicht im Wege einer [X.] die Zulassung eines anderes Vertragsarztes anfechten. Eine Anfechtungsbefugnis könne allenfalls bei Willkürentscheidungen bestehen. Bereits wegen der Bindung an die Erteilung eines Versorgungsauftrages durch die [X.] könne aber eine Willkürentscheidung des [X.] nicht vorliegen.

6

Das dagegen angerufene [X.] hat auch die Klage als unzulässig angesehen (Urteil vom 18.4.2007). Die Klägerin sei nicht berechtigt, gegen die erteilte Sonderbedarfszulassung im Wege der [X.] vorzugehen. Die Entscheidung sei auch nicht willkürlich.

7

Während des Verfahrens wurde die Gemeinschaftspraxis der Beigeladenen zu 2. bis 5. aufgelöst. Sie gründeten zusammen mit [X.]. [X.] das "Medizinische Versorgungszentrum J Straße in [X.] Gmb[X.]", das mit Beschluss vom 21.3.2007 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Zum ärztlichen Leiter wurde der Beigeladene zu 3. bestimmt. Die Beigeladenen zu 2. und 3. sowie [X.]. [X.] verzichteten auf ihre Zulassung gemäß § 103 Abs 4a Satz 1 [X.]B V, um ab dem [X.] als Angestellte des [X.] (MVZ) tätig zu werden. Der Zulassungsausschuss widerrief die den Beigeladenen zu 2. bis 5. erteilte Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Praxis zum [X.]. Mit Beschluss vom selben Tage stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die dem Beigeladenen zu 5. erteilte Sonderbedarfszulassung zum [X.] ende. Dem MVZ wurde mit weiterem Beschluss vom 21.3.2007 gemäß [X.] [X.] e [X.] aF die Genehmigung erteilt, den Beigeladenen zu 5. ganztags als angestellten Arzt zu beschäftigen. Die [X.] hatte zuvor mitgeteilt, dass sie bereit sei, die bestehenden [X.] auf das MVZ zu übertragen.

8

Das L[X.] hat mit Urteil vom 1.10.2010 die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Ihr Rechtsschutzbedürfnis sei entfallen, weil sie nach der Beendigung der Zulassung des Beigeladenen zu 5. kein rechtlich schützenswertes Interesse zur Anfechtung des Beschlusses vom [X.] mehr habe. Eine Aufhebung des Beschlusses über die Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 5. würde nichts an der Rechtsstellung des MVZ und der ihn beschäftigten angestellten Ärzte ändern. Es bedürfte daher in jedem Fall einer Anfechtung der Zulassung des MVZ und der damit verbundenen [X.]. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe nicht, weil die Klägerin das von ihr verfolgte [X.] auch dadurch verfolgen könne, dass sie die dem MVZ erteilte Genehmigung und die Übertragung der [X.] auf das MVZ mit Rechtsmitteln angreife. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage wäre derzeit auch nicht begründet. Da die Entscheidung der [X.] über die Erteilung eines [X.] bindend sei und sonstige gegen eine Rechtmäßigkeit der Sonderbedarfszulassung sprechende Gründe weder vorgetragen noch erkennbar seien, hätte die Klägerin zunächst die Rechtswidrigkeit der Versorgungszusage feststellen lassen müssen.

9

Mit Beschluss vom 8.12.2010 stellte der Zulassungsausschuss im [X.]inblick auf das Ausscheiden eines Mitglieds, der Nephrologin Frau Dr. R., das Ende der Genehmigung der gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit der klägerischen Berufsausübungsgemeinschaft zum 31.12.2010 und die Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit der verbliebenen Ärzte in Einzelpraxis fest. Die Widersprüche von [X.] und Frau [X.] gegen diese Entscheidung hat der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 22.3.2011 zurückgewiesen. [X.]iergegen ist noch das Verfahren L 3 KA 1/12 beim L[X.] anhängig. Der Zulassungsausschuss hat mit Wirkung vom 1.4.2011 eine Berufsausübungsgemeinschaft zwischen [X.] und Frau [X.] genehmigt, die in der Folgezeit um weitere Ärzte erweitert wurde.

Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Umwandlung der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 5. in eine Genehmigung zur Anstellung bewirke eine gesetzliche Klageänderung iS von § 96 Abs 1 [X.]G. Die Regelungsgehalte der Sonderbedarfszulassung und der [X.] seien inhaltlich weitgehend identisch. Materiell beträfen beide Verwaltungsakte den Beigeladenen zu 5. Würde man hier keine Klageänderung annehmen, wäre kein effektiver Rechtsschutz gewährleistet. In der Sache rügt die Klägerin, der Berufungsausschuss habe sich zu Unrecht an die Zusicherung des [X.] durch die Beigeladene zu 1. gebunden gefühlt. Er hätte selbst prüfen müssen, ob ein Sonderbedarf vorliege. Ein solcher Bedarf habe tatsächlich nicht bestanden. Entgegen der Auffassung des L[X.] habe sie ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Zum einen bestehe Wiederholungsgefahr, zum anderen werde sie einen Amtshaftungsanspruch geltend machen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 1.10.2010 und das Urteil des [X.] vom 18.4.2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14.2.2006 aufzuheben,
hilfsweise, festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 14.2.2006 rechtswidrig war.

Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. bis 5. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, er sei an den von der [X.] erteilten Versorgungsauftrag gebunden. Dieser müsse im Wege der [X.] in erster Linie angegriffen werden.

Die Beigeladenen zu 2. bis 5. weisen darauf hin, dass das [X.] für das Saarland die Klage gegen die von der [X.] dem MVZ für [X.] [X.] erteilten [X.] zurückgewiesen hat. Gegen das Urteil ist Berufung eingelegt worden (L 3 KA 8/11).

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat insoweit Erfolg, als die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides festzustellen war. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Klägerin zur (Dritt-)Anfechtung der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 5. berechtigt. Der angefochtene Bescheid des Beklagten war damit rechtswidrig. Die weitergehende Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig.

Entgegen der Auffassung des [X.] ist ihre Beteiligtenfähigkeit iS des § 70 [X.] [X.] nicht weggefallen. Dabei kann hier offen bleiben, ob im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens eine aufgelöste Gemeinschaftspraxis weiterhin Beteiligte sein kann. Der Senat hat in der Vergangenheit für nachgehende Rechte und Pflichten einer Gemeinschaftspraxis regelmäßig in Anwendung von § 730 Abs 2 Satz 1 BGB deren Beteiligtenfähigkeit auch noch nach ihrer Auflösung angenommen (vgl [X.]-2500 § 85 [X.] Rd[X.]3; [X.], 35 = [X.]-2500 § 115b [X.], Rd[X.]3; [X.], 89 = [X.]-2500 § 85 [X.]1, Rd[X.]1). Allerdings betraf diese Rechtsprechung ausschließlich Fälle, in denen Geldforderungen umstritten waren. Da ein Zulassungsverfahren und damit auch ein Konkurrentenstreitverfahren stets zukunftsorientiert ist, mag eine Übertragung dieser Rechtsprechung des Senats auf eine solche Konstellation zweifelhaft oder jedenfalls besonders begründungsbedürftig sein. Hier hat die klägerische Berufsausübungsgemeinschaft aber ununterbrochen fortbestanden, sodass ihre Beteiligtenfähigkeit nicht in Frage steht.

Zwar hat der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 8.12.2010 die Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit "beendet", weil ein Mitglied die zuvor von vier Personen betriebene Praxis verlassen hatte. Unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen eines solchen Personenwechsels, enthält der Beschluss des [X.] eine vertragsarztrechtliche Statusentscheidung. Die Entscheidung über das Bestehen einer Berufsausübungsgemeinschaft betrifft den Status, in dem die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu den Versicherten und den vertragsarztrechtlichen [X.] ausgeübt wird (vgl [X.], 43 = [X.]-2500 § 103 [X.] Rd[X.]7; [X.], 222 = [X.]-5520 § 32 [X.], Rd[X.]6 für den Ausnahmefall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Rechtsverhältnis von [X.] und Mitglied). Gegen diese Entscheidung haben aber Dr. D. und [X.] Widerspruch eingelegt, der gemäß § 96 Abs 4 Satz 2 SGB V und § 86a Abs 1 [X.] aufschiebende Wirkung hatte. Diese Widersprüche hat der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 22.3.2011 zurückgewiesen, der noch gerichtlich angefochten ist. Bereits wegen der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel ist von einem Fortbestehen einer Berufsausübungsgemeinschaft zwischen den verbliebenen Mitgliedern der Gemeinschaft auszugehen.

