Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2011, Az. II ZR 28/10

II. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4905

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 28/10
Verkündet am:
12. Juli 2011
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

[X.] (= [X.] I-VO) Art. 22 Nr. 2
Wo sich der für die ausschließliche internationale Zuständigkeit nach Art.
22 Nr.
2 [X.] maßgebliche Sitz der Gesellschaft in einem Mitgliedsstaat der [X.] befindet, bestimmt sich bei Klagen nach dieser Vorschrift nach der Gründungstheorie und damit grundsätzlich nach dem [X.] im Herkunftsstaat.
[X.], Urteil vom 12. Juli 2011 -
II ZR 28/10 -
OLG [X.]/Main

LG Hanau

-
2
-
Der II. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2011 durch [X.]
[X.], [X.]
Strohn, die Richterinnen [X.] und Dr.
Reichart sowie den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 3. Februar 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist eine am 22. Januar 2007 nach dem Recht des Vereinig-ten Königreichs gegründete [X.] ([X.]) mit eingetrage-nem Sitz in [X.]

, [X.]. Sie ist die persönlich haftende Gesellschafte-rin der V.

Ltd. & Co. KG, die ihren Sitz in [X.]

, [X.], hat und dort ein Sportstudio betreibt. Hierauf beschränkt sich die Geschäftstätigkeit der [X.].

In Nr. 31 (A) des Gesellschaftsvertrags der [X.] heißt es:
1
2
-
3
-
Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern sowie der Gesellschafter mit der Gesell-schaft oder ihren Organen werden den Gerichten der Bundesrepublik [X.] zu-gewiesen, sofern die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in der Bundesre-publik [X.] unterhält. Örtlich zuständig in der Bundesrepublik [X.] ist dann das Gericht am Verwaltungssitz der Gesellschaft.
Der Kläger ist mit 90 von 200 Geschäftsanteilen neben T.

S.

Gesellschafter
der [X.]. Am 27. März 2008 beschloss die Gesellschafter-versammlung in Abwesenheit des [X.], dass er als Director der [X.] ausscheidet und S.

alleiniger Director bleibt. Außerdem wurde der Be-schluss gefasst, mit S.

einen Dienstvertrag über seine Unternehmensfüh-rungstätigkeit zu schließen.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die Beschlüsse für nichtig zu erklä-ren, da die Gesellschafterversammlung der [X.], die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in [X.]

habe, nicht ordnungsgemäß einberufen worden und nicht beschlussfähig gewesen sei. Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Über die Revision des [X.] ist, obwohl die Beklagte im [X.] vor dem Senat nicht vertreten war, durch streitiges Endurteil (un-echtes Versäumnisurteil), nicht durch Versäumnisurteil, zu entscheiden, da sich die Revision auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 1993 3
4
5
6
-
4
-
-
XII ZR 239/91, NJW 1993, 1788; Urteil vom 13. März 1997 -
I
ZR
215/94, NJW
1998, 156, 157; Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 555 Rn. 6).
II.
Das Berufungsgericht (OLG [X.] am Main, [X.], 800) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klage sei unzulässig, weil die [X.] Gerichte international nicht zuständig seien. Ausschließlich zuständig seien gemäß Art.
22 Nr.
2 der [X.] ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Deze[X.] 2000 über die gericht-liche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (ABl. [X.]
2001 Nr.
L
12/01 S.
1; [X.]
=
[X.] I-VO) die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem die Gesellschaft ihren Sitz habe. Bei Anwendung dieser Vorschrift sei der Sitz der Gesellschaft nach der Gründungstheorie zu bestimmen. Ausschlaggebend sei danach, in welchem Land, das heißt nach welchem Recht die Gesellschaft gegründet worden sei. Da sich der Gründungssitz der [X.] in [X.]

