Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2016, Az. I ZR 154/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4382

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Gegenstand

Urheberrechtsverletzung über einen Internetanschluss: Reichweite der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers zur Nutzung des Anschlusses durch andere Personen; Zumutbarkeit der Dokumentation der Internetnutzung des Ehegatten - Afterlife


Leitsatz

Afterlife

1. Bei der Bestimmung der Reichweite der dem Inhaber eines Internetanschlusses im Falle einer über seinen Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung obliegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung des Anschlusses durch andere Personen sind auf Seiten des Urheberrechtsinhabers die Eigentumsgrundrechte gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Handelt es sich bei den Personen, die den Anschluss mitgenutzt haben, um den Ehegatten oder Familienangehörige, so wirkt zugunsten des Anschlussinhabers der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta, Art. 6 Abs. 1 GG).

2. Dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses ist es regelmäßig nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es regelmäßig, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 1. Juli 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin macht geltend, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für den Film "[X.]: [X.]" zu sein. Die von der Klägerin beauftragte i.   GmbH ermittelte, dass dieser Film insgesamt vierzehnmal im Zeitraum vom 26. bis 28. September 2010 über die Tauschbörse "b.    " im [X.] anderen Nutzern zur Verfügung gestellt wurde. Die hierbei dokumentierten IP-Adressen wurden dem [X.]anschluss des Beklagten zugeordnet. Der Beklagte hat auf die Abmahnung der Klägerin eine Unterlassungserklärung abgegeben.

2

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe die Rechtsverletzungen begangen. Sie hat geltend gemacht, der Beklagte sei zur Erstattung von Abmahnkosten auf der Grundlage eines Streitwerts von 10.000 € in Höhe von 506 € sowie zur Zahlung von Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe von 600 € verpflichtet.

3

Der Beklagte hat seine Täterschaft in Abrede gestellt und darauf verwiesen, seine Ehefrau nutze den [X.]anschluss selbständig mit. Er hat ferner geltend gemacht, der von ihm eingesetzte Router habe eine massive Sicherheitslücke aufgewiesen, so dass sich Dritte unbefugt Zugang zu seinem WLAN-Anschluss hätten verschaffen können.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen ([X.], [X.], 758). Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen ([X.] Braunschweig, [X.], 522). Mit der vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

5

I. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

6

Der [X.] hafte nicht als Täter für die behauptete Rechtsverletzung. Der Klägerin sei der ihr nach allgemeinen Grundsätzen obliegende Nachweis der Täterschaft des [X.] nicht gelungen. Die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des [X.] greife nur ein, wenn es sich bei dem [X.]inhaber um den einzigen Nutzer des [X.]es handele. Dem [X.] obliege zwar hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen der tatsächlichen Vermutung vorliegen, eine sekundäre Darlegungslast, so dass er vortragen müsse, ob er den [X.] allein nutze oder welche Familienangehörige, Bekannte oder Dritte ebenfalls zur Nutzung des [X.]es in der Lage waren. Dieser Darlegungslast sei der [X.] nachgekommen, indem er seine Ehefrau als Mitnutzerin benannt und konkret zum eingesetzten Router und der bei diesem bestehenden Sicherheitslücke vorgetragen habe. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast sei der [X.] nicht verpflichtet, den Täter der Rechtsverletzung zu ermitteln und namentlich zu benennen. Ferner müsse er weder den Computer untersuchen noch konkreten Vortrag zu seinen Abwesenheitszeiten und denjenigen der Mitbenutzer halten.

7

Der Beweis der Täterschaft des [X.] sei der Klägerin nicht gelungen. Zwar habe die Ehefrau als Zeugin bekundet, selbst keine [X.] benutzt zu haben und den streitgegenständlichen Film nicht heruntergeladen und anderen Nutzern zum Download zur Verfügung gestellt zu haben. Die Kammer sei jedoch von der Wahrheit dieser Angaben nicht überzeugt. Es bestehe kein Anlass, den Angaben der Ehefrau mehr Glauben zu schenken als den Angaben des [X.]. Der [X.] hafte ferner auch nicht als Teilnehmer oder Störer.

8

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg.