Ungeachtet dessen ist auch noch vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist für diesen Beschluss vom Zulassungsausschuss erneut eine Berufsausübungsgemeinschaft zwischen Dr. D. und [X.] genehmigt worden. Damit wurde zwar formal die zuvor bestehende Berufsausübungsgemeinschaft nicht fortgeführt. Die neue Berufsausübungsgemeinschaft bestand aber aus zwei der verbliebenen Mitglieder der früheren Berufsausübungsgemeinschaft und übte ihre Tätigkeit fortlaufend in den ursprünglichen Praxisräumen aus. Sie hat damit nahtlos die Tätigkeit der zuvor bestehenden Gemeinschaftspraxis fortgesetzt. Ein [X.], der als Klageänderung iS des § 99 Abs 1 [X.] zu werten wäre, ist damit nicht eingetreten. Eine derartige Konstellation, in der tatsächlich eine personelle Kontinuität gewährleistet ist, steht vielmehr der Situation gleich, in der lediglich ein Mitgliederwechsel innerhalb der bestehenden Berufsausübungsgemeinschaft stattfindet. Auch das Ausscheiden eines Mitglieds aus einer mehr als zweigliedrigen Berufsausübungsgemeinschaft ändert nichts an deren Fortbestand, sondern führt lediglich zur Anpassung des Rubrums (vgl [X.]-1500 § 141 [X.] Rd[X.]7; vgl auch zum Fortbestand der [X.], 344 Rd[X.]3; [X.], 1449 Rd[X.]6 ff), wie sie hier auch schon vorgenommen worden ist. In die Berufsausübungsgemeinschaft sind mittlerweile Prof. Dr. M. und - im [X.] an [X.] eingetreten, die ebenfalls in das Rubrum aufgenommen worden sind. Soweit das [X.] mit dem Verhältnis der personellen Besetzung zum Umfang des etwaigen Konkurrentenschutzes argumentiert, betrifft dies nicht den Bestand einer Berufsausübungsgemeinschaft, sondern eine materielle Frage des Drittschutzes. Ob ungeachtet des Fortbestandes der Berufsausübungsgemeinschaft das [X.] entfallen wäre, wenn der Berufsausübungsgemeinschaft kein Arzt mehr mit der Berechtigung zur Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten angehört hätte, kann hier offen bleiben.

2. Im Hinblick auf die durch die Beendigung der Sonderbedarfszulassung eingetretene Erledigung ist die Revision zurückzuweisen, soweit die Aufhebung des Bescheides des Beklagten beantragt worden ist. Die Revision ist jedoch begründet, soweit die Klägerin hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides beantragt hat.

a) Richtige Klageart ist die Fortsetzungsfeststellungsklage. Das Anfechtungsbegehren der Klägerin hat sich iS des § 131 Abs 1 Satz 3 [X.] erledigt durch den Beschluss des [X.], mit dem die Beendigung der von ihr angefochtenen Sonderbedarfszulassung zum [X.] festgestellt wurde.

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat dies nicht zu einer Klageänderung kraft Gesetzes im Rahmen der Anfechtungsklage nach § 96 Abs 1 [X.] geführt. Die dem MVZ erteilte Genehmigung der Beschäftigung des Beigeladenen zu 5. hat die Sonderbedarfszulassung nicht im Sinne dieser Vorschrift ersetzt. Hierfür reicht der von der Klägerin dargelegte Sachzusammenhang nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Regelungsgegenstand des neuen Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist (vgl [X.]-1500 § 86 [X.] Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 96 Rd[X.]a). Daran fehlt es hier. Berechtigter und als solcher Adressat der Anstellungsgenehmigung nach § 95 Abs 2 Satz 7 SGB V ist das MVZ und nicht der Beigeladene zu 5. Während die Sonderbedarfszulassung die eigenständige Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermöglicht, berechtigt die Anstellungsgenehmigung das MVZ, das als solches über eine Zulassung verfügt, zur Anstellung eines Arztes in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Zwar wird der Arzt, sofern er mindestens halbtags beschäftigt wird, gemäß § 95 Abs 3 Satz 2 iVm § 77 Abs 3 Satz 2 SGB V Mitglied der [X.] und unterliegt damit ihrer Disziplinargewalt. Das vermittelt indes keinen einer Zulassung vollständig gleichstehenden Status innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung. Der Status des angestellten Arztes im MVZ ist vielmehr stets abgeleitet von dem MVZ, bei dem dieser Arzt angestellt ist. Die Umwandlung einer genehmigten Anstellung in eine Zulassung ist dementsprechend nach § 95 Abs 2 Satz 8 iVm Abs 9b SGB V von einem Antrag des MVZ abhängig. Auch der Umstand, dass die Anstellung des Beigeladenen zu 5. gemäß [X.]8b (seit dem [X.]) [X.] zur Deckung eines Sonderbedarfs erfolgte, führt nicht dazu, dass die Genehmigung der Anstellung iS des § 96 Abs 1 [X.] an die Stelle der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 5. tritt. Der insofern bestehende enge Sachzusammenhang begründet nicht die erforderliche Identität des Streitgegenstandes. Der Rechtsschutz der Klägerin wird dadurch nicht verkürzt, weil sie die Möglichkeit hat, die Genehmigung der Anstellung gesondert anzufechten. Auch die nach Maßgabe der Vorschriften über einen Sonderbedarf erfolgte Anstellungsgenehmigung für ein MVZ kann der bereits zugelassene Arzt nach den vom Senat für zum Konkurrenzschutz entwickelten Grundsätzen anfechten.

