Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.06.2013, Az. 5 AZR 428/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 4750

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Gegenstand

Arbeitszeitkonto - Kürzung von Zeitguthaben - unzulässige Klageänderung in der Revisionsinstanz


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 12. Januar 2012 - 5 Sa 269/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Verfall von [X.] auf einem Arbeitszeitkonto.

2

Der 1947 geborene Kläger war seit November 1980 bei der [X.] in deren [X.] am Dienstort K beschäftigt, zuletzt seit 1. August 2008 als Bürosachbearbeiter. Das Arbeitsverhältnis endete wegen Erreichens des Rentenalters im Januar 2012.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand [X.] der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 ([X.]) Anwendung. Dieser enthält zur Arbeitszeit ua. folgende Regelungen:

        

„§ 6   

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

                 

a)    

die Beschäftigten des [X.] durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,

                 

…       

        
                 

Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.

        

(2)     

Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein [X.]raum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. (…)

        

…       

        
        

(6)     

Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein wöchentlicher [X.] von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden. Die innerhalb eines [X.]s geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten [X.]raums ausgeglichen.

        

(7)     

Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann in der [X.] von 6 bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt werden. Die innerhalb der täglichen Rahmenzeit geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten [X.]raums ausgeglichen.

        

(8)     

Die Absätze 6 und 7 gelten nur alternativ und nicht bei Wechselschicht- und Schichtarbeit.

        

…       

        
        

Protokollerklärung zu § 6:

        

Gleitzeitregelungen sind unter Wahrung der jeweils geltenden Mitbestimmungsrechte unabhängig von den Vorgaben zu [X.] und Rahmenzeit (Absätze 6 und 7) möglich. (…)

        

…       

        

§ 10   

        

Arbeitszeitkonto

        

(1)     

Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein Arbeitszeitkonto eingerichtet werden. (…)

        

…       

        
        

(3)     

Auf das Arbeitszeitkonto können [X.]en, die bei Anwendung des nach § 6 Abs. 2 festgelegten [X.]raums als [X.]guthaben oder als [X.]schuld bestehen bleiben, nicht durch Freizeit ausgeglichene [X.]en nach § 8 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 sowie in [X.] umgewandelte Zuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 4 gebucht werden. Weitere Kontingente (z.B. Rufbereitschafts-/Bereitschaftsdienstentgelte) können durch Betriebs-/Dienstvereinbarung zur Buchung freigegeben werden. Die/Der Beschäftigte entscheidet für einen in der Betriebs-/Dienstvereinbarung festgelegten [X.]raum, welche der in Satz 1 genannten [X.]en auf das Arbeitszeitkonto gebucht werden.

        

(4)     

Im Falle einer unverzüglich angezeigten und durch ärztliches Attest nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit während eines [X.]ausgleichs vom Arbeitszeitkonto ([X.]en nach Absatz 3 Satz 1 und 2) tritt eine Minderung des [X.]guthabens nicht ein.

        

(5)     

In der Betriebs-/Dienstvereinbarung sind insbesondere folgende Regelungen zu treffen:

                 

a)    

Die höchstmögliche [X.]schuld (bis zu 40 Stunden) und das höchstzulässige [X.]guthaben (bis zu einem Vielfachen von 40 Stunden), die innerhalb eines bestimmten [X.]raums anfallen dürfen;

                 

b)    

nach dem Umfang des beantragten [X.] gestaffelte Fristen für das Abbuchen von [X.]guthaben oder für den Abbau von [X.]schulden durch die/den Beschäftigten;

                 

c)    

die Berechtigung, das Abbuchen von [X.]guthaben zu bestimmten [X.]en (z. B. an so genannten Brückentagen) vorzusehen;

                 

d)    

die Folgen, wenn der Arbeitgeber einen bereits genehmigten Freizeitausgleich kurzfristig widerruft.“

4

In der Dienststelle des [X.] galt im Streitzeitraum die „Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung in der [X.]“ vom 12. Juni 2008 (fortan: [X.]), in der es auszugsweise heißt:

        

„…    

        

§ 2 Regelmäßige wöchentliche/tägliche Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit richtet sich nach den tariflichen bzw. gesetzlichen Vorschriften.