/[X.] befinde, seien für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ausschließlich die engli-schen Gerichte zuständig. Die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Gerichts-standsvereinbarung sei unwirksam.
III.
Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das [X.] hat die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte zu Recht verneint.
1.
Zutreffend hält das Berufungsgericht Art.
22 Nr.
2 [X.] für an-wendbar. Diese Vorschrift regelt die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum [X.] haben. Ihr Anwendungsbereich ist jedenfalls dann eröffnet, wenn sich die Klage -
wie im Streitfall
-
unmittelbar gegen Beschlüsse der Gesellschafter-7
8
9
10
-
5
-
versammlung richtet und beantragt wird, diese Beschlüsse für nichtig zu erklä-ren (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Mai 2011 -
C-144/10, [X.], 1071 Rn.
44 -
BVG/JPMorgan).
2.
Die Anwendung des Art. 22 Nr. 2 [X.] führt, wie das Berufungs-gericht richtig gesehen hat, zur ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte des [X.], da sich der [X.] der [X.] dort befindet.
a)
Die Vorschrift des Art. 22 Nr. 2 [X.] weist die ausschließliche [X.] für die dort aufgeführten Klagen den Gerichten des Mitgliedstaats zu, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat. Bei der Entscheidung darüber, wo sich der für die Zuständigkeit maßgebli-che Sitz der Gesellschaft oder juristischen Person befindet, hat das angerufene Gericht gemäß Art. 22 Nr. 2 Satz 2 [X.] die Vorschriften seines [X.] Privatrechts anzuwenden. Abzustellen ist damit -
im Unterschied zu Art. 59 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 1 [X.]
-
auf die im [X.] geltenden Kolli-sionsnormen, aus denen in Fällen der Auslandsberührung zu entnehmen ist, welches materielle Recht Anwendung findet.
Diese Regelung dient im Wesentlichen dem Zweck, die Zuständigkeit für die Entscheidung der genannten Rechtsstreitigkeiten an einem Ort zu lokalisie-ren, um einander widersprechende Entscheidungen
über das Bestehen von Gesellschaften und die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zu verhindern ([X.], Urteil vom 2. Oktober 2008 -
C-372/07, [X.]. 2008, [X.] = [X.] 2009, 28 Rn. 20 -
Hassett und [X.]; Urteil vom 12. Mai 2011 -
C-144/10, [X.], 1071 Rn. 40 -
BVG/JPMorgan). Zudem soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, am besten in der Lage sind, über derartige Rechtsstreitigkeiten zu [X.] ([X.], Urteil vom 2. Oktober 2008 -
C-372/07, [X.]. 2008, [X.] = 11
12
13
-
6
-
[X.] 2009, 28 Rn.
21 -
Hassett und [X.]; Urteil vom 12.
Mai 2011
-
C-144/10, [X.], 1071 Rn.
36
f. -
BVG/JPMorgan). Dementsprechend wird der Zweck des Art. 22 Abs. 2 [X.] auch darin gesehen, die Entscheidung dem Gericht zuzuweisen, dessen materielles Recht angewendet wird (vgl.
Kropholler, [X.]s Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 22 [X.] Rn.
33; Wagner in [X.], [X.] Auslandsgesellschaften in [X.], S.
265
f.; [X.]/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2.
Aufl., §
12 Rn.
7; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 22 [X.] Rn. 16; [X.], [X.]s Zivilprozessrecht, §
6 Rn.
117; [X.]/Mankowski, [X.]/[X.], Art. 22 [X.] I-VO Rn. 28; [X.], [X.] 2007, 388, 391
f.; [X.], [X.] 2010, 513, 514; [X.], [X.] 2010, 576, 577; s.a. [X.], [X.], 49, 50).
b)
In [X.] ist das internationale Privatrecht, das bei Klagen ge-gen eine Auslandsgesellschaft festlegt, welcher Rechtsordnung deren [X.] zu unterstellen ist, nicht kodifiziert. Es ergibt sich aus den -
jeweils ungeschriebenen
-
Regeln der Sitztheorie, nach der auf den tatsächlichen [X.] der Gesellschaft abzustellen ist, oder der Gründungstheorie, die besagt, dass das Personalstatut der Auslandsgesellschaft nach dem Recht ih-res Gründungsstaats zu beurteilen ist (vgl. [X.], Urteil vom 14. März 2005 -
II
ZR
5/03, [X.], 805 f.; Urteil vom 11.
Januar 2011 -
II
ZR
157/09, ZIP
2011, 328 Rn.
16).
aa)
Im Streitfall ist die Gründungstheorie anwendbar, da die beklagte Gesellschaft in einem Mitgliedstaat der [X.]n Union gegründet wurde.
(1)
Der Senat folgt zwar im Grundsatz weiterhin der Sitztheorie ([X.], Urteil vom 27.
Oktober 2008 -
II
ZR
158/06, [X.]Z
178, 192 Rn.
21
f. 14
15
16
-
7
-
-
Trabrennbahn; Urteil vom 15. März 2010 -
II
ZR
27/09, [X.], 1003 Rn.
15).
Er hat sich aber -
wie zuvor schon der [X.]. Zivilsenat (Urteil vom 13. März 2003 -
[X.] ZR 370/98, [X.]Z 154, 185, 190)
-
aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs devom 9. März 1999 -
C-212/97, [X.]. 1999, [X.]" (Urteil vom 5. Nove[X.] 2002 -
C-208/00, [X.]. 2002, [X.] = [X.], [X.] 2003 -
C-167/01, [X.]. 2003,
[X.] = ZIP 2003, 1885) für diejenigen Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der [X.]n Union oder des [X.]n Wirtschaftsraums oder in einem mit diesen aufgrund eines [X.] in Bezug auf
die Nie-derlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden sind, der Grün-dungstheorie angeschlossen ([X.], Urteil vom 14. März 2005 -
II
ZR
5/03, ZIP
2005, 805
f.; Urteil vom 19. Septe[X.] 2005 -
II
ZR
372/03, [X.]Z 164, 148, 151; Urteil vom 27. Oktober 2008 -
II
ZR
158/06, [X.]Z 178, 192 Rn.
19 -
Trabrennbahn; Urteil vom 11. Januar 2011 -
II
ZR
157/09, ZIP
2011, 328 Rn.
16).
Hieran ist auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäi--
[X.]/06, [X.]. 2008,
[X.] = ZIP 2009, 24) festzuhalten. In dieser Entscheidung hat der Gerichts-