bb) Die Klägerin ist aber nicht gehindert, von der Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage überzugehen. Das [X.] hat zu Unrecht das erforderliche Feststellungsinteresse iS des § 131 Abs 1 Satz 3 [X.] verneint. Es kann offen bleiben, ob nach den Entscheidungen des Senats zur Anfechtung von [X.] vom [X.] (- [X.] [X.]/08 R - [X.]-2500 § 101 [X.] und - [X.] [X.] 25/08 R - [X.], 269 = [X.]-1500 § 54 [X.]6) noch generell eine Wiederholungsgefahr angenommen werden kann. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität gegeben, weil ein Schadensersatzprozess mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl [X.]-2500 § 103 [X.] 6 Rd[X.]4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 131 Rd[X.]0e). Zwar hat die Klägerin nur gegenüber der [X.] bislang schriftlich Amtshaftungsansprüche geltend gemacht. Auch gegenüber dem Beklagten hat sie aber wiederholt im Verfahren mit hinreichender Deutlichkeit Amtshaftungsansprüche angemeldet.

b) Der Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Beschluss des [X.] möglicherweise nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs 1 [X.] angefochten hat. Diese Frist greift nur ein, wenn die Entscheidung des [X.] auch dem Konkurrenten bekannt gegeben worden ist. Ist eine solche Bekanntgabe nicht erfolgt, läuft zu Lasten des Konkurrenten grundsätzlich eine Jahresfrist (zu den näheren Einzelheiten vgl Urteile des Senats vom heutigen Tag in den Verfahren [X.] [X.] 40/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, und [X.] [X.]/11 R), die die Klägerin hier gewahrt hat.

c) Die Klägerin ist grundsätzlich zur (Dritt-)Anfechtung der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 5. berechtigt. Die dafür vom [X.] formulierten Voraussetzungen sind erfüllt. Die Prüfung der Begründetheit von Drittanfechtungen vertragsärztlicher Konkurrenten erfolgt nach der Rechtsprechung des Senats zweistufig (s zB [X.], 145 = [X.]-2500 § 116 [X.], Rd[X.]2 ff und 26 ff; [X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]7 ff). Zunächst ist zu klären, ob der Vertragsarzt bzw die Berufsausübungsgemeinschaft berechtigt ist, die dem konkurrierenden Arzt erteilte Begünstigung (zB Zulassung, Ermächtigung) anzufechten. Ist das zu bejahen, so muss geprüft werden, ob die den [X.] begünstigende Entscheidung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig war.

Unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen anzufechten (sog defensive Konkurrentenklage), hat das [X.] in seinem Urteil vom 7.2.2007 - im [X.] an die Entscheidung des [X.] vom 17.8.2004 ([X.] [X.]-1500 § 54 [X.]) - im Einzelnen dargestellt ([X.], 98 = [X.]-1500 § 54 [X.]0). Danach müssen (1) der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten, weiterhin (2) dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt werden, und ferner (3) der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des [X.] nachrangig sein. Letzteres ist der Fall, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines [X.] abhängt, der von den bereits zugelassenen Leistungserbringern nicht abgedeckt wird ([X.], 98 = [X.]-1500 § 54 [X.]0, Rd[X.]9 ff; in der Folgezeit weiterführend zB [X.], 145 = [X.]-2500 § 116 [X.], Rd[X.]7 f, 20, 22 bis 24; [X.], 269 = [X.]-1500 § 54 [X.]6, Rd[X.]9 ff; [X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]7 ff; [X.]-2500 § 101 [X.]1 Rd[X.]9; zuletzt [X.]-1500 § 54 [X.]6 Rd[X.]8).

Das [X.] hat in einem Beschluss vom [X.] an diese Rechtsprechung angeknüpft ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 3405/08 - [X.] 2009, 376 = NVwZ 2009, 977) und ausgeführt, dass eine unter dem Aspekt der Berufsfreiheit nach Rechtsschutz verlangende Verwerfung der [X.] dann in Frage steht, wenn den bereits zum Markt zugelassenen Leistungserbringern ein gesetzlicher Vorrang gegenüber auf den Markt drängenden Konkurrenten eingeräumt ist ([X.] aaO unter [X.] unter Bezugnahme auf seinen früheren Beschluss vom 17.8.2004).