        

(2)     

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit entspricht bei Vollbeschäftigten 1/5 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Bei Teilzeitbeschäftigten gilt die individuell festgelegte Arbeitszeit.

        

§ 3 Rahmenarbeitszeiten

        

(1)     

Für die regelmäßigen täglichen Arbeitszeiten wird die Rahmenarbeitszeit wie folgt festgesetzt:

                 

montags bis freitags von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr und

                 

samstags von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr.

        

(2)     

Für Betreuungs- und Repräsentationstätigkeiten gelten zusätzlich folgende Arbeitszeiten:

                 

montags bis freitags von 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr und

                 

samstags von 13:00 Uhr bis 24:00 Uhr.

        

…       

        

§ 5 Dienst an Samstagen

        

(1)     

Durch die Möglichkeit, Dienst an Samstagen zu leisten, wird keine [X.] eingeführt.

        

(2)     

Dienst an Samstagen kann wie folgt geleistet werden:

                 

1.    

die Beschäftigten entscheiden dies freiwillig und aus eigenem Ermessen mit der Zustimmung des direkten Vorgesetzten. Die Zustimmung kann nur aus dienstlichen Gründen versagt werden.

                 

2.    

aufgrund einer Anordnung von Mehrarbeit oder Überstunden.

        

§ 6 Höchstgrenzen der täglichen Arbeitsstunden

        

(1)     

Die tägliche Arbeitszeit ohne Pausen darf 12 Stunden und 15 Minuten nicht überschreiten. Darüber hinaus geleistete Arbeitsstunden werden nicht als Arbeitszeit gutgeschrieben. § 2 ist zu beachten.

        

(2)     

Soweit besondere Vorschriften (Mutterschutzgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz u. ä.) eine niedrigere Stundenzahl festsetzen, darf diese nicht überschritten werden.

        

(3)     

Die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit darf bei Einsätzen, Übungen, Bereitstellungen und Großveranstaltungen ausnahmsweise überschritten werden. Der nächste Dienst darf erst nach 11 Stunden Ruhe angeordnet werden.

        

§ 7 [X.]

        

(1)     

Die Beschäftigten können ein [X.] aufbauen. Stunden können wie folgt angesammelt werden:

                 

a)    

bei Beschäftigung bis 100 % der Arbeitszeit Höchstgrenze 80 Stunden

                 

b)    

bei Beschäftigung bis 75 % der Arbeitszeit Höchstgrenze 60 Stunden

                 

c)    

bei Beschäftigung bis 50 % der Arbeitszeit Höchstgrenze 40 Stunden

                 

d)    

bei Beschäftigung bis 25 % der Arbeitszeit Höchstgrenze 20 Stunden.

        

(2)     

Das Arbeitszeitguthaben, welches die Höchstgrenzen nach Abs. 1 überschreitet, verfällt ohne jeglichen Ausgleich zum Monatsabschluss.

                 

Die nach § 3 Abs. 2 geleisteten Stunden unterliegen bis zu einer Höchstgrenze von 20 Stunden monatlich nicht dieser Kappung.

        

(3)     

Es dürfen höchstens 50 % der in Absatz 1 festgesetzten Höchstgrenzen in den nächsten Abrechnungszeitraum übertragen werden. Der Abrechnungszeitraum beginnt am 01. April eines Jahres und endet am 31. März des jeweiligen Folgejahres.

        

(4)     

[X.] können mit Genehmigung des direkten Vorgesetzten grundsätzlich jederzeit - sowohl zusammenhängend als auch vor oder nach einem Urlaub - durch die Inanspruchnahme von [X.] abgebaut werden. Die Höchstgrenze der [X.]e innerhalb eines Kalenderjahres beträgt maximal 24 Tage.