Septe[X.] 1988 -
C-81/87, [X.]. 1988, 5483 = NJW 1989, 2186), das Recht des [X.] bekräftigt, die Voraussetzungen festzulegen, die eine [X.] muss, um als eine nach seinem Recht gegründete Gesellschaft die [X.] zu erlangen und zu erhalten ([X.], Urteil vom 16. Deze[X.] 2008 -
[X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = ZIP 2009, 24 Rn. 99 ff., 110 -
Cartesio; siehe dazu auch MünchKommGmbHG/[X.], Einl. Rn. 361; [X.], [X.] 17
18
-
8
-
2009, 128; [X.], [X.] 2009, 130). Für den [X.] ergibt sich daraus keine Relativierung der auf die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV -
früher Art. 43, 48 [X.]V) gestützten Vorgaben, die in der Gründungs-theorie ihren Ausdruck gefunden haben.
(2)
Die Anwendung der Gründungstheorie auf Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der [X.]n Union gegründet wurden, hängt nicht davon ab, ob ein über den reinen Registertatbestand hinausgehender re-[X.], Urteil vom 14. März 2005 -
II
ZR
5/03, [X.], 805, 806; Paefgen in Westermann, Handbuch der Personengesellschaften [bei juris], § 60 [X.]ernatio-nales Privatrecht Rn. 4118a; [X.] in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, [X.] Rn. 27; aA [X.] in Altmeppen/[X.], GmbHG, 6. Aufl., § 4a Rn. 43
f.; [X.], [X.] 2010, 576, 578).
Aus der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.]n Union

-
C-196/04, [X.]. 2006,
I-7995 = ZIP 2006, 1817) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Nach dieser Ent-scheidung kann eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch den [X.] gerechtfertigt sein, wenn die Beschränkung darauf abzielt, [X.] zu verhindern, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftli-chen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, der Steuer zu [X.], die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne ge-schuldet wird ([X.], Urteil vom 12. Septe[X.] 2006 -
C-196/04, [X.]. 2006,
I-7995 = ZIP 2006, 1817 Rn. 51 ff., 55 -
Cadbury [X.]). In diesem Zu-sammenhang hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Niederlassungsfreiheit die Eingliederung in den Aufnahmemitgliedstaat ermöglichen solle, nämlich eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft im Aufnahmemitglied-19
20
-
9
-
staat und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem (aaO Rn. 54).

