10. Senat | REWIS RS 2012, 9986
Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Überraschungsentscheidung durch Aufhebung eines Beweisbeschlusses
NV: Hebt das Gericht einen Beweisbeschluss auf, muss sichergestellt sein, dass die Beteiligten hiervon rechtzeitig Kenntnis erlangen, sofern nicht ein entsprechender Hinweis entbehrlich ist.
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) wegen der Einkommensteuer- und [X.] 2002 und 2003 vom 28. März 2006, des [X.] vom 30. März 2006 und wegen eines nicht näher bezeichneten [X.] 2004 Untätigkeitsklage. Für den Kläger handelte als Bevollmächtigte die [X.]. mit [X.]itz in [X.] und den [X.]. Die [X.]. wurde durch ihren [X.] vertreten.
Auf den Einwand des [X.], es habe die Einsprüche des [X.] vom 4. April 2006 nicht erhalten, machte dieser geltend, [X.] und die unter Geschäftsadresse der [X.]. erreichbare Frau [X.] hätten an diesem Tage den Einspruch abends persönlich in den Hausbriefkasten des [X.] eingeworfen. Hierzu bot der Kläger Beweis durch Vernehmung der [X.] und [X.] an. Auch trug er vor, es seien nachvollziehbare Einträge "in Akte und Postausgang" vorhanden.
Am 5. Oktober 2009 beschloss das [X.] ([X.]), über das vom Kläger bezeichnete Beweisthema Beweis zu erheben durch Vernehmung der [X.] und [X.]. Diesen wurde aufgegeben, das Fristenkontrollbuch und das Postausgangsbuch im [X.]usammenhang mit der streitigen Einspruchseinlegung im Original zum Termin mitzubringen.
Am 28. Oktober 2009 beantragte der Kläger beim [X.], den auf den 6. November 2009 anberaumten Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermin, zu dem auch das persönliche Erscheinen des [X.] angeordnet worden war, aufzuheben. Der Antrag wurde damit begründet, das Finanzamt für [X.]teuerstrafsachen und [X.]teuerfahndung Y ([X.]teufa Y) habe eine [X.]teuerfahndungsprüfung wegen des Verdachts der [X.]teuerhinterziehung und der unerlaubten Hilfe in [X.]teuersachen durch [X.] durchgeführt. Die [X.]teufa Y habe auch Unterlagen wie Fristenkalender und Postausgangsbücher an sich genommen, die zur Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2009 erforderlich seien. Die [X.]teufa Y habe die Einsichtnahme in die beschlagnahmten Unterlagen und die Fertigung von Ablichtungen verweigert. Es liege "ein Komplott unter Beteiligung des [X.] vor, um die durch [X.] vertretene [X.]. wehrlos zu machen". Auch weil die [X.]itzung "eine Farce" sei, werde die [X.]eite hierzu nicht erscheinen.
Das [X.] bat hierauf das [X.], die [X.]teufa Y zu veranlassen, aus den sichergestellten Unterlagen diejenigen herauszusuchen, die im [X.]usammenhang mit dem Kläger stünden und diese [X.] zur Einsichtnahme und zur Fertigung von Ablichtungen zur Verfügung zu stellen. Hierauf lieferte die [X.]teufa Y am 4. November 2009 einen Karton Unterlagen beim [X.] zur amtlichen Verwahrung mit der Maßgabe ab, dass im Einklang mit Vorschriften der [X.]trafprozessordnung nur [X.] und seine Bevollmächtigten im [X.]trafverfahren Einsicht in diese Unterlagen nehmen dürften. Hierauf bot das [X.] dem [X.]trafverteidiger von [X.] und auch der [X.]. an, an einem der beiden Tage vor der mündlichen Verhandlung Einsicht in die von der [X.]teufa Y vorgelegten Unterlagen zu nehmen. [X.]udem forderte das [X.] die [X.]eite auf, die Gründe für die beantragte Terminverlegung glaubhaft zu machen. Die angebotene Akteneinsicht wurde von [X.] nicht wahrgenommen. Auch unterblieb eine Äußerung zu der erbetenen Glaubhaftmachung.