                 

Der stundenweise Abbau ist ebenso möglich.

        

(5)     

Die Gutschrift eines [X.]es, der wegen plötzlicher Erkrankung wider Erwarten nicht angetreten werden kann, erfolgt nur bei Vorlage eines ärztlichen Attestes.

        

…       

        
        

(8)     

Bei Beschäftigten, deren [X.] bei Beendigung des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses einen [X.] aufweist, wird die Besoldung/das Entgelt für diese Fehlzeiten zurückgefordert.

        

(9)     

Die Beschäftigten haben vor Beginn von planbaren längeren Abwesenheiten (z. B. Abordnungen zu einer anderen Behörde, Mutterschutz, Elternzeit, sonstige Beurlaubungen) Minusstunden rechtzeitig auszugleichen. Ein ausgewiesener [X.] wird über das Entgelt/die Besoldung zurückgefordert.

        

…       

        

§ 13 Überstunden

        

(1)     

Samstage, [X.] und [X.] sind grundsätzlich dienstfrei. Soweit dienstliche Gründe es erfordern, können an Samstagen, [X.], [X.], Sonntagen, gesetzlich anerkannten Feiertagen sowie außerhalb der [X.]. § 3 Überstunden durch den Dienststellenleiter angeordnet werden. An allen anderen Tagen sind die bestehenden Flexibilisierungsmöglichkeiten zu nutzen.

        

(2)     

Nach Abs. 1 angeordnete Überstunden sind grundsätzlich im Rahmen der Dienstvereinbarung durch Freizeit auszugleichen. Der Abbau von angeordneten Überstunden zählt nicht als [X.].

        

…“    

        

5

Mit E-Mail vom 10. Februar 2010 wurden die Beschäftigten darüber informiert, dass „im Einvernehmen mit dem [X.] und der Gleichstellungsbeauftragten“ der Abrechnungszeitraum des § 7 Abs. 3 [X.] bis einschließlich 30. September 2010 verlängert wurde. Auf eine entsprechende Absicht hatte die Beklagte bereits mit E-Mail vom 22. Januar 2010 hingewiesen, und dabei gebeten, „das [X.] unter Anwendung von [X.]ausgleich (statt Urlaubsabgeltung) entsprechend rechtzeitig herunter zu fahren und das [X.] unter Anwendung der Flexibilisierungsinstrumente gar nicht erst außerordentlich anwachsen zu lassen“. [X.] Überstunden sollten auf dem Überstundenkonto „gesichert“ werden.

6

Das [X.] des [X.] wies Ende Mai 2010 ein Guthaben von 80 Stunden auf. Zu diesem [X.]punkt erkrankte der Kläger und war über den Abrechnungszeitraum hinaus arbeitsunfähig. Mit Ablauf des 30. September 2010 kürzte die Beklagte unter Berufung auf § 7 Abs. 3 [X.] auf dem Arbeitszeitkonto des [X.] das [X.] von 80 auf 40 Stunden.

7

Mit der am 22. März 2011 eingereichten Klage hat der Kläger die Gutschrift von 40 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto begehrt und geltend gemacht, die Beklagte habe das Guthaben zu Unrecht gekürzt, weil er krankheitsbedingt bis zum Stichtag keinen Freizeitausgleich habe nehmen können. Ihm dürfe nicht die Gegenleistung für erbrachte Arbeit entzogen werden. Es wäre auch widersprüchlich, wenn bei Erkrankung während des [X.] die [X.] gemäß § 7 Abs. 5 [X.] gutgeschrieben würden, bei lang andauernder Erkrankung der Freizeitausgleich aber verfallen solle. Letzterem stünde auch die neuere Rechtsprechung des [X.]arbeitsgerichts zum [X.] bei lang andauernder Erkrankung entgegen.