9

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass als Anspruchsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs § 97 Abs. 2 Satz 1 [X.] heranzuziehen ist. Danach ist, wer das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Die Klägerin hat ihre Klage auf eine Verletzung ihrer ausschließlichen Verwertungsrechte gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 [X.] und damit auf ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht gestützt. Nach dieser Bestimmung hat der Filmhersteller das ausschließliche Recht, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung, Funksendung oder öffentlichen Zugänglichmachung zu benutzen. Das Anbieten von Filmwerken mittels eines Filesharing-Programms in sogenannten "Peer-to-Peer"-Netzwerken im [X.] verletzt das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 19. April 2012 - [X.], [X.] 2012, 587 Rn. 32 f.; Urteil vom 12. Mai 2016 - [X.], [X.], 1275 Rn. 22 = [X.], 1525 - Tannöd; [X.] in Dreier/[X.], [X.], 5. Aufl., § 94 Rn. 40).

2. Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei als Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte gemäß § 94 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] aktivlegitimiert, nimmt die Revision als für sie günstig hin, so dass hiervon für das Revisionsverfahren auszugehen ist.

3. Das Berufungsgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, ob der Film "[X.]: [X.]" - wie von der Klägerin behauptet - insgesamt vierzehnmal zu den von der Klägerin vorgetragenen Zeitpunkten über den [X.]anschluss des [X.] im [X.] öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Für das Revisionsverfahren ist von diesem Vortrag der Klägerin auszugehen.

4. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der [X.] hafte nicht als Täter für die behaupteten Urheberrechtsverletzungen.

a) Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der [X.] für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2012 - [X.], [X.], 511 Rn. 32 = [X.], 799 - [X.]; Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, [X.]Z 200, 76 Rn. 14 - [X.]; Urteil vom 11. Juni 2015 - [X.], [X.], 191 Rn. 37 = [X.], 73 - [X.]; Urteil vom 12. Mai 2016 - [X.], [X.], 1280 Rn. 32 = [X.], 79 - [X.]). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des [X.], wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen [X.]anschluss benutzen konnten ([X.]Z 200, 76 Rn. 15 - [X.]; [X.], [X.], 191 Rn. 37 - [X.]).

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der [X.]anschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des [X.]anschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des [X.], dem Anspruchsteller alle für seinen [X.] benötigten Informationen zu verschaffen. Der [X.]inhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem [X.]anschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der [X.]inhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den [X.]anschluss genügt hierbei nicht. Entspricht der [X.] seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des [X.] als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen ([X.]Z 200, 76 Rn. 15 ff. - [X.], mwN; [X.], [X.], 191 Rn. 37 und 42 - [X.]; [X.], 1280 Rn. 33 - [X.]). Mit diesen Grundsätzen steht das Berufungsurteil im Einklang.

b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der [X.] habe der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast genügt.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Erfüllung der sekundären Darlegungslast sei substantiierter Vortrag zu den Mitbenutzungsmöglichkeiten Dritter ausreichend; es sei nicht Sache des [X.], die gegen ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung für die Haftung des [X.] sprechenden Umstände zu beweisen. Der [X.] habe seine sekundäre Darlegungslast erfüllt, indem er seine Ehefrau als Mitnutzerin benannt und konkret zum eingesetzten Router und der bei diesem bestehenden Sicherheitslücke vorgetragen habe. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast sei der [X.] nicht verpflichtet, den Täter der Rechtsverletzung zu ermitteln und namentlich zu benennen, den Computer zu untersuchen oder konkreten Vortrag zu den Abwesenheitszeiten des [X.] und der Mitbenutzer zu halten.

bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme der täterschaftlichen Haftung des [X.] erst in Betracht kommt, wenn der [X.]inhaber der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Nutzung des [X.]es durch Dritte nicht genügt. Hingegen besteht keine generelle Vermutung, dass der [X.]inhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem [X.] aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des [X.]es ist. Dies kommt nur in Betracht, wenn für die Täterschaft des [X.] der Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) spricht. Für die Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis ist im Falle der Urheberrechtsverletzung durch die Nutzung eines [X.]anschlusses aber nicht ohne weiteres aufgrund der Inhaberschaft am [X.] Raum.