Die Sonderbedarfszulassung, die der zu 5. beigeladene Arzt erhalten hat, ist gegenüber dem [X.] der Klägerin nachrangig. Mit der Sonderbedarfszulassung wird dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet und nicht nur ein zusätzlicher Leistungsbereich genehmigt. [X.] dürfen nur erteilt werden, wenn der Versorgungsbedarf nicht durch die bereits zugelassenen Ärzte gedeckt wird. Dies ergibt deren Vorrang vor den eine Zulassung erst anstrebenden Ärzten ([X.], 269 = [X.]-1500 § 54 [X.]6, Rd[X.]2); dieser Vorrang gilt auch für diejenigen bereits zugelassenen Ärzte, die selbst nur aufgrund Sonderbedarfs zugelassen wurden ([X.] aaO Rd[X.]3 f). Wie der Senat am 17.8.2011 ([X.] [X.] 26/10 R - [X.]-2500 § 101 [X.]1 Rd[X.]2) entschieden hat, gilt für die Dialyseversorgung insoweit nichts anderes. Deshalb besteht ein grundsätzlicher Vorrang der Klägerin gegenüber der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 5.

Auch die weitere Voraussetzung für die Anfechtungsberechtigung, dass der [X.] und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen erbringen, ist erfüllt. Dafür muss ein faktisches Konkurrenzverhältnis vorliegen, durch das plausibel wird, dass der bereits zugelassene Arzt bzw die Berufsausübungsgemeinschaft eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner/ihrer Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat ([X.], 145 = [X.]-2500 § 116 [X.], Rd[X.]2 bis 24; [X.], 269 = [X.]-1500 § 54 [X.]6, Rd[X.]5; [X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]1). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob sich faktisch der [X.] des [X.] mit dem [X.] desjenigen, dem die Sonderbedarfszulassung erteilt worden ist, in relevantem Maße überschneidet ([X.], 145 = [X.]-2500 § 116 [X.], Rd[X.]4: mehr als 5 %; ebenso [X.], 269 = [X.]-1500 § 54 [X.]6, Rd[X.]5 f). Das Bestehen eines faktischen [X.]s ist im Verhältnis von zwei deutlich weniger als 10 km voneinander entfernt liegenden Dialysepraxen plausibel. Bei solcher Nähe und so engem Leistungszuschnitt bedarf es weder näherer Darlegungen des [X.] noch näherer Ermittlungen durch die Zulassungsgremien oder die Gerichte, sondern ist ohne Weiteres ein real bestehendes Konkurrenzverhältnis anzunehmen (hierzu und zur Darlegungslast vgl [X.], 269 = [X.]-1500 § 54 [X.]6, Rd[X.]6 f, 30; [X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]2 f; zuletzt [X.]-2500 § 101 [X.]1 Rd[X.]5).

Hat demnach der Beklagte zu Unrecht die Anfechtungsberechtigung der Klägerin verneint, war sein Bescheid rechtswidrig. Ob infolgedessen auch die Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 5. hätte aufgehoben werden müssen, ist vom Senat nicht mehr zu entscheiden (vgl [X.]-1500 § 54 [X.]6 Rd[X.]2-33). Das [X.] hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es insofern maßgeblich auf die Rechtmäßigkeit der Erteilung des [X.] ankommen dürfte (vgl dazu Urteil des Senats vom heutigen Tag - [X.] [X.] 41/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung ist dem Klagebegehren im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungklage in vollem Umfang entsprochen.

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.] iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 1, § 162 Abs 3 VwGO. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten [X.] ist nur hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. bis 5. veranlasst; nur diese haben im Revisionsverfahren Anträge gestellt (vgl [X.]E 96, 257 = [X.]-1300 § 63 [X.], Rd[X.]6).

Meta

B 6 KA 39/11 R

17.10.2012

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 18. April 2007, Az: S 2 KA 84/06, Urteil

§ 70 Nr 1 SGG, § 84 Abs 1 SGG, § 96 Abs 1 SGG, § 99 Abs 1 SGG, § 131 Abs 1 S 3 SGG, § 730 Abs 2 S 1 BGB, § 95 Abs 2 SGB 5, § 95 Abs 3 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. B 6 KA 39/11 R (REWIS RS 2012, 2250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2250

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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