Hierauf teilte der Vorsitzende des zuständigen [X.]enats des [X.] der [X.]. per [X.]X am Tag vor der vorgesehenen mündlichen Verhandlung mit, der Antrag auf Terminsaufhebung werde auf der Basis der derzeitigen Aktenlage abgelehnt. [X.]ofern nicht noch eine gegenteilige Mitteilung erfolge, werde die mündliche Verhandlung wie terminiert durchgeführt.
Daraufhin rügte die durch [X.] vertretene [X.]. mit zwei [X.]chriftsätzen, die am 5. November 2009 in den Nachtbriefkasten geworfen wurden und daher dem zuständigen [X.]enat des [X.] erst am Morgen des [X.]itzungstages vorlagen, die Ablehnung des Terminsaufhebungsantrags sei ein grober Verfahrensfehler. Das Verfahren sei "ein [X.]chauprozess". Für die [X.]eite würde niemand zur [X.]itzung erscheinen, um "gar nicht erst den Anschein rechtmäßigen Vorgehens" zu erwecken. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, den [X.]enatsvorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, vor der Entscheidung über diesen Antrag eine dienstliche [X.]tellungnahme des abgelehnten Richters einzuholen und der [X.]eite unter Einräumung einer angemessenen Frist zur Gegenäußerung zu übersenden. [X.]ur Begründung wurde vorgetragen, die [X.]teufa Y habe mit der Durchsuchungsmaßnahme und [X.]icherstellung der Unterlagen einen "Einbruchsdiebstahl" begangen. [X.] und das [X.] hätten unter Verletzung von § 110 der [X.]trafprozessordnung und in strafbarer Weise auf die "gestohlenen Akten" der [X.]. [X.]ugriff nehmen wollen.
Das [X.] beurteilte den Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich und allein der [X.] dienend. Es verhandelte und entschied deshalb in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Beteiligung des abgelehnten Vorsitzenden. [X.] war für die [X.]eite zu der mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Auch die [X.] und [X.] blieben diesem Termin fern.
Auf den in diesem Termin vom [X.] gestellten Antrag, zwei [X.]teuerfahndungsbeamte als präsente [X.]eugen dazu zu hören, dass im Rahmen der [X.]icherstellungsaktion der [X.]teufa Y keine Unterlagen sichergestellt worden seien, welche die vorliegend zu verhandelnden [X.]treitsachen beträfen, verkündete das [X.] in der mündlichen Verhandlung den Beschluss, den angebotenen [X.]eugenbeweis zu erheben.
Nach Vernehmung der beiden [X.]eugen gab das [X.] in der mündlichen Verhandlung u.a. den rechtlichen Hinweis, das Verhalten der [X.]eite könne für das Gericht möglicherweise "Anlass für das Ergebnis sein", dass das Gericht den im [X.]treitfall gestellten Beweisantrag rückwirkend für rechtsmissbräuchlich hält. Im [X.] hieran wurde die [X.]itzung kurzzeitig unterbrochen und nach deren Fortsetzung der Beschluss verkündet, der (u.a. in der [X.]treitsache ergangene) Beweisbeschluss vom 5. Oktober 2009 werde aufgehoben.