(1) Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (st. Rspr; vgl. nur [X.], Urteil vom 29. Januar 1974 - [X.], [X.], 750; Urteil vom 1. Oktober 2013 - [X.], [X.], 155 Rn. 14; Versäumnisurteil vom 10. April 2014 - [X.], NJW-RR 2014, 1115 Rn. 9, jeweils m.w.N.). Im Wege des Anscheinsbeweises kann gegebenenfalls von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlossen werden ([X.], Urteil vom 22. Mai 1979 - [X.], [X.], 822, 823; Urteil vom 5. November 1996 - VI ZR 343/95, [X.], 205, 206; Urteil vom 19. Januar 2010 - [X.], NJW 2010, 1072 Rn. 8). Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist ([X.], [X.], 205, 206; [X.], NJW 2010, 1072 Rn. 8; NJW-RR 2014, 1115 Rn. 9). Der Anscheinsbeweis ist entkräftet (erschüttert), wenn der Gegner die ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen [X.] beweist ([X.], Urteil vom 13. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1077 Rn. 10; Urteil vom 7. Februar 2013 - [X.]/11, [X.], 1092 Rn. 28).

(2) Für die Annahme, der Inhaber eines [X.]anschlusses sei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig der Täter einer mittels dieses [X.]es begangenen Urheberrechtsverletzung, fehlt es an einer hinreichenden Typizität des [X.]. Angesichts der naheliegenden Möglichkeit, dass der [X.]inhaber Dritten Zugriff auf seinen [X.] einräumt, besteht für die Annahme der Täterschaft des [X.] keine hinreichend große Wahrscheinlichkeit. Da es sich bei der Nutzung des [X.]es um Interna des [X.] handelt, von denen der [X.] im Regelfall keine Kenntnis hat, obliegt dem [X.]inhaber insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast (s. Rn. 15).

cc) Die Revision wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] habe der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast genügt, weil er seine Ehefrau als Mitnutzerin des [X.]es benannt habe und eine Untersuchung der genutzten Computer auf das Vorhandensein von [X.] nicht erforderlich sei.

(1) Die Bestimmung der Reichweite der dem [X.]inhaber obliegenden sekundären Darlegungslast hat mit Blick darauf zu erfolgen, dass erst die Kenntnis von den Umständen der [X.]nutzung durch den [X.]inhaber dem Verletzten, dessen urheberrechtliche Position unter dem grundrechtlichen Schutz des Art. 17 Abs. 2 [X.] und des Art. 14 Abs. 1 GG steht (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2014 - [X.], [X.], 468 Rn. 47 = [X.], 540 - [X.]; [X.] in Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 14 Rn. 20a, 24 mwN), eine Rechtsverfolgung ermöglicht. Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/[X.] zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der unionsrechtlich vorgesehenen Positionen des geistigen Eigentums vorzusehen.

Auf Seiten des [X.] schützen allerdings die Grundrechte gemäß Art. 7 [X.] und Art. 6 Abs. 1 GG das ungestörte eheliche und familiäre Zusammenleben vor staatlichen Beeinträchtigungen. Diese Grundrechte verpflichten den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen, und berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten (vgl. [X.] 66, 84, 94; 80, 81, 92; 81, 1, 6; [X.], [X.], 3. Aufl., Art. 7 Rn. 19 f.; v. [X.] in Sachs aaO Art. 6 Rn. 22). Werden dem [X.]inhaber zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung im Rahmen der sekundären Darlegungslast Auskünfte abverlangt, die das Verhalten seines Ehegatten oder seiner Kinder betreffen und diese dem Risiko einer zivil- oder strafrechtlichen Inanspruchnahme aussetzen, ist der Schutzbereich dieser Grundrechte berührt.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] obliegt es, wenn mehrere unionsrechtlich geschützte Grundrechte einander widerstreiten, den Behörden oder Gerichten der Mitgliedstaaten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Rechten sicherzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 2008 - [X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = [X.], 241 Rn. 68 - Promusicae; [X.], [X.], 468 Rn. 46 - [X.]; [X.], Urteil vom 15. September 2016 - [X.]/14, [X.], 1146 Rn. 83 = [X.], 1486 - [X.]/[X.]). Nach der Rechtsprechung des [X.] ist der Konflikt zwischen grundrechtlich geschützten Positionen verschiedener Grundrechtsträger nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (vgl. [X.] 28, 243, 260 f.; 41, 29, 50; 52, 223, 247, 251; 93, 1, 21).