8

Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 40 Stunden gutzuschreiben.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, § 7 Abs. 3 [X.] sehe die Kappung eines - bei [X.] - über 40 Stunden hinausgehenden [X.]s am Ende eines Abrechnungszeitraums vor. Die Dienstvereinbarung sei rechtlich nicht zu beanstanden. § 10 [X.] eröffne den [X.] einen weiten Regelungsspielraum. Auch tariflich bewirke nur die Arbeitsunfähigkeit, die „während eines [X.]ausgleichs“ eintrete, keine Minderung des [X.]guthabens. Wenn die Beschäftigten selbst entscheiden können, ob und wie lange sie arbeiten, sei es nicht unbillig, ihnen auch die Verantwortung dafür zu übertragen, Guthaben durch [X.]e rechtzeitig abzubauen. Dabei fielen Schicksalsschläge wie eine lang andauernde Erkrankung in den Risikobereich der Beschäftigten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat am 12. Januar 2012 die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger die Klage geändert und beantragt, nunmehr unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 650,40 Euro brutto zu zahlen.

Aufgrund seines Ausscheidens im Januar 2012 habe er nunmehr Anspruch auf Abgeltung der dem Arbeitszeitkonto gutzuschreibenden 40 Stunden. Sein Bruttostundenentgelt habe sich zuletzt bei Vergütung nach [X.] 8 Stufe 6 [X.] auf 16,26 Euro belaufen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist zulässig. Der Kläger ist durch das angefochtene Urteil auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschwert.

Der Sinn eines Rechtsmittelverfahrens, dem Revisionskläger Gelegenheit zu geben, eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen, gebietet es, dass der Rechtsmittelkläger durch die angefochtene Entscheidung nicht nur bei der Einlegung, sondern noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel beschwert sein muss ([X.] 21. März 2012 - 5 [X.] - Rn. 11 mwN). Das ist vorliegend der Fall. Der Kläger verfolgt zwar in der Revision den in den Vorinstanzen gestellten Sachantrag auf Gutschrift gestrichener Stunden auf dem [X.] nicht mehr weiter. Gleichwohl bleibt er durch das Berufungsurteil beschwert. Dieses steht dem nunmehrigen Klageziel - „Abgeltung“ der von dem [X.] gestrichenen Stunden - entgegen. Dass der Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt hätte erklären können, ist für die Fortdauer der Beschwer ohne Belang.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Der erstmals in der Revisionsinstanz gestellte [X.] ist unzulässig. Insoweit liegt eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung vor.

a) Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen [X.] wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag (Klageantrag) und dem ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Streitgegenstand erfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der [X.]en ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten [X.] gehören, den der Kläger zur Stützung seines [X.] dem Gericht unterbreitet hat. Der Streitgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO, wenn der gestellte Antrag oder der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist ([X.] 13. Dezember 2011 - 1 [X.] - Rn. 21 mwN).

Der Kläger hat in der Revisionsbegründung einen anderen Klageantrag gestellt als in den Tatsacheninstanzen. Zudem liegt dem neuen Klageantrag nicht nur der bisherige, sondern ein erweiterter und damit anderer Lebenssachverhalt zugrunde.

b) Die Klageänderung ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig. Danach ist in der Revisionsinstanz eine Klageänderung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der [X.]en die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das [X.] insbesondere aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO zugelassen, sowie dann, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den [X.]en übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen [X.] durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden ([X.] 13. Dezember 2011 - 1 [X.] - Rn. 23; 5. Dezember 2012 - 7 [X.] - Rn. 60, jeweils mwN).

Im Streitfall ist eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 559 Abs. 1 ZPO nicht geboten. Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Der Kläger hat nicht lediglich ohne Änderung des [X.] den Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt, sondern einen völlig neuen Antrag gestellt. Der bisherige und der neue Klageantrag unterliegen unterschiedlichen „Prüfprogrammen“. Während bei dem Antrag auf Gutschrift von Stunden auf dem [X.] (nur) zu prüfen ist, ob die Beklagte nach § 7 Abs. 3 DV am 30. September 2010 das Guthaben auf dem [X.] auf 40 Stunden reduzieren durfte oder sogar musste (§ 74 Abs. 1 BPersVG), erfordert der neue Klageantrag ein anderes, erweitertes Prüfprogramm. Nunmehr geht es darum, ob sich aus der Dienstvereinbarung, sonstigen Normen oder Rechtsgrundsätzen - gesetzt den Fall, die Beklagte hätte am 30. September 2010 40 Stunden zu Unrecht von dem [X.] des [X.] gestrichen - der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt.