Nach [X.]chluss der mündlichen Verhandlung wies das [X.] die Klage ab. Die Klage hinsichtlich Einkommensteuer 2004 sei mangels Beschwer unzulässig, da im [X.]eitpunkt der Klageerhebung für dieses Jahr noch kein Einkommensteuer-Bescheid vorgelegen habe. Auch hinsichtlich der übrigen [X.]treitgegenstände sei die Klage unzulässig. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er gegen die für diese Jahre ergangenen Bescheide jeweils Einspruch eingelegt habe. Dem klägerischen Beweisantrag habe das Gericht nicht entsprechen müssen, da er zum [X.]wecke der Prozessverschleppung gestellt bzw. aufrechterhalten worden sei. Dies werde durch zahlreiche (vom [X.] im Einzelnen dargestellte) Indizien belegt. Der klägerische Beweisantritt sei kein ernsthafter Antrag gewesen, jedenfalls habe er nach den Ausführungen im klägerischen [X.]chriftsatz vom 27. Oktober 2009 nicht mehr ernsthaft verfolgt werden, sondern nur noch von der Nichtexistenz bzw. der Nichtvorlage des Postausgangs- und Fristenkontrollbuchs ablenken sollen. Dass zunächst ein Beweisbeschluss ergangen sei, stehe dem nicht entgegen. Erst die nach Eintritt der Ladung eingetretenen Ereignisse, insbesondere das angekündigte Nichterscheinen der [X.]eugen in der vom Kläger selbst beantragten Beweisaufnahme habe dem Gericht maßgeblich die klägerische [X.] vermittelt.
Da der Kläger das Verfahren verzögert und insbesondere die Beweisaufnahme unmöglich gemacht habe, habe er mit der Aufhebung des [X.] und der Nichterhebung des beantragten Beweises rechnen müssen. [X.]udem stehe der Rüge einer unzulässigen Überraschungsentscheidung entgegen, dass der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sei. [X.]ugleich liege darin ein Verzicht der Rüge des Übergehens seines Beweisantrags. Durch den in der mündlichen Verhandlung gegebenen Hinweis des Gerichts auf die in Betracht kommende Aufhebung des [X.] sei gegenüber dem Kläger trotz seiner Abwesenheit in dieser dessen Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt worden. [X.]udem sei "aus den Umständen des Verfahrens" und den Ausführungen im klägerischen [X.]chriftsatz vom 4. November 2009 der [X.]chluss zu ziehen, dass der Kläger an seinem Beweisantritt nicht mehr festhalten wolle. Es sei widersprüchlich und unverständlich, wenn die [X.]eite die Vernehmung der [X.]eugen durch das Gericht erwarten würde, andererseits [X.]eugen und Kläger aber einvernehmlich der mündlichen Verhandlung in der Annahme fernblieben, die Beweisaufnahme zu vereiteln.
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger geltend, die Revision sei zuzulassen. Das angefochtene Urteil beruhe auf [X.]. Das [X.] habe insbesondere dem klägerischen Beweisantrag nicht entsprochen und gebotene richterliche Hinweise nicht erteilt. Es habe die vom Kläger beantragte Vernehmung von zwei [X.]eugen zwar durch Beweisbeschluss angeordnet, die Beweisaufnahme aber dann nicht ausgeführt. Die Annahme des [X.], der Kläger habe sinngemäß zum Ausdruck gebracht, er verzichte auf diese Beweiserhebung, sei unzutreffend. Allein die beantragte [X.]eugenvernehmung sei geeignet gewesen, ihm, dem Kläger, zum Erfolg zu verhelfen. [X.]u Unrecht habe das [X.] auch angenommen, die klägerischen Beweisanträge dienten der Prozessverschleppung. Das [X.] habe es versäumt, darauf hinzuweisen, dass es beabsichtige, die Beweisanträge wegen Vorliegens einer solchen Verschleppungsabsicht abzulehnen. Im Falle eines rechtzeitigen Hinweises wäre dargelegt worden, aus welchen Gründen eine solche Verschleppungsabsicht nicht vorgelegen habe. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der vor der mündlichen Verhandlung geführte klägerische [X.]chriftwechsel vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass sich die vom [X.] angebotene Akteneinsicht in die bei [X.] beschlagnahmten Unterlagen nicht auf das gesamte beschlagnahmte Material, sondern lediglich auf von der [X.]teufa Y vorsortierte Unterlagen bezogen habe.