(2) Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Reichweite der dem [X.] obliegenden sekundären Darlegungslast auch unter Berücksichtigung der betroffenen [X.] im Ergebnis zutreffend bestimmt.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der [X.] vorgetragen, seine Ehefrau habe über einen eigenen Computer Zugang zu seinem [X.]anschluss gehabt, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der [X.]nutzung durch seine Ehefrau mitzuteilen. Dies war allerdings auch nicht erforderlich. Weitergehende Nachprüfungen dahingehend, ob die Ehefrau hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Zugriffszeiten oder wegen der Art der [X.]nutzung als Täterin der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommt, waren dem [X.] nicht zumutbar. Soweit die Revision darauf verweist, dass im Transportrecht dem Spediteur, der am Tage des Schadenseintritts vom Schaden Kenntnis erlangt, die Pflicht zur sofortigen Recherche und Aufklärung des Schadensereignisses obliegt (vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 2002 - [X.], [X.] 2002, 408), verkennt sie, dass [X.] im kaufmännischen Verkehr nicht ohne weiteres auf das Verhalten von Privatleuten übertragbar sind. Es ist schon zweifelhaft, ob es dem Inhaber eines privaten [X.]anschlusses generell zumutbar ist, Zeit und Art der [X.]nutzung rückwirkend aufzuzeichnen und zu dokumentieren, wenn in einer Abmahnung internetbezogene Urheberrechtsverletzungen behauptet werden. Jedenfalls aber steht im Streitfall auch unter Berücksichtigung des für die Klägerin sprechenden Eigentumsschutzes (Art. 17 Abs. 2 [X.] und des Art. 14 Abs. 1 GG) der zugunsten des [X.] wirkende grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 [X.] und Art. 6 Abs. 1 GG) der Annahme weitergehender Nachforschungs- und Mitteilungspflichten entgegen. Es ist dem Inhaber eines privaten [X.]anschlusses nicht zumutbar, die [X.]nutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es, dem [X.]inhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von [X.] abzuverlangen.

Soweit das Berufungsgericht eine Untersuchung des Computers generell nicht für erforderlich gehalten hat, stellt dies eine zu weitgehende Einschränkung der dem [X.]inhaber obliegenden Pflichten dar. Im Rahmen des Vortrags zu Umständen, die seine eigene [X.]nutzung betreffen, kann der [X.]inhaber vielmehr auch zu der Angabe verpflichtet sein, ob auf dem von ihm genutzten Computer [X.] vorhanden ist (vgl. [X.], [X.], 191 Rn. 41 f. - [X.]). Insoweit erweist sich das Urteil des Berufungsgerichts allerdings aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO), weil der [X.] nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu vorgetragen und angegeben hat, auf seinem Computer sei keine entsprechende Software vorhanden gewesen.

c) Ohne Erfolg greift die Revision die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an.

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, aufgrund der Bekundungen der als Zeugin vernommenen Ehefrau des [X.] stehe fest, dass diese im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzungen den [X.]anschluss des [X.] selbständig mitbenutzt habe. Die Aussage der Zeugin sei ersichtlich aufgrund eigener Erinnerung erfolgt und insoweit glaubhaft. Der Beweis der Täterschaft des [X.] sei der Klägerin aber nicht gelungen. Zwar habe die Zeugin angegeben, selbst keine [X.] benutzt und den streitgegenständlichen Film weder heruntergeladen noch anderen Nutzern über eine Tauschbörse zur Verfügung gestellt zu haben. Die Kammer sei jedoch nicht von der Wahrheit dieser Angaben überzeugt. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Ehefrau, wäre sie tatsächlich Täterin gewesen, die Rechtsverletzungen eingeräumt hätte. Insoweit bestehe kein Anlass, den Angaben der Ehefrau mehr Glauben zu schenken als den Angaben des [X.], der seine Täterschaft ebenfalls in Abrede stelle. Der Kammer seien die Bekundungen des [X.], mit Filesharing nichts zu tun zu haben, durchaus nachvollziehbar und glaubhaft erschienen, so dass die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht hinreichend von der Täterschaft des [X.] überzeugt sei.

bb) Ohne Erfolg rügt die Revision, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zur Frage, ob die Ehefrau den [X.]anschluss des [X.] selbständig mitbenutzt habe, sei mangels Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugin rechtsfehlerhaft.

(1) Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für unwahr zu erachten ist. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 16. April 2013 - [X.], [X.], 1045 Rn. 13; Urteil vom 11. November 2014 - [X.], NJW 2015, 411 Rn. 13 mwN). Solche Fehler sind im Streitfall nicht gegeben.