Der Antrag kann sich nicht allein auf die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen stützen. Schon der Vortrag des [X.] zu seinem Verdienst ist neu. Zudem normiert die einschlägige Dienstvereinbarung für Gutstunden ausdrücklich keine Zahlungsansprüche. Sollte dem Kläger ein Schadensersatzanspruch vorschweben, wäre dafür neuer Tatsachenvortrag zum Vorliegen eines Schadens bei Nichtgewährung von Freizeitausgleich, dessen Höhe und ggf. zum Verschulden der Beklagten erforderlich. Soweit sich der Kläger auf „neue Rechtsprechung zum Urlaubsrecht“ beruft, ergibt sich aus dem vom [X.] festgestellten Sachverhalt nicht, wie lange die Arbeitsunfähigkeit des [X.] angedauert hat (vgl. zum Zeitraum von 15 Monaten im Urlaubsrecht [X.] 7. August 2012 - 9 [X.] - Rn. 32 ff.).

2. Der in den Vorinstanzen gestellte, nicht wirksam (§ 269 Abs. 1 ZPO) zurückgenommene Antrag, dem [X.] 40 Stunden „gutzuschreiben“, ist zulässig (vgl. [X.] 21. März 2012 - 5 [X.] - Rn. 17), weil der Antrag bei interessengerechter Auslegung auf die Korrektur einer von der Beklagten vorgenommenen Buchung gerichtet ist, aber jedenfalls durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unbegründet geworden ist. Auf die zwischen den [X.]en streitige Frage, ob die Beklagte am 30. September 2010 das [X.] zu Recht gekürzt hat und § 7 Abs. 3 DV wirksam ist, kommt es nicht mehr an.

a) Die Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zum Zeitpunkt der Rechtskraft einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung nicht erfasste oder zu Unrecht gekürzte Arbeitsstunden noch gutgeschrieben werden können. Dies ist nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der regelmäßig damit einhergehenden Schließung eines [X.] nicht mehr der Fall. Damit ist seit dem Ausscheiden des [X.] die ursprüngliche Klage auf eine unmögliche Leistung gerichtet.

b) Etwas anderes folgt nicht aus der Funktion eines [X.]. Dieses hält zunächst fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines [X.] nicht erbringen musste ([X.] 21. März 2012 - 5 [X.] - Rn. 20). Die Dokumentationsfunktion gebietet es - jedenfalls bei einem [X.] - nicht, einen Anspruch auf Korrektur des [X.] auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bejahen. Das [X.] dokumentiert, sofern es im Plus ist, in welchem Umfang der Arbeitnehmer zukünftig noch Freizeitausgleich nehmen kann. Ein solcher ist aber nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht mehr möglich, die Dokumentationsfunktion geht ins Leere. Soweit der Arbeitnehmer für auf dem Arbeitszeitkonto nicht (mehr) dokumentierte Stunden wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses „Abgeltung“ beansprucht, kann er einen entsprechenden Zahlungsanspruch unmittelbar verfolgen. Er braucht hierfür den „Umweg“ über eine Korrektur des [X.] nicht.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl   

      

        

        

    Pollert    

        

    Mattausch    

                 

Meta

5 AZR 428/12

26.06.2013

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kiel, 9. Juni 2011, Az: 5 Ca 546 c/11, Urteil

§ 263 ZPO, § 559 Abs 1 ZPO, § 264 Nr 2 ZPO, § 611 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.06.2013, Az. 5 AZR 428/12 (REWIS RS 2013, 4750)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4750

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