II. Die Beschwerde hat Erfolg, soweit sie die Einkommensteuer 2002 und 2003 sowie die Umsatzsteuer der [X.]treitjahre 2002 bis 2004 und die hierzu ergangenen [X.]insbescheide betrifft. Insoweit wird das Urteil des [X.] aufgehoben und die [X.]treitsache nach § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Das angefochtene Urteil beruht in diesem Umfang auf einer unzulässigen Überraschungsentscheidung. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg, weil das Urteil, soweit es sich auf die Einkommensteuer 2004 und die [X.]insen hierzu bezieht, nicht auf dem genannten Verfahrensmangel beruht.
1. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung verletzt den Anspruch auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 119 Nr. 3 [X.]O).
a) Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (ständige Rechtsprechung des [X.] --[X.]--; vgl. z.B. Urteil vom 21. Januar 1998 III R 31/97, [X.] 1998, 732).
Hat sich das [X.] gegenüber den Beteiligten in der den Rechtsstreit betreffenden maßgeblichen Tat- oder Rechtsfrage in der Besetzung geäußert, die später in der [X.]ache entscheidet, dann liegt eine solche Überraschungsentscheidung vor, wenn das [X.] ohne vorher auf eine Änderung seiner Beurteilung hinzuweisen entgegen der zuvor geäußerten Absicht entscheidet ([X.] vom 7. Juli 2003 [X.]/02, [X.] 2003, 1440, und [X.]-Urteil vom 11. November 2008 [X.], [X.], 308, B[X.]tBl II 2009, 309; zur Abgrenzung vgl. auch [X.] vom 17. März 2008 IX [X.]/07, [X.] 2008, 1180). Aus diesem Grund muss das [X.], wenn es eine durch Beweisbeschluss angeordnete Beweisaufnahme nicht oder nicht in vollem Umfang durchzuführen beabsichtigt, zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung gegenüber den Beteiligten vor Erlass des Urteils unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass bzw. inwiefern es den Beweisbeschluss als erledigt betrachtet ([X.]enatsbeschuss vom 3. Dezember 2002 [X.], [X.] 2003, 343, und [X.] vom 27. August 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 2292).
Im [X.]treitfall hat das [X.] durch Beweisbeschluss vom 5. Oktober 2009 angeordnet, [X.] und [X.] als [X.]eugen zu vernehmen. In der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2009, hat das [X.] hingegen den Beweisbeschluss wieder aufgehoben. Da für die [X.]eite zu dieser Verhandlung niemand erschienen war, gelangte der in dieser Verhandlung erteilte Hinweis auf die beabsichtigte Aufhebung des [X.] nicht rechtzeitig zur Kenntnis des [X.]. Der zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung gebotene rechtliche Hinweis wurde mithin dem Kläger nicht erteilt.
b) Ein solcher Hinweis kann entbehrlich sein. Hierfür genügt jedoch nicht, dass die Beteiligten allgemein in Betracht ziehen müssen, das [X.] werde von der Beweisaufnahme absehen. Denn das [X.] hat durch den Beweisbeschluss eine Verfahrenslage geschaffen, auf welche die Beteiligten ihre Prozessführung einrichten dürfen. [X.]ie können daher grundsätzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht eher ergehen wird, bis der Beweisbeschluss vollständig ausgeführt ist ([X.] in [X.] 2010, 2292). Abweichendes kann nur gelten, wenn das Gericht zu Recht davon ausgehen kann, es sei auch aus der [X.]icht der Beteiligten zweifelsfrei, dass sich eine angeordnete Beweisaufnahme erledigt habe, ohne dass es eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises bedürfe.
Von einer solchen Erledigung durfte das [X.] im [X.]treitfall nicht ausgehen.
Die Würdigung durch das [X.], der Kläger habe durch sein angekündigtes Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung und seine in diesem [X.]usammenhang gemachten Ausführungen konkludent auf seinen Beweisantritt verzichtet, vermag der hier beschließende [X.]enat nicht zu teilen.