(2) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht hinreichend deutlich gemacht, aus welchen Gründen es die Angabe der Zeugin, den [X.]anschluss des [X.] selbständig mitbenutzt zu haben, zur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung gemacht hat. Das Berufungsgericht hat die Bekundungen der Zeugin zu ihrer [X.]nutzung als detailreich, nachvollziehbar und aufgrund eigener Erinnerung charakterisiert und sie insgesamt als glaubhaft bewertet. Das Berufungsgericht hegte insoweit erkennbar auch keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich einwandfrei. Sie ist auch nicht im Hinblick darauf widersprüchlich, dass das Berufungsgericht sich von der Wahrheit der weiteren Bekundung der Zeugin, die behaupteten Rechtsverletzungen nicht begangen zu haben, nicht zu überzeugen vermochte. Das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, es sei nicht zu erwarten gewesen, dass sich die Zeugin selbst der Rechtsverletzungen bezichtige, wenn sie sie tatsächlich begangen haben sollte. Das Berufungsgericht hat in die Würdigung ferner die von ihm als nachvollziehbar und glaubhaft beurteilte Einlassung des [X.] einbezogen, kein Filesharing betrieben zu haben, und diese für nicht weniger überzeugungskräftig gehalten als die Bekundungen der Zeugin. Das Berufungsgericht hat damit plausibel dargelegt, warum es die Zeugin nur teilweise als glaubwürdig angesehen hat. Soweit die Revision darauf verweist, die Zeugin könnte ihre [X.]nutzung wahrheitswidrig zu dem Zweck behauptet haben, um den [X.] vor einer Verurteilung zu schützen, setzt die Revision lediglich in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle der Würdigung des Tatrichters. Gleiches gilt für den Einwand der Revision, die Zeugin hätte sich vor einer Selbstbezichtigung auch durch die Ausübung ihres Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 384 Nr. 2 ZPO schützen können.

cc) Die Revision rügt weiter ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen erachtet hat, dass die Zeugin im behaupteten Tatzeitpunkt den [X.]anschluss des [X.] selbständig mitbenutzt hat.

Die Zeugin hat, wie auch die Revision nicht verkennt, bekundet, im [X.] den Computer benutzt zu haben, um Videospiele zu spielen und ins [X.] zu gehen. Auf dieser Grundlage ist die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts zum Zeitpunkt der [X.]nutzung durch die Zeugin revisionsrechtlich einwandfrei.

Die Revision greift weiter erfolglos die Feststellung des Berufungsgerichts an, die Zeugin habe das [X.] selbständig genutzt. Nach der Würdigung des Berufungsgerichts hat die Zeugin Babykleidung bestellt, das [X.] Netzwerk "[X.]" besucht und das Online-Spiel "[X.]" gespielt. Diese Würdigung unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - nicht aus dem Umstand, dass die Zeugin ferner bekundet hat, sie und der [X.] seien "immer zusammen" gewesen, wenn der [X.] zuhause gewesen sei. Diese Bekundung steht der Würdigung des Berufungsgerichts nicht entgegen, weil das Berufungsgericht erkennbar davon ausgegangen ist, dass die Zeugin das [X.] auch während der Abwesenheit des [X.] benutzt hat. Soweit die Revision dies anders sieht, handelt es sich wiederum um eine revisionsrechtlich erfolglose, abweichende Würdigung der tatrichterlichen Feststellungen.

5. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der [X.] hafte weder als Teilnehmer an einer rechtswidrigen Haupttat noch als Störer, wendet sich die Revision nicht.

6. Mangels einer Haftung des [X.] als Täter, Teilnehmer oder Störer besteht, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat, auch kein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten.

III. Danach ist die Revision auf Kosten der Klägerin zurückzuweisen.

Büscher      

        

Koch      

        

Löffler

        

Schwonke      

        

Feddersen      

        

Meta

I ZR 154/15

06.10.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Braunschweig, 1. Juli 2015, Az: 9 S 433/14, Urteil

Art 7 EUGrdRCh, Art 17 Abs 2 EUGrdRCh, Art 6 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, § 19a UrhG, § 94 UrhG, § 97 Abs 2 S 1 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2016, Az. I ZR 154/15 (REWIS RS 2016, 4382)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1961 WM2017,1268 REWIS RS 2016, 4382


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 154/15

Bundesgerichtshof, I ZR 154/15, 18.05.2017.

Bundesgerichtshof, I ZR 154/15, 06.10.2016.


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