wirtschaftliche Tätigkeit im [X.], sondern eine (zusätzliche) realwirt-schaftliche Präsenz im Herkunftsstaat. Außerdem ist sie auf eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch den [X.] gerichtet, nicht durch den Herkunftsstaat, der hierzu in weiterem Umfang befugt wäre (vgl. [X.], Urteil vom 16. Deze[X.] 2008 -
[X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = ZIP 2009, 24 Rn.
99
ff., 110 -
Cartesio).
(3)
Danach bestimmt sich der aus der Niederlassungsfreiheit folgende Schutz einer Auslandsgesellschaft vor Beschränkungen durch den Aufnahme-

e-richtshofs der [X.]n Union. Der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur gegründet wurde, um in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, stellt keinen Missbrauch der vom [X.] zu beachtenden Niederlassungsfreiheit dar, und zwar auch dann nicht, wenn die betreffende Gesellschaft ihre Tätigkeiten hauptsächlich oder aus-schließlich im Aufnahmemitgliedstaat ausübt ([X.], Urteil vom 9. März 1999 -
C-212/97, [X.]. 1999, [X.] = ZIP 1999, 438 Rn. 18, 29 -
Centros; Urteil vom 30. Septe[X.] 2003 -
C-167/01, [X.]. 2003, [X.] = ZIP 2003, 1885 Rn. 96, 137 ff. -
Inspire Art).
bb)
Da sich das im Streitfall anwendbare internationale Privatrecht aus den Regeln der Gründungstheorie ergibt, sind sie maßgebend für die Entschei-dung darüber, wo sich der gemäß Art. 22 Nr. 2 Satz 2 [X.] zuständigkeits-begründende Sitz der [X.] befindet. Dies dient auch dem im [X.]eresse einer sachkundigen Entscheidung wünschenswerten Gleichlauf von internatio-21
22
23
-
10
-
naler Zuständigkeit und anwendbarem materiellen Recht (vgl. Mankowski, [X.], 802, 803).
Auf die weitere Frage, ob eine Anwendung der Sitztheorie in Fällen wie dem vorliegenden zu einer (eigenständigen) Beeinträchtigung der unionsrechtli-chen Niederlassungsfreiheit führen würde (vgl. dazu [X.] in [X.], Aus-ländische [X.]italgesellschaften im [X.] Recht, § 5 Rn. [X.], [X.] 168 [2004], 355, 360 f.; [X.], [X.] 2005, 208, 217; [X.], [X.] 2007, 388, 392; [X.], [X.] 2010, 513, 515) kommt es danach nicht an (vgl. [X.]/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl., § 12 Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.], Zivilrecht unter [X.] Einfluss, 2. Aufl. [2010], [X.]. 27 Rn. 104; [X.] in [X.]/Schütze, [X.]s Zivilverfah-rensrecht, 3. Aufl., Art. 22 [X.] Rn. 213; [X.], [X.]s Zivilprozess-recht, § 6 Rn. 118; [X.]/Mankowski, [X.]/[X.], Art. 22 [X.] I-VO Rn. 30; [X.], [X.] 2010, 576, 577; Mankowski, [X.], 802, 803).
cc)
Der nach der Gründungstheorie anzunehmende Sitz der Gesellschaft ist grundsätzlich der im Herkunftsstaat bestehende [X.].
Nach verbreiteter Auffassung im Schrifttum führt der Rückgriff auf die Gründungstheorie zur Bestimmung des Sitzes gemäß Art. 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] ohne weiteres zur Zuständigkeit der Gerichte des Gründungsstaates, in dem sich typischerweise zugleich der [X.] befindet (vgl. [X.]/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl., § 12 Rn. 9; [X.], [X.]s Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 118; [X.]/Mankowski, [X.]/
[X.], Art. 22 [X.] I-VO Rn. 30; [X.] in Henssler/Strohn, Gesell-schaftsrecht, [X.] Rn. 208; [X.], [X.] 2010, 576, 577 f.; Mankowski, [X.], 802, 803; s.a. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 22 [X.] 24
25
26
-
11
-
Rn. 16 und [X.], [X.] 2004, 1083, 1087; für eine Verweisung auf das Recht des Herkunftsstaates hingegen [X.], [X.] 2005, 208, 218).