[X.]um einen fehlt eine eindeutige Aussage des [X.], er halte an seinem Beweisantrag nicht mehr fest. Andererseits berücksichtigt das [X.] nicht, dass [X.] im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten auszulegen sind ([X.] vom 29. Juli 2009 [X.]/09, [X.] 2009, 1822). Danach ist nicht erkennbar, weshalb der Kläger --insbesondere zur Wahrung seiner Rechte im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens-- auf seinen Beweisantrag verzichten sollte. Der Kläger weist in seiner Beschwerdebegründung zu Recht darauf hin, dass der Erfolg seiner Klage wesentlich von dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme abhänge. Nicht zutreffend ist auch die Erwägung des [X.], der Kläger verhalte sich widersprüchlich, wenn er an der Beweisaufnahme festhalte, andererseits aber eine [X.]eugenvernehmung dadurch verhindere, dass er die [X.]eugen zum Fernbleiben von der angeordneten Beweisaufnahme veranlasse. Das [X.] berücksichtigt insoweit nicht, dass es durch die Mittel des Ordnungsrechts (vgl. § 380 der [X.]ivilprozessordnung --[X.]PO-- i.V.m. § 155 [X.]O) das Erscheinen der [X.]eugen erzwingen kann.
Entgegen der Ansicht des [X.] war ein Hinweis auf die beabsichtigte Aufhebung des [X.] auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger durch sein Verhalten den Grund dafür geliefert hat und er mit der [X.] rechnen musste. Wie dargelegt genügt die bloße Annahme, der Kläger müsse mit der Nichtdurchführung der Beweisaufnahme rechnen, nicht, den bereits ergangenen Beweisbeschluss ohne vorherigen Hinweis aufzuheben. [X.]udem ist zu berücksichtigen, dass das [X.] seine Annahme, der gestellte Beweisantrag diene allein der Verschleppungsabsicht, auch auf das Ergebnis der Vernehmung der vom [X.] benannten beiden [X.]teuerfahndungsbeamten gestützt hat, obwohl der Kläger von diesen Vernehmungen und deren Ergebnis keine Kenntnis hatte.
c) Der vorherige Hinweis an den Kläger auf die beabsichtigte Aufhebung des [X.] war auch nicht deshalb entbehrlich, weil dieser der anberaumten mündlichen Verhandlung ferngeblieben ist. Der Kläger hat durch das Fernbleiben nicht sein Recht zur Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs verloren.
aa) [X.]war wird der Anspruch auf rechtliches Gehör durch die prozessuale Mitverantwortung der Beteiligten begrenzt. Dementsprechend kann im Grundsatz der Beteiligte, der nicht in der mündlichen Verhandlung erscheint, keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. [X.] vom 29. Oktober 1999 [X.]/99, [X.] 2000, 580). Dies gilt jedoch nur im Hinblick auf bereits in das Verfahren eingeführte und den Beteiligten bekannte oder bekannt gegebene Tatsachen oder Rechtsfragen ([X.] vom 18. Juli 2003 [X.], [X.] 2004, 51, m.w.N. aus der [X.]-Rechtsprechung, und vom 1. Februar 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 921). Im Fall einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen Prozesssituation ist hingegen rechtliches Gehör zu gewähren. Das Gericht ist in einem solchen Fall gehalten, die mündliche Verhandlung zu vertagen, wenn anderweitig das rechtliche Gehör nicht gewahrt werden kann.