Vereinzelt wird aber bezweifelt, ob die Gründungstheorie in dem Sinn an einen in bestimmter Weise definierten Gesellschaftssitz anknüpft, dass sie eine Gesellschaft befindet (vgl. [X.], [X.] der Grün-dungstheorie, [X.] [2002], 283, 307 f.; siehe dazu [X.] in K.
Schmidt/[X.], [X.], 2. Aufl., [X.].[X.] Rn. 8; MünchKommGmbHG/[X.], Einl. Rn. 333, jeweils m.w.N.).
Dem ist entgegenzuhalten, dass das auf die Niederlassungsfreiheit ge-stützte Recht einer Gesellschaft, nach dem Recht des Gründungsstaates in ei-nem anderen Mitgliedstaat (ausschließlich) tätig zu werden, voraussetzt, dass die [X.] einen Sitz im Sinne von Art. 54 AEUV ([X.] Art. 48 [X.]V) hat, durch den ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung des Gründungsstaates festgelegt wird ([X.], Urteil vom 9. März 1999 -
C-212/97, [X.]. 1999, [X.] = ZIP 1999, 438 Rn. 20 -
Centros; Urteil vom 5. Nove[X.] 2002 -
C-208/00, [X.]. 2002, [X.] = [X.], 2037 Rn. 57 -
Überseering; Ur-teil vom 30. Septe[X.] 2003 -
C-167/01, [X.]. 2003, [X.] = ZIP 2003, 1885 Rn. 97 -
Inspire Art). Insofern ist der im Gründungsstaat bestehende Sitz einer Gesellschaft wesentlich für die Anwendung der auf der Niederlassungsfreiheit beruhenden Gründungstheorie. Dies rechtfertigt es, den im Gründungsstaat bestehenden Sitz als den für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß Art.
22 Nr.
2 [X.] bei Anwendung der Gründungstheorie maßgebenden Sitz anzu-sehen.
dd)
Nach Art. 22 Nr. 2 [X.] sind danach grundsätzlich die Gerichte des Herkunftsstaates zuständig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist al-27
28
29
-
12
-
lerdings
dann in Betracht zu ziehen, wenn nach dem internationalen Privatrecht des Herkunftsstaates ein dortiger Sitz der Gesellschaft im Sinne von Art.
22 Nr.
2 [X.] zu verneinen ist.
Dieser Fall kann eintreten, wenn der Herkunftsstaat der Sitztheorie folgt und auf den tatsächlichen Verwaltungssitz im [X.] abstellt oder wenn er den nach seinem Recht gegründeten Gesellschaften eine Verlegung ihres Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat unter Beibehaltung ihres Ge-sellschaftsstatuts untersagt und deren [X.] im Falle eines [X.] aufgehoben wird.
Im Streitfall trifft aber beides nicht zu. Das [X.] folgt der Gründungstheorie. Überdies enthält das Recht des [X.], wie der Senat selbst feststellen kann (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Juli 2004 -
II
ZR
389/02, [X.], 1549, 1550; Urteil vom 12.
Nove[X.] 2009 -
Xa
ZR
76/07, NJW 2010, 1070 Rn. 20 ff.), zu Art. 22 Nr. 2 [X.] eine Re-gelung, die im vorliegenden Fall zur Zuständigkeit der dortigen Gerichte führt
(vgl. [X.], [X.] 2005, 208, 218; s.a. [X.], AG 2011, 282, 283 bei Fn.
2). Nach Schedule 1 paragraph 10 der [X.] 2001 hat eine Gesellschaft, die nach dem in einem Teil des [X.] geltenden Recht gegründet wurde, ihren Sitz im [X.] (par. 10 [2
a]). Auf einen in einem anderen Mitgliedstaat bestehenden Verwaltungssitz (vgl. par. 10 [3 b]) kommt es neben dem Gründungssitz im [X.] nicht an (par. 10 [4 a]).
3.
Die im Gesellschaftsvertrag getroffene Gerichtsstandsvereinbarung hat das Berufungsgericht zu Recht als unwirksam angesehen, da die nach 30
31
32
-
13
-
Art.
22 Nr. 2 [X.] zu bestimmende Zuständigkeit eine ausschließliche ist (Art. 23 Abs. 5 [X.]).

[X.]
Strohn
[X.]

Reichart

Sunder

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.05.2009 -
6 O 56/08 -

OLG [X.]/Main, Entscheidung vom [X.] -
21 [X.] -

Meta

II ZR 28/10

12.07.2011

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2011, Az. II ZR 28/10 (REWIS RS 2011, 4905)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4905

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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