Diese Voraussetzungen liegen im [X.]treitfall vor. Das [X.] hat zunächst durch den von ihm erlassenen Beweisbeschluss bei den Verfahrensbeteiligten einen Vertrauenstatbestand des Inhalts geschaffen, es werde die Beweisaufnahme wie angeordnet durchführen. [X.] das [X.] hiervon abrücken, so bewirkt dies eine veränderte prozessuale Lage, der es --auch im Fall der Abwesenheit eines Beteiligten in der mündlichen [X.] durch vorherige Anhörung der Verfahrensbeteiligten hätte Rechnung tragen müssen, was im [X.]treitfall unterblieben ist.
bb) Der Kläger hat auch sein Rügerecht nicht i.[X.]. des § 295 [X.]PO i.V.m. § 155 [X.]O verloren. Die Nichtteilnahme des [X.] an der mündlichen Verhandlung bewirkt nicht, dass sein Recht, die fehlende Vertagung zu rügen, infolge eines [X.] entfällt ([X.] in [X.] 2010, 921). Der [X.] vom 2. März 2005 [X.]/04 ([X.] 2005, 1576) ist im [X.]treitfall nicht einschlägig. Die Aussage des [X.], ein Beteiligter, der unentschuldigt nicht zur mündlichen Verhandlung erscheine, verliere infolge [X.] sein Recht, eine unterlassene Beweisaufnahme zu rügen, ist nicht in einem Fall ergangen, in dem das [X.] bereits einen Beweisbeschluss erlassen hatte. In einem solchen Fall muss ein Beteiligter nicht damit rechnen, dass das [X.] ohne vorherigen Hinweis von einer Beweisaufnahme absehen wird. Es fehlt im [X.]treitfall daher an dem für einen Rügeverzicht erforderlichen Merkmal, dass das Unterlassen der Beweiserhebung vorhersehbar sein muss ([X.]-Urteil vom 29. Juni 1994 [X.], [X.] 1995, 320).
2. Da im Falle der [X.]ulassung der Revision aller Voraussicht nach das [X.]-Urteil in dem im Tenor bestimmten Umfang aufgehoben und die [X.]ache an das [X.] zurückverwiesen werden müsste, macht der beschließende [X.]enat von § 116 Abs. 6 [X.]O Gebrauch und verweist den Rechtsstreit insoweit bereits im Beschwerdeverfahren an das [X.] zurück.
3. [X.]oweit das Urteil die Einkommensteuer 2004 und die [X.]insen hierzu betrifft, beruht es nicht auf dem vorstehend dargelegten Verfahrensfehler. Das [X.] hat --worauf es bereits in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 6. November 2009 hingewiesen hatte-- die Klage deshalb abgewiesen, weil im [X.]eitpunkt der Klageerhebung noch kein Einkommensteuer-Bescheid 2004 existierte. Die Klage war daher bereits wegen fehlender Beschwer unzulässig. Die Entscheidung über die insoweit erhobene Klage war somit nicht von dem Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme abhängig. In diesem Umfang beruht das angefochtene Urteil daher nicht darauf, dass das [X.] ohne vorherige Anhörung seinen Beweisbeschluss aufgehoben hat. Andere Verfahrensmängel, auf denen die die Einkommensteuer 2004 betreffende Klage beruhen könnte, sind nicht ersichtlich.
4. Von einer weitergehenden Darstellung des [X.]achverhalts und einer zusätzlichen Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.]O abgesehen.
Meta
19.01.2012
Beschluss
vorgehend FG Köln, 6. November 2009, Az: 15 K 2630/06, Urteil
§ 119 Nr 3 FGO, Art 103 Abs 1 GG
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2012, Az. X B 4/10 (REWIS RS 2012, 9986)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 9986
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Festsetzung eines Ordnungsgeldes
Überraschungsentscheidung bei nicht durchgeführter Beweiserhebung - Absehen von einer Begründung
VIII R 23/11 (Bundesfinanzhof)
(Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung - Begriff der "nahestehenden Person" - Scheingeschäft - Leerstandszeiten - …
Zeugenbeeidigung - verzichtbare Verfahrensmängel - Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten - vorweggenommene Beweiswürdigung
VIII R 12/12 (Bundesfinanzhof)
(Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bei nachträglich bekannt gewordenen …
Keine Referenz gefunden.
Keine Referenz gefunden.